Die sowjetische Marine ab 1920

K

Köbis17

Gast
Eigentlich war es keine Wahl, jedenfalls wurde es so nichts begründet. Die sowjetische Seite verlangte die 7-inch-Geschütze, da es:
a) kein 8-inch in der sowjetischen Marine etc. geben würde
b) man keines entwickeln könne und wolle
c) die Munitionierung auf 7-inch abgestimmt sei.
Veränderungen in den Arsenalen könnten daher nicht vorgenommen werden.


Das Hauptproblem der jungen sowjetischen Marine nach den 20iger Jahren waren verschiedene Ansichten der taktischen Verwendung. So gab es die Schlachtschiffverfechter, sowie die Ansicht mit U-Booten leichten Überwasserkräften und Flugzeugen die Marine aufzubauen.
Zu diesen Zeitpunkt gehörte die Sowjetunion den Internationalen Verträgen von Washington noch nicht an. Im Jahre 1924 fand eine weitere Konferenz statt, bei der keinerlei Einigung erreicht werden konnte. Grund hierfür waren vor allem die Forderungen Spaniens und der Sowjets.
Mit dem ersten Marinefünfjahresplan (1928-32) wurden die heruntergekommenen Werften instandgesetzt sowie das Schlachtschiff Parizskaja kommuna (ex Sevastopol) und Marat (ex Petropavlovsk) Grundüberholt.
Weiter standen der sowjetischen Marine der alte geschützte Kreuzer Komintern (ex Pamiat Merkuria) und Aurora, sowie die leichten Kreuzer Profintern (ab 1939 Krasnyj Krim), Chervona Ukrajna und Krasnyj Kavkaz zur Verfügung, wobei letzterer noch im Bau war. Die drei leichten Kreuzer waren noch Konstruktionen aus der Zarenzeit und wurden 1913 -1916 auf Kiel gelegt. Während die beiden ersten noch mit 130mm Geschützen in Kassematten ausgerüstet war, wurde die Krasnyj Kavkaz mit 180mm Geschützen ausgerüstet. Das Schiff wurde 1932 fertig gestellt.


Im zweiten Fünfjahresplan (1933-1937) ging man nun dazu über die Werften zu modernisieren sowie neue Werften zu bauen. An Schiffsmaterial konnte nun auch mit Bau von U-Booten, Zerstörern sowie neuen Kreuzern begonnen werden. Jetzt wurde das Schlachtschiff Oktjabrskaja revoljucija (ex Gangut) umgebaut und die 6 leichten Kreuzer der Kirow-Klasse auf Kiel gelegt. Diese waren ebenfalls mit dem 180mm Geschütz ausgerüstet und entstanden nach italienischen Entwürfen.

1937 wurde dann ein Flottenbauplan beschlossen, der als Kern 8 Schlachtschiffe und 8 Schlachtkreuzer, 14 Kreuzer sowie eine große Menge an leichten Überwasserfahrzeugen, sowie 198 U-Booten, vorsah.

Für den schweren Kreuzer wurden in der sowjetischen Marineplanung 1936 folgende Überlegungen angestellt. Die Aufgabenstellung dieses Washington-Kreuzers sollte neben den klassischen Rückhaltdeckung, Operationen leichter Seestreitkräfte und Zufuhrkrieg auf den Hauptverkehrsstraßen der Weltmeere, auch das Niederkämpfen gegnerischer Washington-Kreuzer sein.
Nach Vorstellungen von Admiral Isakov sollten diese Washington-Kreuzers „Jäger“ bei einer Standardverdrängung von etwa 22.000 – 23.000t liegen, mit neun 25,4cm Geschützen bewaffnet sein und 33kn laufen, aber nur schwach gepanzert sein.
Das Projekt wurde 1938 abgewiesen mit Blick auf die deutsche Scharnhorst-Klasse, denn jetzt sollten die Kampfwerte dieser deutschen Schiffe überlegen sein. Ende des Jahres 1939 wurden dann die beiden Schlachtkreuzer Kronstadt und Sevastopol auf Kiel gelegt. Bei einer Verdrängung von 32.700t sollten die Schiffe mit neun 30,5cm Geschützen bewaffnet sein und 32kn laufen können.

Erstaunlich, wie sich die Nachbarländer mit kleineren Marinen an den deutschen Konstruktionen orientierten.

Es wurden auch noch 1938-40 die 4 Schlachtschiffe der Sovetskij Sojuz-Klasse auf Kiel gelegt, die zu diesen Zeitpunkt die Typenverdrängung der Flottenrüstungsbeschränkungen von London mit 45.000t mit ca. 20.000t überschritten.

Keines der Großkampfschiffe wurde je fertig gestellt.
 
...wurde die Krasnyj Kavkaz mit 180mm Geschützen ausgerüstet. Das Schiff wurde 1932 fertig gestellt. [/FONT][/COLOR]

Die Bestückung war wohl eine Verlegenheitslösung.

Immerhin wird hier bestätigt, dass dieses Geschütz breite Verwendung fand (Küstenartillerie), so dass die Fixierung auf die Kreuzerbewaffnung mit 7-inch Sinn machte.
Russian 180 mm/60 (7.1") Pattern 1931 and 180 mm/57 (7.1") Pattern 1932

Für 8-inch gab es nur eine alte Konstruktion von 1905.
Wegen der Munitionsfrage wurde diese alten Küstengeschütze zum Teil in den 30ern ebenfalls auf 7-inch gebracht.
Russian 8"/50 (20.3 cm) Pattern 1905
 
Für 8-inch gab es nur eine alte Konstruktion von 1905.
Wegen der Munitionsfrage wurde diese alten Küstengeschütze zum Teil in den 30ern ebenfalls auf 7-inch gebracht.
Russian 8"/50 (20.3 cm) Pattern 1905

Rein technisch : Wie macht man das ?

Ich kann mir nur den Austausch der Rohre vorstellen - wobei die Anpassung
der Lafette ziemlich umfangreich sein wird.

Umgekehrt war es wohl eher möglich ( Aufbohren der 8,5 cm russ. Beute- Flak
auf 8,8 cm erfolgte )ohne das der Aufwand derart hoch war.
 
Umgekehrt war es wohl eher möglich ( Aufbohren der 8,5 cm russ. Beute- Flak
auf 8,8 cm erfolgte )ohne das der Aufwand derart hoch war.

Das ist problematisch wegen der begrenzten Milimeter zum Aufbohren. Bei 8,5 -> 8,8 funktionierte das, wie an dem massenhaften Einsatz der aufgebohrten 8,5 cm-Flak aus sowjetischen Beutebeständen 1941 ersichtlich ist.

Zum "relining" oder Reduzieren des Kalibers hat Köbis bereits einen Hinweis gegeben.
 
Na da muß nicht das gesamte Rohr gewechselt werden, ein Austausch der Seele reicht da m.E. schon aus.
Da sich die Rohrlebensdauer von Schiffsgeschützen auf 500 bis 1000 Schuß, je nach Kaliber und Mündungsgeschwindigkeit, beschränkte, mussten diese regelmäßig durch Auswechslen der Seele überholt werden.
 
Was mich schon immer interessiert hat, ist, warum nach dem Ende des 2.WK die Sowjets nicht auch auf eine massive Flugzeugträgerflotte setzten.
Es gab noch einige Bauprogramme von Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern bis Mitte der 50iger Jahre, doch wurden diese nie fertig gestellt.
Da Uboot, der Flugzeugträger sowie als Waffensystem die Rakete und als neue Antriebseinheit der Atomreaktor, die Großen Artillerie Schiffe verdrängt hatten, gab es natürlich eine neue taktische Ausrichtung der Fahrzeuge für eine Marine. Auch spielten Landungsfahrzeuge eine neue Rolle.
Aber eben der Hauptgegenspieler der UdSSR war der US-Amerikaner, der einen Flugzeugträger nach dem anderen in Dienst nahm, warum ging man als bei den Sowjets nicht auch diesen weg, immerhin war die sowjetische Marine genauso Mächtig, wie die US-Amerikanische.
 
Aber eben der Hauptgegenspieler der UdSSR war der US-Amerikaner, der einen Flugzeugträger nach dem anderen in Dienst nahm, warum ging man als bei den Sowjets nicht auch diesen weg, immerhin war die sowjetische Marine genauso Mächtig, wie die US-Amerikanische.

Nur eine Vermutung:
Wozu hätten Flugzeugträger aus Sicht der SU dienen können? Auseinandersetzungen auf den Weltmeeren sind wohl kein Szenario, und man verfügt über Flugzeuge an den gedachten Brennpunkten Europa und Fernost oder an der Südgrenze der SU, fast als "innere Linie". Anders die USA, die Flugzeugträger als Plattformen für Luftstreitkräfte an möglichen Schwerpunkten vorhalten mußten.
 
Die sowjetische Marine baute aber doch einige recht grosse Hubschrauber-
Träger , soweit ich weiss ?
Und diese waren auch mit Kreuzern , Zerstörern und U-Booten zusammen
als Kampfgruppen einigemale unterwegs - zumindestens im Mittelmeer .

@ silesia : Warum müssen die USA Flugzeugträger an möglichen Schwerpunkten vorhalten ?

Das sie so handeln , ist klar , aber das sie so handeln "müssen ", leuchtet
zumindestens mir nicht ein.
Pure Heimatverteidigung ist dieses Handeln jedenfalls nicht.
 
Was mich schon immer interessiert hat, ist, warum nach dem Ende des 2.WK die Sowjets nicht auch auf eine massive Flugzeugträgerflotte setzten.[/COLOR]

Liegt doch auf der Hand:
Sowjetunion/Russland operiert/e immer mit Ausgangsbasis vom eigenen Territorium auf fremde Gebiete (anscheinend irgendwann mal eine psychologisch nachwirkende militärische Niederlage erlitten, wahrscheinlich Port Arthur). Eine Erweiterung des Machteinflusses oder Kriege waren also immer nur ab den eigenen Grenzen hinaus vorgesehen, um ausreichend Rückzugsraum oder Nachschub zu gewährleisten.
 
Die letzten Erfolge zur See hatten die Russen im 18. Jahrhundert gegen die Schweden und Anfang des 19. Jahrhunderts gegen die Türken. Danach spielte die Russische Flotte keine rumvolle Rolle mehr. Die Schlacht bei Tsuchima war dann der Tiefpunkt.
Russische Interessen liegen auch einfach zu kontinental. Russland und die Sowjetunion erstreckten sich von Europa über Asien. Was wollte man da mit einer teuren Flotte? Eigentlich hatte man ja alles.
Alaska war ja schon zu viel.
 
Die letzten Erfolge zur See hatten die Russen im 18. Jahrhundert gegen die Schweden und Anfang des 19. Jahrhunderts gegen die Türken. Danach spielte die Russische Flotte keine rumvolle Rolle mehr. Die Schlacht bei Tsuchima war dann der Tiefpunkt.
Danke, dass Du mein Interesse an russischer Seekriegsgeschichte vor 1900 geweckt hast.
Welchen Sinn "Geschichtsstatistik" auch immer haben mag - rein zahlenmäßig sah das zwischen 1700 und 1900 gut für die Russen aus: 7:3 gegen die Schweden, 4:0 gegen die Türken. Die letzten Erfolge waren Navarino 1827 (mit russischer Beteiligung) und Sinope 1853 gegen die Türken, welche auch die Unterlegenen beim größten Sieg überhaupt (Tschesma 1770) gewesen waren.

Eine mögliche Frage - und die ist ja in Bezug auf Brandenburg-Preußen-Deutschland auch oft gestellt worden - lautet: Reicht das aus, um so etwas wie eine "Seemachts-Tradition" zu begründen, die es wiederum den an einer starken Kriegsflotte interessierten Kreisen, z. B. der einschlägig tätigen Industrie, gestattete, sich erfolgreich um staatliche Ressourcen zu bewerben? In Bezug auf Rußland würde ich das eher verneinen und die Aufrüstung zur See um und nach 1900 "nur" auf eine Art Sogwirkung zurückführen, wie sie ja auch für andere typische Kontinentalmächte wie etwa die k.u.k. Monarchie eintrat.

Russische Interessen liegen auch einfach zu kontinental. Russland und die Sowjetunion erstreckten sich von Europa über Asien. Was wollte man da mit einer teuren Flotte? Eigentlich hatte man ja alles.
Alaska war ja schon zu viel.
Völlig richtig, und bei dieser Sachlage war es z. B. viel rationeller, in Landstreitkräfte und Eisenbahnbau zu investieren als in Schiffe. Und nach 1920 hatte man sowieso andere Sorgen, insbesondere in der Frage der inneren Konsolidierung des riesigen Territoriums. Also wurden nur vorhandene "alte Pötte" renoviert und der schon erwähnte Kreuzer mit der kuriosen 7"-Bewaffnung gebaut. Die Riesenschlachtschiff-Phantasien Ende der 30er Jahren teilten sich die Russen ja mit anderen Nationen; siehe im Übrigen die Einführung zum russischen Kriegschiffbau nach 1922 in Conway's Fighting Chips, Bd. 3, S. 318 ff.

Ein interessanter Aspekt könnte noch die Fremdeinschätzung der russischen Seemacht im 20. Jh. sein. Ich meine irgendwo gelesen zu haben (vielleicht bei v.d.Osten: Die sowjetische Marine im deutschen Urteil 1917-1940), dass diese häufig einen geringschätzigen Tenor hatte, so nach dem Motto: Der russische Bär geht nicht freiwillig ins Wasser (und wenn ers's tut, dann geht er unter).
 
Russische Interessen liegen auch einfach zu kontinental. Russland und die Sowjetunion erstreckten sich von Europa über Asien. Was wollte man da mit einer teuren Flotte? Eigentlich hatte man ja alles.
Alaska war ja schon zu viel.

Ob das so war ?

Peter I. Gründung einer Seeflotte war mit Sicherheit wegen der Durchsetzung
der russischen Interessen im Ostseeraum erfolgt.
Nachfolgend leisteten die russischen Flotten doch den Zaren und
Zarinnen gute Dienste gegen Schweden und die Türkei.
Ich vermute , das auch die sibirische Expansion eine Rolle spielte- die
sibirischen Nordküsten waren ja unbekannt und man vermute doch wohl
eine mögliche Passage dort - oder ?
Das man sich dazu erfahrener Ausländer bediente , wie Bering oder Barents
war doch nur klug - angesichts eigener mangelnder Seefahrtskenntnisse.
Krusensterns Weltumsegelung zeigte dann , das die Russen den Anschluss
geschafft hatten.

Also es gab schon eine Tradition , auf die sich auch die sowj. Marine
berufen konnte.
 
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