Die Sperre von Gibraltar durch die Punier - reale Geopolitik oder Mythos?

Aus den englischen Publikationen kenne ich nur Abul (Nähe Lissabon), sowie die punische Siedlung weiter nördlich auf halber Strecke nach Porto.

Ist das damit gemeint?

Nein, es geht hier um das Stadtgebiet von Lissabon, wo sowohl am Nordufer (Fundort der Begräbnisstele) wie in 4-5 Kilometer Luftlinienentfernung am Südufer phönizisch-punische Niederlassungen für möglich gehalten werden.

Welche punische Siedlung weiter nördlich auf dem Weg nach Porto meinst Du? Mir ist nur Abul als einigermaßen gesicherter Platz an der Westküste bekannt.

Der Forschungsstand zum eisenzeitlichen Lissabon des 1. Jahrtausends v.Chr. entlang archäologischer Befunde bis max. 2012 sollte in folgender Dissertation fassbar sein:

SOUSA, Elisa (2011) – A ocupação pré-romana da foz do Estuário do Tejo durante a segunda metade do 1º milénio a.C. Lisboa. Dissertação de doutoramento apresentada na Faculdade de Letras da Universidade de Lisboa.

Von der selben Autorin noch eine Publikation (PDF) von 2016, also vor dem Fund der Begräbnisstele:
A Idade do Ferro em Lisboa: Uma primeira aproximação a um faseamento cronológico e à evolução da cultura material / Lisbon Iron Age: A first approach to a chronological phasing and material culture | de Sousa | Cuadernos de Prehistoria y Arqueología
 
Ich beziehe mich auf zwei Publikationen, die mir vorliegen.

Celestino/Lopez-Ruiz, Tartessos and the Phoenicians in Iberia, 2016 (Karte auf S. 173 siehe unten)
sowie
Dietler/Lopez-Ruiz, Colonial encounters in ancient Iberia : Phoenician, Greek, and indigenous relations, 2009
(von dort die unten eingestellte Karte zur Verteilung griechischer Keramik, was schon "optisch" den Eindruck nahelegt, dass auch Funde an der Atlantikküste Handelswegen über Land zugrunde liegen können)
34F82F1F-00E9-412C-B61D-E92A5120D09B.jpeg


(2. folgt)
 
Zuletzt bearbeitet:
Durch Zufall bin ich soeben auf eine mitochondriale DNA-Analyse zum Skelett eines “Puniers“ aus der Byrsa von Karthago gestoßen, was ja gerade irgendwie zu den jüngsten Beiträgen passt:

“Vorfahrinnen von der Iberischen Halbinsel
Interessanterweise zeigt das Erbgut des Phöniziers aus Karthago die größte Ähnlichkeit zu einem heute lebenden Portugiesen und zu zwei Steinzeitmenschen, die einst im Nordwesten Spaniens lebten. Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass die Vorfahren des jungen Phöniziers einst aus Europa stammten – und möglicherweise von der Iberischen Halbinsel.“
Erste Genanalyse eines Phöniziers

(Sollte das hier schon mal verlinkt worden sein, bitte ich um Entschuldigung.)
 
@silesia
Danke für die Literaturhinweise und die eingestellten Karten.
(...) was schon "optisch" den Eindruck nahelegt, dass auch Funde an der Atlantikküste Handelswegen über Land zugrunde liegen können)

Eben da sehe ich entlang der meisten archäologischen Funde den phönizisch-punischen Klippschliefer wie auch den griechischen Hasen noch im westiberischen Pfeffer liegen. Keramiken, Fibeln, usw. (wie in Santa Olaia, aber auch andernorts an der Westküste) sind keine sichere Indizien für Handelsniederlassungen. Kontakte ja, womöglich aber auch nur indirekte, und die wären zudem auch über Land denkbar.
Insofern erachte ich den Stelenfund von Lissabon für äußerst spannend.
 
Das sehe ich genau so, wie oben auch ausgeführt.
Materialfunde an der Atlantikküste müssen nicht mit (größeren) settlements verbunden gewesen sein.
Die oben zitierten Publikationen gehen für die Westküsten (und auch östliche Teile) ohnehin davon aus, dass man das Verständnis von Stützpunkten und Siedlungen überdenken müsse. Möglicherweise waren das auch kleinere Siedlungen, die sich in bestehende "einfügten", so wie Siedlungen in "Agentenmodellen" gedacht werden können.
 
Eben da sehe ich entlang der meisten archäologischen Funde den phönizisch-punischen Klippschliefer wie auch den griechischen Hasen noch im westiberischen Pfeffer liegen.
Das Karnickel:
adriano4.jpg

So typisch für die PI, dass die Punier Spanien vermutlich als Land der Klippschliefer (שפן, šāfān) bezeichneten, weil sie das Karnickel nicht kannten.
 
Obrigado!
Deutschsprachiges Wikipedia kennt das nicht, und bspw. das Kfz-Zeichen des Landkreises Pinneberg oder auch Maßeinheiten für Empfängnisverhütung (Pearl-Index) erschienen mir hier irgendwie sinnentleert... ;)
 
Übrigens ist die betreffende Gegend in der Antike bis in die Römerzeit auch wichtig für den Fischfang gewesen. Es wurden dort sogar Punische Münzen mit den Abbildungen von Thunfischen geprägt.
Das ist sie bis heute, auch wenn die Almadraba (eine besondere Art des Thunfischfangs) langsam ausstirbt.
In der Römerzeit war die Bedeutung des Fischfangs in der Region ökonomisch sehr hoch und zumindest der Thunfischfang war es bis vor wenigen Jahren auch. Nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell (Almadraba). Dass der Thunfisch auch schon in punischer Zeit Bedeutung hatte, kann man daran sehen, dass er vielfach auf Münzen abgebildet ist. Daneben gibt es aber auch archäologische Zeugnisse für Salzfischexport von der nordafrikanischen Seite der Meerenge:
"La industria salazonera en Mauritania Occidental se instala en enclaves del litoral del Estrecho desde época feno-púnica, lo cual sugiere que está relacionada con las actividades exportadoras."
Villaverde Vega, Noé: Tingitana en la antigüedad tardía. Madrid 2001

In Korinth gibt es eine Taverne aus klassischer Zeit, das in der Archäologie als Punic Amphora Building bekannnt geworden ist. Hier hat man aus dem 5. Jhdt. v. Chr. mehrere in Cádiz und Málaga hergestellte Amphoren mit Resten von Thunfisch gefunden, der in Griechenland als Luxusgut galt.

Un estudio arqueológico prueba que el atún rojo andaluz era un manjar en la Grecia clásica
 
Zurück
Oben