Die Sperre von Gibraltar durch die Punier - reale Geopolitik oder Mythos?

Das ist ja auch noch so eine Sache, hier wird immer davon ausgegangen, dass es die Karthager wären und dass die Region fest in karthagischer Hand war. Sicher. Karthago hatte die Hegemonie über die punischen Städte des Westens. Aber was macht uns so sicher, dass diese das auch toll fanden, immerhin waren sie mal eigenständig gewesen. Von Cádiz haben wir sogar die Überlieferung, dass seine Einwohner beim anrücken der Römer die karthagischen Truppen rauswarfen und den Römern für die Befreiung dankten - auch wenn letztere Nachricht sicher auch ein Stück weit römische Propaganda war.
 
Ich habe nicht nur von den Drogenhändlern gesprochen, sondern auch von den illegalen Einwanderern. Und die kommen meist auf kaum seetauglichen pateras.
Bei allen Mängeln dieser Schiffe - sie haben einen Motor und müssen nur eine relativ kurze Strecke zurücklegen. Eine Ladung Flüchtlinge kann man in wenigen Stunden nach Spanien bringen, also innerhalb einer Nacht. Und wenn sie drüben sind, war die Mission erfolgreich - es reicht den Flüchtlingen ja europäischen Boden zu erreichen.

Das moderne Beispiel ist m. E. völlig ungeeignet, um die antiken Verhältnisse und Möglichkeiten zu beurteilen. Denn da ging es um eine längere Reise längs der Meerenge.

Haben die Karthager das? Oder sagen wir mal die Punier? Wie haben die Städte untereinander kommuniziert, beide Küsten sind gebirgig, voneinander sind sie an der engsten Stelle 13 km entfernt.
Die Städte müssen nicht miteinander kommunizieren. Es reicht, daß den Griechen der Unterschlupf an Land weitgehend verwehrt war. Ein grundlegender Unterschied zu Schmugglern, deren Erfolg ja wesentlich darauf beruht, daß sie eben aus der Küstenregion selber kommen.

Ein kleines Schiff mittem im Meer siehst du kaum.
Aber ja siehst Du das! Schon vom Mastkorb eines Schiffes hast Du einen erstaunlich weiten Sichtkreis, erhöht auf Land (der typische Aussichtsturm auf einem Hügel) sieht man sehr weit hinaus aufs Meer.

Von Andalusien aus sichtbar und das auch nur von einem kurzen Küstenaschnitt bei klarer Sicht, ist der Abschnitt von Ceuta (die griechische Gründung Hepta Adelphia!) bis zum Kap Spartel, das ist ein etwa 50 km langer Streifen.
Richtig, das ist der kritischste Abschnitt, in dem wird tagsüber eigentlich jedes fremde Schiff gesehen.
Aber auch in der Region vor und nach der eigentlichen Straße sind die Chancen fremder Schiffe schlecht, unentdeckt durchzukommen. Insbesondere, wenn sie die Gegend nicht gut kennen. Denn die Schiffe dürfen sich ja nicht zu weit von der Küste entfernen - und müssen doch außer Sichtweite bleiben.

Was die Identifizierung betrifft: Ich kenne mich hier nur mit deutlich späteren Zeiten (also Segelschiffe) aus. Aber da war es für die Seeleute im Ausguck ganz normal, Schiffe und ihre Herkunft an diversen bautechnischen Details zu erkennen. Ohne Kenntnis der antiken Verhältnisse vermute ich doch, daß für beide Seiten der Unterschied zwischen einem punischen und einem griechischen Schiff ziemlich klar zu sehen war.

Und das erkannte Schiff ist dann leicht zu erwischen, wenn der eigene Startpunkt in Zielrichtung liegt. D.h. ein Schiff aus Osten fängt man am besten aus Cadiz ab, eines aus Westen am besten von Gibraltar. Dann hat das griechische Schiff eigentlich nur die Wahl, sofort umzukehren - ansonsten ist ein Zusammentreffen kaum zu vermeiden.


So allgemein: Ich hatte ja schon geschrieben, daß "Blockade" im modernen Seekriegssinne hier nicht paßt.
Vielmehr haben die Punier das Gebiet insgesamt so im Griff gehabt, daß es für griechische Handelsschiffe nicht sinnvoll war, sich dort hinein zu wagen. Denn im Zweifelsfall war es ja nicht mit einer Gebühr getan, sondern das Schiff wurde gekapert und incl. der Besatzung verwertet.
Für Handelsschiffahrt ist eine Route nur dann wirklich brauchbar, wenn in den nötigen Abständen eigene oder befreundete Stützpunkte zu finden sind, die Nachschub, Handelsmöglichkeiten und Schutz bieten. Und das haben die Punier natürlich für die eigenen Leute reserviert, de facto war das für Griechen (und Römer) eine Sperrung.
 
Ja, aber bei beiden ist das mit 7 Tagen nicht gemacht, vielleicht mit 30. Und natürlich in der Sommersaison.

Die 7 Tage für Gades-Ostia halte ich auch für ein Gerücht. Das schafften vielleicht schnelle Kuriersegler bei günstigem Wind, aber es kann nicht die Norm für Handelsschiffe gewesen sein.
 
Allerdings wird Plinius der Ältere als Flottenpräfekt doch hoffentlich einigermaßen Ahnung gehabt haben, wie schnell welche Entfernungen bewältigbar waren.
 
So allgemein: Ich hatte ja schon geschrieben, daß "Blockade" im modernen Seekriegssinne hier nicht paßt.
Vielmehr haben die Punier das Gebiet insgesamt so im Griff gehabt, daß es für griechische Handelsschiffe nicht sinnvoll war, sich dort hinein zu wagen. Denn im Zweifelsfall war es ja nicht mit einer Gebühr getan, sondern das Schiff wurde gekapert und incl. der Besatzung verwertet.
Für Handelsschiffahrt ist eine Route nur dann wirklich brauchbar, wenn in den nötigen Abständen eigene oder befreundete Stützpunkte zu finden sind, die Nachschub, Handelsmöglichkeiten und Schutz bieten. Und das haben die Punier natürlich für die eigenen Leute reserviert, de facto war das für Griechen (und Römer) eine Sperrung.


Was mir gerade einfällt.
1936 hat die Spanische Flotte den Franco erfolgreich in spanisch Marokko blockiert.
Musste ihm der Hitler mit Flugzeugen rüberhelfen.
 
Die Forschung ist sich relativ einig, dass nach Alalia die Straße von Gibraltar gesperrt gewesen sei.
Linda-Marie Günther in Griechische Antike, Golo Mann in den Propyläen, Dan Stanislawski in The individuality of Portugal, Martin Kuckenburg in seinem Buch über die Keltenfürsten, Carpenter, The greeks in Spain, García Bellido. Dagegen Werner Huß (Geschichte der Karthager), der eine Sperre der Meerenge erst nach 348, mit dem zweiten römisch-karthagischen Vertrag sieht. Aber das ist keine Sperre im eigentlichen Sinne, sondern eine vertragliche Vereinbarung, auf Treu und Glauben, mit einer entsprechenden Gegenleistung.
 
Was mir gerade einfällt.
1936 hat die Spanische Flotte den Franco erfolgreich in spanisch Marokko blockiert.
Musste ihm der Hitler mit Flugzeugen rüberhelfen.

Das ist etwas anderes. Die spanische Flotte war weitgehend republiktreu und Franco verfügte daher nicht um den notwendigen "Fuhrpark" um seine Truppen rüberzuschiffen.
 
Die Forschung ist sich relativ einig, dass nach Alalia die Straße von Gibraltar gesperrt gewesen sei.
Linda-Marie Günther in Griechische Antike, Golo Mann in den Propyläen, Dan Stanislawski in The individuality of Portugal, Martin Kuckenburg in seinem Buch über die Keltenfürsten, Carpenter, The greeks in Spain, García Bellido.
Welche Belege werden dafür angeführt?
 
Bei allen Mängeln dieser Schiffe - sie haben einen Motor und müssen nur eine relativ kurze Strecke zurücklegen. Eine Ladung Flüchtlinge kann man in wenigen Stunden nach Spanien bringen, also innerhalb einer Nacht. Und wenn sie drüben sind, war die Mission erfolgreich - es reicht den Flüchtlingen ja europäischen Boden zu erreichen.

Du verkennst die Situation: Die Boote sind kaum seetauglich und völlig überladen. In den letzten Jahren hat sich die Situation an der Straße von Gibraltar etwas entspannt, weil die Marokkaner mit aufpassen und die Grenzen geschlossen haben. Daher läuft die Überfahrt jetzt meist von Mauretanien zu den Kanaren bzw. von Tunesien nach Lampedusa. Nichtsdestotrotz haben schon einige Tausend Afrikaner in der Meerenge von Gibraltar ihr Leben verloren.

Das moderne Beispiel ist m. E. völlig ungeeignet, um die antiken Verhältnisse und Möglichkeiten zu beurteilen. Denn da ging es um eine längere Reise längs der Meerenge.

Jedoch sind die Möglichkeiten der undokumentierten Einwanderer gegenüber denen der spanischen Küstenwache asymmetrisch gegenüber denen der Karthager und ihrer Konkurrenten, die auf demselben technischen Stand waren, weder über Ferngläser noch über Radar oder Nachtsichtgeräte, Scheinwerfer Schnellboote oder Hubschrauber verfügten.


Die Städte müssen nicht miteinander kommunizieren. Es reicht, daß den Griechen der Unterschlupf an Land weitgehend verwehrt war. Ein grundlegender Unterschied zu Schmugglern, deren Erfolg ja wesentlich darauf beruht, daß sie eben aus der Küstenregion selber kommen.

Im 16. Jahrhundert hat man zum Schutz gegen berberische Piraten die spanische Küste mit Wachtürmen versehen, um die Bevölkerung vor den Sklavenjagden zu schützen. Es hat kaum geholfen. Wer hätte den Griechen den ernsthaft das anlanden und Wasser nehmen in einer unbeobachteten Bucht verwehren sollen?

Aber ja siehst Du das! Schon vom Mastkorb eines Schiffes hast Du einen erstaunlich weiten Sichtkreis, erhöht auf Land (der typische Aussichtsturm auf einem Hügel) sieht man sehr weit hinaus aufs Meer.

Trotzdem musst du erst einmal das Schiff sehen, die Nachricht weiterleiten, das Schiff bemannen und auf Kurs bringen, das vermeintlich gegnerische Schiff einholen und identifizieren....


Richtig, das ist der kritischste Abschnitt, in dem wird tagsüber eigentlich jedes fremde Schiff gesehen.


Ich möchte dir empfehlen, mal in Tarifa Urlaub zu machen (man kann da gut den Sporturlaub, Badeurlaub und Sightseeing kombinieren), dann wirst du sehen, dass es dort a) häufig sehr diesig ist und b) es gar nicht so einfach ist, zu sehen, was auf dem Meer los ist. Westlich und östlich davon ist dieser "kritischte Abschnitt" bis zu 45 km breit, östlich von Gibraltar und Ceuta noch breiter.


Aber auch in der Region vor und nach der eigentlichen Straße sind die Chancen fremder Schiffe schlecht, unentdeckt durchzukommen. Insbesondere, wenn sie die Gegend nicht gut kennen. Denn die Schiffe dürfen sich ja nicht zu weit von der Küste entfernen - und müssen doch außer Sichtweite bleiben.

Für den Seemann ist das Land deutlich besser zu sehen, als für den Ausguck an Land ein einzelnes Schiff.

Aber wie gesagt, mir geht es eigentlich viel weniger darum, ob die Sperrung von Gibraltar möglich war, sondern viel mehr, ob sie überhaupt historisch ist. Das ist nämlich schon anzuzweifeln.

Und das erkannte Schiff ist dann leicht zu erwischen, wenn der eigene Startpunkt in Zielrichtung liegt. D.h. ein Schiff aus Osten fängt man am besten aus Cadiz ab, eines aus Westen am besten von Gibraltar. Dann hat das griechische Schiff eigentlich nur die Wahl, sofort umzukehren - ansonsten ist ein Zusammentreffen kaum zu vermeiden.

Und woher weiß der Flottenkommandant in Gadir (Cádiz), dass in Kalpe (Gibraltar) ein Schiff gesichtet wurde?

So allgemein: Ich hatte ja schon geschrieben, daß "Blockade" im modernen Seekriegssinne hier nicht paßt.
Vielmehr haben die Punier das Gebiet insgesamt so im Griff gehabt, daß es für griechische Handelsschiffe nicht sinnvoll war, sich dort hinein zu wagen. Denn im Zweifelsfall war es ja nicht mit einer Gebühr getan, sondern das Schiff wurde gekapert und incl. der Besatzung verwertet.
Für Handelsschiffahrt ist eine Route nur dann wirklich brauchbar, wenn in den nötigen Abständen eigene oder befreundete Stützpunkte zu finden sind, die Nachschub, Handelsmöglichkeiten und Schutz bieten. Und das haben die Punier natürlich für die eigenen Leute reserviert, de facto war das für Griechen (und Römer) eine Sperrung.

Wie gesagt, ich halte die Sperrung insgesamt für einen Mythos.
 
Ich kenne die Originalquelle nicht, aber das wäre nur zu schaffen, wenn man eine Dauertour ala Ben Hur (Ramming speed!) durchzieht.

Die Originalquelle habe ich oben zitiert:

Laut Plinius brauchte ein Schiff von Cádiz nach Ostia sieben Tage:

herbam esse quae Gadis ab Herculis columnis septimo die Ostiam adferat et citeriorem Hispaniam quarto, provam Narbonensem tertio, Africam altero, quod etiam mollissimo flatu contigit C. Flavio legato Vibi Crispi procos.? audax vita, scelerum plena! aliquid seri, ut ventos procellasque capiat,

Gemeint ist das Segelschifff, es geht nämlich in der betreffenden Passage um Flachs (linum), der hier als die Pflanze (herba) angesprochen ist, welche die Geschwindigkeit möglich macht.
 
Zuletzt bearbeitet:
@El: Wie gesagt, ich halte die Sperrung insgesamt für einen Mythos.
Es kann ja sogar sein, dass es effektiv gar keine Sperrung gab. Aber irgendwoher muss der Mythos ja kommen. Da half es, wenn man diese Geschichte zusammen mit schiffsverschlingenden Seeungeheuern u.ä. in den antiken Hafenkneipen streute. Dann hatte vermutlich kaum ein Kapitän noch Lust, diese Döntjes ernsthaft auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.
Der Effekt ist gleich einer echten Blockade.
 
Da kommen wir dann aber a) ins Spekulative und entfernen uns b) von der behaupteten Sperre der Meerenge. Dem widerspricht auch die Erinnerung, dass die Phokaier nach Herodot vor der Schlacht von Alalia mehrfach durch die Meerenge gesegelt sind um mit den Tartessiern Handel zu treiben.
 
@El: Gemeint ist das Segelschifff, es geht nämlich in der betreffenden Passage um Flachs (linum), der hier als die Pflanze (herba) angesprochen ist, welche die Geschwindigkeit möglich macht.
Gut, aber nur bei einer permanenten steifen Brise von hinten (kreuzen konnte man noch nicht). Also wohl eher eine Rekordfahrt als die Regel.
 
Gut, aber nur bei einer permanenten steifen Brise von hinten (kreuzen konnte man noch nicht). Also wohl eher eine Rekordfahrt als die Regel.

Mag ja sein, dass es sich um eine "Rekordfahrt" handelte, aber auch das zeigt deutlich, dass man nicht nicht vier bis acht Tage für die Strecke Marbella - Cádiz brauchte, wie hier behauptet wurde. Bei Poniente dürfte die Fahrt durch die Straße von Gibraltar Richtung Osten ziemlich zügig verlaufen sein, bei Levante die Fahrt Richtung Westen (wobei man bei Levante lieber im Hafen bleiben sollte).
 
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