Die Stunde "Null" zwischen 3. Reich und der Gründung der BRD

In der "Welt" ist zu lesen: [...]... Mehr als 30 Todesurteile verhängten deutsche Gerichte nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den drei Westzonen außer Berlin noch, bis die Todesstrafe abgeschafft wurde. In West-Berlin, in dem die Siegermächte die oberste Regierungsgewalt ausübten, fand die letzte zivile Vollstreckung am 12. Mai 1949 statt,...[...]
Quelle: https://www.welt.de/geschichte/article188998555/Todesstrafe-in-Deutschland-Der-letzte-Einsatz-der-Guillotine.html 18.02.2019

Habe ich da jetzt einen Denkfehler, oder passt da etwas nicht?

Interessant am Spiegelartikel finde ich die Aussage: "Als überzeugter Katholik war Müller aus moralischen Gründen von der Todesstrafe überzeugt".

Irgendwie hab ich da damals im Religionsunterricht etwas anderes gelernt. Ein guter Christ ist doch gegen die Todesstrafe.
 
Wo siehst Du da einen Widerspruch?

Zwischen "verhängt" von deutschen Gerichten und zuletzt in Berlin von Siegermächten "vollstreckt"?
 
Nein, in der Aussage vom Spiegel "Nach dem WW2 kam es noch zu einer Hinrichtung." und der Welt "Mehr als 30 Todesurteile verhängten deutsche Gerichte nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den drei Westzonen außer Berlin noch, bis die Todesstrafe abgeschafft wurde."

Vielleicht versteh ich ja wirklich etwas falsch,- aber entweder wurde 1Todesurteil verhängt, oder mehr als 30.
 
Verhängte Todesurteile werden unter Umständen nicht vollstreckt.
Das wäre zu klären, aber vermutlich die Ursache der "Differenz".
 
Übrigens noch "auf deutschen Boden verhängt", aber hier nicht vollstreckt (wegen Grundgesetz nach 1949):

18.12.1987 durch das US-Militärgericht Frankfurt wegen Mordes an Angehörigen der Sergeant M;

16.11.1984 durch das US-Militärgericht in Butzbach wegen eines Raubmordes an einem Deutschen der US-Soldat D;

1.7.1982 durch das US-Militärgericht in Würzburg wegen Mordes und Notzucht gegen eine deutsch/amerikanische Staatsangehörige der SP 4 B;

4.3.1982 durch das US-Militärgericht in Bad Kreuznach wegen Mordes und Notzucht gegen eine Deutsche der SP 4 R;

3.7.1979 durch das US-Militärgericht Nürnberg wegen Mordes und Notzucht gegen eine Amerikanerin der Pfc M;

12.11.1964 durch das Militärgericht der Britischen Rheinarmee in Celle wegen Mordes an dem jugoslawischen Nachtwächter der Füsilier K;

22.10.1959 durch das US-Militärgericht in Göppingen wegen Mordes an einem US-Soldaten der Soldat H.
 
Daneben Maunz/Dürig, Kommentar Grundgesetz, Art. 102, TZ 4-5

Von den deutschen Gerichten in den Westzonen einschließlich Groß-Berlin wurden zwischen 1945 und 1949 128 Todesurteile verhängt und davon 24 vollstreckt: In GroßBerlin kam es zu 34 Todesurteilen und 9 Hinrichtungen, in Nordrhein-Westfalen zu 18 Todesurteilen und 13 Hinrichtungen, in Hamburg zu 9 Todesurteilen und einer Hinrichtung und in Württemberg-Hohenzollern zu 6 Todesurteilen und einer Hinrichtung. In Bayern fällten Gerichte 28, in Niedersachsen 11, in Hessen 8, in Württemberg-Baden 5, in Baden 4, in Bremen 3 und in Rheinland-Pfalz 2 Todesurteile, die jedoch alle nicht vollstreckt wurden. In Westdeutschland wurde die letzte Hinrichtung am 18. 1. 1949 im Hof des Tübinger Gefängnisses durch Enthauptung vollstreckt. In den drei Westsektoren Berlins fand die letzte Vollstreckung der Todesstrafe am 11. 5. 1949 in der Haftanstalt Lehrterstraße statt.

Eine genaue Zahl der Todesurteile, die in der DDR gefällt und vollstreckt wurden, liegt nicht vor. Schätzungen gehen von 250 Todesurteilen und 200 Vollstreckungen aus. Die Zahl könnte jedoch auch höher gelegen haben. Bis 1968 erfolgten die Hinrichtungen durch Enthauptung, nach 1968 fanden sie – nach sowjetischem Vorbild – durch „unerwarteten Nahschuss in den Hinterkopf“ statt. Die „zentrale Hinrichtungsstätte“ der DDR befand sich zuletzt im Leipziger Gefängnis. Die letzte Hinrichtung fand am 26. 6. 1981 statt, deren Opfer ein Major der Staatssicherheit war. Am 17. 7. 1987 schaffte die DDR – als erstes Land des „Warschauer Paktes“ – die Todesstrafe ab.


Die Spiegel-Zahlen sind demnach ohnehin falsch.
 
Die Spiegel-Zahlen sind demnach ohnehin falsch.

Also ist der Artikel vom Spiegel das beste Beispiel, das man nicht alles glauben kann/soll, was in diesen Blättern steht. Es gibt bestimmt einige gute investigative Journalisten, die da aus der Reihe tanzen,- aber eben auch etliche die schreiben einen Artikel nach dem anderen und haben das Büro seit Jahren nicht verlassen.

Zur Todesstrafe habe ich noch eine Frage. Es wird im Allgemeinen behauptet, das die Abschaffung der Todesstrafe einzig und alleine zum Schutze der letzten inhaftierten Nazis erfolgte. Lässt sich diese Aussage eigentlich irgendwie belegen? Wobei "einzig und allein" jetzt bestimmt die falsche Wortwahl ist. Aber vielleicht kann man sagen, das der Schutz der letzten Kriegsverbrecher der ausschlaggebende Grund gewesen ist.

Die letzten deutschen Kriegsverbrecher soll der Amerikaner im Sommer 1951 in Landsberg erhängt haben.
 
Ich würde nicht den Stab brechen, sondern sehe immer erstmal die Relevanz von Informationen und die Frage: wer ist Adressat?
Für manches gibt es Artikel, und die dienen doch der groben Information.
Und für manches gibt es wissenschaftliche Darstellungen. Die muss aber nicht jeder lesen.

Ganz platt gesagt: ich muss nicht unbedingt einen Grundgesetzkommentar oder Literaturbeitrag zur Hand nehmen, wenn ich mich zum Thema informieren will.
Wenn ich wissenschaftliche Massstäbe im Detail anlege, liegt die Latte eben höher.

Zum Thema:
Es gab eine Debatte darüber, warum die Todesstrafe abzuschaffen war.

Der Hauptgrund waren zehntausende Todesurteile in der Nazizeit, einzelne Richter haben 3000 Todesurteile verhängt.

Das blanke Entsetzen darüber ist der Grund, warum sich Demokraten mit Blick auf Menschenwürde und Diktaturfolgen klar gegen die Todesstrafe ausgesprochen haben.
 
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