Die Thermopylenerinnerung in Athen

stormy

Mitglied
Hallo, ich melde mich nach langer Zeit nochmal zurück.
Aktuell beschäftige ich mich mit der Frage, wie die Schlacht bei den Thermopylen in Athen rezipiert wurde (480 v. Chr. bis ins 4. Jh. v. Chr.).
Da ich mich "lediglich" im Rahmen eines Referates (10-15 Minuten) mit diesem Thema auseinandersetze, stütze ich mich bislang ausschließlich auf Sekundärliteratur:
- Albertz, Anuschka: Exemplarisches Heldentum. Die Rezeptionsgeschichte der Schlacht an den Thermopylen von der Antike bis zur Gegenwart, München 2006.
- Jung, Michael: Marathon und Plataiai. Zwei Perserschlachten als "lieux de mémoire" im antiken Griechenland, Göttingen 2006.

Meine Ergebnisse:

  1. "Epitaphios" des Lysias:
    • Darstellung der Perserkriege ist athenzentriert (Athen kämpfte "alleine" bei Marathon und Salamis)
    • Spartas Niederlage wird mit geringer Zahl der Verteidiger und fehlender Hilfe der Bundesgenossen begründet
  2. "Panegyrikos" und "Panathenaikos" des Isokrates:
    • Schlacht an den Thermopylen als einziger gerechter Krieg Spartas
    • zwar Niederlage, aber Zeichen von Tapferkeit
    • Konsequenz: andere Kriege Spartas waren ungerecht und zeugten von Machtstreben
Gleich ist die Darstellung der Schlacht in der athenischen Deutung, von A. Albertz auf den Punkt gebracht:
"[...] folgt der geläufigen athenischen Deutung: Es waren 1000 Mann, die Niederlage war ein moralischer Sieg, und Leonidas wird nicht erwähnt." (S. 73)
Exponiert betrachtet ist die Darstellung der Schlacht an den Thermopylen in Athen also eher positiv, man muss sie aber im Kontext der gesamten Deutung der Perserkriegsdarstellung sehen.
Athen nutzte diese, um nach den Perserkriegen seine hegemonialen Bestrebungen und Ansprüche zu legitimieren (am Beispiel der Marathonerinnerung). Das erklärt, warum bspw. bei Lysias die Schlacht von Plataiai nur kurz angeschnitten wird, bei Isokrates findet sie im "Panegyrikos" hingegen gar keine Erwähnung. Plataiai - der Sieg wurde Sparta (nicht zuletzt wegen der Heerführung unter Pausanias) zugeschrieben - fliegt also aus dem Kanon der Rezeption der Perserkriegsschlachten in Athen raus. Die Darstellung der Thermopylenschlacht hingegen wird genutzt, um die Spartaner zwar ihrer Tapferkeit zu würdigen, sie allerdings auch als Verlierer darzustellen, wo hingegen Athen die Siege für sich beansprucht.

Abgesehen davon, dass ich mich über ein kurzes Feedback freuen würde, hinsichtlich der Frage, ob ihr diese Meinung teilt, wollte ich fragen, ob jemand vllt. noch einen älteren Text, von einem attischen Autor, (evtl. aus dem 5. Jh. v. Chr.) kennt, der über die Thermopylenschlacht berichtet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Text eines attischen Autors aus dem 5. Jhdt. zur Thermopylenschlacht ist mir nicht bekannt. Aischylos geht in seinen "Persern", sofern ich nicht etwas übersehen habe, gar nicht darauf ein. (Wobei man das Ignorieren - sofern man unterstellt, dass es bewusst erfolgte - aber auch als eine Art der "Rezeption" werten könnte.) Thukydides (4,36) vergleicht allerdings die Lage der Spartaner bei Sphakteria mit der bei den Thermopylen.

Allerdings könntest Du auch durchaus Herodot heranziehen. Er war zwar kein Athener, lebte und schrieb aber in Athen und äußerte in seinem Werk explizit, dass die Bewahrung der Freiheit Griechenlands gegenüber den Persern primär das Verdienst der Athener sei.

Falls es ein attischer Autor aus dem 4. Jhdt. sein darf, kommt Xenophon ins Spiel: Im 6. Buch seiner "Hellenika" lässt er im 5. Kap. einen gewissen Prokles eine Rede halten, in der er würdigend auf das Verhalten der Spartaner bei den Thermopylen eingeht. (Xenophon selbst war ja auch sehr sparta-affin.)
 
Ich habe zu diesem Thema leider kaum Hintergrundwissen. In der Schule haben wir noch über die Perserkriege gelernt: das war damals in Schlagworten etwa: Aufstand der griechischen Städte in Kleinasien, Rachezug der Perser, Schlacht bei den Thermophylen, Schlacht bei Marathon, Seeschlacht bei Salamis.

Mein persönlicher Eindruck: Von der Nachwelt vor 1968 wurde offensichtlich die Rolle der Spartaner positiv gesehen: "heldenhafter" Widerstand gegen den aufgrund seines Heeres eindeutig überlegenen Feind (Perser). Das "Heldenhafte" der Spartaner ergibt sich aus folgenden Fakten: Ausharren bis zum letzten Mann, obwohl die Lage aussichtslos ist und der Feind den Pass ohnehin einnehmen kann, spätestens wenn der letzte Verteidiger gefallen ist und sogar die Möglichkeit zum Rückzug bestanden hätte.

Die Generation nach 1968 bzw. heute dürfte das wesentlich kritischer zu sehen sein, zudem auch die Vorstellung von einem "Helden" inzwischen eine wesentlich andere ist.

Recht viele Details haben wir damals nicht gelernt, so z. B. nicht, dass in Sparta stets zwei Könige herrschten oder dass der Aufstand griechischer Städte in Kleinasien gegen die Herrschaft des damaligen Perserreiches, selbst wenn er Erfolg hatte, meistens damit endete, dass die Städte letztlich wieder eher freiwillig unter die Herrschaft des Perserreiches zurückkehrten.
 
Hey, ich danke euch für eure schnellen Antworten! In meine Liste habe ich jetzt noch Xenophons "Hellenika" und Lykurgs "Rede gegen Leokrates" aufgenommen.
Zu der letzteren habe ich eine Verständnisfrage:
Wieso zieht Lykurg als Beispiel eine von Sparta geführte Schlacht heran, um dafür zu werben, dass Vaterlandsverrat keine Option sei? Zugegeben ist der heroische Akt der Spartaner ein formidables Beispiel. Aber wäre es nicht politisch klüger gewesen, eine Schlacht wie Marathon zu nutzen?
 
Wieso, die Schlacht bei Marathon erwähnt er ja auch?

Ansonsten kann ich nur mutmaßen, dass Lykurgos die Schlacht bei den Thermopylen vielleicht deshalb erwähnte, weil die Spartaner dort in Erfüllung ihrer Pflicht gefallen waren. (Er zitiert dann zur Verdeutlichung auch das berühmte Epigramm von Simonides.) Das taten die Athener bei Marathon großteils nicht, weil sie ja siegten. Das Beispiel der Spartaner veranschaulichte also deutlicher, wie weit ein braver Bürger zum Wohl der Heimat zu gehen habe: im Extremfall bis zur bewussten Aufopferung des eigenen Lebens. Umso deutlicher der Kontrast zum Verhalten des Leokrates.
 
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