Die Unterlegenheit der französischen Marine

Diese Betrachtung halte ich für entbehrlich:

Ein Beamter im französischen Außenministerium dankte vorab dem Minister für die beabsichtigte Beförderung, "da er noch nie Glück gehabt hätte".
Die Beförderung unterblieb!

Grüße
excideuil
Napoleon soll mal einen Offizier vor der Beförderung gesagt haben: "Sie sind ein tapferer Mann, aber haben Sie auch Glück? Ein General muss Glück haben!"
 
Das gleichsame Anerkenntnis der britischen Seeüberlegenheit seitens Frankreich war m.E. die Kontinentalsperre. Damit räumte Frankreich implizit ein, daß es nicht in der Lage war, die strategische englische Seeherrschaft mittels seiner eigenen Marine zu brechen.

Du sprichhst das "Lager von Boulogne" an, wir wissen ja wie es ausging, Bestätigung der strategischen britischen Seeherrschaft, die französischen Siege zu Land halfen da auch nicht weiter.

Vielmehr begann seitens Frankreichs ab 1806 eine Fixierung der Außenpolitik auf die Kontinentalsperre.

Damit ist aber die Frage "warum die französische Marine unterlegen war" noch nicht beantwortet. Die Beantwortung hat m.E. zwei Seiten:
1. Seite, gab es eine strukturelle Schwäche der französischen Marine, also z.B. Festlegung der Rüstung auf nicht zielführende Schiffstypen, mangelnde Konzentration der Kräfte, Überdehnung der an die Marine gestellten Anforderungen z.B. an der Peripherie etc. Da ich kein Marineexperte bin, vermag ich diese Fragestellung nicht zu beantworten.

2. Seite, wäre das Verhältnis der Rüstungsausgaben, also das Verhältnis der für die Landrüstung (Heer) zu dem der Seerüstung (Marine und Küstenbefestigungen) aufgewandten Mittel. Das ganze dann in Beziehung zur Rüstung von UK gesetzt, hier dann auch noch unter Einschluß von eventuellen Subsidienzahlungen. Ich fürchte, daß es dafür keine validen statistischen Werte gibt, insbesondere nicht lange Reihen, eingedenk dessen, daß auch damals Marinerüstung gegenüber der Heeresrüstung (Ausschluß Befestigungsanlagen) einen längeren Vorlauf benötigte.

Da ich beides nicht beantworten kann, bleibt mir nur ein historisches Analogieschlußverfahren. Mit folgenden historischen Fragestellungen:
1. Hat Frankreich im UZ die strategische britische Seeherrschaft gebrochen, nein.
2. Hat Frankreich im Uz die strategische britische Seeherrschaft akzeptieren müssen, ja, z.B. Kontinentalsperre.
3. Wäre Frankreich bei einer eventuellen anderen Verteilung der Rüstungsmittel in der Lage gewesen, einen maritimen Rüstungswettlauf zu gewinnen, wahrscheinlich schon, zumindest ein Patt.
4. Warum hat Frankreich seine maritime Rüstung nicht so stark verstärkt, daß die französische Marine zumindest eine Patt-Situation erreicht hätte, was einem strategischen Sieg Frankreichs gegenüber UK bedeutet haben könnte? Offensichtlich hat die französische Außenpolitik im Uz andere Prioritäten gesetzt oder ist von anderen Annahmen ausgegangen (z.B. Kontinentalsperre).
5. Ging eine direkte militärische Bedrohung von UK aus, eher nein.
6. Was bedeudete die strategische Seeherrschaft von UK für Frankreich? Eine Abschneidung von der Peripherie und überseeische Handelshemmnisse. Offenbar im Uz für Frankreich tolerabel.
7. Wie reagierte Frankreich auf diese Situation? Offenbar durch den weiteren Ausbau seiner kontinentalen Mochtpositionen.
Das ist mal ein sehr reizvoller Beitrag! Du stößt mal so eben einen Schwung von Fragen an, von denen jede einzelne die eine oder andere Doktorarbeit rechtfertigen würde. Ich möchte mal fragementarisch und qualitativ einige Deiner Punkte aufgreifen. Die dazu notwendigen Daten und Quellen müssten wir später zusammentragen, im Moment habe ich leider nix in petto.

Ad "Kontinentalsperre": M. E. war diese nicht die Anerkenntnis der britischen Überlegenheit zur See. Das war spätestens der Abbruch des Lagers von Boulogne bzw. die Aufgabe des großen Planes, der die Vereinigten Flotten (unter Villeneuve) über den Atlantik und in die Katastrophe von Trafalgar geführt hat. Ein Nachbrenner war die Vernichtung des Geschwaders von Rochefort in 1806 bei St. Domingo durch Duckworth. Erst nach diesem weiteren Debakel stellten die Franzosen große überseeische Expeditionen ein. Die Kontinentalsperre war in meinen Augen eher eine Anerkenntnis der britischen Wirtschaftsmacht als DER Grundlage des britischen Fähigkeit, den Krieg - mit eigener Flotte als Defensiv- und gekauften Landmächten (Österreich, Rußland) als Offensivwaffen - fortzuführen. Entziehe ihnen die Einkünfte und sie können keine Staaten und Armeen mehr kaufen und gegen la belle France aufhetzen.

Ad 1. Seite: Das sind für sich gute Punkte, treffen aber auf die frz. Marine gerade nicht zu. Die Hauptschiffstypen (Linienschiffe und Fregatten) wiesen keine wesentlichen Unterschiede zu denen der Konkurrenz auf, waren sogar modern designed und die Franzosen hatten ihre Schiffstypen (ich denke so ab den 1780er/90er Jahren radikaler als die Briten standardisiert). Mangelnde Konzentration war zwar in der Tat ein Problem: Man hatte eine Atlantikküste, (eine Kanalküste noch obendrein) und eine Mittelmeerküste zu verteidigen. Zwischen Brest und Toulon, den Hauptkriegshäfen lagen die Biskaya, die ganze Pyrenäenhalbinsel und die von den Briten kontrollierte Straße von Gibraltar. Ein ganz erhebliches Problem in der Tat, allerdings zwang es auch die Royal Navy zur Aufteilung ihrer Kräfte und zeitweise war das Mittelmeer sogar ein französisch-spanisches Mare nostrum. Eine besondere strategische Überdehnung gab es auf den ersten Blick nicht - grundsätzlich waren die Franzosen zu Anfang der Konflikte in der Lage, ihre Aufgaben in Übersee zu erfüllen.

Ad 2. Seite: Ohne Zahlen zu nennen: In England wurden im UZ durchwegs für die Marine mehr Mittel aufgewandt als für die Flotte. Starke Abweichungen dürften für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und ggf. für die Zeit zwischen 1812 und 1815 möglich sein. Für Frankreich würde ich das vom Finanzhaushalt her nicht so eindeutig sehen. Landstreitkräfte waren billig und die Franzosen egal welcher Regierung haben stets viel Geld für ihr Schiffsmaterial - insbesondere den Neubau ausgegeben. Hier wäre noch Forschung in Literatur und ggf. sogar Archiven fällig.

Zu 1.: Zeitweise schon, während es amerikanischen Unabhängigkeitskrieges haben französische Flotten den Briten das Leben in West- und Ostindien sehr sehr schwer gemacht und gemeinsam mit den Spaniern errangen sie sogar zeitweise die Kontrolle über den Kanal. Aber sie konnten das alles nicht halten, was - meine These - Symptom ihrer strukturellen technisch-administrativen Unterlegenheit war.

Zu 3.: Siehe 1783 - ja! Kriegsmüdigkeit dürfte auch in der Londoner City hin und wieder ein Thema gewesen sein, bis 1812 und weiter...

Zu 4.: Die Franzosen haben diese Lage nie hingenommen. Nach dem Siebenjährigen, nach dem Unabhängigkeitskrieg und nach Trafalger haben sie gebaut, gebaut, gebaut (und geklaut). Die erfolgreichen französischen Anstrengungen, ihre frappierenden Verluste an Schiffen zu ersetzen ist bewundernswert - und war gewiss ein finanzieller Kraftakt. Zeitweise wurden in Italien und Dalmatien in jeder Bucht irgendwelche Kriegsschiffe gebaut.

Zu 5.: Nicht durch eine britische Armee, die mit der Marine käme. Aber indirekt: JAAAAAHA!

Zu 6.: Hinnehmbar war das nicht, aber welche Wahl hatten die Franzosen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Handelshäuser in Marseille, Bordeaux, Nantes etc. während der Kriege pleite gingen...

Zu 7.: Naja, das war das Problem, an dessen Lösung Napoleon am Ende gescheitert ist. Oder andersherum: So lange die Briten sich um die Balance of Power kümmert, konnte (weil durfte) Frankreich nicht Überseehandel und Napoleon als Kaiser zugleich haben.
 
GB hat sich fast immer auf Verbündete verlassen können. Balance of Power.
Mächtegleichgewicht ? Wikipedia
Das hat nur nicht während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges funktioniert. Da wurden zu viele Soldaten für das Heer benötigt, während kein Verbündeter das Britische Heer unterstützen konnte. Quasi mussten die Briten ohne "Festlandsdegen" auskommen. Im 7-Jährigen Krieg war Preußen der Festlandsdegen für Britannien. Dadurch hatten sie den Rücken frei und konnten sich Rüstungstechnisch auf die Marine konzentrieren.
Von der Englischen Südküste kann man relativ komfortabel die Französische Kanalküste und die Atlantikküste kontrollieren. Cherbourg als Kriegshafen im Kanal. St. Malo war etwas diffizil, aber da kämmen nur relativ kleine Schiffe raus. Brest, Lorient, St. Nazaire und La Rochelle an der Atlantikküste. Unterhalb von La Rochelle ist kein bedeutender Hafen mehr.
Und mit Gibraltar war seit 1714 ein hervorragender Sperrgürtel für das Mittelmeer vorhanden.
Und wie weiter oben schon gesagt wurde, hat Frankreich immer auch ein größeres Heer zu Unterhalten. Nicht nur mit Geld und Waffen, sondern auch Menschen. England hat seine Festlandsdegen meist mit Geld und Waffen unterstützt. Selten mit Menschen. Nach 1805 konnte man daran denken auch ein größeres Heer auf zu bauen. welches dann ja in Spanien eingesetzt wurde.

Apvar
 
Der Bau der "Victory", die 1765! vom Stapel lief, hatte 63175 Pfund [1]gekostet. Die "Victory" war Nelsons Flagschiff 1805, also 40 Jahre später!!

Das war da,als nicht so das Problem. Die Schiffe waren etwa seit 1750 auf einem Entwicklungsstand geblieben. Und die Briten führten öfters ein "Rebuild" durch. Dabei wurden die Schiffe auseinander genommen und wieder neu aufgebaut und den Erfordernissen angepasst. Dies konnte mehrmals im Leben eines Schiffes passieren. Als Beispiel die Sovereign of the Seas. Sovereign of the Seas ? Wikipedia

Apvar
 
Zuletzt bearbeitet:
Napoleon soll mal einen Offizier vor der Beförderung gesagt haben: "Sie sind ein tapferer Mann, aber haben Sie auch Glück? Ein General muss Glück haben!"

Das Zitat kannte ich nicht.
Mein Beispiel sollte nur verdeutlichen, dass eine Karriere, geschweige denn ein Krieg, noch der Aufbau eines Weltreiches kaum auf der Kategorie "Glück" aufgebaut werden kann.

Grüße
excideuil
 
Das hat nur nicht während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges funktioniert.
Apvar

Das sehe ich auch so. Frankreich hatte jeden "Ärger" auf dem Kontinent vermieden, um den Rücken gegen England frei zu bekommen. Mit der forcierten Rüstung zur See gelang es dann, die amerkanischen Kolonisten zu unterstützen.
Zu den Ergebnissen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Frieden_von_Paris_(1783)

Der Krieg bewies, dass die Seeherrschaft Englands nach dem 7-jährigen Krieg wieder infrage gestellt war.

Grüße
excideuil
 
Zu 4.: Die Franzosen haben diese Lage nie hingenommen. Nach dem Siebenjährigen, nach dem Unabhängigkeitskrieg und nach Trafalger haben sie gebaut, gebaut, gebaut (und geklaut). Die erfolgreichen französischen Anstrengungen, ihre frappierenden Verluste an Schiffen zu ersetzen ist bewundernswert - und war gewiss ein finanzieller Kraftakt. Zeitweise wurden in Italien und Dalmatien in jeder Bucht irgendwelche Kriegsschiffe gebaut.

Dazu würde ich gern eine im download verfügbare Arbeit verlinken, 0,9MB:

http://etd.lib.fsu.edu/theses/available/etd-04142011-153044/unrestricted/Byington_R_Thesis_2011.pdf
Byington: The forgotten service - The French Navy of the Old Regime 1650 - 1789, Florida State University 2011.

Und eine Momentaufnahme:
http://books.google.de/books?id=F1s...&q=French Ships of the line 1775 1780&f=false
 
Zuletzt bearbeitet:
Und im Nachtrag: die Tonnageentwicklung im Nationenvergleich in Folge der britischen Rüstungsanstrengungen (Dekadendurchschnitte in den Zeiträumen weisen für ein Verhältnis von 60:40 % zwischen Royal Navy und Army aus)

Quelle: O'Brien/Duran, S. 7
 

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Ad "Kontinentalsperre": M. E. war diese nicht die Anerkenntnis der britischen Überlegenheit zur See. Das war spätestens der Abbruch des Lagers von Boulogne bzw. die Aufgabe des großen Planes, der die Vereinigten Flotten (unter Villeneuve) über den Atlantik und in die Katastrophe von Trafalgar geführt hat. Ein Nachbrenner war die Vernichtung des Geschwaders von Rochefort in 1806 bei St. Domingo durch Duckworth. Erst nach diesem weiteren Debakel stellten die Franzosen große überseeische Expeditionen ein. Die Kontinentalsperre war in meinen Augen eher eine Anerkenntnis der britischen Wirtschaftsmacht als DER Grundlage des britischen Fähigkeit, den Krieg - mit eigener Flotte als Defensiv- und gekauften Landmächten (Österreich, Rußland) als Offensivwaffen - fortzuführen. Entziehe ihnen die Einkünfte und sie können keine Staaten und Armeen mehr kaufen und gegen la belle France aufhetzen.

....Zu 5.: Nicht durch eine britische Armee, die mit der Marine käme. Aber indirekt: JAAAAAHA!

Zu 6.: Hinnehmbar war das nicht, aber welche Wahl hatten die Franzosen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Handelshäuser in Marseille, Bordeaux, Nantes etc. während der Kriege pleite gingen...


Warum ist m.E. die Kontinentalsperre geeigneter als Zäsur, als der Abbruch des Lagers von Boulogne?

Mit der Kontinentalsperre verabschiedete sich Frankreich aus einem offensiven Krieg gegen UK und geht zu einer eher devensiven Kriegsführung über. Vllt. etwas flapsig formuliert: "o.k wir können nicht kommen, aber ihr auch nicht und mit euren Verbündeten auf dem Kontinent können wir es allemal aufnehmen." Die Kontinentalsperre zielte auf die mittelbare Schwächung der britischen Seemacht via Schwächung der Wirtschaftskraft und dieses stellt m.E. die Zäsur da, die strategische Ausrichtung der französischen Kriegsführung auf eine mittelbare Schwächung, bei gleichzeitig sehr hohem Engagement auf dem Kontinent (Störung der "Balance of Power" zu Lasten UK in Kontinentaleuropa).

zu 5.: Vollkommen d'accord.

zu 6.: Einige Handelshäuser wird es wohl getroffen haben, aber, wie wir alle wissen, auch ein effektives wirtschaftspolitisches Instrument.


M. :winke:
 
3. Wäre Frankreich bei einer eventuellen anderen Verteilung der Rüstungsmittel in der Lage gewesen, einen maritimen Rüstungswettlauf zu gewinnen, wahrscheinlich schon, zumindest ein Patt.

Zu dem Punkt lohnt noch ein link.
Rahman: Fighting the Forces of Gravity - Seapower and Maritime Trade between the 18th and 20th Centuries.
http://www.ekh.lu.se/ehes/paper/Seapower and Trade.pdf

Dort insbesondere die Darstellungen im Anhang zum Text.

stammt von hier:
http://www.geschichtsforum.de/607534-post6.html
 
Ein Nachtrag in Form einer Tabelle aus R.J.B. Knight: The Royal Navy's Recovery after the Early Phase of the American Revolutionary War', in: Andreopoulos/Selesky, The Aftermath of Defeat, S. 10-25.

Sehr deutlich wird die verschärfte Marinerüstung, die ad hoc allerdings auf Basis der vorhandenen Ressourcen (Werften, Personal etc.) möglich war.


"Naval strength is not the growth of a day, nor is it possible to retain it, when once acquired, without the utmost difficulty, and the most unwearied attention. The English have proved by their conduct, for almost two centuries, the firmness and steadiness of their naval character. Whereas the maritime enthusiasm of the french has only occasionally taken place, and does not seem consistent with the natural bent and genius of the people. " [der Ökonom John Sinclair, 1782]
... erneut (natürlich nur 1. Satz) zitiert in der Rüstungsdebatte 1935, wohl vom Ur-Ur-Enkel, 150 Jahre später:
Your Democracy - Orders of the Day
 

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Ich habe noch ein paar Zahlen und Fakten gefunden:
Quelle: Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004 , Seiten 72-77

Die Marine war das Lieblingskind von Ludwig XVI. Der Ausbau der Flotte wurde seit 1774 forciert und es wurden die neuesten naturwissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigt. Dies galt als weltweit führend.

„1788 wurde in Toulon das mit 118 Geschützen und 63 m Länge das damals größte Kriegsschiff in Dienst gestellt. Am Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieg verfügte Frankreich über 76 Linienschiffe, die allesamt relativ neuen Datums waren.“ Bis 1790 sollte es 90 Schiffe sein, wegen der Finanzmisere wurden es nur 80.

Damit hatte Frankreich 1790 die zweitgrößte Flotte:
England 195, Spanien 72, Rußland 67, Niederlande 44, Dänemark 38, Osmanisches Reich 30, Schweden 27, Venedig 20, Portugal und Neapel-Sizilien je 10. (Erbe bezieht die Zahlen auf Robert Foulton von 1810 zurück, vergl. Tabelle bei J.Meyer S. 218)

Die Zahlen verdeutlichen, dass Frankreich mit Spanien im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg England zumindest teilweise neutralisieren konnte.

Rekrutierung der Schiffsoffiziere und –mannschaften: Sowohl in England als auch in Frankreich und anderswo waren die meisten Offiziersstellen dem Adel vorbehalten. „Lediglich in Frankreich standen die höheren Ränge in der KM z.T. auch Abkömmlingen des Amtsadel oder bürgerlichen Schichten offen. Hier hatten die Reformen von 1763 auch bewirkt, dass Fachleute für das Seeartillerie- und Seeingenieurwesen, zudem fähige Schiffsärzte ausgebildet wurden.“

Strategie und Taktik:
Nach dem franz. Admiral Bigot de Morogues galt lange das Dogma, zweier gegenüber in Linie segelnden Flotten, „weil dadurch die Feuerkraft auf den Breitseiten am besten zur Geltung komme, während ein Durchstoßen der feindlichen Linie lediglich zu Einzelgefechten mit ungewissen Ausgang führe.“

Diese letztlich defensive Taktik führte 1781 dazu, dass die Briten die Franzosen in der Cesapeake Bay trotz Überlegenheit nicht angriffen, weil sie wegen des engen Raumes nicht in Linie segeln konnten. Die Folge war die Kapitulation von Yorktown.

In England setzte in den achtziger Jahren ein Umdenken ein. „Vor allem Clerk of Eldin verfocht in seinen marinetheoretischen Schriften die These von der massierten Umfassung einer feindlichen Flotte von hinten und deren auf überlegene Feuerkraft beruhende Vernichtung. Dabei setzte er auf die Überlegenheit der britischen Verbände im Hinblick auf Ausrüstung und Ausbildung sowohl der Offiziere und Mannschaften. Auf diese Weise gelang es am 1. Juni 1794, eine von Brest auslaufende französische Flotte großenteils zu zerstören, die eine Gruppe Getreideschiffe decken sollte, die von der Küste Virginias aus nach Frankreich aufgebrochen waren.“
Diese neue Taktik brachte auch die späteren Erfolge: „Bei Trafalgar wurde die Linie des französischen Kommandierenden Villeneuve an mehreren Stellen durchbrochen, so dass die Schiffe der nunmehr aufgeteilten Flotte einzeln niedergekämpft werden konnten.“

Erbe sieht in der franz. Revolution eine Ursache des Niedergangs der Flotte:
„Seit dem Ausbruch der Revolution hatte die französische Flotte spürbar an Kampfkraft verloren, da die adligen Offiziere größtenteils emigrierten und die verbliebenen dem Mitbestimmungswillen der Mannschaften und den Einmischungen der seit der Jakobinerherrschaft aus Paris entsandten Kommissare in einem Ausmaß nachgeben mussten, dass Disziplin und Kampfmoral auf den Schiffen völlig verfielen. Was sich im Heer im Hinblick auf die Entfaltung von mehr Eigeninitiative jüngerer Offiziere auf der unteren Kommandoebene positiv auswirkte, brachte bei der Flotte nur Nachteile. Bei Kriegsausbruch waren nur noch 74 Linienschiffe kampfbereit und seetüchtig. Bis 1798 gingen 25, durch die Niederlage von Abukir noch einmal 10 verloren, und Trafalgar bedeutete für die französische Seemacht den Todesstoß.“

Grüße
excideuil
 
Das in der Royal Navy hohe Offiziersstellen Adligen vorbehalten blieb stimmt bestenfalls eingeschränkt, was allerdings im Nachhinein für den Betrachter kaum auffällt, da viele Offiziere in hohen Positionen geadelt wurden - John Jervis, 1. Earl of St. Vincent und Horatio Nelson, 1. Viscount of Nelson, der erstere Sohn eines Rechtsanwalts, letzterer Sohn eines Pfarrers, erscheinen der Nachwelt genauso selbstverständlich adlig wie etwa Thomas Cochrane, 10. Earl of Dundonald - obwohl sie alle drei beim Eintritt in die Marine keinen regulären Titel (Cochrane düfte als erster Sohn eines Grafen den Höflichkeitstitel eines Lords geführt haben) vorzuweisen hatten!
 
Das in der Royal Navy hohe Offiziersstellen Adligen vorbehalten blieb stimmt bestenfalls eingeschränkt, was allerdings im Nachhinein für den Betrachter kaum auffällt, da viele Offiziere in hohen Positionen geadelt wurden - John Jervis, 1. Earl of St. Vincent und Horatio Nelson, 1. Viscount of Nelson, der erstere Sohn eines Rechtsanwalts, letzterer Sohn eines Pfarrers, erscheinen der Nachwelt genauso selbstverständlich adlig wie etwa Thomas Cochrane, 10. Earl of Dundonald - obwohl sie alle drei beim Eintritt in die Marine keinen regulären Titel (Cochrane düfte als erster Sohn eines Grafen den Höflichkeitstitel eines Lords geführt haben) vorzuweisen hatten!
Cochrane wäre in Frankreich bestimmt als Adliger empfangen worden, wenn er Sohn eines Grafen war. Im Ausland wurden die englischen Adeligen, auch wenn sie in ihrem eigenen System vielleicht keine Titel hatten, dennoch als vollwertige Adelige angesehen.
 
[...]
In England setzte in den achtziger Jahren ein Umdenken ein. „Vor allem Clerk of Eldin verfocht in seinen marinetheoretischen Schriften die These von der massierten Umfassung einer feindlichen Flotte von hinten und deren auf überlegene Feuerkraft beruhende Vernichtung. Dabei setzte er auf die Überlegenheit der britischen Verbände im Hinblick auf Ausrüstung und Ausbildung sowohl der Offiziere und Mannschaften. Auf diese Weise gelang es am 1. Juni 1794, eine von Brest auslaufende französische Flotte großenteils zu zerstören, die eine Gruppe Getreideschiffe decken sollte, die von der Küste Virginias aus nach Frankreich aufgebrochen waren.“
Diese neue Taktik brachte auch die späteren Erfolge: „Bei Trafalgar wurde die Linie des französischen Kommandierenden Villeneuve an mehreren Stellen durchbrochen, so dass die Schiffe der nunmehr aufgeteilten Flotte einzeln niedergekämpft werden konnten.“
[...]

Ein sehr wirkungsvolle Taktik, da das Heck der alten Segler keinen Schutz besaß, durch etwaige Spanten oder festere Hölzer. Zudem waren die Batteriedecks so vom Heck bis zum Bug durchgehend frei, für die abgeschossenen Kugeln, die Geschütze umwarfen oder die Geschützbedienung töten bzw. verletzten konnten.
Diese Taktik wird im Seewesen enfilieren genannt.
 
Die Marine war das Lieblingskind von Ludwig XVI. Der Ausbau der Flotte wurde seit 1774 forciert und es wurden die neuesten naturwissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigt. Dies galt als weltweit führend.

Wenn man die zerrüttete wirtschaftliche Lage des Landes als Ausgangspunkt der Revolution sieht, und den Beitrag der Staatsfinanzen und Steuern zu dieser Entwicklung akzeptiert, dann kann man wohl diese Militärrüstung in ihrer Wirkung neben den siebenjährigen Krieg oder das frz. Engagement für den amerikanischen Kolonialkrieg stellen. Großbritannien scheint sich da rechtzeitig vorrevolutionär verabschiedet zu haben.
 
Wenn man die zerrüttete wirtschaftliche Lage des Landes als Ausgangspunkt der Revolution sieht, und den Beitrag der Staatsfinanzen und Steuern zu dieser Entwicklung akzeptiert, dann kann man wohl diese Militärrüstung in ihrer Wirkung neben den siebenjährigen Krieg oder das frz. Engagement für den amerikanischen Kolonialkrieg stellen. Großbritannien scheint sich da rechtzeitig vorrevolutionär verabschiedet zu haben.

Na, ja, was die Schulden angeht, war England mindestens ebenbürtig.
Nach dem 7 jährigen Krieg betrugen die Schulden 140 Millionen Pfund. Das entspricht, den Edelmetallwert zugrunde gelegt 3,8 Mrd. Livre/Franc.
Dieser Schuldenberg wuchs bis auf knapp 440 Millionen Pfund im Jahre 1815 (ca. 12 Mrd. Franc) an. In der Summe sind die 66 Millionen Pfund, die England an Subsidien an die Verbündeten leistete, enthalten.
Realisiert werden konnte dies nur über eine ungleich höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und durch zunehmende Finanzierung über Anleihen auf dem Kapitalmarkt:
"Für die britische Regierung war es dabei von Vorteil, dass sie sich seit dem frühen 18. Jahrhundert um die Konsolidierung der Staatsschulden bemüht hatte, d. h., dass die Staatsanleihen auf ein festes System von Staatsrenten zu erträglichen Zinsen gegründet worden waren. Dass nach 1793 ein so gewaltiger Schuldenberg aufgehäuft werden konnte, war zudem den weltweiten Handelsinteressen der britischen Kaufleute zu verdanken, die ihre französische Konkurenz um jeden Preis ausschalten wollten ..., andererseits aber der enormen Wirtschaftskraft des Vereinigten Königreiches und des hier vor allem in der Hauptstadt gut entwickelten Bankensystems."

Grüße
excideuil

Quelle: Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004, Seiten 81-82
 
Na, ja, was die Schulden angeht, war England mindestens ebenbürtig.
Nach dem 7 jährigen Krieg betrugen die Schulden 140 Millionen Pfund. Das entspricht, den Edelmetallwert zugrunde gelegt 3,8 Mrd. Livre/Franc.
Dieser Schuldenberg wuchs bis auf knapp 440 Millionen Pfund im Jahre 1815 (ca. 12 Mrd. Franc) an. In der Summe sind die 66 Millionen Pfund, die England an Subsidien an die Verbündeten leistete, enthalten.
Realisiert werden konnte dies nur über eine ungleich höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und durch zunehmende Finanzierung über Anleihen auf dem Kapitalmarkt:

Du gibst eigentlich schon selbst die Antwort: natürlich kommt es nicht auf die nominelle Höhe der Schulden (zB aus der maritimen Rüstung, aber im Fall Frankreichs auch der Armee) an, sondern aus dem Bezug zur Schuldentilgungskraft des Landes.

Hier scheint Frankreich durch die Kriege, die Zahlungen zB an die amerikanischen Kolonien und den Rüstungswettlauf eben über die Grenze der Belastbarkeit getrieben worden zu sein, während England in diesem Sinne rechtzeitig abbremste (zB 1783 im Treaty of Paris, aber auch durch Umsteuerung in der Marinerüstung, Konzentration etc.).
 
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