Diskriminierung von Juden in Kurorten im 19. Jh.

Weder Dreyfus noch Liszt oder Rubinstein haben etwas mit dem Thema "Diskriminierung in Kurorten" zu tun.
bei Dreyfus weiß ich es nicht - von Liszt und Wagner (19.Jh.) und Artur Rubinstein (20.Jh.) ist bekannt, dass diese die mondänen Kurorte Europas öfters aufgesucht hatten (ein zwar schwacher, aber realer Bezug zum überstrengen Thema nur in Kurorten)
ansonsten sehe ich keinen Grund, thematische Scheuklappen aufzusetzen: antisemitische Diskriminierung in Kurorten konnte nur in einem Klima überhaupt gedeihen, welches in weiten Kreisen antisemitische Haltungen hatte - insofern ist es thematisch durchaus berechtigt, die gesellschaftlichen und kultugeschichtlichen Kontexte einzubringen.
 
noch ein weiteres Indiz für die sukzessive Verstärkung antisemitischer Haltungen und vor allem auch der Akzeptanz solcher Haltungen aus einem gänzlich unerwarteten bzw. weniger bekanntem Bereich:
War Liszt Antisemit?

Geht man in den den musikalischen Bereich, wäre vor allem Richard Wagner als alter Antisemit zu nennen, der sich in geradezu obszöner Weise vielfach abwertend über Juden geäußert hat. Bis heute gilt in Israel ein Boykott seiner Werke, obwohl Daniel Barenboim seit Jahren versucht, die Aufhebung des Boykotts der Werke Richard Wagners zu bewirken. Gustav Mahler litt darunter, dass ihm zuweilen unverhüllter Antisemitismus entgegenschlug, das gilt auch für Giacomo Meyerbeer und zahlreiche andere, die darunter litten, dass hochangesehene Komponisten und Dirigenten des 19. und 20. Jahrhunderts durch antisemtische Tendenzen und Äußerungen mehr oder weniger unverhüllt auffielen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Geht man in den den musikalischen Bereich,
findet man so mancherlei wenig ergötzliches - u.v.a. z.B. auch in den Briefen von Frederic Chopin [sic]

erstaunlich im 19. Jh. ist auch der philosophische Bereich - man lese im Briefwechsel Marx-Engels [sic]

(...) wäre vor allem Richard Wagner als alter Antisemit zu nennen, der sich in geradezu obszöner Weise vielfach abwertend über Juden geäußert hat.
ob seine in der Tat erzdumme Publikation "das Judenthum in der Musik" in obszöner Weise umherfaselt, sei dahingestellt - allerdings trotz einer Publikationsflut im Gefolge von Adorno ist sehr fraglich, ob man Wagners außermusikalische Dummheiten schon rassistisch nennen kann. Auf jeden Fall hatte er sich mit dieser erzblödsinnigen Schrift, die er 1850 unter Pseudonym veröffentlichte, keinen Gefallen getan.

Allerdings präformierte der 1883 gestorbene Komponist nicht das, was sich greulich ab 1933 abgespielt hatte.
 
ob seine in der Tat erzdumme Publikation "das Judenthum in der Musik" in obszöner Weise umherfaselt, sei dahingestellt - allerdings trotz einer Publikationsflut im Gefolge von Adorno ist sehr fraglich, ob man Wagners außermusikalische Dummheiten schon rassistisch nennen kann.

Das ist aber ein schmaler Grat, mit dem du einen reputierlichen Rest des Herrn Wagner hinsichtlich seiner judenfeindlichen Ergüsse retten willst. Natürlich muss man Wagner als überzeugten Antisemiten auch einen Rassisten nennen. Allerdings ist dieser Begriff erst neueren Datums, lässt sich aber durchaus auf Personen des 19. Jh. anwenden.

Davon abgesehen bin ich allerdings der Meinung, dass man die Moralvorstellungen von Künstlern von ihrem Werk trennen sollte, d.h. ich würde einen Besuch der Oper Lohengrin nicht meiden, nur weil Wagner ein eingefleischter Antisemit war. Dass die Israelis das anders sehen und Wagners Werk boykottieren, ist ihnen allerdings nicht zu verdenken, obwohl es da inzwischen bei der jungen Generation ein Umdenken gibt, das allein schon aus dem "Vergessen" herrührt.

Bis heute ist es allerdings umstritten, ob man Werk und Künstler in bestimmten Fällen wirklich voneinander trennen kann oder trennen sollte.
 
"Dass einer ein Mörder ist, muss nichts gegen seinen Stil beweisen. Aber der Stil kann beweisen, dass er ein Mörder ist." Meinte Karl Kraus - allerdings nicht zu Wagner.
 
erstaunlich im 19. Jh. ist auch der philosophische Bereich - man lese im Briefwechsel Marx-Engels [sic]
hierzu folgendes Zitat:
Auch wenn die überwiegende Mehrheit der Linken schon immer zu den entschiedensten Gegnern des Antisemitismus gehörten, läßt sich eine Tradition des linken Antisemitismus bis zum Frühsozialismus zurückverfolgen. Von Blanqui bis Fourrier, von Saint-Simon über Proudhon bis Bakunin lässt sich von der Verharmlosung antisemitischer Ressentiments bis zu offen rassistisch-antisemitischen Argumentationen alles nachweisen.[2] Marx und Engels waren zwar keineswegs wüste Antisemiten, wie in den einflussreichen Arbeiten Edmund Silberners mehrfach behauptet wird,[3] aber sowohl in den Marxschen Frühschriften als auch in zahlreichen Briefen von Marx und Engels finden sich Formulierungen und Argumentationen, die ein verzerrtes Bild vom Judentum zeichnen und auf antisemitische Klischees zurückgreifen. Die Interpretation des von Marx 1844 veröffentlichten Textes „Zur Judenfrage“ als ein Aufruf, Juden und Jüdinnen zu ermorden, beruht zwar auf einem ziemlichen Mißverständnis der Marxschen Argumentation. Der Text läd zu solchen Missverständnissen aber geradezu ein.
Quelle: Antisemitismus und Antizionismus in der Linken

Freilich distanzierten sich sowohl Marx als auch Engels später von den anfänglich eher unreflektierten Vorurteilen (z.B. Engels berühmter Brief über den Antisemitismus) - aber womöglich sind solche und viele andere Quellen bezeichnend für ein Klima, welches gegen Ende des 19. Jh. vielfach zu einer doch deutlich schärferen und dann rassistischen Haltung führten (welche in weiten Bevölkerungsteilen wohl geteilt oder toleriert wurde)

Ich persönlich halte es für schwierig bis nahezu unmöglich, innerhalb des 19. Jh. eine exakte Trennlinie zu postulieren, welche klar unterscheidet, wo es "noch lediglich" dumpf antisemitisch ist und wo es "schon rassistisch" antisemitisch wird. Einer der Gründe für diese Schwierigkeit scheint mir darin zu liegen, dass bei einem so heiklen Thema doch viel aus heutiger Perspektive und aus heutigem Wissen mit einfließt. Ich halte z.B. Frederic Chopin trotz seines privaten Namens für die a-Moll Mazuka aus op.17 (sie entstand deutlich früher, hatte im Familien- und Bekanntenkreis den Namen "der kleine Jude") und trotz ein paar häßlicher Formulierungen in seinen privaten Briefen nicht für einen Rassisten.

bzgl. Wagner: es gibt ein merkwürdige Buch, welches in den Partituren [sic] antisemitische musikalische Figuren nachweisen will - so soll Beckmessers Ständchen eine verzerrende Karikatur jüdischer Melismen sein (und dasselbe soll auch auch für Mussorgskis Samuel Goldenberg und Schmuyle gelten) - - aus musikwissenschaftlicher Sicht ist das unhaltbar bzw. nicht beweisbar, denn die verwendeten musikalischen Techniken sind nicht speziell jüdisch, sondern es handelt sich um gebräuchliche Figurationen der spätromantischen Musik. - - das ändert natürlich nichts daran, dass Wagners bescheuerte Schrift von 1850 in jedem Sinne indiskutabel ist.

aber genug von kulturellen Randgebiet der Musikgeschichte:grübel:und perdonne für off-topic
 
"Dass einer ein Mörder ist, muss nichts gegen seinen Stil beweisen.

Natürlich nicht, Liborius. Hier geht es aber darum, ob man Werke von Künstlern, die z.B. Völkermord oder andere Scheußlichkeiten begangen haben, boykottieren, ablehnen oder verbieten sollte.

Ich erinnere z.B. an Hitlers Buch "Mein Kampf", das in Deutschland nicht verlegt und angeboten werden darf, oder an den Spielfilm "Jud Süß", dessen öffentliche Auifführung ebenfalls verboten ist (abgesehen von einmaligen Auffürungen, die besonders genehmigt werden müssen.)
 
Natürlich nicht, Liborius. Hier geht es aber darum, ob man Werke von Künstlern, die z.B. Völkermord oder andere Scheußlichkeiten begangen haben, boykottieren, ablehnen oder verbieten sollte.
jetzt komme ich nicht mehr mit: welcher Künstler hat Völkermord begangen oder andere (vergleichbare?) Scheußlichkeiten?
 
Das war lediglich eine Zuspitzung, um die Richtung ganz klar zu machen - alles klar?
noch nicht so ganz (also mir jedenfalls) -- aber wie auch immer: mit dieser Richtung kann ich mich erst anfreunden, wenn das beliebte modern-light-classics Opus namens Carmina Burana von Carl Orff vom Spielplan verschwindet. So lange sich diese strenge Haltung nicht einstellt, sehe ich keinen ernsthaften Grund, Chopin, Liszt, Wagner und noch ein paar andere womöglich nicht mehr anzuhören oder zu spielen.
 
um zurück zum Thema zu kommen, d.h. weg von der Rezeptionsgeschichte von Musik:
es ist eine sehr interessante Dissertation veröffentlicht worden, Martin Ulmer, Antisemitismus in Stuttgart 1871 – 1933, Studien zum öffentlichen Diskurs und Alltag, Metropol Verlag ISBN: 978-3-940938-82-4
hier eine kritische Rezension: http://ifb.bsz-bw.de/bsz325777608rez-1.pdf;jsessionid=72ACB2973EFDB7FF811558648AEBF332?id=4066
es hat einen antijüdischen Massenkrawall 1873 in Stuttgart gegeben, ca 1890 folgte eine nächste antisemitische Welle (Umbenennung einer Straße), überhaupt scheinen zunehmend antisemitische Haltungen im überwiegend protestantischen Stuttgart am Ende des 19. Jh. en vogue gewesen zu sein. Auf jeden Fall ist 1873 ein sehr früher Zeitpunkt für offen antisemitische Krawalle mit Ausschreitungen.
 
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