Do you know Marx?

iamNex

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In Hobsbawms unbeindruckendem "Age of Extremes" bin ich gerade auf eine interessante Stelle gestoßen:

"Nach vierzig Jahren Erziehung in einem Land, das sich dem Marxismus verschrieben hatte, wurden Passanten auf dem Marx-Platz in Budapest gefragt, wer Karl Marx gewesen sei. Das waren die Antworten:
-"Er war ein sowjetischer Philosoph; Engels war sein Freund. Na ja, was soll ich noch sagen? Er starb in hohem Alter."
-"Ein Politiker natürlich. Und er war, wissen Sie, er war, wie heißt er noch - Lenins, Lenin, Lenins Werke - na ja, er hat sie uns Ungarische übersetzt" (Garton Ash, 1990, S. 282)." [Hobsbawm: Zeitalter der Extreme, S. 491f.).]

Wie glaubwürdig ist das denn? Gibt es da weitere Beispiele, die ihr kennt? Oder Vergleichsbeispiele? Inwiefern war Marx als Person denn Objekt des Geschichtsunterrichts im sozialistischen Lager?

Cheers once again,
Nex.
 
In Hobsbawms unbeindruckendem "Age of Extremes" bin ich gerade auf eine interessante Stelle gestoßen:

Da von Dir diese Aussage, soweit ich mir erinnern kann, bereits einmal formuliert wurde, jetzt beim zweiten Mal ein Widerspruch (natürlich nicht zu Deiner persönlichen Sicht, sondern zur allgemeinen Bewertung).

Die allgemeine Wertschätzung seines Werks liegt in der "Ganzheitlichkeit" bzw. "Einheitlichkeit", mit der er eine bestimmte Sicht auf die Historie formuliert.

Und in diesem Sinne waren nicht viele Historiker in der Lage, in einem historischen "Pinselstrich" eine imposante Gesamthistorie zu schreiben.

Ich selber greife zwar auch nur noch selten auf ihn zu, weil er einfach zu wenig in das Detail geht. Dennoch ist er für bestimmte generelle, komplexere Sichtweisen nach wie vor ein interessanter Historiker.

Und leider werden viel zu viele interessante Historiker und ihre Arbeiten der Vergessenheit übergeben.

Wie glaubwürdig ist das denn? Gibt es da weitere Beispiele, die ihr kennt? Oder Vergleichsbeispiele?

Sporadisch sehe ich Raab und hin und wieder macht er sich den "diabolischen" Spass, junge Erwachsene nach ihren Geographiekenntnisssen zu fragen. Mit verwirrenden, skurilen Antworten zum Teil und einer hochgradig kreativen und "revisionistischen Neuordnung" :yes: von Europa.

Würdest Du in diesem Fall auch die Frage stellen wollen, ob "Erdkunde/Geographie" ein Fach in deutschen Schulen ist? Die Ursachen für deratige Antworten liegen auch im Bereich der Lehrpläne, aber noch stärker auf der Ebene der individuellen Fähigkeit, Wissen zu memorieren und zu reproduzieren.

In diesem Sinne ist es wohl wahrscheinlich, dass obiges Zitat durchaus realistisch ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie glaubwürdig ist das denn? Gibt es da weitere Beispiele, die ihr kennt? Oder Vergleichsbeispiele? Inwiefern war Marx als Person denn Objekt des Geschichtsunterrichts im sozialistischen Lager?
Ich kann nur von der DDR sprechen. Da wurde Karl Marx als historische Person am Ende der 7. Klasse rangenommen. Nach den 1-2 bereits verwendeten Lehrbüchern (mit Notizen drin), die ich aus der Zeit kenne, zu urteilen, wurde der Werdegang von Marx ebenso sorgsam durchgenommen wie der von Thomas Münzer - also recht akribisch.
Inwiefern die Schüler dann als Erwachsene (in der 7.Klasse ist man ja etwa 13/14) das Erlernte behalten haben, steht freilich auf einem anderen Blatt. Ob die historischen Kenntnisse aufgefrischt wurden, kann ich nicht sagen. Die meisten werden wohl in ihrer Freizeit auch eher sowas wie auch heute Otto-Normal-Bürger besichtigt haben - also Schlösser, Burgen, Parks, Zoos - statt Gedenkstätten zu den Vorkämpfern des Sozialismus.
Ich glaube nur, dass ich mich entsinnen kann, dass zu Betriebsausflügen dann schon eher auf ein richtungskonformes Bildungsprogramm geachtet wurde.
 
ich meine mich erinnern zu können, das die Bedeutung von Marx in der DDR viel größer war als sie z.b. in der Sowjetunion gesehen und "gelehrt" wurde.

Nur wie war das in Ungarn? eher Sowjetisch würde ich annehmen.

Wann wurde Holland endgültig zur Seegewinnung geflutet ?
das war eine der Fragen in Raabs "erstwählercheck" ^^ danach zweifelt man an nichts mehr was auf der Straße erfragt wurde.
 
Die Frage ist ohnehin, wie viele Leute eigentlich befragt wurden. Wenn man genügend viele Leute befragt, werden sicher 2 dabei sein, die keine Ahnung haben. Das bedeutet aber nicht, dass diese 2 repräsentativ sind. (Wenn man in Deutschland oder Österreich 200 Menschen auf der Straße fragt, wer aktuell Kanzler ist, werden auch 2 dabei sein, die entweder gar keine Ahnung haben oder den Bundespräsidenten oder einen früheren Kanzler oder einen anderen prominenten Politiker nennen.)
Bei diversen Straßenumfragen im Fernsehen oder Radio mit dem Ziel, die Befragten lächerlich zu machen und möglichst viele skurrile Antworten zu bekommen, wird auch nie erwähnt, wie viele Menschen eigentlich gefragt wurden und wie viele korrekte Antworten gaben. Ausgestrahlt werden nur die, die möglichst danebenliegen. Das bedeutet nicht, dass man von dieser Handvoll auf den Bildungsstand der Allgemeinheit schließen kann.

Somit finde ich es absolut glaubwürdig, dass es in Budapest 2 Menschen (von insgesamt ???) gibt, die Marx nicht richtig einordnen können.

Bei der ersten Antwort könnte ich mir als Erklärung überdies vorstellen, dass in Ungarn im Unterricht mehr auf Marx' Lehren als auf seine deutsche Herkunft eingegangen worden war. Dann wäre naheliegend, dass die ehemals führende kommunistische Macht, in der die Kommunisten lange (wenn man von Bela Kuns Zwischenspiel mal absieht) vor den anderen Staaten in Osteuropa die Macht ergriffen hatten (sodass man die UdSSR bei oberflächlicher Betrachtung als eine Art "Mutterland des Kommunismus" ansehen könnte), für seine Heimat gehalten wurde.
 
Karl Marx ein Objekt?
Wohl eher wer oder was war Karl Marx.

Wobei ich bei dem verwendeten Zitat so meine Probleme habe.
Ich z.B. würde ganz wenig von „Erziehung“ sprechen. Eher von Leben in einen sozialistischen Land (Problematik Doppelleben).

Solchen Umfragen auf der Straße sollten nicht allzu hoch bewertet werden.
Habe schon von Umfragen gehört wo Aussagen getroffen wurden, da meint man, man wird von einem Pferd getreten.

Mal am Rande.
Was würde man für Antworten von so manchen Passanten bekommen, wenn man sich am U-Bahnhof Adenauer Platz in Berlin hinstellt und fragt wer war Adenauer.

Ich gehe davon aus, wenn’s um sozialistische Ungarn geht, es wurden altersmäßig Passanten > 45 Jahre befragt.

Und da möchte ich fast meinen, die Befragten haben den Reporter vera..., aus welchem Grund auch immer.

Problematisch finde ich allerdings die Frage für eine Straßenbefragung, wer war Karl Marx.

Machen wir uns nichts vor.
Die Mehrzahl der Menschen des ehemaligen sozialistischen Lager haben etwas von Karl Marx gehört, sie wissen auch wie er aussieht, haben auch noch möglicherweise die zwei wichtigsten Werke (titelmäßig (!!!)) im Gedächtnis; „Manifest“ und „Kapital“.
Wenns hoch kommt, vom Manifest den bekannten Spruch „Proletarier ...“ und vom Kapital die Fußnote Nr. 350 “Kapital, flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur...“.
Problematisch wird es wenn’s um Aussagen zum Inhalte seiner Werke geht.

Zum Konterfei.
So schnell vergisst man sein Konterfei nicht, zumal dies in den Behörden, Schulen, anderen staatlich öffentlichen Einrichtungen vielfach aushing.
Hinzukommend die Tage wo marschiert wurde (z.B. 1. Mai) und er überlebensgroß auf Tragelementen sichtbar war.
Weiter hinzukommen auch in Ungarn, wie auch in anderen Ländern, Briefmarken.
Apropos Briefmarken und gewisse Köpfe; ich erspare mir jetzt den Spruch so mancher DDR Bürger dazu ;).

In Deutschland nimmt ja Karl – Marx – Stadt (früheres und heutiges Chemnitz) einen ganz besonderen Platz ein.
Auf der Brückenstrasse kann man ihn nicht übersehen. 40 Tonnen haben ja auch einen entsprechenden Kubus.
Überlege mir gerade was wohl so ein waschechter Sachse dazu antwortet, selbst wenn er vor diesen Monument steht.
Vielleicht dies was ich zu DDR Zeiten in meiner dortigen Verwandtschaft hörte: Karl Marx, dass war der – nach hinten zeigend -, den man zu DDR Zeiten das rechte Auge verbunden hatten, damit er nicht rechts den Intershop sieht.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Ralf, meinst Du den ? http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/58/Karl_Marx_memorial.jpg. Der schaute früher tatsächlich auf den Intershop. Darüber gab es zahlreiche Witze. Z.B." Warum schaut Marx so ernst ? Weil seine große Rübe nicht in den Intershop passt."
Es ist aber auch heute noch ein Kuriosum, dass in einer, heute vom Kapitalismus geprägten Stadt, ein derart großes Marx-Monument und hinter ihm, haushoch der Satz "Proletarier aller Länder vereinigt euch" in mehreren Sprachen steht.
 
Die Litauer waren fichelanter.
Die haben alles in den „Grutas Park“ verfrachtet, nähe der Grenze zu Weisrussland.
Mit ein paar wenig Litas kannste in einem riesigen Parkgelände Erinnerung auffrischen.
Ich verbrachte da ca. 4 Stunden!!!

Da findeste alle, zumindest die meisten Denkmäler aus der Sojuszeit in Litauen.
Und vor dem Einlass kannste Gläser mit dem Konterfei von großen „Steuermann“ (J.W.S.) kaufen.
Mit dem Spruch (in Russisch): „Bier ohne Wodka ist rausgeschmissenes Geld“.
 
Es ist aber auch heute noch ein Kuriosum, dass in einer, heute vom Kapitalismus geprägten Stadt, ein derart großes Marx-Monument und hinter ihm, haushoch der Satz "Proletarier aller Länder vereinigt euch" in mehreren Sprachen steht.

Wenn Meine Mutter ihren Kleiderschrank aufräumt, lässt sie öfters den Satz fallen: "Das brauch' man nicht wegschmeissen, das wird wieder modern." Vielleicht trifft das auf euren Nischel* in Karl-Marx-Stadt ...äh Chemnitz ja auch zu. :pfeif:

* sächsisch für Kopf bzw. Schädel
 
Solchen Umfragen auf der Straße sollten nicht allzu hoch bewertet werden.
Habe schon von Umfragen gehört wo Aussagen getroffen wurden, da meint man, man wird von einem Pferd getreten.

Solchen Umfragen auf der Straße sollten nicht allzu hoch bewertet werden.
Habe schon von Umfragen gehört wo Aussagen getroffen wurden, da meint man, man wird von einem Pferd getreten.

Mal am Rande.
Was würde man für Antworten von so manchen Passanten bekommen, wenn man sich am U-Bahnhof Adenauer Platz in Berlin hinstellt und fragt wer war Adenauer.

Ich sehe da schon einen Unterschied. Adenauer kommt mal in Klasse 9 vor und vielleicht noch mal kurz vor'm Abi, sonst kaum. In der DDR gab es das Fach Staatsbürgerkunde, welches in erster Linie dazu diente, den Marxismus einzutrichtern und die Schüler auf den richtigen Klassenstandpunkt zu stellen.
Ich weiß natürlich nicht, ob es eine ähnliche Einrichtung auch in den anderen sozialistischen Bruderstaaten gab, also ob Budapester Bürger von einem solchen Unterricht hätten profitieren können, aber zumindest in der DDR wäre eine solche Unkenntnis mehr als ernüchternd gewesen. Was nicht heißt, dass die zitierten Raab'schen Straßenumfragen (hatte der nicht auch mal eine "Quizshow", wo die schlechteste Antwort gewann?) nicht ebenfalls ernüchternd sind. Aber die Intensität, mit der Adenauer im bundesdeutschen Leben und mit der Marx im "demokratischen" Sektor behandelt wurden, ist doch eine völlig andere.

Wer mir jtzt vorwirft, dass ich unzulässigerweise 2014 mit prä-89 vermische, hat vermutlich Recht.

Es ist aber auch heute noch ein Kuriosum, dass in einer, heute vom Kapitalismus geprägten Stadt, ein derart großes Marx-Monument und hinter ihm, haushoch der Satz "Proletarier aller Länder vereinigt euch" in mehreren Sprachen steht.

Ganz ehrlich? Das ist der einzige Grund, warum das ganze Gebäudeensemble erhaltenswert ist.
 
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Bereits Kindern wurde Karl Marx vorbereitend als guter Onkel verkauft, wie z.B. in dem Jugendbuch "Mohr und die Raben von London", welches auch Pflichtliteratur in der Schule war.
Wer in der DDR in der Schule gut aufpasste, wusste quasi alles über Karl Marx. Gebetsmühlenartig wurde immer wieder die historische Mission der Arbeiterklasse abgearbeitet. Nicht selten wurde man "unverhofft" im Staatsbürgerkundeunterricht aufgerufen und nach dieser en détail abgefragt. Seine Werke dominierten jede Bibliothek.
 
Ganz ehrlich? Das ist der einzige Grund, warum das ganze Gebäudeensemble erhaltenswert ist.
Das stimmt denn das Gebäude steht heute fast vollkommen leer.

Marx kam in der Schule sogar im Englischunterricht vor. Die einzelnen Lektionen waren immer kleine Geschichten mit den Hauptpersonen Tom und Peggy. Selbstverständlich besuchten die Beiden auch ein Karl-Marx-Denkmal in London und sprachen über dessen Leben und Wirken.

@Rurik, was im Staatsbürgerkundeunterricht behandelt wurde, weiß ich leider nicht da ich diese Zeit lieber zur Vervollkommnung meiner Zeichenfähigkeiten nutzte, was sich als richtig für mich erwiesen hat. Von Marx könnte ich nicht leben, mit der Malerei verdiene ich heute meine Brötchen.;)
 
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