Dokumente über Politiker/Allianzen/Staaten des Kaiserreiches

Xeda

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Hallo allerseits,

nachdem der Spiegel eine Ausgabe mit dem beißenden Titel "Wie Amerika die Welt sieht" von Wikileaks veröffentlichte (Ich möchte KEINESFALLS über Tagesgeschehen diskutieren), würde mich interessieren ob es solche "Dokumente" auch im Kaiserreich gab (wovon ich stark ausgehe), und ob solche jemals veröffentlicht wurden, bzw schon zur damaligen Zeit bekannt wurden?

Ein Beispiel hätte ich ja schon, der Rückversicherungsvertrag zwischen dem Reich und Russland wurde ja bekannt - dank Bismarck.

Kennt ihr weitere Vorfälle dieser Art? Auch von anderen Staaten würde es mich interessieren.

Mfg :winke:
 
Ein Beispiel hätte ich ja schon, der Rückversicherungsvertrag zwischen dem Reich und Russland wurde ja bekannt - dank Bismarck.

Bismarck kompromittierte gezielt und nachträglich die Nicht-Verlängerung der Rückversicherungsvertrages, vermutlich um seine eigene Legende nicht beschädigt zu sehen. 1890 stand er vor den Trümmern seiner Bündnispolitik, das System der Aushilfen vor dem Kollaps.

Solche Akten/Dossiers über ausländische Regierungen und Gesprächspartner gab es:
Hallmann, Hans: Zur Geschichte und Problematik des deutsch-russischen Rückversicherungsvertrages von 1887. Dort sind auch interne Akten zitiert, die sich zB als Botschafterberichte auch höchst negativ oder lästerlich über Positionen und Personen auslassen.

Das ist immer die Sicht des Verfassers, und es ist Aufgabe des diplomatischen Dienstes. Dieser hat Informationen zu liefern, wozu auch Profile gehören. Man könnte hier für weitere Fälle auch auf die Akten der Auswärtigen Deutschen Politik (ADAP) für die Weimarer Republik hinweisen, Serie B. Ähnliches DFBP, DDF usw.
 
silesia schrieb:
1890 stand er vor den Trümmern seiner Bündnispolitik, das System der Aushilfen vor dem Kollaps.



Das empfinde ich etwas übertrieben, denn es waren Faktoren, die Bismarck nur teilweise beeinflussen konnte, die zu der Situation von 1890 geführt haben.

Immerhin war das Zarenreich 1890 bereit den Rückversicherungsvertrag zu verlängern. Wilhelm II. war zunächst auch einverstanden. Dann kam aber die Fraktion des Russlandhassers Holstein vom AA und zum Tragen und der Vertrag wurde nicht mehr verlängert. Selbst bei Giers zweitem Versuch einige Monate später, die monierten Widersprüche des Vertragswerkes mit den anderen Bündnispartnern des Deutschen Reiches wurde von den Russen dann bereitwillig fallengelassen ließ man die Russen auflaufen. Der deutsche Botschafter in Petersburg Schweinitz hatte dringend die Annahme empfohlen gehabt. Aber es wurde erneut brüsk abgelehnt. Russland war jetzt als der außenpolitische Bezugspunkt ausgeschieden und wechselte zügig in das Lager der potenziellen Gegner.

Sicher, der Annäherungsprozess zu Frankreich war schon im vollen Gange, aber ich wage doch zu bezweifeln, ob dann schon 1892/94 eine Militärkonvention zwischen diesen beiden Mächten abgeschlossen worden wäre. So hat Holstein in Lichtgeschwindigkeit Bismarcks Albtraum vom cauchemar des coalitions Wirklichkeit werden lassen. Kann man das direkt Bismarck anlaßten?

Der Zweibund hat durch das Verprellen Russlands wohl noch an Bedeutung gewonnen, denn unter Bismarck war er rein defensiv ausgerichtet und Bismarck hat Wien auf dem Balkan immer zur Zurückhaltung gemahnt. Die Abhängigkeit des Deutschen Reiches von Österreich-Ungarns ist durch den Ausfall Russland aber offenkundig und das Reich musste aufpassen, nicht im Schlepptaus des Ballhausplatzes genommen zu werden.

Zu Großbritannien lässt sich sagen, dass sich in den Grundzügen die Beziehungen zum Deutschen Reich nicht geändert hatten. Beide Nationen hatten keine Streitigkeiten, weder in Fragen des Handels noch in territorialen Angelegenheiten.

Italiens Verhältnis war 1890 zu Frankreich äußerst gespannt, so dass es auf seine Dreibundpartner Deutsches Reich und auch Österreich-Ungarn angewiesen war.
 
Zuletzt bearbeitet:
... denn es waren Faktoren, die Bismarck nur teilweise beeinflussen konnte, die zu der Situation von 1890 geführt haben.

Sicher hast Du recht bzgl. der externen Faktoren.

Die Bemerkung "Kollaps" bezog sich auf Kennan, George F.: Bismarcks europäisches System in der Auflösung - Die französisch-russische Annäherung 1875-1890.

Dass Bismarck oder seine Nachfolger diesen Magnetismus der Annäherung FRA/RUS bis zum Abschluss im "Bündnis" nicht verhindern, allenfalls verzögern konnten, würde ich nicht unter Verschuldensaspekten iwS sehen, sondern rein deskriptiv beschreiben wollen.

Der Kollaps des Bismarckschen Bündnissystems verlief bei der Ausgangslage, den jeweiligen imperialistischen Zielen und vor allem der sozialen und ökonomischen Entwicklungen in den Monarchien als Treiber der Politik nahezu forciert ab (um das Wort "zwangsläufig" zu vermieden). Das wird er wohl selber so gesehen haben, wenn man mal den strategischen Kern des /verfehlten) Zieles betrachtet, England als wichtigsten Bündnispartner zu gewinnen. Man kann es auch mal umgekehrt betrachten: warum gelang es gerade Frankreich, Russland als wichtigsten Bündnispartner jahrzehntelang zu halten? Warum gab es offensichtlich keinen relevanten Sprengstoff zwischen den beiden;)
 
silesia schrieb:
Warum gab es offensichtlich keinen relevanten Sprengstoff zwischen den beiden;)

Frankreich war in der Lage und durchaus willens, bei entsprechender, militärischer, Gegenleistung, den erheblich Kapitalbedarf Russlands zu decken. Darüber hinaus gab es außenpolitisch praktisch keinen nennenswerten Reibungsflächen.

Für Großbritannien war es doch recht nützlich, wenn das Deutsche Reich und Frankreich sich gegenseitig in Schach hielten (Balance of Power). Was man gewiss nicht wollte, das Berlin durch britische Rückendeckung sich Frankreich für viele Jahre "vom Hals schaffen könne."
 
Zuletzt bearbeitet:
Für Großbritannien war es doch recht nützlich, wenn das Deutsche Reich und Frankreich sich gegenseitig in Schach hielten (Balance of Power). Was man gewiss nicht wollte, das Berlin durch britische Rückendeckung sich Frankreich für viele Jahre "vom Hals schaffen könne."

Richtig, aber auch deren System der "splendid isolation" war - Ironie der Geschichte: durch dieselben fundamentalen Entwicklungen, bei denen Russland eine besondere Rolle spielte - 1898/1902 zusammengebrochen.

Das kam für einen "Akteur" wie Bismarck aber 10-15 Jahre zu spät.:winke:
 
Russland war ja schon über die Reichsgründung alles andere als erbaut. Schon 1866 hatte Gortschakow versucht sich Frankreich anzunähern um einen zu großen preußischen Erfolg zu verhindern. Das ist ja bekanntermaßen an Napoleon III. gescheitert, der meinte sein eignes Süppchen zu kochen, in dem er direkt mit Bismarck verhandelte und dabei grandios scheiterte.

Interessanterweise hatte man nicht schon zu diesem Zeitpunkt die Revision des Pariser Vertrages realisiert. Möglicherweise war die Einverleibung der Küsten des Schwarzen Meeres zu jenem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, so das Petersburg keine sonderliche Eile am Tage legte.

1870/71 das gleiche Spiel. Alexander hat nicht sonderlich klug agiert, in dem er meinte Österreich-Ungarn zu paralysieren, um eben neutral bleiben zu können. Aus russischer Sicht war die definitive Zusage vom 18.Juli ein Fehler, denn das kommende Deutsche Reich würde eben nicht die russischen Interessen, wegen Österreich-Ungarn, auf dem Balkan rückhaltlos unterstützen. Und durch das neue und vor allem militärisch starke Deutsche Reich wurde Russland gegenüber Österreich-Ungarn zumindest gebremst.

Es waren sicher nicht ganz unwesentlich dynastische Sentimentalitäten Alexander II. , die ihm an die Seite Wilhelm I. führten. In der russischen Gesellschaft und Politik war die Freundschaft zu Preußen und später zum Deutschen Reich auch nicht soo populär, da man dank Katkow und Akasow registrierte, das die Interessenlage eben unterschiedlich war. Entsprechend wurde beispielsweise die Rolle Preußens bei der Revision des Pariser Vertrages weder öffentlich gewürdigt noch anerkannt. Der eitle Gortschakow ließ sich nach den zahlreichen diplomatischen Niederlagen des Zarenreichs groß feiern. Nur, was hat er eigentlich groß erreicht? Das südliche Bessarabien kehrte nicht zu Russland zurück.
 
Bismarck kompromittierte gezielt und nachträglich die Nicht-Verlängerung der Rückversicherungsvertrages, vermutlich um seine eigene Legende nicht beschädigt zu sehen. 1890 stand er vor den Trümmern seiner Bündnispolitik, das System der Aushilfen vor dem Kollaps.

Bismarck hatte ja schon vor 1896 entsprechende Andeutungen gemacht gehabt; nur hatte das nie solche Wellen geschlagen.
Es darf bezweifelt werden, ob der 81 jährige Bismarck 1896 überhaupt noch auf der Höhe und ihm der heikle Charakter des Rückversicherungsvertrages überhaupt noch bewusst gewesen war. Er ging davon aus, das der Vertrag beispielsweise 1884 und für mehr als 3 Jahre geschlossen worden war.
Anlass war ein Artikel in der Vossischen Zeitung anlässlich des Zarenbesuchs in Frankreich. Bismarck vertrat die Meinung, das Caprivi und der Neue Kurs an der deutsch-russischen Entfremdung hätten. Der Artikel äußert hier Zweifel und Bismarck fühlte sich wohl an seiner Ehre gepackt.
 
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