dt. Marineentwicklung - kontrafaktische Geschichte

Köbis17

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Hallo Zusammen,

eigentlich bin ich ja nicht so der Fan von kontrafaktischer Geschichte, aber da ich jetzt schon mehrmals von anderen Usern gelesen habe, daß die deutsche Flottenrüstung in einer anderen Form, also nicht nach den tatsächlichen Flottenprogrammen aufgebaut, auch als (politische) wie militärische Alternative als ausreichend benannt wird, würde ich gern das Experiment wagen.

Dazu wollte ich vorab abklären, wie wir das ganze auch auf einem halbwegs wissenschaftlichen Blick hin bekommen können. Dazu wären hier natürlich als ersten wohl, ein wichtiges Hintergrundwissen von Fakten notwendig, um die möglichen Veränderungen halbwegs realistisch zu bewerten.

Als erstes, denke ich, wäre es sinnvoll, einen Startpunkt in der Veränderung des Geschichtsverlaufes zu wählen. Mir schwebt dazu vor, die Flottenplanungen seit den Jahr 1815 als Basispunkt einzubeziehen, bis hin zu den ersten geformten Flottenplanungen bzw. Vorlagen zur Reichsgründung (1865 -1873 Flottengründungsplan) der preußischen und später der kaiserlichen Marine.
Zudem gehen die Planungen aus den ersten maritimen Betrachtungen vor 1848 und auch danach auf die technische und industrielle Schwelle des Eisen- bzw. Stahlschiffbaus und dem daraus resultierenden Panzerschiffbaus hervor, der die Flottenplanungen der preußische Marine nachhaltig beeinflussten (technisch wie finanziell).
Hinzukommen strategische Lehren und Ansichten durch entsprechendes Personal, welches natürlich auch einfließen müssten.

Was denkt, ihr, können diese Daten so als Basis der historischen Entwicklung bis zu dem Punkt, wo eine parallele Entwicklung konstruiert werden soll dienlich sein?
(Indem Fall wären auch Meinungen von nicht Marinefachleuten erwünscht, also zur kontrafaktischen Geschichte.)
 
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Vielleicht sei noch ein Ziel der kontrafaktischen Darstellung in der Eingrenzung historische Entwicklungsbreite oder Tiefe der sich dadurch verändernden Ereignisse zu definieren. Nur um eine Ausuferung der Gedankenüberlegung parallel der tatsächlichen Ereignisse einzugrenzen.
Somit sollte das Ziel die militärische Bewertung einer kaiserlichen Marine darstellen, die sich nicht zur zweitstärksten Seemacht etablierte, sondern, sich auf den Bereich des Küstenschutzes orientierte und zu den politischen Voraussetzungen des 1. WK 1914 auch militärisch gefordert wäre.

Schwierig wird es dann aber, eine Entwicklung nach der strategischen Ausrichtung der Jeune Ecole zu konstruieren, weil die geographische Lage der deutschen Bucht unumstößlich ist und mit einem Kreuzerkrieg, Weltweit, ein größeres Netz an Stützpunkten und damit auch an kolonialen Erwerbungen deutscher Seite einhergehen müssten. Das in einer kontrafaktischen Darstellung zu bewerten, würde ich jetzt fast schon nicht mehr als darstellbar zu bewerten ansehen, schon allein aus den politischen wie außenpolitischen Problematik.

Und hat wer eine andere Idee?
 
Zuletzt bearbeitet:
Na, da hast Du Dir ja was vorgenommen :winke:

Anbei ein Link zum Konstruktionsprogamm SpringSharp, damit ihr nicht mir Millimeterpapier, Rechenschieber und Wertetafeln hantieren müsst - obwohl das zeitgemäßer wäre :)
 
Nagut, noch keine Resonanz … ist ja so auch ein schwieriges Thema, sich auf eine halbwegs geschichts- wissenschaftlichen Basis für eine kontrafaktische Entwicklung der kaiserlichen Marine einzulassen.

Denkschrift 1811, vorgelegt von Oberstleutnant v. Rauch über den Aufbau eine preußischen Flotte:
3 große Korvetten
8 große Kanonenboote
4 kleine Kanonenboote
400 Mann Besatzung

Das wäre die Basis der ersten Flottengedanken, die ich noch mit der Randnotiz des v. Gneisenau untermauern möchte:

„Besitzt man die Herrschaft des Meeres, so vermag man einen Angriffskrieg auf alle Küsten seines Feindes zu führen … Dies erscheint mir der wahre Gebrauch des Dreizacks zu sein, und das macht die Natur seiner Übermacht aus.“

Gedanken von mir: "Als Erinnerung an die Erkenntnisse durch die in den 1890iger Jahren dargelegten Ansichten des US Amerikaners Mahan und dem Verständnis, was später Tirpitz daraus macht, ist interessanter Einstieg, schon 80 Jahre zuvor."

Mit den Randnotizen Gneisenaus waren somit auch die Grundgedanken für strategischen Überlegung zur preußischen Flotte auf Jahre festgelegt.

Die nächste Flottenüberlegung erfolgte 1836, durch den Gedankengründer der maritimen Bestrebungen schlechthin, durch Adalbert Prinz von Preußen.
Hier wurden nicht nur die quantitative Darstellung festgelegt, sondern auch der Zweck, Größe, Zahl der Schiffe, Besatzungsstärken, Anlagen zu Werften, Kriegsflagge, Kosten usw. überdacht.
Plan 1836:
5 Dampfschiffe
2 große Segelschiffe (Ausbildung)
48 Kanonenboote (Segel- und Ruderantrieb)

Damit bewegen wir uns auf die Schleswig-holsteinische Flotte bis zur Reichsflotte bzw. Bundesflotte 1848-52 hin. Als Vorsitzender einer technischen Marine-Kommission legte Prinz Adalbert eine Denkschrift zur Flottenplanung 1848 der Bundesflotte bei König Friedrich Wilhelm IV vor:
20 Dampffregatten
20 Radkorvetten
10 Dampfavisos
5 Kriegsschoner
80 Kanonenboote (Segel- und Ruderantrieb)

Zeitgleich wurde auch in einer Denkschrift klare Ziele in drei Stufen entwickelt:

1.)
Schnelle Schaffung einer lediglich der Küstenverteidigung dienenden Flotte:
80 Gaffel-Kanonenbooten für die Nordsee
80 Ruderkanonenbooten für die Ostsee;
2.)
als erweitertes Ziel die Schaffung einer Handelsschutz dienenden Marine mit
60 Segelfregatten
12 Dampfkorvetten
120 Kanonenbooten;
3.)
die Schaffung einer selbstständigen Seemacht mit
12 Segellinienschiffen
10 Segelfregatten
30 Dampfkorvetten
120 Kanonenbooten

Ich denke, von diesen Flottenplanungen wäre eine neue Richtung, der tatsächlichen Entwicklung sinnvoll, um die deutsche Flotte als 2. ranging weiter einzustufen, bis weit nach 1900 …

Quelle: Die deutschen Kriegsschiffe / Hildebrand;Röhr;Steinmetz / Band 1
 
Zu den Zahlen wäre eine Sichte des seestrategischen Denkens auch wichtig, denn hier wird deutlich, daß wir doch weiter Ausholen sollten, um den Punkt zu finden, ab wann die Flottenplanungen überdimensioniert wurden.

1.)Der Flottengedanke ist spätestens seit den Jahr 1848 einer der zentralen Punkt eines nationalen deutschen Charakters und finden im Norddeutschen Bund 1867 eine Verankerung in der Verfassung.
Interessant bei der weiteren Bewertung der Flottengedanken ist auch die Hoffnung eines liberalen Bürgertums, daß sich durch die moralische Führung Preußens mit dem Projekt, Flotte, eine symbolische Hoffnung einer nationalen Einigungsbewegung sah. Hierbei spielen dann die Flottenvorlagen des Jahres 1862 eine Rolle, die aber erst durch die Bundesdeutschen Flotte von 1867 ein Grundstein gesetzt wurde.

2.)Die Marine war der Armee zu jener Zeit untergeordnet, mit allen Konsequenzen.
Eine Änderung hierzu wird erst ab dem Jahr 1888 eintreten. Da müssten wir dann später darauf zurück kommen.
In dem Zeitabschnitt um die Norddeutsche Bundesflotte und den Anfängen der kaiserlichen Marine, spielen demnach auf Militärs der preußischen Schule eine Rolle, so Roon, Moltke, Stosch und Caprivi, die die Flotte als zweitrangige Marine einzuordnen versuchten.
Damit wäre hier auch ein Punkt der Überlegung, den Flottengedanken weiterspinnen, als zweitrangige Marine zu bestehen, also nach 1888, oder?

3.) Die Geographische Lage Deutschlands und der bis in die 1890iger Jahre, oder zumindest bis Mitte der 1880iger Jahre nicht unmittelbar stehende Punkt, vom Überseehandel abhängig zu sein, bzw. hier den Schutz durch eine Überseeflotte zu stellen.

Entscheiden finde ich dann doch die Überlegung der Flottenplanungen von 1865, 1867 und dem Flottengründungsplan von 1873.

Quelle der 3 Punkte: Maritimer Imperialismus; R. Hobson
 
Na? Wo sind denn jetzt die Diskutanten die Behaupten, die kaiserliche Marine wäre ausreichend als Marine 2. Ranges ... oder Küstenschutzflotte.

Immerhin sollte bei der historischen Entwicklung auch deren Annahmen oder Behauptungen mit einfließen.

Ich geh mal einen technischen Schritt, so bedarf es ja als kleiner Marine wenige an Schlachtschiffen, mehr doch kleiner Schiffe zur Küstenverteidigung.

Dazu stoße ich immer wieder, auch Gedanklich auf den Entwurf einen Panzerkreuzers auf Basis der Brandenburg-Klasse von 1892 od.93 ...

The Dreadnought Project

Dieser könnte als geeignete Basis eine Entwicklung nicht auf der Schiene von Panzerschiffen 1. Klasse genutzt werden, schon allein, weil dies auch nur ein Entwurf war, der nie umgesetzt wurde.
 
Ich verstehe den Sinn dieses Strangs nicht. Du willst eine mögliche Änderung der Geschichte ab 1815 beginnen lassen um fast ein Jahrhundert später Auswirkungen zu diskutieren?

Was den Küstenschutz angeht, so gibt es ja nur wenige Unternehmungen dabei. Für Deutschland kenne ich jetzt am ehesten die Aufgabe des Marinekorps Flandern, welches die Küstensicherung, Operationen zur See und in der Luft und die Sicherung des Küstengebiets übernahm. Offenbar war das Konzept nicht das schlechteste und hätte an deutschen Nordseeküste sicher ähnlich ausgesehen.
 
Sorry, fängt man 1815 an, sollte man bedenken, Deutschland gibts noch nicht.
Die führenden Eliten auf deutschen Boden machten sich wohl auch keine Gedanken, wo denn die "Kolonialwaren" herkamen.
Nachtigal bereist auch die Küsten Afrikas noch aus dem Inland heraus. Seehandel interessiert zwar Hannover, aber die sind britisch und überlassen das dann London.
Bremen Hamburg sind in Deutschland politisch uninteressant. Das es möglich ist, Rüstungsgüter aus fernen Kolonien zu beziehen, das schadet doch der heimischen Wirtschaft und die gehört den entsprechenden Eliten. Der Adel lebt ja noch hauptsächlich von der Landwirtschaft und hat politisch das Sagen. Hannovers Intressen werden gut von den Briten vertreten. Freien Zugang zu den Weltmeeren haben nur die "Pfeffersäcke" aus Bremen und Hamburg, wo die die Waren herbekommen, ist den inländischen Eliten egal.

Also jetzt ne Flotte??? Wofür? und wo stationieren? Es gab keine "deutschen " Seehäfen, keine Werftinfrastruktur, keinerlei Übersseerfahrung...

Und es gab auch keine Bedrohung Deutschlands durch eine Seemacht auf den Weltmeeren.
 
@solwac, ich habe nur die Geschichte dargestellt, die die Entwicklung bis zu einem Punkt x genommen hat, um ab da eine neue Geschichte zu konstruieren.
Ich deshalb soweit ausgeholt, um verständlicher zu machen, wie der Flottengedanke sich insgesamt entwickelte.
Einfach nur zu sagen, eine kleiner Flotte hätte ausgereicht, ist eine nicht haltbare These und nicht belegbar, aber so kann die Entwicklungsgeschichte mit einfließen.

Das ist der Hintergrund der ersten Gedanken.

@Wilfried, niemand hat von einer deutschen Flotte gesprochen und auch nicht, um den Gedanken der Bevölkerung, diese nur zum Zweck Kolonialen Schutzes zu besitzen.
Tipp, setzte dich mal mit der Nationalstaatlichkeit und der Bundesflotte von 1848 auseinander, den hier spielt gerade eine Flotte einen ganze anderen wichtigen Punkt an ... um Kolonien geht es da noch gar nicht.
 
Was den Küstenschutz angeht, so gibt es ja nur wenige Unternehmungen dabei. Für Deutschland kenne ich jetzt am ehesten die Aufgabe des Marinekorps Flandern, welches die Küstensicherung, Operationen zur See und in der Luft und die Sicherung des Küstengebiets übernahm. Offenbar war das Konzept nicht das schlechteste und hätte an deutschen Nordseeküste sicher ähnlich ausgesehen.

Verlassen wir mal das eigentlich Thema:
Na, daß ist aber sehr kurzsichtig betrachtet, einen solchen Bereich aus der maritimen Strategie und militärischen Handlung heraus zugreifen und das ohne weiteres auf die gesamte Küste zu beziehen.
Ohne die Hochseeflotte in der deutschen Bucht, wäre die deutsche Armee nicht mal an die Küste Flanderns gekommen. Zuggeben, daß mag für den Laien abstrakt klingen, aber in den Rahmen hat die Wirkung des Fleet in Being voll Wirkung gezeigt, denn nach den Angriff auf die Küste am 28.07.14 hat es die RN erst wieder Okt 1917 versucht, diesmal ohne materiellen Erfolg ...
 
Ich möchte nochmals den Gedanken zu einem anderen Planungsziel der deutschen Flotte, als reine Küstenverteidigung etwas auf wichtige reelle Planungen blicken.
Als Ergänzung die Zahlen zu dem in Beitrag 5, Punkt 1.) aufgeführten Planungen kurz vor der Bildung der kaiserlichen Marine nach 1871.

1862 Plan zur Begründung der preußischen Flotte ( Auch von Bismarck unterstützt!)
8 Panzerfregatten
8 Panzerkanonenboote
12 Korvetten
8 Avisios
78 Kanonenboote

1867 Flottengründungsplan für die neue norddeutsche Bundesmarine
16 Panzerschiffe
20 Kreuzerfregatten und -korvetten
8 Avisios
3 Transportschiffen
22 Dampfkanonenboote
2 Artillerieschulschiffe
5 Übungsschiffen für Kadetten

Als taktische und strategische Ausrichtung waren auch hier wieder 3 Schwerpunkte gesetzt:
1.)Schutz und Vertretung des perußischen bzw. deutschen Seehandels auf allen Meeren
2.)Verteidigung der deutschen Küsten in Nord- und Ostsee
3.)Entwicklung eines eigenen Offensivvermögens


Dabei habe ich festgestellt, daß es unmöglich ist, die Entwicklung der kaiserlichen Marine, so umzuleiten, daß diese den Weg unter Caprivi, der reinen Küstenverteidigung auch nach seinen Abgang 1888 weiterzuführen ist.

Aus folgenden Gründen:
Die Planungen zeigen auf, daß schon sehr früh von der Basis der Flottenkräfte nicht nur die Küstenverteidigung eine Rolle spielt, sondern eben auch jenes Offensivvermögen, daß den Kern eine Panzerschiffsflotte fordert bzw. wichtig erscheinen lässt.
Der Weg in die reine Küstenverteidigungsflotte in den 80iger Jahren war einmal eine Fehlbesetzung der Admiralität sowie der unklaren maritimen Entwicklung insgesamt auf diesen Sektor Weltweit.
Der Operationsplan von 1887 zeigt hier eine Tendenz zur Massiven Verwendung von Torpedobooten (ironischer weise wurde der Torpedoeinsatz in den 80iger von Tirptz vorangetrieben) aber auch ohne den Rückhalt von Panzerschiffen unmöglich erscheint. Er sah vor die französische Nordflotte durch einen überraschenden Torpedoangriff in Cherbourg zu schwächen und durch die Beschießung von Calais durch Panzerschiffe ein Vorgehen gegen die deutsche Küste zu provozieren.
Selbst hier sehen wir, daß ein Angriff einer gegnerischen Flotte immer in einem Gefechtsfeld vor der deutschen Küste erwartet wurde, sei es nun die Schlacht durch viele kleine Torpedoträger oder durch Panzerschiffe führen zu lassen (Und das schon vor der Tirpitz Dienstschift IX).
Daraus ergibt sich ebenfalls, daß die Küstenverteidungskräfte einen offensiven Charakter darstellen sollten.
Die Planung einer Flotte war somit ständig in Bewegung und kannte nur die Richtung einer Weiterentwicklung und Verbesserung der eigenen strategischen Lage.
Wie sich eine falsche Flottenplanung jener Jahre für viele Jahre negativ auswirken konnte, die im Gegensatz zur preußischen bzw. deutschen Entwicklung schon länger Bestand hatte, ist an der französischen Flotte deutlich aufgezeigt. Nach vielen taktischen Planänderungen und der Entwicklung nach dieser Planung wurde aus der 2. größten Marine innerhalb von 30 Jahren eine 2. ranginge Marine ohne großen militärischen Wert. Als man erkannte, daß nur eine Küstenverdeitigung durch kleine Panzerschiffe und der Offensivkraft durch die Torpedowaffe und Kreuzern bald unzureichend sein wird, war der Anschluß ein die internationale Entwicklung nicht mehr aufzuholen.

In der deutschen Marine haben wir zudem noch die politische und die wirtschaftliche Entwicklung mit zu betrachten, ohne dabei dies von Personen wie Kaiser Wilhelm II oder Tirpitz festzumachen.
Die politischen wie wirtschaftlichen Voraussetzungen, wohl auch mehr die wirtschaftlichen gaben uneingeschränkt den Weg für die internationale Entwicklung maritimer Entwicklung erst die Plattform, die solch eine Unternehmung benötigte. Es wäre vermessen gewesen, wenn die deutsche Wirtschaft sich mit ihrer schnellen und enormen Leistungsfähigkeit um die Jahrhundertwende nicht an dem Navalismus beteiligt hätte. Hinzukommt dann hier auch wieder die imperialistischen Bestrebungen, womit sich ein Kreis schliesst, denn keine führende Wirtschaftsmacht jener Jahre konnte sich dieser beiden Entwicklungen ausschließen.

Von daher kann eine Projekt wie dieses hier im Thema, einer kontrafaktische Entwicklung der deutschen Marine zu eine kleinen Küstenflotte nicht mal Ansatzweise als ein sinnvoller Gedanke zu historischen Diskussionen um die Flottenfrage erörtert werden. Es sei denn, man übersieht die Gesamtentwicklung innenpolitisch wie außenpolitisch zum Deutschen Reich, sowie die Internationale Entwicklung dazu. Das kann dann aber aus historischer Sicht nicht verwertbar sein und als Argument dienen.
 
Ich habe den Thread bisher übersehen, und kann Köbis17 an Fachwissen auch bestimmt nicht das Wasser reichen.

Sinn macht kontrafaktische Geschichte für die Geschichtswissenschaft nur, wenn sie kurzfristig und möglichst "direkt" ist; wenn das passiert (oder nicht passiert) wäre, wäre das geschehen (oder nicht geschehen). In diesem Sinne gefragt: Wir sinnvoll war die deutsche Flottenrüstung ab 1898 (Flottengesetze), die das Deutsche Reich auf den 2. Platz brachte? War es notwendig, eine größere Flotte zu unterhalten als alte Kolonialmächte wie Frankreich oder Spanien, als Rußland, das an vier Ozeane grenzt, als das das Inselreich Japan? Die gebaute Hochseeflotte versauerte den tatsächlichen Ernstfall zu großen Teilen in den Häfen.

Im Frieden reicht auch eine kleine Flotte, um Präsenz zu zeigen. Für den Kriegsfall hat sich 1870/71 gezeigt, dass ein solcher auch ohne große Flotte gewonnen werden kann. Natürlich nicht gegen Großbritannien natürlich, aber das war ja ohnehin jenseits des Erreichbaren.

Ein allgemeines Mithalten, was die technische Entwicklung angeht, die Entwicklung und den Bau auch großer Schiffe, das wird sich kaum anders denken lassen. Aber mussten es wirklich so viele sein? ;)
 
Sinn macht kontrafaktische Geschichte für die Geschichtswissenschaft nur, wenn sie kurzfristig und möglichst "direkt" ist; wenn das passiert (oder nicht passiert) wäre, wäre das geschehen (oder nicht geschehen). In diesem Sinne gefragt: Wir sinnvoll war die deutsche Flottenrüstung ab 1898 (Flottengesetze), die das Deutsche Reich auf den 2. Platz brachte? [...]

Danke, daß ist mal ein guter Ansatz.
Dabei würde ich sagen, daß 1. Flottengesetz so, wie es 1898 verabschiedet wurde, als umsetzbar betrachtet, allerdings abweichend vom historischen Wertegang, ohne Aufstockung des 2. Flottengesetzes 1900. Damit wären die Erwartungen für den deutschen Flottenbau auch an den Zahlen der vorangegangen Planungen fast identisch.
Eine Verdoppelung der deutsche Flotte hätte es dann nicht gegeben und somit auch keine Konfrontation mit England? Kein Risikogedanke?
Bauplanung und Erneuerung nach 25 Jahren hätte wesentlich "entspannter" ausfallen können und wären sicherlich im Rahmen im Verhältnis zur Verdoppelung, aus finanzieller Sicht umsetzbar.
So hätten die Neubauten des Jahres 1900 erst 1925 ersetzt werden müssen/können ...
Interessante Vorstellung, angesichts der internationalen Entwicklung im Großkampfschiffbau, der auch sicherlich ohne starke Flottenambitionen des DR stattgefunden hätte.

P.s. Noch eine Aufstellung von mir, zur Entwicklung der Ersatzfristen, allerdings nach den tatsächlichen Verlauf der Flottengesetze und Novellen: http://www.geschichtsforum.de/f58/die-deutschen-flottengesetze-planungsverlauf-bis-1920-a-36025/
 
kontrafaktische Entwicklung - Seegefechte nach 1914

Ein Gedanke: Die britischen Schlachtkreuzer (SK), waren von mangelnder Standfestigkeit. Bewiesen wurde das mit dem Verlust von gleich 3 SK durch kurzes Artilleriefeuer in der Skagerrakschlacht 1916.

Nun waren es die gleichen SK, die sich im Dez 1914 auf die beiden veralteten Großen Kreuzer (GK) Scharnhorst und Gneisenau stürtzten.

Jetzt mein Gedanke: Wäre es möglich gewesen, auf entsprechende Distanz, mit den 21igern der deutsche GK ähnliche Treffer zu erzielen, wie die 28/30,5iger zwei Jahre später?

Spezialtreffer in die Munitionsräume der brit. SK, über den viel zu schwachen Horizontalpanzer?
Und welche Wirkung hätte solch ein früher Verlust der stärker geglaubten SK gehabt?
 
Ein Gedanke: Die britischen Schlachtkreuzer (SK), waren von mangelnder Standfestigkeit. Bewiesen wurde das mit dem Verlust von gleich 3 SK durch kurzes Artilleriefeuer in der Skagerrakschlacht 1916.

Nun waren es die gleichen SK, die sich im Dez 1914 auf die beiden veralteten Großen Kreuzer (GK) Scharnhorst und Gneisenau stürtzten.

Jetzt mein Gedanke: Wäre es möglich gewesen, auf entsprechende Distanz, mit den 21igern der deutsche GK ähnliche Treffer zu erzielen, wie die 28/30,5iger zwei Jahre später?

Spezialtreffer in die Munitionsräume der brit. SK, über den viel zu schwachen Horizontalpanzer?
Und welche Wirkung hätte solch ein früher Verlust der stärker geglaubten SK gehabt?

Laut britischen Analysen soll es kein problem bei der Panzerung gewesen sein, sondern bei dem Umgang mit den Treibladungen.

In der Britischen Marine legte man (wohl aus historischen Gründen: Mythos Trafalgar) äusserst hohen Wert darauf, im entscheidenden Moment ein sehr schnelles Feuer zu entwickeln.

Da das Durchreichen von Kartuschen durch Feuerschutzklappen sehr zeitaufwendig war, hat man einige Treibladungen in den Gefechtsräumen gestapelt und die Durchgänge und Klappen im Gefecht offen gelassen. Die Ladungen selbst waren zudem empfindlicher als deutsche oder amerikanische. Dazu gab es auch konstruktive Fehler wie Magazintüren die nach Innen öffneten etc.

Als die Türme von den Schlachtkreuzern im Gefecht getroffen und duchschlagen wurden, zündeten diese Ladungen und die Stichflamme schlug bis zum Magazin durch. Nur auf der Lion, deren Kapitän diesen laxen Umgang missbilligte und auf der die entsprechenden Sicherheitsvorkerungen getroffen wurden, kam es bei einem Vergleichbaren Turmtreffer zwar zu schweren Schäden (die gesamte Turmbesatzung war tot) aber zu keinem Überschlag zum Magazin, das dann auch rechtzeitig geflutet wurde.

In der britischen Marine war die Version, dass es schuld des Horizontalpanzers war, jedoch weit verbreitet. Es war einfacher den Konstrukteuren die Schuld zu geben als den Gefallenen Seeleuten. Untersuchungen an den überlebenden Schiffen zeigten jedoch, dass die Horizontalpanzerung nicht durchschlagen wurde und die Schäden in den Türmen entstanden sind.

Ich denke, dass die Möglichkeit auch zwei Jahre vorher hätten eintreten können, wenn die entsprechenden Umstände gepasst hätten. Es ist auch schon andere Male vorgekommen, dass veraltetete oder schwächere Schiffe unter besonderen Umständen einen guten Stand gegen modernere / stärkere Einheiten hatten (z.B. SMS Emden gegen Schemtschug oder Kormoran gegen HMAS Sydney).

Ich vermute, dass wenn zu Kriegsbeginn schwere Schäden bei diesen Schiffstyp eingetreten wären, man sie 1916 nicht in den direkten Kampf gegen schwere Einheiten geschickt hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...]
Ich vermute, dass wenn zu Kriegsbeginn schwere Schäden bei diesen Schiffstyp eingetreten wären, man sie 1916 nicht in den direkten Kampf gegen schwere Einheiten geschickt hätte.

Mehr nicht? Ich finde es immer interessant, bei Überlegungen zu einer anderen Entwicklung der geschichtlichen Entwicklung oder auch militärischen Entwicklung im 1.WK, wie wenig letztlich die teure Marinerüstung im Ernstfall eine Auswirkung hatte.

War doch der Navalismus immer heraufbeschworen zum dem kriegstreibenden Element schlechthin, im Vorfeld des Krieges.
 
Die Royal Navy war groß genug um nicht ideale Schiffe sekundären Rollen zuzuteilen. So waren z.B. viele veraltete Schiffe bei Gallipoli anwesend und hatten hohe Verluste. Sie haben sich auch später ein paar eindeutige Fehlkinstruktionen geleistet wie "Fischers Follies" die für eine Schlacht völlig ungeeignet waren und letztendlich zum Flugzeugträger umgebaut wurden, ohne dass dieses ihre Überlegenheit grundsätzlich in Frage gestellt hätte.
 
Nun waren es die gleichen SK, die sich im Dez 1914 auf die beiden veralteten Großen Kreuzer (GK) Scharnhorst und Gneisenau stürtzten.
Jetzt mein Gedanke: Wäre es möglich gewesen, auf entsprechende Distanz, mit den 21igern der deutsche GK ähnliche Treffer zu erzielen, wie die 28/30,5iger zwei Jahre später?
Spezialtreffer in die Munitionsräume der brit. SK, über den viel zu schwachen Horizontalpanzer?

Um sich derartige Treffer (im Vergleich!) denken zu können, müsste man Entfernungen deutlich unter 80 hm, vermutlich um die 60 hm unterstellen (vgl. das britische 9,2'' mit Durchschlag von etwa 5,3'' Panzerung auf 8200 Meter bzw. 7'' auf rund 6000 Meter). Die überlegene Geschwindigkeit der britischen Schlachtkreuzer ggü. deutschen Panzerkreuzern sollte das bis auf Sonderfälle, zB aufgrund der Sichtverhältnisse oder bei Nacht ausschließen. Wenn man also "entsprechende Entfernung" mit den Skagerrak-Verhältnissen gleichsetzt: dann ist eine solche Wirkung nicht denkbar.

Anliegend das Vertikal-Panzerungsschema der "Invincible" und ihrer Nachfolger (ex-Lion). Horizontalpanzer spielt bei diesen geringen Entfernungen wegen der extrem flachen Aufprallwinkel kein Rolle. **

Invincibles 6 bis 7'' Vertikalpanzerung für Gürtel, Türme und Barbetten war somit völlig ausreichend konzipiert für die Rolle als "Kreuzerjäger" oder Aufklärer vor der Schlachtflotte.

Um Fishers Schlachtkreuzer-Konzeption zu werten, muss man auch die Entwicklungen zur Hauptkampfentfernung zwischen Großkampfeinheiten berücksichtigen. Noch bis zu den "Lions" ging man von 80 bis 120 hm aus. Berücksichtigt man die gängigen Kaliber bis 30,5cm bzw. 12'', so wurde erwartet, dass um die 10.000 Meter Gefechtsentfernung auch die Barbetten, Gürtel- und Turmpanzerungen der besser gepanzerten Schlachtschiffe nicht standhalten und durchschlagen würden.

Ergo: es war im Prinzip egal, ob man auf diesen Entfernungen mit 6, 7, 9 oder 11 inch Vertikalpanzerung arbeiten würde.
Wir haben hier allerdings eine rasante technologische Entwicklung der Feuerleitung 1905/1914, die die Entfernungen ansteigen ließ.*

Bzgl. Skagerrak ist schließlich darauf hinzuweisen, dass "Treffererfahrungen" von der Doggerbank bestanden (im Übrigen auch schon vorher getestet wurden). Das war rechnerisch einfach zu überschlagen, und wurde auch ausgewertet.
http://www.geschichtsforum.de/f62/v...kreuzer-am-skagerrak-1916-a-31014/#post471247
An den Legendenbildungen ist Marder nicht ganz unschuldig.

*Brooks: Dreadnought Gunnery and the Battle of Jutland - The Question of Fire Control.
** Roberts, British Battlecruisers
 

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Um sich derartige Treffer (im Vergleich!) denken zu können, müsste man Entfernungen deutlich unter 80 hm, vermutlich um die 60 hm unterstellen (vgl. das britische 9,2'' mit Durchschlag von etwa 5,3'' Panzerung auf 8200 Meter bzw. 7'' auf rund 6000 Meter). Die überlegene Geschwindigkeit der britischen Schlachtkreuzer ggü. deutschen Panzerkreuzern sollte das bis auf Sonderfälle, zB aufgrund der Sichtverhältnisse oder bei Nacht ausschließen. Wenn man also "entsprechende Entfernung" mit den Skagerrak-Verhältnissen gleichsetzt: dann ist eine solche Wirkung nicht denkbar.[...]

Können wir im Vergleich auch das Seegefecht bei Coronell heranziehen? Also als Vergleich der Leistungsfähigkeit der deutsche Artillerie der S und G darzustellen.

Es wurden die Good Hope und Monmouth vernichtet, Feueröffnung auf 110 hm durch S und G. Die Panzerstärken des Rumpfes der alten britischen Panzerkreuzer sind vergleichbar mit denen der Invincible-Klasse.

*Gürtelpanzer
GH 152-51 mm
M 102-51 mm
I 152-102 mm

*Barbetten
GH 152 mm
M 127 mm
I 178 mm

*Deckspanzer
GH 64
M 190-51 mm
I 64-38 mm

Anhang anzeigen 13827
Anhang anzeigen 13828

Ich habe jetzt nur mal ein paar Elementare Panzerstärken aufgezeigt. Sicherlich ist der Gürtelpanzer der Invincible besser gerüstet, aber bei aine Gefechtsentfernung um die 100 hm spiel der erhöhte Aufschlagwinkel doch eine höher Rolle.

Oder ist der Vergleich nicht ganz passend ...:grübel:

*Quellen:
Kriegsschiffe der Welt 1860-1905 Band1
Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905-1070
 
Zuletzt bearbeitet:
Laut britischen Analysen soll es kein problem bei der Panzerung gewesen sein, sondern bei dem Umgang mit den Treibladungen.

In der Britischen Marine legte man (wohl aus historischen Gründen: Mythos Trafalgar) äusserst hohen Wert darauf, im entscheidenden Moment ein sehr schnelles Feuer zu entwickeln.

Da das Durchreichen von Kartuschen durch Feuerschutzklappen sehr zeitaufwendig war, hat man einige Treibladungen in den Gefechtsräumen gestapelt und die Durchgänge und Klappen im Gefecht offen gelassen. Die Ladungen selbst waren zudem empfindlicher als deutsche oder amerikanische. Dazu gab es auch konstruktive Fehler wie Magazintüren die nach Innen öffneten etc.

Der Hinweis auf den Umgang mit den Treibladungen ist der entscheidende Aspekt. Der Kontext Schnellfeuer ist allerdings nicht auf historische Gründe zurückzuführen, oder einen Mythos Trafalgar, sondern der konkreten und Entwicklung der Feuerleitung und den steigenden Gefechtsentfernungen geschuldet, und wurde gerade aufgrund von Falkland und Doggerbank nochmals gefördert.

Reduziert man das auf das Beispiel Schlachtkreuzer, so waren konstruktionsbedingt die Sicherheitseinrichtungen auf etwa 8 volle Ladungen im Turm, in der working chamber sowie in den Aufzugsvorrichtiungen außerhalb der Magazine in Gefechtsphasen vorgesehen. Tatsächlich lag häufig das Doppelte, und lagen bis zu 20 Ladungen vor, die das Ausmaß eines flash bestimmten. Diese "Sorglosigkeit" war gekoppelt mit dem erhöhten Sicherheitsgefühl gegenüber den früher verwendeten, instabileren Ladungen. Den Unterschied der Empfindlichkeit kann man hervorheben (auch das auf britischen Schiffen praktizierte Entfernen der Ladungs-Hüllen gegenüber den deutschen Boxen, die ein "langsameres" Abbrennen bei Entzündung gewährleisteten, dagegen "galt" das britische Cordit MD als "volatiler"), wie aber das Abbrennen der Kartuschen im Fall der Seydlitz-Türme zeigt, ist das nicht ausschlaggebend.

Die konstruktiven Fehler (Türen etc.) sind ebenfalls ein Mythos, da in den komplexen Turmaufbauten beim Abbrennen von Korditladungen nach Turm- oder Barbettentreffern prinzipiell genug "Wege" für Stichflammen möglich waren. Hier hat sich einiges über Corbett, Marinearchiv, (Bacon: The Jutland Scandal) und Marder festgesetzt. Es gibt hier eine Masse an Spekulationen, wobei Campbell herausgestellt hat, dass die deutschen Sicherheitseinrichtungen nicht besser als die britischen waren und es hieran nicht gelegen haben kann (während ausgehend vom Marinearchiv der deutsche Mythos zum Doggerbank-Gefecht besteht, man habe hieraus die besseren Konsequenzen gezogen und Sicherheitseinrichtungen verstärkt). Die verstärkte Gefahr durch die "Kumulierung" von Cordit-Ladungen in den Türmen und Barbetten wurde schon durch den HMS Kent-Bericht im Februar 1915 betont.


Nicolas Lambert: "Our Bloody Ships" or "Our Bloody System"? Jutland and the Loss of the Battle Cruisers, 1916, JoMH 1998, S. 29.
Daneben zB Roberts und Campbell.
 
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