E-Quellentexte zum Mittelalter - Anforderungen, Standards - Wünsch dir was!

~YpY~

Mitglied
Hallo zusammen,

folgendes Thema möchte ich hier gern zur Diskussion stellen.

In einer Mediaevistik-Liste, in der ich angemeldet bin, wurde vor einigen Wochen kurz das Thema „E-Quellentexte“ diskutiert.

Zum einen durch dieses Listethema und zum anderen durch ein geplantes Web-Projekt angeregt, bitte ich darum, dass sich der ein oder andere vielleicht einmal äußert – Danke :)
Wenn es geht sollen dabei immer die gegeben Eigenheiten der mittelalterlichen Quellen bedacht werden. Andere Zeitbereiche sind zwar willkommen, stehen jedoch nicht in meinem Interessengebiet an oberster Stelle.

Worum geht es mir?
Ich möchte einige Meinungen einholen, was Studierende und Geschichtsinteressierte für wichtige Punkte bei der Umsetzung von E-Quellentexten halten. Es geht hierbei nicht um Onlinezeitschriften und anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sondern um die Präsentation digitalisierter Quellen und im weiteren Sinne, den hilfreichen Werkzeugen wie etwa Regestenwerken.
Welche Standards sind also für einen E-Quellentext in geschichtswissenschaftlicher Ansicht nach einzuhalten?


Ein Beispiel, dass ich zur Diskussion stellen möchte:
Der ein oder andere wird die Seiten der Regesta Imperii (http://www.regesta-imperii.de) kennen.

1. Wie bewertet ihr die Handhabbarkeit dieser Seiten?
2. Gibt es Dinge, die eurer Ansicht nach fehlen und dringend für den Umgang mit diesem digitalisierten Regestenwerk nötig sind?
3. Wie komfortabel ist die Suchfunktion?
4. Welche Handreichungen sind in Verbindung mit einer E-Quellentext-Publikation wünschenswert? (Bibliographie, eigenständige wissenschaftliche Texte zur Quelle – Überlieferung, Datierung etc.)


Letzter Teilpunkt:
Kennt ihr Online-Publikationen/ -Präsenzen, die ihr als gelungenes Beispiel für e-Quellentexte angeben könntet?
 
~YpY~ schrieb:
Kennt ihr Online-Publikationen/ -Präsenzen, die ihr als gelungenes Beispiel für e-Quellentexte angeben könntet?

Ganz gelungen finde ich die Bibliotheca Augustana, wobei es sich hier um literarische Texte handelt, weniger um Chroniken, Annalen o.ä.
Ich habe noch nicht richtig damit gearbeitet, deshalb enthalte ich mich einer weiteren Bewertung.
 
Ganz gelungen in welchem Zusammenhang? (optisch?, fachlich?, wissenschaftlich?)

Leider sind mir an der Seite schon mehrere Mängel aufgefallen.
  • der Textausgabe fehlen jegliche kritische Anmerkungen oder ähnliches
  • in welcher Form lag der Text vor? (Autograph, Abschrift, gar nur noch Druck als Textzeuge?)
  • kaum Faksimlieabbildungen der Handschrift(en)
  • insgesamt wäre die Seite so nicht zitierfähig, da es sich um keine kritische Ausgabe handelt

Die Seite mag optisch ganz nett sein und einem interessierten Leser den gängigen Text der jeweiligen Werke schnell und einfach servieren, jedoch fehlen für wissenschaftliche Ansprüche sehr viele Dinge, die in gedruckten Publikationen das A und O sind.
 
Da magst Du recht haben, deshalb enthielt ich mich auch einer eingehenderen Bewertung. Ich habe in anderen Zusammenhängen schon mit Texten (Fontane, Kleist) aus dem "Projet Gutenberg" (Spiegel Online, früher AOL) gearbeitet, aber immer nur dann, wenn ich gleichzeitig auch eine historisch-kritische Ausgabe im Druck vorliegen hatte.

Edit: Eigenrüffel: :oops::eek:fftopic::sorry:
 
El Quijote schrieb:
Ich habe in anderen Zusammenhängen schon mit Texten (Fontane, Kleist) aus dem "Projet Gutenberg" (Spiegel Online, früher AOL) gearbeitet, aber immer nur dann, wenn ich gleichzeitig auch eine historisch-kritische Ausgabe im Druck vorliegen hatte.
Ist leider notwendig. Ich habe dieser Tage versucht, das doch wirklich bekannte Gedicht von Gryphius "Tränen des Vaterlandes" in der ersten Fassung von 1637 zu finden - Fehlanzeige. Ohne die vorzügliche Ausgabe von Schöne, Die Deutsche Literatur - Texte und Zeugnisse Bd III BAROCK wäre ich an diesen Text nicht herangekommen.

Gut ist die Freiburger Anthologie, da die Texte bibliografisch erläutert sind:
http://www.freiburger-anthologie.de/
 
Die Seite ist mir bekannt, wurde sie doch in erwähnter Mailing-Liste zu diesem Thema vorgestellt.

Problem an der Sache, es widmen sich eine Vielzahl von E-Text-Angeboten nicht wirklich dem Themenbereich, den ich hier ins Auge gefaßt hatte.
Es ist zwar durchaus löblich, daß diverse Onlineangebote zu, aus germanistisch hochinteressanten Texten erstellt werden, doch fehlen mir beispielsweise digitalisierte Urkunden, Copialbücher, Traditionsnotizen, Annalen, Chroniken oder ähnliches.

Eben jene lateinischen Quellen des Mittelalters, denen wir vornehmlich unsere Kenntnisse über das Mittelalter (in meinem Fall besonders dem Frühmittelalter) verdanken.

Die einzige akzeptable Seite, die ich bisher kenne ist die digitale Ausgabe der MGH (http://www.dmgh.de). Allerdings beschränken selbst diese sich darauf, lediglich die abfotografierten Druckseiten der MGH-Ausgaben zu veröffentlichen

Suchfunktionen, statistische Grundfunktionen (etwa bei den Urkunden recht interessant) und anderes sucht man dort auch vergebens.
Selbst die Vorworte zu den kritischen Ausgaben mit Informationen zur Überlieferung, dem Autor etc. sind lediglich als digitalisiertes Foto vorhanden.

btw.: fällt mir hier ein leichter Hang zu germanistisch interessanten Texten auf ;)
Gibts hier keinen, der sich mit Annalen, Chroniken, Urkunden etc. beschäftigt ? (DEN :cool: schriftlichen Quellen für das Früh- und Hochmittelalter)
 
~YpY~ schrieb:
Gibts hier keinen, der sich mit Annalen, Chroniken, Urkunden etc. beschäftigt ? (DEN :cool: schriftlichen Quellen für das Früh- und Hochmittelalter)

Es gibt hier sicher einige. Aber ich glaube, du verwechselst unser Forum mit einem Fachforum.
Wir sind Geschichtsinteressierte und diskutieren über Geschichte in allen Facetten.
 
nunja auch Interessierte "Laien" und Studenten (die hier wohl auch verkehren) könnten (so war meine Hoffnung) besondere Erwartungen oder Vorstellungen von entsprechenden Internetangeboten haben.

In einfachen Worten:

Was muß eine Internetseite haben, die die Urkunden Otto II. anbietet.

Lediglich die abfotografierten MGH Seiten (siehe DMGH ) oder auch Fotografien der Textzeugen, sprich der handgeschriebenen Abschriften oder gar der Originale?

Ist es nötig diese durchsuchen zu können, wenn ja mit vorgefertigten Suchmustern (bsp: such mir alle Urkunden, in denen bspw.: Bamberg genannt wird)?

usw usf


editha: im Übrigen ist es meiner Ansicht nach durchaus nicht verkehrt sich mit der Ausgabe von Quellen zu befassen, wenn man über Geschichte in allen Facetten diskutieren möchte.
Bevor man dieses nämlich tätigen kann, ist eine Auseinandersetzung mit den Quellen zwingend notwendig. Bevor man sich mit den Quellen inhaltlich auseinandersetzen kann, muss man sich zwingend mit deren Überlieferung beschäftigen. Grundatz jeglicher (wissenschaftlichen) Geschichtsforschung. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
~YpY~ schrieb:
editha: im Übrigen ist es meiner Ansicht nach durchaus nicht verkehrt sich mit der Ausgabe von Quellen zu befassen, wenn man über Geschichte in allen Facetten diskutieren möchte.
Bevor man dieses nämlich tätigen kann, ist eine Auseinandersetzung mit den Quellen zwingend notwendig. Bevor man sich mit den Quellen inhaltlich auseinandersetzen kann, muss man sich zwingend mit deren Überlieferung beschäftigen. Grundatz jeglicher (wissenschaftlichen) Geschichtsforschung. ;)
Ein Beispiel für Regesten:
http://www1.uni-hamburg.de/Landesforschung/pub/3frame.html?/Landesforschung/pub/js-jl/js-jl33.htm

Für die Geschichte der Deutschordenskommende Prozelten, der Ballei Franken und der Stellung des Deutschmeisters ein wichtigies Dokument.
Als Laie, der sich mit der Regionalgeschichte beschäftigt, bin ich auf solche Informationen angewiesen. Danach kann ich mich mit den Interpretationen der Fachhistoriker auseinandersetzen.

Anderes gilt natürlich für primär (für mich) wichtige Urkunden. Ich habe vor etlichen Jahren eine Ortswerwähnung aufgestöbert und eine 650-Jahrfeier inszenieren lassen. Grundlage war eine Regestenpupublikation von Mone in der ZGORh. Das GLA Karlsruhe übersandte mir eine Kopie der Urkunde.
Jahre später, zwischenzeitlich hatte ich mich intensiver mit den Datumsangaben beschäftigt, wies ich das GLA darauf hin, das die Datumsangabe falsch sei, worauf das Datum korrigiert wurde; mit der Folge, dass die Urkunde zwei Jahre später nicht mehr aufgefunden wurde.
Datiert war sie "vor obersten", was mit dem Osterdatum gleichgesetzt wurde, während der Grotefend auf den Jahresbeginn verweist.

Die Urkunden des GLA online einsehen zu können, wäre für mich genauso interesseant, wie das DO-Zentralarchiv in Wien.
 
~YpY~ schrieb:
nunja auch Interessierte "Laien" und Studenten (die hier wohl auch verkehren) könnten (so war meine Hoffnung) besondere Erwartungen oder Vorstellungen von entsprechenden Internetangeboten haben.

In einfachen Worten:

Was muß eine Internetseite haben, die die Urkunden Otto II. anbietet.

Lediglich die abfotografierten MGH Seiten (siehe DMGH ) oder auch Fotografien der Textzeugen, sprich der handgeschriebenen Abschriften oder gar der Originale?

Ist es nötig diese durchsuchen zu können, wenn ja mit vorgefertigten Suchmustern (bsp: such mir alle Urkunden, in denen bspw.: Bamberg genannt wird)?

usw usf


editha: im Übrigen ist es meiner Ansicht nach durchaus nicht verkehrt sich mit der Ausgabe von Quellen zu befassen, wenn man über Geschichte in allen Facetten diskutieren möchte.
Bevor man dieses nämlich tätigen kann, ist eine Auseinandersetzung mit den Quellen zwingend notwendig. Bevor man sich mit den Quellen inhaltlich auseinandersetzen kann, muss man sich zwingend mit deren Überlieferung beschäftigen. Grundatz jeglicher (wissenschaftlichen) Geschichtsforschung. ;)

Man kann die MGH auch nach bestimmten Worten durchsuchen, wenn man den richtigen Datenbankzugang (electronic MGH) hat. Die Menüführung ist zwar auf lateinisch, aber dass inquisitio die Suchfunktion ist, hat sich auch mir nach kurzer Zeit erschlossen.

Bamberg kommt übrigens

1 mal als Bamberg
4 mal als Bambergensem
5 mal als Bambergensi
7 mal als Bambergensis

vor. Von dort wird dann auch auf die jeweiligen Quellentexte (elektronisch) verlinkt.

Alte Editionen uns sonstige wichtige Quellen findet man in digitalisierter Form auch im Projekt Gallica der Bibliothèque Nationale de France: http://gallica.bnf.fr/

Ansonsten kann ich dir nur zustimmen: Überlieferungsgeschichte und Arbeit direkt am Material sind sehr wertvolle Hilfsmittel bei der Quelleninterpretation.
 
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