Arne
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Ruanda ist vielen Menschen seit dem blutigen Völkermord 1994 an dem Volk der Tutsis bekannt. Wenn man einen Blick auf die Geschichte des Landes wirft, werden einem manche Zusammenhänge klarer. Schon in der kurzen Zeit, die das Land unter deutscher Kolonialherrschaft stand, nahm es - zusammen mit seinem Nachbarn Urundi (heute Burundi) - eine Sonderstellung ein und übte eine besondere Faszination durch eine Art mystischen Ruf in Kolonialinteressierten Kreisen aus.
Als die Länder 1890 im "Helgoland-Sansibar-Vertrag" dem deutschen Interessengebiet zugeschlagen wurden, also quasi deutsch wurden, ahnten die Völker dort nichts von Ihrem Schicksal. Im Zuge der Abgrenzung ihrer ostafrikanischen Kolonien vereinbarten Großbritannien und das Deutsche Reich, daß die Grenze im Nordwesten quer durch den Victoria-See ( 1° Südliche Breite) bis zur Grenze des Kongostaates gehen sollte. Deutschland verzichtete also (unter anderem) auf die Erwerbungen Carl Peters in Uganda und bekam das Recht, ein bis dato völlig unerforschtes Gebiet zu beanspruchen, das noch kein weißer Mann je betreten hatte. Ausser ein paar unklaren Geschichten und Landesnamen, die Stanley von seiner Expedition mitbrachte, die ihn an den Rand des Gebietes geführt hatte, wußte man nichts.
Erst nachdem man die ersten Expeditionen in das völlig unerforschte Gebiet schickte und sich über die dortigen ethnischen und geographischen Verhältnisse klarer wurde, bemerkte man, daß man stabile Königreiche zerschneiden würde. In den später anberaumten Verhandlungen mit dem belgischen König Leopold wurde eine genaue Grenze abgestimmt, die dann bis zum Nordufer des Kiwu-Sees ging und Rücksicht auf dortige Verhältnisse nahm - eine Aktion, die sicher nicht die Regel in der Geschichte kolonialer Grenzziehungen war!
Die ersten deutschen Forscher (Oskar Baumann in Urundi 1892, Graf Götzen in Ruanda 1893, Richard Kandt 1897 u.w.) brachten dann Erkenntnisse mit, die langsam das Bild des neues deutschen Landes klarer werden liessen...
Von der Landesnatur sind die am ostafrikanischen Graben gelegenen Länder sehr hügelig bis bergig. Weite Grasbedeckte Ebenen und Plateaus bauen sich in immer höher werdenen Berg- und Hügelketten auf, gehen schließlich in kaum durchdringlichen Hochwald und aktive Vulkane im Hochland von Ruanda über. Gerade der vom großen Berggorilla bewohnte Dschungel an den "feierspeienden Bergen" wurde von den Ruandern gemieden und als die ersten Weißen in ihr Land kamen um dorthin zu gehen, vermutete man, daß die fremden Götter gekommen waren um das Feuer ihrer Berge zu stehlen. Eine nahe liegende Vermutung, besaßen die unbekannten "roten Männer" doch kleine Strohhalme (Streichhölzer), mit denen sie mühelos Feuer machen konnten.
Als dann tatsächlich ein Vulkan erloschen sein soll, kurz nachdem Graf Götzen hochgestiegen war, bestätigte das die Vermutung auch noch.
Die Bevölkerung teilte sich in Ruanda und Urundi in drei Volksgruppen. Zuerst die sehr klein gewachsenen Ureinwohner, die Batua, die vor langer Zeit von aus dem Süden eingewanderten Wahutu (Suaheli, Mehrzahl von Hutu) in die Wälder vertrieben worden waren. Dann die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe der ackerbauenden Wahutu. Diese wurden dann später widerum vom aus dem Norden eingewanderten, einst nomadischen Hirtenvolk der Watussi (Tussi, heute Tutsi) besiegt und unterdrückt. Die sehr hochgewachsenen Watussi stellten gerade mal ca. 10% der Bevölkerung dar, bildeten aber in beiden Ländern die herrschende Oberschicht.
Die europäischen Forscher waren beeindruckt von einer durchschnittlichen Körpergröße von 2,12 Meter (Einzelmaßen bis 2,50 Meter waren keine Seltenheit), einer "herrenmäßigen Haltung" und "würdevollen Gebaren" mit "diplomatisch schlauen Verstande".
Die Inbesitznahme der beiden Länder gestaltete sich anscheinend recht friedlich, zumindest finden sich keine nennenswerten Gefechte in der Literatur. Vermutlich lag es an zwei Gründen, daß sich die herrschaftsgewohnten Watussi so schnell unter den fernen Kaiser fügten. Einmal waren sie wohl sehr von den Fremden und ihren Waffen beeindruckt. Und zweitens dürfte es an einer klug gewählten Zivilverwaltungsform des Gouvernements in Dar-es-Salaam gelegen haben, das auch manchmal das "holländische Kolonisationsmodell" genannt wird. Man setzte in Ruanda, Urundi keine Bezirksamtmänner ein, sondern überließ die innere Verwaltung den damals herrschenden Königen. Ihnen wurde nur ein Resident zur Seite gestellt, die nehmen die deutschen Interessen bei den einheimischen Machthabern wahr, ohne den Eingeborenen gegenüber eine eigentliche Verwaltungstätigkeit zu entfalten.
Das heißt, die Könige konnten in ihrem Lande schalten und walten wie zuvor, waren eigentlich nur nach "aussen" in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und mußten einige Militärstationen der Deutschen im Lande akzeptieren. So etwas ging natürlich nur in Gebieten, wo es bereits ein funktionierendes "Staatssystem" gab. Ausser in Urundi und Ruanda gab es nur noch in Bukoba, einem Nachbarbezirk, eine Residentur.
Die Deutschen wollten offensichtlich "Ruhe im Lande" und als es einmal Ärger mit betrügerischen Händlern gab, verbot man kurzerhand den Zugang für Europäer. Vielleicht um es nicht zu einem großen Konflikt mit den Watussi kommen zu lassen. Ob da der Respekt eine Rolle gespielt hat?
Das "Zwergen- und Riesenland" mit Vulkanen in schwer zugänglichem Gebiet war etwas besonderes.
Nach dem ersten Weltkrieg hatten die beiden Länder wieder ein besonderes Schicksal: sie kamen unter belgische Verwaltung und nicht wie der Rest von Deutsch-Odstafkrika unter britische Herschaft.
1962 wurde Ruanda unabhängig, doch bereits seit 1959 kam es verstärkt zu heftigen Spannungen zwischen Hutus und Tutsis. Es gab Vertreibungen, Massentötungen und Progrome. Man muß wohl sehen, daß die Hutus ihre jahrhundertelange Unterdrückung durch die Tutsis mit Gewalt abschüttelten und sich bitter rächten. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1990 geriet das Hutu-Regime unter Druck, ihr Land zu demokratiseren und die Vertriebenen wieder ins Land zu lassen. Der Höhepunkt des Bürgerkrieges war dann der brutale Völkermord an den im Lande verbliebenden Tutsis, als sich abzeichnete, daß die Exil-Tutsis, wenn nötig, mit Gewalt aus dem ugandischen Exil ins Land zurückkehren würden.
(Näheres siehe: http://lexikon.freenet.de/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda)
Nach Schätzungen wurden über 800.000 Tutsis abgeschlachtet bis die Tutsi-Armeen der RPF (Ruandische Patriotische Front) die Hutus besiegten, die alten Machteliten vertrieben und heute wieder die Herrscher im Lande sind.
Nicht viel anderes geschah im Nachbarland Burundi, wo die Verhältnisse schon in deutscher Kolonialzeit ganz ähnlich waren:
1960 wurde von Belgien die Entkolonialisierung wegen zunehmender innenpolitischer Unruhen zwischen den Tutsi und den Hutu eingeleitet, die dann 1962 in der Unabhängigkeit Burundis endete.
Seitdem machte in Burundi ethnisch motivierte Gewalt zwischen Hutu- und Tutsi-Gruppen, z.B. in den Bürgerkriegen von 1972 (zwischen 50.000 und 300.000 Tote), 1988 (mind. 5.000, wahrscheinlich weit mehr Tote) und 1993 (ca. 200.000 Tote), Hunderttausende zu Flüchtlingen und kostete mindestens 250.000 Menschenleben.
Heute hat auch dort wieder die Tutsi-Minderheit die Macht über die Hutu.
Ausgewählte Quellen:
"Deutsches Kolonial-Lexikon" H. Schnee Leipzig 1920
"Rote Männer in Ruanda" O. Felsing, Berlin 1905
"Das Deutsche Kolonialreich" H. Meyer, Leipzig 1909
"Das Überseeische Deutschland" Hutter, Berlin 1911
""Helgoland-Sansibar-Vertrag" Text auf http://www.deutsche-schutzgebiete.de/
"Ruanda/ Burundi/Völkermord in Ruanda" www.wikipedia.de
Als die Länder 1890 im "Helgoland-Sansibar-Vertrag" dem deutschen Interessengebiet zugeschlagen wurden, also quasi deutsch wurden, ahnten die Völker dort nichts von Ihrem Schicksal. Im Zuge der Abgrenzung ihrer ostafrikanischen Kolonien vereinbarten Großbritannien und das Deutsche Reich, daß die Grenze im Nordwesten quer durch den Victoria-See ( 1° Südliche Breite) bis zur Grenze des Kongostaates gehen sollte. Deutschland verzichtete also (unter anderem) auf die Erwerbungen Carl Peters in Uganda und bekam das Recht, ein bis dato völlig unerforschtes Gebiet zu beanspruchen, das noch kein weißer Mann je betreten hatte. Ausser ein paar unklaren Geschichten und Landesnamen, die Stanley von seiner Expedition mitbrachte, die ihn an den Rand des Gebietes geführt hatte, wußte man nichts.
Erst nachdem man die ersten Expeditionen in das völlig unerforschte Gebiet schickte und sich über die dortigen ethnischen und geographischen Verhältnisse klarer wurde, bemerkte man, daß man stabile Königreiche zerschneiden würde. In den später anberaumten Verhandlungen mit dem belgischen König Leopold wurde eine genaue Grenze abgestimmt, die dann bis zum Nordufer des Kiwu-Sees ging und Rücksicht auf dortige Verhältnisse nahm - eine Aktion, die sicher nicht die Regel in der Geschichte kolonialer Grenzziehungen war!
Die ersten deutschen Forscher (Oskar Baumann in Urundi 1892, Graf Götzen in Ruanda 1893, Richard Kandt 1897 u.w.) brachten dann Erkenntnisse mit, die langsam das Bild des neues deutschen Landes klarer werden liessen...
Von der Landesnatur sind die am ostafrikanischen Graben gelegenen Länder sehr hügelig bis bergig. Weite Grasbedeckte Ebenen und Plateaus bauen sich in immer höher werdenen Berg- und Hügelketten auf, gehen schließlich in kaum durchdringlichen Hochwald und aktive Vulkane im Hochland von Ruanda über. Gerade der vom großen Berggorilla bewohnte Dschungel an den "feierspeienden Bergen" wurde von den Ruandern gemieden und als die ersten Weißen in ihr Land kamen um dorthin zu gehen, vermutete man, daß die fremden Götter gekommen waren um das Feuer ihrer Berge zu stehlen. Eine nahe liegende Vermutung, besaßen die unbekannten "roten Männer" doch kleine Strohhalme (Streichhölzer), mit denen sie mühelos Feuer machen konnten.
Als dann tatsächlich ein Vulkan erloschen sein soll, kurz nachdem Graf Götzen hochgestiegen war, bestätigte das die Vermutung auch noch.
Die Bevölkerung teilte sich in Ruanda und Urundi in drei Volksgruppen. Zuerst die sehr klein gewachsenen Ureinwohner, die Batua, die vor langer Zeit von aus dem Süden eingewanderten Wahutu (Suaheli, Mehrzahl von Hutu) in die Wälder vertrieben worden waren. Dann die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe der ackerbauenden Wahutu. Diese wurden dann später widerum vom aus dem Norden eingewanderten, einst nomadischen Hirtenvolk der Watussi (Tussi, heute Tutsi) besiegt und unterdrückt. Die sehr hochgewachsenen Watussi stellten gerade mal ca. 10% der Bevölkerung dar, bildeten aber in beiden Ländern die herrschende Oberschicht.
Die europäischen Forscher waren beeindruckt von einer durchschnittlichen Körpergröße von 2,12 Meter (Einzelmaßen bis 2,50 Meter waren keine Seltenheit), einer "herrenmäßigen Haltung" und "würdevollen Gebaren" mit "diplomatisch schlauen Verstande".
Die Inbesitznahme der beiden Länder gestaltete sich anscheinend recht friedlich, zumindest finden sich keine nennenswerten Gefechte in der Literatur. Vermutlich lag es an zwei Gründen, daß sich die herrschaftsgewohnten Watussi so schnell unter den fernen Kaiser fügten. Einmal waren sie wohl sehr von den Fremden und ihren Waffen beeindruckt. Und zweitens dürfte es an einer klug gewählten Zivilverwaltungsform des Gouvernements in Dar-es-Salaam gelegen haben, das auch manchmal das "holländische Kolonisationsmodell" genannt wird. Man setzte in Ruanda, Urundi keine Bezirksamtmänner ein, sondern überließ die innere Verwaltung den damals herrschenden Königen. Ihnen wurde nur ein Resident zur Seite gestellt, die nehmen die deutschen Interessen bei den einheimischen Machthabern wahr, ohne den Eingeborenen gegenüber eine eigentliche Verwaltungstätigkeit zu entfalten.
Das heißt, die Könige konnten in ihrem Lande schalten und walten wie zuvor, waren eigentlich nur nach "aussen" in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und mußten einige Militärstationen der Deutschen im Lande akzeptieren. So etwas ging natürlich nur in Gebieten, wo es bereits ein funktionierendes "Staatssystem" gab. Ausser in Urundi und Ruanda gab es nur noch in Bukoba, einem Nachbarbezirk, eine Residentur.
Die Deutschen wollten offensichtlich "Ruhe im Lande" und als es einmal Ärger mit betrügerischen Händlern gab, verbot man kurzerhand den Zugang für Europäer. Vielleicht um es nicht zu einem großen Konflikt mit den Watussi kommen zu lassen. Ob da der Respekt eine Rolle gespielt hat?
Das "Zwergen- und Riesenland" mit Vulkanen in schwer zugänglichem Gebiet war etwas besonderes.
Nach dem ersten Weltkrieg hatten die beiden Länder wieder ein besonderes Schicksal: sie kamen unter belgische Verwaltung und nicht wie der Rest von Deutsch-Odstafkrika unter britische Herschaft.
1962 wurde Ruanda unabhängig, doch bereits seit 1959 kam es verstärkt zu heftigen Spannungen zwischen Hutus und Tutsis. Es gab Vertreibungen, Massentötungen und Progrome. Man muß wohl sehen, daß die Hutus ihre jahrhundertelange Unterdrückung durch die Tutsis mit Gewalt abschüttelten und sich bitter rächten. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1990 geriet das Hutu-Regime unter Druck, ihr Land zu demokratiseren und die Vertriebenen wieder ins Land zu lassen. Der Höhepunkt des Bürgerkrieges war dann der brutale Völkermord an den im Lande verbliebenden Tutsis, als sich abzeichnete, daß die Exil-Tutsis, wenn nötig, mit Gewalt aus dem ugandischen Exil ins Land zurückkehren würden.
(Näheres siehe: http://lexikon.freenet.de/V%C3%B6lkermord_in_Ruanda)
Nach Schätzungen wurden über 800.000 Tutsis abgeschlachtet bis die Tutsi-Armeen der RPF (Ruandische Patriotische Front) die Hutus besiegten, die alten Machteliten vertrieben und heute wieder die Herrscher im Lande sind.
Nicht viel anderes geschah im Nachbarland Burundi, wo die Verhältnisse schon in deutscher Kolonialzeit ganz ähnlich waren:
1960 wurde von Belgien die Entkolonialisierung wegen zunehmender innenpolitischer Unruhen zwischen den Tutsi und den Hutu eingeleitet, die dann 1962 in der Unabhängigkeit Burundis endete.
Seitdem machte in Burundi ethnisch motivierte Gewalt zwischen Hutu- und Tutsi-Gruppen, z.B. in den Bürgerkriegen von 1972 (zwischen 50.000 und 300.000 Tote), 1988 (mind. 5.000, wahrscheinlich weit mehr Tote) und 1993 (ca. 200.000 Tote), Hunderttausende zu Flüchtlingen und kostete mindestens 250.000 Menschenleben.
Heute hat auch dort wieder die Tutsi-Minderheit die Macht über die Hutu.
Ausgewählte Quellen:
"Deutsches Kolonial-Lexikon" H. Schnee Leipzig 1920
"Rote Männer in Ruanda" O. Felsing, Berlin 1905
"Das Deutsche Kolonialreich" H. Meyer, Leipzig 1909
"Das Überseeische Deutschland" Hutter, Berlin 1911
""Helgoland-Sansibar-Vertrag" Text auf http://www.deutsche-schutzgebiete.de/
"Ruanda/ Burundi/Völkermord in Ruanda" www.wikipedia.de
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