Einfluss der Jungtürken auf den Zusammenbruch des Reiches

BenBen

Neues Mitglied
Hallo hallo,

mein Thema ist wahrscheinlich etwas speziell, aber ich habetrotz zahlreicher Infos noch nicht die richtige erkenntnis gewonnen.

Und zwar lautet meine Frage, welchen Einfluss haben die Jungtürken auf den Zusammenbruch des osmanischen Reiches, bzw welchen Einfluss haben sie im ersten Weltkrieg.

Ich habe irgendwo gelesen, "sie wirkten bei dem Zusammenbruch des Reiches noch als Brandbeschleuniger, genau das, was sie eigentlich verhindern wollten".

Aber letztendlich war ihr Einfluss doch irrelevant auf den Zusammenburch?! Bitte Leute, klärt mich mal auf, sei es nur dass ich mir weitere Meinung einholen kann.

Vielen Dank und schönen Abend noch
 
Die Jungtürken beschleunigten den Zusammenbruch des Reiches u. a. dadurch, dass sie das Reich modernisieren und in einen modernen Staat umwandeln wollten. Ihnen schwebte ein zentralistischer Staat mit einheitlicher Identität und Sprache (also vergleichbar der Französischen Republik) vor, in dem für spezielle Minderheitenrechte kein Platz war. Dadurch wurden die Nationalitätenkonflikte, vor allem in Mazedonien, aber auch in Arabien, natürlich erst recht verschärft. Sogar die Albaner, die bislang der osmanischen Herrschaft recht positiv gegenübergestanden waren, wurden jetzt aufgebracht.
Außerdem versuchten sie den Staat zu säkularisieren, was auch nicht bei allen Bürgern gut ankam. Die von den Jungtürken unternommenen Modernisierungsversuche wurden insbesondere von den arabischen Beduinen als Bedrohung ihrer Lebensweise empfunden.

Außerdem wurde das Ansehen der Jungtürken im Inneren deutlich dadurch geschwächt, dass das Osmanische Reich gleich nach ihrer Machtübernahme 1908 deutliche territoriale Verluste hinnehmen musste: Bulgarien wurde vollständig unabhängig und annektierte Ostrumelien, Österreich-Ungarn annektierte Bosnien-Herzegowina, und auch Kreta ging verloren. Diese Aktivitäten wurden durch die inneren Probleme nach der jungtürkischen Machtübernahme natürlich erleichtert.

Und zuletzt führten die Jungtürken das Osmanische Reich in den Ersten Weltkrieg mit seinen bekannt nachteiligen Folgen ...
 
Wobei einige der Jungtürken Albaner waren.

Mehmet Akif Ersoy aus dem Kosovo wäre ein Beispiel dafür.
 
Und zuletzt führten die Jungtürken das Osmanische Reich in den Ersten Weltkrieg mit seinen bekannt nachteiligen Folgen ...

Der entscheidende Schritt!

Wir haben das mal hier weiter diskutiert:
http://www.geschichtsforum.de/f62/w...mittelm-chten-und-nicht-den-alliierten-37906/

Wir es mittelfristig bei einem Anschluss an die Entente weiter gegangen wäre, kann man nur vermuten. Jedenfalls gab es innerhalb der Jungtürken-Bewegung unterschiedliche Fraktionen, von denen die mit Anschluss an die Mittelmächte die Oberhand gewann.
 
Außerdem konnten die Jungtürken sich erfolgreich an der Macht halten, da der Sultan ihre Marionette war. Wäre ein starker Sultan gewesen, hätten die Jung-
türken ihre Macht nicht halten können.
Es war vor allen Dingen die Schuld des Sultans.
 
Zunächst einmal haben die Jungtürken sich an die Macht geputscht und den Sultan ausgeschaltet, der zur Marionette verkam. Wichtig festzuhalten: das Volk hatte nichts mitzureden (wichtig auch in Hinblick auf die folgenden Gräuel - denn das macht es schwierig zu ermitteln, in welchen Prozentanteilen wer wem anhing). Äussere Feinde nutzten diese Stunde grosser innerer Unruhen und die Osmanen verloren immense Territorien (z.B. Balkankrieg 1, Libyenkrieg mit Italien+ Verlust der Dodekanes-Inseln).

Man fühlte sich von den Grossmächten im Stich gelassen und wandte sich dem deutschen Kaiserreich immer mehr zu - Militärmissionen und gute diplomatische Beziehungen hatte es bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts gegeben, vor allem hatten die Deutschen keinerlei politische Ambition auf osmanisches Gebiet (aber durchaus wirtschaftliche).

Faktisch hatten nur drei Männer das Sagen, die das Reich wie in Form eines Triumvirats führten: Enver (als Mensch, Politiker und Militär eine einzige Katastrophe und ein Intimfeind Mustafa Kemals), Talaat und Cemal. Sie führten nach europäischem Vorbild eine völkisch-nationalistische Denkweise ein und erhoben den Türken an sich zum Ideal und Vorbild für andere Völker. Ziel war es, alle türkischen Völker unter einer Flagge zu einen (Panturkismus bzw. Panturanismus - übrigens ein Thema, auf das sich später auch die ungarischen Pfeilkreuzler bezogen). Lange Rede, kurzer Sinn: diplomatische Isolation führte auf Seiten der Mittelmächte in den Weltkrieg. Als Enver und seine Freunde bemerkten, dass alles verloren war und die Niederlage unabwendbar wurde, setzten sich die stolzen, heimatliebenden Patrioten ab, suchten das Weite, und überliessen Land mit Volk seinem Schicksal.

Enver kämpfte und starb für seinen pantürkischen Traum irgendwo in der Sowjetunion, Talaat wurde von einem armenischen Studenten und Überlebenden des Genozids in Berlin erschossen, was mit Cemal geschah, müsste ich noch einmal nachsehen.
 
Äussere Feinde nutzten diese Stunde grosser innerer Unruhen und die Osmanen verloren immense Territorien (z.B. Balkankrieg 1, Libyenkrieg mit Italien+ Verlust der Dodekanes-Inseln).
So muss man das wohl beschreiben.

Man fühlte sich von den Grossmächten im Stich gelassen und wandte sich dem deutschen Kaiserreich immer mehr zu - Militärmissionen und gute diplomatische Beziehungen hatte es bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts gegeben, vor allem hatten die Deutschen keinerlei politische Ambition auf osmanisches Gebiet (aber durchaus wirtschaftliche). ...
diplomatische Isolation führte auf Seiten der Mittelmächte in den Weltkrieg.
Wie die deutschen Ambitionen in Bezug auf das Osmanische Reich aussahen - "weicher Imperialismus" oder "deutsches Indien in Kleinasien" in der "Orientalischen Frage" - ist schwer zu sagen bzw. abzugrenzen. Die ökonomische Penetration des Reiches als Vorstufe ist jedenfalls ein Kennzeichen des Hochimperialimus.

Beim Eintritt in den Weltkrieg war man weniger isoliert, als vielmehr diplomatisch von allen Seiten massiv umworben. Dabei gab es auch verschiedene territoriale Angebote für das Osmanische Reich von Seiten der Entente und Russlands.

Offenbar traute man der Entente nicht, bzw. schon gar nicht den russischen Avancen, sondern fürchtete, nach einem Sieg der Koalition einem gestärkten Russland an der kaukasischen Grenze gegenüber zu stehen. Das hat wohl letztlich den Ausschlag gegeben, sich auf die Seite der Mittelmächte zu schlagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Eintritt in den Weltkrieg war man weniger isoliert, als vielmehr diplomatisch von allen Seiten massiv umworben. Dabei gab es auch verschiedene territoriale Angebote für das Osmanische Reich von Seiten der Entente und Russlands.

Das Verhältnis des OR zu den meisten anderen, um nicht zu sagen allen anderen war extrem vorbelastet. Für ein Bündnis kam keines der Nachbarstaaten in Frage, am allerwenigsten Erbfeind Russland. Gegenüber Grossbritannien und Frankreich herrschte die Enttäuschung vor, in den letzten Konflikten im Stich gelassen worden zu sein. Umgekehrt war diesen bewusst, dass das OR militärisch praktisch keinen Wert besass - die Armee war nicht mehr schlagkräftig, die Ausrüstung nicht vorhanden oder hoffnungslos veraltet, die militärische Führung inkompetent und unzuverlässig. Vor allem für Grossbritannien war wichtig, dass die Hohe Pforte sich neutral verhielt, da die strategische Bedeutung der Meerengen (und damit der direkte Weg zum verbündeten Zarenreich) immens war. Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass die Balkanstaaten viel eher umworben wurden (vgl. das Ringen um die Kriegseintritte Bulgariens und Rumäniens).

Auch den Deutschen war die überschaubare militärische Stärke der Osmanen bewusst. Nur war Wilhelm II. so blind zu glauben, dass der Sultan als Kalif die Macht hätte, mittels einer Erklärung des Jihad sämtliche Moslems der Welt gegen die Entente in den Krieg zu schicken. Was sich heute als absurde Fantasie liest, wurde damals allen Ernstes geglaubt (gut, was hat man da nicht alles geglaubt?) Zudem sollten gegnerische Truppen an einer weiteren Front gebunden, sowie von Palästina aus Ägypten angegriffen und der Suezkanal unter Kontrolle gebracht werden, um Indien zu bedrohen. Den grossen Aufwand, den die Verbündeten betreiben mussten, um das OR auf den Beinen zu halten, schien es wert zu sein.


Das hat wohl letztlich den Ausschlag gegeben, sich auf die Seite der Mittelmächte zu schlagen.


Die Entente hatte ihren "Kredit" schon vorher verspielt. Vollends in Zorn schlug die Stimmung im Land um, als die Briten bei Kriegsausbruch zwei vom Reich in Auftrag gegebene und soeben erst fertiggestellte Schlachtschiffe einbehielten und selber einsetzten - mitsamt dem vorher geleisteten Kaufpreis. Mit der Goeben und Breslau erhielt man dann von den Deutschen Ersatz.
 
Die Entente hatte ihren "Kredit" schon vorher verspielt. Vollends in Zorn schlug die Stimmung im Land um, als die Briten bei Kriegsausbruch zwei vom Reich in Auftrag gegebene und soeben erst fertiggestellte Schlachtschiffe einbehielten und selber einsetzten - mitsamt dem vorher geleisteten Kaufpreis. Mit der Goeben und Breslau erhielt man dann von den Deutschen Ersatz.

Ja, Churchill und die türkischen Dreadnoughts. Die Geschichte ihres Einflusses hält sich hartnäckig, von den Nachkriegs-Memoiren bis in die ältere geschichtswissenschaftliche Literatur. Selbst der renommierte Militärhistoriker Roskill (Churchill and the Admirals) kolportiert das noch 1977.

Die Publikationen der letzten Jahre haben sich stärker den kurz-, mittel- und langfristigen Einflüssen, Beziehungen und Friktionen zugewandt. Das ist ganz interessant, wenn Du dich mal dieser Literatur öffnest, zB in Auswahl

McMeekin: The Berlin-Baghdad-Express - The Ottoman Empire and Germanys Bid for World Power
Heller: British Policy Towards the Ottoman Empire 1908-1914
Aksakal: The Ottoman Road to War in 1914
Kent: The Great Powers and the End of the Ottoman Empire
Deren: German Ideas and Expectations on Expansion in the Near East 1890-1915
Townshend: When God made Hell - The British Invasion of Mesopotamia and the Creation of Iraq 1914 - 1921
Kent: Oil & Empire - British Policy & Mesopotamian Oil 1900 - 1920
Pamuk: The Ottoman Empire and European Capitalism 1820 - 1913
Birdal: The Political Economy of Ottoman Public Debt
Duranoglu/Okutucu: Economic Reasons behind the Decline of the Ottoman Empire
McMeekin: The Russian Origins of the First World War
Kayali: Arabs and Young Turks - Ottomanism, Arabism and Islamism in the Ottoman Empire 1908-1918
Schöllgen: Imperialismus und Gleichgewicht
Fromkin: A Peace to end all Peace - The Fall of th Ottoman Empire and the Creation of the modern Middle East (einleitende Kapitel)

Tatsächlich tobte eine Kontroverse, ein Machtkampf innerhalb der jungtürkischen Führungszirkel zwischen anglophilen und germanophilen Vertretern. Dabei lockten die konkreten britischen Angebote auf Territorien, auch die russischen Sicherheitsangebote (Sasonow), gepaart mit den bekannten Belastungen, die Du bereits aus der Vorgeschichte beschrieben hast.

Zu den Schiffen:
Churchills Schiffen und der deutschen "Mittelmeer-Division" misst man dabei heute eigentlich keine tragende Rolle mehr zu - das wäre auch bei den sonstigen schwergewichtigen Aspekten, die gut aufbereitet wurden, unverständlich. Die August-Tage bis in den September waren - trotz Geheimabkommen, dessen Ausführung dilatiert wurde - vom ganz anderen Meldungen in den jungtürkischen Kreisen geprägt: die Deutschen preschten nach Paris, Frankreich stand bis Mitte September in der öffentlichen Wahrnehmung gegen die unbesiegbaren preußischen Truppen vor dem Fall, die Russen wurden währenddessen in Ostpreußen geschlagen. Rauschende Propaganda.

Zu den "Straits"
Die Schwäche der Osmanen war dabei für die "Interessenten" nachrangig, und hier liegt ein Widerspruch in der obigen Argumentation bzgl. der Entente: entscheidend war die "immense" strategische Bedeutung der Dardanellen für die Zufuhr nach Russland, insofern Hauptschauplatz im Juli/August 1914 und anschließend Zentrum einer britischen "diplomatischen Katastrophe", im Gegensatz (-< zum Balkan) vgl.
Hall: Bulgarias Road to the First World War
Leon: Greece and the Great Powers 1914-1917

Zum "Deutschen Djihad":
Keinesfalls war "nur Wilhelm II." bereit, an die Wirkungen zu glauben. Da stand er keineswegs allein. Von Moltke höchstpersönlich wurden am 14.8.14 die Weisungen unterzeichnet, alle Orientkenner zusammenzufassen, und Operationen vorzubereiten (McMeekin). Noch mehr aktiv wurde die Wilhelmstraße des Auswärtigen Amtes, die Industrielle, Orientexperten etc. einbestellte (von Mannesmann und Ballin bis zu Universitätsprofessoren), sie mit Dossiers beauftragte, Vorbereitungen zu treffen. Man dachte an Persien, Indien und Ägypten (Oberhaus: »Zum wilden Aufstande entflammen« - Die deutsche Ägyptenpolitik 1914 bis 1918)

Noch zwei links aus dem Forum:
http://www.geschichtsforum.de/f62/w...mittelm-chten-und-nicht-den-alliierten-37906/
http://www.geschichtsforum.de/f62/das-l-die-royal-navy-und-der-erste-weltkrieg-38518/
 
Tatsächlich tobte eine Kontroverse, ein Machtkampf innerhalb der jungtürkischen Führungszirkel zwischen anglophilen und germanophilen Vertretern.

Diese Kontroverse, an welche Macht man sich richten sollte, gab es aber lange vor den Jungtürken. Nach dem Krimkrieg hatten die beiden Westmächte Unabhängigkeit und Integrität des OR garantiert, einige Jahre später wurden die Karten aber wieder neu gemischt. Die Anglophilen hatten vor allem in der Tanzimat-Periode die Oberhand, weil man den Franzosen seit dem Engagement in der Ägyptenkrise (schliesslich hatten sie die Armee des Vizekönigs aufgebaut) nicht mehr ganz über den Weg traute. Aber Anfang des 20. Jahrhunderts überschlugen sich die Ereignisse. Zuerst Russland 1878 (wobei hier die Briten ganz zum Schluss doch noch eingriffen), Libyen, dann der Balkan - und der Westen hatte zugesehen. Das erschwerte den Standpunkt seiner Verteidiger.




Rauschende Propaganda.

Tatsächlich war das Standing der Deutschen ein sehr hohes, man vertraute ihnen voll und ganz. So sehr, dass ausser Acht gelassen wurde, welch ausgedehnten und schwierigen Grenzen das OR zu verteidigen hatte (die komplette Arabische Halbinsel, Ostanatolien, von den Küsten fange ich gar nicht an....). Die Misserfolge der Österreicher im Krieg gegen Serbien wurden als temporär abgetan - obwohl auch ÖU keine nennenswerten Erfolge feiern sollte (zumindest im Alleingang).





Zu den "Straits"
Die Schwäche der Osmanen war dabei für die "Interessenten" nachrangig, und hier liegt ein Widerspruch in der obigen Argumentation bzgl. der Entente: entscheidend war die "immense" strategische Bedeutung der Dardanellen für die Zufuhr nach Russland, insofern Hauptschauplatz im Juli/August 1914 und anschließend Zentrum einer britischen "diplomatischen Katastrophe", im Gegensatz (-< zum Balkan) vgl.
Hall: Bulgarias Road to the First World War
Leon: Greece and the Great Powers 1914-1917


Das ist jetzt nicht zwingend ein Widerspruch. Die Briten hatten die Wahl, das OR zur Neutralität zu bewegen (d.h. Durchfahrt der Kriegsschiffe ohne jeden Aufwand) oder sie zum Kriegseintritt auf ihrer Seite zu bewegen (ebenfalls Durchfahrt der Kriegsschiffe, aber Verteidigungsaufwand, da nun Ziel direkter Angriffe). Angesichts der grossen logistischen Unternehmen (Verschiffung der Truppen aus dem Pazifik, Afrika und Südasien nach Europa) wird man sich zusätzliche Aufgaben erspart haben wollen. Vor allem, da mit Russland bereits ein Verbündeter vorhanden war, dem man unter die Arme greifen musste.



Zum "Deutschen Djihad":
Keinesfalls war "nur Wilhelm II." bereit, an die Wirkungen zu glauben. Da stand er keineswegs allein.



Das ist mir schon klar. Ich nannte ihn deswegen, weil er mit seinen Besuchen ein "Orient-Revival" in Gang setzte und die Speerspitze darstellte (diesbzgl. war der Ton unter Bismarck ein ganz anderer gewesen). Expeditionen an z.B. den Hindukusch gab es nicht umsonst, auch die Österreicher waren tätig. Hier fällt mir vor allem Alois Musil ein, "Musil von Arabien" Gegenspieler Lawrence' und Verwandter von Robert Musil.

Es ist auch nicht so, dass der Jihad vollkommen ungehört verhallte. In Singapur griffen Aufständische zu den Waffen, ebenso die Senussi in Nordafrika und auch im Sudan gab es Unruhen, zudem desertierten britische Moslems in Mesopotamien. Aber der gewünschte Effekt (Massenaufstände in Indien, Ägypten, Zentralasien) wurde keinesfalls erreicht. Die Gründe hierfür waren vielfältiger Natur.
 
Das erschwerte den Standpunkt seiner Verteidiger.
Die Jungtürken hatten daneben einen stark antiimperialistischen Kern. Man sah sich von den Europäern als minderwertig behandelt, ganz vergleichbar den Japanern (die sich erfolgreich an die Engländer angelehnt hatten). Umso mehr wurde der Sieg Japans 1905 beachtet, geradezu Vorbild. Im deutschen und Entente-Imperialismus wurde außerdem eine Christianisierungs-Komponente gesehen.

Dessen ungeachtet betrieb man in den Bündnisfragen Realpolitik, wie die Vorgänger.

Tatsächlich war das Standing der Deutschen ein sehr hohes, man vertraute ihnen voll und ganz.
Dabei wollte ich sehr stark auf die ausländische Wahrnehmung des Marne-Feldzuges abstellen. Als der Rückzug - den man von außen schlecht beurteilen konnte - offensichtlich wurde, war die Kriegs- und Bündnisfrage entschieden. Auch jetzt noch war man optimististisch, dass Frankreich "fällt".

Die Briten hatten die Wahl, das OR zur Neutralität zu bewegen (d.h. Durchfahrt der Kriegsschiffe ohne jeden Aufwand) oder sie zum Kriegseintritt auf ihrer Seite zu bewegen
Mir ist nur die Zielsetzung "wohlwollende" Neutralität bekannt, als Gegenleistung territoriale Zugeständnisse. Wo wird denn in den britischen Quellen deutlich, dass man den Kriegseintritt anstrebte?

Sehr viel drehte sich um die russische Garantie für das Osmanische Reich, und deren Rückversicherung, zB in den Juli-Gesprächen mit einer Delegation des Triumvirats (nmE auf der Krim?).

Aber der gewünschte Effekt (Massenaufstände in Indien, Ägypten, Zentralasien) wurde keinesfalls erreicht. Die Gründe hierfür waren vielfältiger Natur.
Das sah man nicht voraus. Die Erwartung bestimmte die Entscheidungen.
 
Mir ist nur die Zielsetzung "wohlwollende" Neutralität bekannt, als Gegenleistung territoriale Zugeständnisse. Wo wird denn in den britischen Quellen deutlich, dass man den Kriegseintritt anstrebte?


Ich habe das jetzt eher "aus britischer Sicht" formuliert, bzw. Optionen genannt, die denkbar gewesen wären.


Sehr viel drehte sich um die russische Garantie für das Osmanische Reich, und deren Rückversicherung, zB in den Juli-Gesprächen mit einer Delegation des Triumvirats (nmE auf der Krim?).


Wie der Lauf der Dinge zeigt, hat man Russland letztendlich doch misstraut - als zu gross wurde das Risiko eingestuft. Hier wurde nicht nur der militärische Aspekt berücksichtigt, sondern der Einfluss, den man dem Land in Hinblick auf die eigenen christlichen Untertanen andichtete (z.T. nicht ganz zu Unrecht).



Das sah man nicht voraus. Die Erwartung bestimmte die Entscheidungen.


So viel Weitsicht war wohl unverträglich mit dem vorherrschenden Zeitgeist.
 
Man fühlte sich von den Grossmächten im Stich gelassen und wandte sich dem deutschen Kaiserreich immer mehr zu - Militärmissionen und gute diplomatische Beziehungen hatte es bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts gegeben, vor allem hatten die Deutschen keinerlei politische Ambition auf osmanisches Gebiet (aber durchaus wirtschaftliche).

Faktisch hatten nur drei Männer das Sagen, die das Reich wie in Form eines Triumvirats führten: Enver (als Mensch, Politiker und Militär eine einzige Katastrophe und ein Intimfeind Mustafa Kemals), Talaat und Cemal.

Cemal Bey und der Finanzminister Cavit Bey plädierten im Triumvirat für eine Anlehnung des Osmanischen Reichs an die Entente-Mächte, da sie von der Überlegenheit dieser Mächtegruppe überzeugt waren. Demgegenüber sprach sich die Mehrheit der Jungtürken inner- und außerhalb des Triumvirats- besonders aber Enver Pascha - für ein Bündnis mit Deutschland aus. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle.

Josef Matuz schreibt, dass dabei zum einen traditionelle Sympathien für Deutschland eine Rolle spielten, zum anderen sich das Osmanische Reich von der erdrückenden britischen und französischen wirtschaftlichen Vorherrschaft befreien wollte. Insofern strebte ein großer Teil der Führungsschicht und auch der Öffentlichkeit nicht nur danach, die im Ersten Balkankrieg verlorengegangenen Gebiete zurückzugewinnen, sondern es sollte auch die Gefahr, die von Russlands Vordringen nach den Meerengen ausging, endgültig beseitigt werden.

Zudem wollte man die überwiegend von Turkvölkern bewohnten Gebiete Russlands auf der Krim, in Turkestan und im Kaukasus erwerben. Matuz schreibt, dass sich Enver sogar mit dem utopischen Gedanken trug, die Grenzen des Osmanischen Reichs über Persien hinaus bis nach Indien vorzuschieben. [1]

[1] Josef Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1985/2008, S. 262 f.
 
Cemal Bey und der Finanzminister Cavit Bey plädierten im Triumvirat für eine Anlehnung des Osmanischen Reichs an die Entente-Mächte, da sie von der Überlegenheit dieser Mächtegruppe überzeugt waren. Demgegenüber sprach sich die Mehrheit der Jungtürken inner- und außerhalb des Triumvirats- besonders aber Enver Pascha - für ein Bündnis mit Deutschland aus. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle.

Cavit Bey war zwar wichtig, spielte aber nicht die tragende Rolle bei den Entscheidungen. Cemals Standpunkt als tatsächliches Mitglied der alles beherrschenden Dreiergruppe war schon gewichtiger.


Zudem wollte man die überwiegend von Turkvölkern bewohnten Gebiete Russlands auf der Krim, in Turkestan und im Kaukasus erwerben. Matuz schreibt, dass sich Enver sogar mit dem utopischen Gedanken trug, die Grenzen des Osmanischen Reichs über Persien hinaus bis nach Indien vorzuschieben. [1]


Das ist noch freundlich formuliert - man dachte nicht daran, vor Ostturkestan/China Halt zu machen.
 
Cavit Bey war zwar wichtig, spielte aber nicht die tragende Rolle bei den Entscheidungen. Cemals Standpunkt als tatsächliches Mitglied der alles beherrschenden Dreiergruppe war schon gewichtiger.

Das wird inzwischen auch etwas anders gesehen (Hamilton/Herwig, 2005)

"It has often be claimed that from early 1914 on the Ottoman Empire was run by a triumvirate composed of Enver, Talât, and Cemal, ... but that generalization is misleading. There is ample evidence to support the conclusion that both before and during the Great War the Central Committee of the C.U.P., the Merkezi Umuni, remained the principal policy-making body in the empire. ..."

Hamilton/Herwig, Decisions for War 1914-17.

Die Finanzfragen hatten dabei außerordentliches Gewicht, wie die Verhandlungen mit dem Deutschen Reich und Großbritannien , jeweils auf hohe Geldzahlungen für Kriegseintritt bzw. wohlwollende Neutralität, belegen. Auch die in Paris befindliche Delegation im Juli 1914 sondierte in dieser Richtung und "erwartete" bestliegende Angebote.
 
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