Entehrende Strafen?

Nergal

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Mich würde interessieren wieso im Mittelalter (und bis in die Neuzeit hinein) das Hängen gegenüber dem Enthaupten als entehrende Form der Todesstrafe galt? Ist es nicht weit entehrender wenn man in "Einzelteilen" womöglich noch mit dem Kopf zwischen den Beinen bestattet wird?
 
Enthaupten =/= Vierteilen ;)

Das Enthaupten ging schnell. Du hast dich hingekniet, der Henker hat ausgeholt, Kopf ab, tot. Das war's.

Das Erhängen dauerte mitunter viel länger. Prinzip des Erhängens ist nicht das Ersticken, sondern der Bruch des Genicks durch den heftigen Ruck. Oftmals war der Ruck aber nicht kräftig genug, sodass die Gehängten noch lange zappelten und dann qualvoll erstickten. Außerdem wurden die verwesenden Leichname häufig einfach hängen gelassen als Abschreckung.

Da ist das kurze und (wahrscheinlich) schmerzlose Enthaupten doch weitaus angenehmer, oder?

Nicht ohne Grund war dies die Methode, mit der man Maria I. Stuart und Ludwig XVI. hingerichtet hat.
 
Naja, das kommt auch darauf an, wie gut der Henker sein Handwerk versteht; mWn verlief es leider nicht immer so glatt und sauber, wie die Deliquenten das sich noch am ehesten gewünscht hätten...

Wobei mir die Geschichte von dem Schotten einfällt, der dreimal vom Henker gefragt wurde, ob er jetzt bereit sei. Die Antwort war immer Nein; gehenkt haben sie ihn trotzdem...

Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Nutzung des Schwertes (die mWn am häufigsten verwandte Henkerwaffe) andere Assoziationen hervorriefen als das Aufknüpfen an einem Strick. ME ähnlich war und ist es im militärischen Kontext mit dem Erschießen vs anderen Hinrichtungsarten.
 
@Nergal

Mich würde interessieren wieso im Mittelalter (und bis in die Neuzeit hinein) das Hängen gegenüber dem Enthaupten als entehrende Form der Todesstrafe galt? Ist es nicht weit entehrender wenn man in "Einzelteilen" womöglich noch mit dem Kopf zwischen den Beinen bestattet wird

Ich denke, die Frage lässt sich auf zwei Wege beantworten.

Zum einen galt es in alter Tradition als "männlich" im Kampf zu fallen, wobei es auch durch Schwerthiebe zu (Teil-)Enthauptungen kommen konnte. Das Hängen konnte man aber nicht im Schlachtgetümmel durchführen, dafür musste man "gefangen" und somit bereits "entehrt" sein...

Zum anderen galt es spätestens nach Ausbreitung des Christentums, den Leichnam würdig zu bestatten (Wiederauferstehungsgedanke - aber auch schon vorher...). Genau an dieser Stelle setzten die Galgenalleen an. Das Opfer wurde (lange) zur Schau gestellt. Beim Vierteilen wurden häufig auch die Körperteile zur Abschreckung aufgespießt.
 
Zumindest für das Mittelalter: Der Erhängte wurde meist zur Abschreckung hängen gelassen ... damit war eine Beerdingung des Leichnams in geweihter Erde nicht möglich - und somit keine ewige Ruhe. Es lassen sich auch Quellen finden, dass Angehörige versuchten, den Leichnam abzunehmen, dabei erwischt und bestraft wurden.
 
Das Erhängen dauerte mitunter viel länger. Prinzip des Erhängens ist nicht das Ersticken, sondern der Bruch des Genicks durch den heftigen Ruck. Oftmals war der Ruck aber nicht kräftig genug, sodass die Gehängten noch lange zappelten und dann qualvoll erstickten.
der Genickbruch beim erhängen ist erst im späten 18. wenn nicht sogar im 19. Jh. aufgekommen, und da auch nicht überall; medizinisch scheint festzustehen, dass bei zugezogener Schlinge ohne Wirbelfraktur nicht die Kompression der Luftröhre, sondern die Schlagadernkompression den Tod bewirkt - dass Erhängung zum ersticken führt, scheint insgesammt eine falsche Vorstellung zu sein.
 
Entehrende Strafen

Hallo

der Genickbruch beim erhängen ist erst im späten 18. wenn nicht sogar im 19. Jh. aufgekommen,
Das ist der sog. long-drop, afaik von den Iren im 19.Jh eingeführt.

Zum Enthaupten vs. Hängen.

Das Hängen war gemeinen Verbrechern vorbehalten, hingegen hatten meist Adelige das "Privileg" der Enthauptung. Das Hängen galt als schimpfliche Strafe, weshalb es für Adelige nicht in Frage kam, während das Enthaupten als eine ehrenvolle Strafe galt.

mfg
schwedenmann
 
Zwar ist dem bereits gesagten nichts mehr hinzuzufügen, jedoch will ich als historiographische Referenz noch anmerken, dass eine Enthauptung bereits in Rom um 50-100 n.Chr als eine ehrwürdigere Art der Hinrichtung verstanden wurde die ausschließlich römischen Staatsbürgern vorenthalten war. Der Apostel Paulus wurde auf eben diese Art und Weise hingerichtet, für die restlichen nicht-römischen Märtyer war die Kreuzigung oder der Tod in der Arena vorgesehen. (vergleichbar mit dem Erhängen)Ähnlich erging es den Mitgliedern des Spartakus Aufstand. Es gibt auch diverse Überlieferungen, z.B. von Sallust, dass Staatsfeinden u.a "mit der Schlinge die Kehle gebrochen" wurde, was auch immer man sich darunter vorstellen mag.
Deutlich ist also hier zu sehen dass der Unterschied in der "Zurschaustellung" liegt. Wichtig ist, wie bereits von anderen Usern genannt, der Zustand des Leichnams nach dem Ableben.
 
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Zumindest für das Mittelalter: Der Erhängte wurde meist zur Abschreckung hängen gelassen ... damit war eine Beerdingung des Leichnams in geweihter Erde nicht möglich - und somit keine ewige Ruhe. Es lassen sich auch Quellen finden, dass Angehörige versuchten, den Leichnam abzunehmen, dabei erwischt und bestraft wurden.


In Petronius Satyricon erzählt ein Gast des Trimalchio die Geschichte der Matrone von Ephesos. Diese betrauert ihren Gatten und wird von einem Soldaten getröstet, der gekreuzigte Delinquenten bewachen muss, damit sie nicht geklaut werden. Während er die Witwe tröstet, passiert aber genau das. Guter Rat ist teuer, da entschließen sich die beiden, den geklauten Delinquenten durch den verstorbenen Ehemann der Witwe zu ersetzen.

Verurteilte Delinquenten nicht abzunehmen, sondern sie zur Abschreckung hängen zu lassen, war noch zu Beginn des 19. Jhds völlig üblich. Seit der Entwicklung der Physiognomielehre Ende des 18. Jhds durch Forscher wie Gall oder Lavater und unter dem Einfluss der Theorien Cesare Lombrosos endeten nicht wenige Delinquenten als Exponate in anatomischen Sammlungen. Bei einer Ausstellung 1998 oder 1999 in Heidelberg grüßte ebenso publikumswirksam wie makaber das Skelett des Räubers Philipp Lang, genannt "Hölzerlips", und um die Gebeine und sterblichen Überreste des Schinderhannes kam es 1983, angefacht durch eine nicht ganz ernst gemeinte Sommerente, lanciert von einer Lokalzeitung zu einem handfesten Streit, wobei Mainzs Bürgermeister Jockel Fuchs sogar damit drohte, die Fernsehfassnacht abzusagen.
 
u.a "mit der Schlinge die Kehle gebrochen" wurde, was auch immer man sich darunter vorstellen mag.

Damit könnte das "Zerdrücken" der Kehle gemeint sein. Eine Hinrichtungsart ist mir als "Garotte" (spanisch für Stock, wird aber auch mit dem Begriff "Abbindung" im medizinischen gebraucht) bekannt. Dabei wird eine Schlinge um den Hals gelegt und mithilfe eines Stockes, der im Genick durch die Schlinge geschoben wird, zugedreht... Davon gab es auch modernere Varianten, die - glaube ich - mit Genickbruch arbeiten. 1978 wurde die Todesstrafe in Spanien - und damit die Garotte - abgeschafft.

Zum Thema: In einem (historisch fundierten) Vortrag über mittelalterliche Vorgehensweisen bei Folter & Hinrichtung, wurde dargestellt, daß auch Glaubensfragen sich in der Art der Hinrichtung wiederfanden. Das Enthaupten stellte dabei nicht nur eine schnelle Form des Todes dar, es ermöglichte der Seele quasi direkt mit dem laufenden Blut aus dem Körper in den Himmel zu fahren. Der Scharfrichter (hier bitte nicht mit dem Henker gleichsetzen, der durfte das Scharfrichten laut Vortrag in der Regel nicht) mußte dabei gekonnt mit einem Hieb den Kopf abtrennen. Sollte das danebengehen, konnte es geschehen, daß der Scharfrichter selbst vom aufgebrachten Volk umgebracht worden ist.

Das Hängen ist eine häßliche Sache. Es wurde nicht - wie schon richtig erwähnt - mit Genickbruch, sondern mit Erdrosselung gearbeitet. Wenn die Blutzufuhr nicht schon bei Beginn der Hängung unterbrochen wurde, konnte sich die Prozedur über eine sehr lange Zeit hinziehen. Dabei schwoll das Gesicht an, die Zunge trat hervor, die Augen quollen heraus, Stuhl, Urin & Ejakulat konnten durch den hohen Druck (Blutdruck?), der beim Hängen entstand austreten... alles in allen sehr schrecklich... Außerdem glaubte man wohl, daß die Seele (nicht wie beim Enthaupten) im Körper stecken blieb und den eigenen Zerfall nach dem Tod miterleben mußte...
 
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