Entnazifizierung und die Unterlagen der Finanzämter

Josh

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Servus!

Im Geschichtsunterricht behandeln wir derzeit die alliierten Versuche der Entnazifizierung der deutschen Bevölkerung nach Ende des 2. Weltkriegs.

Dabei haben wir festgestellt dass die zuständigen Einheiten zwar über Mitgliederkarteien der NSDAP verfügten, jedoch nicht auf die Daten der Finanzämter zugreifen konnten. Jetzt frage ich mich, warum sie ausgerechnet darauf keinen Zugriff hatten. Kann ja nicht sein, dass die alle im Krieg vernichtet wurden, das hätte ja auf die Mitgliedskarteien auch zugetroffen! Das sich die Alliierten den Zugriff darauf untersagen haben lassen kann ich mir auch nicht vorstellen.

Hat da jemand genauere Informationen dazu?
Danke und Gruß!
 
Hallo,

die Militärregierungen und der Kontrollrat konnten per Direktive/Gesetz auf alle Verwaltungsfunktionen zugreifen.

Eine Einschätzung:
Bei den Daten der Finanzämter sehe ich folgendes Problem. Diese Daten sind in Papierform dezentral in den Finanzämtern geführt worden. Die Ämter lagen - jedenfalls in den größeren Städten - und teilweise bis heute - in der Regel zentral, sie müssen also von den Bombenangriffen in den Innenstädten stark mit betroffen gewesen sein. Da die Ämter gearbeitet haben, können die Akten auch kaum ausgelagert gewesen sein. Große Aktenbestände sind mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit somit verloren gegangen.

Studien dazu kenne ich allerdings nicht.

Dann stellt sich noch die Frage, was die Finanzamtsakten zur Entnazifizierung hergeben sollen. Ich könnte mir höchstens in Einzelfällen Rückschlüsse aus erklärten Einkünften, Darstellung von Funktionen etc. bei Betriebsprüfungen vorstellen. Viel bringt das aber kaum.

Grüße
Thomas
 
Dann stellt sich noch die Frage, was die Finanzamtsakten zur Entnazifizierung hergeben sollen. Ich könnte mir höchstens in Einzelfällen Rückschlüsse aus erklärten Einkünften, Darstellung von Funktionen etc. bei Betriebsprüfungen vorstellen. Viel bringt das aber kaum.
Vielleicht konnte man anhand dieser Unterlagen feststellen, wer sich an jüdischem Vermögen bereichert hat.
 
Studien dazu kenne ich allerdings nicht.
Z.B. von Sabine Mecking: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/WIR/Referate/Mecking/

Dann stellt sich noch die Frage, was die Finanzamtsakten zur Entnazifizierung hergeben sollen. Ich könnte mir höchstens in Einzelfällen Rückschlüsse aus erklärten Einkünften, Darstellung von Funktionen etc. bei Betriebsprüfungen vorstellen. Viel bringt das aber kaum.
Och, da gibt es ganz interessant Dokumente, die z.B. belegen, dass dieselben Finanzbeamten, die vor dem Krieg die Juden auszuplündern halfen, sie nach dem Krieg nach den Quittungen fragten - welche sie ausgestellt hatten. Und selbst wenn: wer hätte erwarten können, dass Familien, die vollständig in den Lagern waren und dort vollkommen ausgeplündert wurden, noch die Quittungen über ihre verlorenen Besitztümer besäßen?

http://www.muenster.de/stadt/villa-ten-hompel/wanderausstellungen_12475.html
 
Hallo El Quijote,

erstmal danke für den link. Sehr aufschlußreich, mit dem Gebiet habe ich mich wie gesagt bislang noch nicht beschäftigt.

Unter "Daten der Finanzämter" hatte ich nur die Akten zu den Steuerpflichtigen verstanden. Das hier:
"Dabei hat die Finanzverwaltung einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Ausbeutung der jüdischen Bürger geleistet. Entgegen ihrer verbreiteten Selbsteinschätzung war sie eben nicht die unpolitische Fachbehörde, die unbeeinflusst von den Veränderungen nach 1933 und losgelöst vom Unrecht der Zeit ihre Arbeit nach rein sachlichen Kriterien fortsetzte. Beispielhaft seien hier nur die mit der Verschärfung der Ausreisebestimmungen einhergehende Bedeutungszunahme der "Devisenstelle“ sowie die Einrichtung der "Dienststelle für die Einziehung von Vermögenswerten“ im Jahre 1941 genannt. Diese und andere Behörden und Abteilungen waren massiv an der wirtschaftlichen Auspressung und Verfolgung beteiligt."
(link von oben)

betrifft die Eigenakten der Finanzbehörden und ihre Verstrickung durch Vermerke, Bescheinigungen etc. Den Bereich hatte ich mit meinem post nicht gemeint. Dein Hinweis ist aber völlig richtig, wenn es um die Entnazifizierung der Steuerbehörden (insbesondere der leitenden Behörden und der ) geht. Das hatte ich nicht gesehen.
 
Damit ist die Frage "was ist daran relevant" geklärt, danke dafür!

Bleibt die Frage, warum diese Quelle eben nicht genutzt wurde / werden konnte.
 
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