Entschädigung erlittene Kriegsschäden

Repo

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Bei einer Suche in anderer Sache ist mir folgendes untergekommen:

Die Preußen haben für den Rheinübergang 1.1.1814 etliches an Frachtkähnen zum Bau der Schiffsbrücke beschlagnahmt.
Einige dieser Kähne gehörten Stinnes. Beschädigt und abgesoffen. Aber niemals eine Entschädigung erhalten.
Noch 1822 beklagt er sich, was für große Opfer er fürs Vaterland erbracht hätte.

Wie wurde so etwas in diesen Zeiten geregelt, gehandhabt?
 
Die Preußen haben für den Rheinübergang 1.1.1814 etliches an Frachtkähnen zum Bau der Schiffsbrücke beschlagnahmt.
Einige dieser Kähne gehörten Stinnes.
Nein das stimmt nicht ganz, Mathias Stinnes hat seine Schiffe zur Verfügung gestellt. Die erste Schiffsbrücke wurde bereits in der Silvesternacht gebaut und durch die Strömung wieder losgerissen, weswegen es zum Verlust einiger Schiffe kam. Nichts desto trotz stellte er Blücher für den Bau der zweiten Schiffsbrücke trotzdem wieder Schiffe zur Verfügung.

Wie wurde so etwas in diesen Zeiten geregelt, gehandhabt?
Das preußische Landrecht von 1804 kennt auf jeden Fall bereits den Schadenersatz. Wo hasst du denn die Stinnesaussage her, dass er keinen Schadenersatz bekommen hat?
 
Nein das stimmt nicht ganz, Mathias Stinnes hat seine Schiffe zur Verfügung gestellt. Die erste Schiffsbrücke wurde bereits in der Silvesternacht gebaut und durch die Strömung wieder losgerissen, weswegen es zum Verlust einiger Schiffe kam. Nichts desto trotz stellte er Blücher für den Bau der zweiten Schiffsbrücke trotzdem wieder Schiffe zur Verfügung.


Das preußische Landrecht von 1804 kennt auf jeden Fall bereits den Schadenersatz. Wo hasst du denn die Stinnesaussage her, dass er keinen Schadenersatz bekommen hat?


Aus "Kaufleute aus Mühlheim" von der Stinnes AG herausgegeben.
Steht explizit drin.

Ich bin davon ausgegangen, dass die den Stinnes dann kräftig Heeresbedarf transportieren liessen. Sorgen musste man für den bestimmt nicht.
Aber trotzdem, wer hat zB den Wiederaufbau von Leipzig bezahlt?
Oder der Dörfer ringsum?
 
Also öffentliche Träger oder Privatleute bekamen nach meiner Erfahrung oftmals garnichts sondern waren einfach die angelackmeierten, noch schlimmer wenn die Nutzer der Güter sowas wie die Feinde waren. Z.T. ist zwischen Freund und Feind schwer zu unterscheiden, v.a. wenn der eigene Staat sowas wie neutral waren - wenn ich z.B. an die kleineren Staaten im HRR denke, die besonders unter den ersten beiden Koalitionskriegen litten.
 
Also öffentliche Träger oder Privatleute bekamen nach meiner Erfahrung oftmals garnichts sondern waren einfach die angelackmeierten, noch schlimmer wenn die Nutzer der Güter sowas wie die Feinde waren. Z.T. ist zwischen Freund und Feind schwer zu unterscheiden, v.a. wenn der eigene Staat sowas wie neutral waren - wenn ich z.B. an die kleineren Staaten im HRR denke, die besonders unter den ersten beiden Koalitionskriegen litten.


Hmmm...
Habe ich jetzt Probleme.
Genauer, es will mir nicht runter, dass da einfach gar nix gegangen sein soll.
Steuerbefreiung über ein paar Jahre? Andere Subventionen?
 
Aber trotzdem, wer hat zB den Wiederaufbau von Leipzig bezahlt?
Oder der Dörfer ringsum?

@Repo

Da Sachsen nicht gerade auf der "Gewinnerspur" war, mußten die Schäden wohl auch die Sachsen bezahlen.

Ob meine sächsischen Vorfahren auf eine Assekuranz zurückgreifen konnten, vermag ich nicht zu sagen, zumal auch heute noch "Krieg" als "höhere Gewalt" ein "Entschädigungsausschlußgrund" ist.


@Lili

Du stellst auf § 75 ALR 1794 ab. Nur Mühlheim wurde erst 1815 preußisch, Repo bezieht sich auf den 1. Januar 1814, insoweit stellt sich die Requirierung der Lastkähne als Kriegshandlung in einem fremden Staat dar. Ob es da ein Rückwirkungsgebot gab, bezweifele ich; insoweit ist die "Nichtentschädigung" für die Lastkähne aus ferner und nicht rechtshistorischer Sicht o.k.

"§. 75. Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genöthigt wird, zu entschädigen gehalten."

M. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Also öffentliche Träger oder Privatleute bekamen nach meiner Erfahrung oftmals garnichts

Die Requisition (zB Beschlagnahme gegen Entschädigung) ist eigentlich ein Korrektiv zum sich Ende 19. JH durchsetzenden Verbot der Plünderung, das erst in der Haager Landkriegsordnung 1899 formuliert wurde. Zuvor durfte geplündert werden und wurde es auch, ohne jeden Schutz für die Zivilbevölkerung.

Zu Unterscheiden sind davon noch die Reparationen (Anspruch des Siegerstaates, also nicht von einzelnen Personen) sowie die Wiedergutmachung (Ansprüche auch von einzelnen Geschädigten, als Prinzip erst nach Versailler Vertrag aufgetreten, zB im Vertrag von Brest-Litowsk nmE ausdrücklich ausgeschlossen)
 
Du stellst auf § 75 ALR 1794 ab. Nur Mühlheim wurde erst 1815 preußisch, Repo bezieht sich auf den 1. Januar 1814, insoweit stellt sich die Requirierung der Lastkähne als Kriegshandlung in einem fremden Staat dar.
Mit dem Unterschied, dass es im Falle Stinnes keine Requirierung war, sondern er seine Kähne Blücher freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Und zwar nicht, wie man vermuten könnte: "Hier hast du" - "Oh, Mist kaputt" - "Jetzt kriegste aber keine mehr" sondern eben "Hier hast du" - "Oh, Mist kaputt" - "Hier haste noch ein paar". Und wie du so schön formulierst: selbst wenn es ein Rückwirkungsgebot gegeben hätte, wäre eine Nichtentschädigung der Lastkähne aus ferner rechtshiostorischer Sicht in der Konstellation auch o.k. :winke:

Repos Frage hatte ich allerdings allgemeiner und nicht konkret auf den Fall Stinnes verstanden (der war nach meinem Verständnis nur Frageauslöser), daher mein Hinweis auf auf die Existenz des Schadenersatzes im preußischen Landrecht.

Mathias Stinnes Gejammere, er wäre nicht entschädigt worden, finde ich in Anbetracht der mittelbaren und unmittelbaren Zuwendungen, die er aus der preußischen Staatskasse erhalten hat, ohnehin etwas überzogen. :still:
 
Also, vergessen wir doch mal den Stinnes.

Witwe Bolte, wohnhaft in Gohlis bei Leipzig, der Ort hat während der Kampfhandlungen mehrfach die Seiten gewechselt. Ihr Haus ist abgefackelt, die Hühner haben Max und Moritz gefressen (an die Uniform der beiden kann sich die Witwe leider nicht erinnern) der Hund ist mit den Kosaken gezogen, war ihm eh zu langweilig bei der Witwe.
Also, die Witwe hat erhebliche Schäden, und weiter?

Armenhaus?
Mit den Zigeunern ziehen?
Räuberbande gründen?
Entschädigung von wem auch immer einstreichen?
 
Leider weiss ich nicht mehr, wo ich es gelesen habe: Wenn man das Glueck hatte, dass man "hohen Besuch" hatte, etwa irgendein Generalstab, oder am besten noch durch Napoleon persønlich, gab's Entschædigung. Da wurde irgendeine Kasse geøffnet, und entsprechend Francs gegeben. Nach welchen Regeln das gehandhabt wurde, und ob das auch der Fall war, so es denn eben einfache Einheiten waren, kann ich leider nicht sagen.

Gruss, muheijo
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil die §§ 74, 75 EinlPrALR von einer Staatshaftung sprechen. Warum sollten sie bei Kriegshandlungen (im eigenen Land, schon klar) nicht gelten?

Eindeutig geregelt ("müssen nachstehen") ist nur der Aufopferungsanspruch des Staates, an eine Entschädigung ist er "gehalten". Die abgedeckten Fälle betreffen mE Verwaltungshandlungen, somit Enteignungen im Frieden einschließlich solcher für militärische Bauten und Zwecke (zB Festungsbau etc.).

Das "gehalten" im Krieg kann mE abweichend interpretiert werden. Dafür spricht auch, dass das spätere Preußische Enteigungsrecht auf dem ALR aufbaut und besondere Bestimmungen nur (!) für die "Enteignung zu Kriegszwecken" vorsah.

Aber das wäre eine Interpretationsfrage, ich kenne mich mit der Entstehungsgeschichte des ALR und seine Erstreckung auf "Kriegsrecht" (Sonderregelungen finden sich für die Beute vom Feind, I/9 § 193) überhaupt nicht aus. Ich sehe nur:

ALR/Einleitung, §. 1. Das allgemeine Gesetzbuch enthält die Vorschriften, nach welchen die Rechte und Verbindlichkeiten der Einwohner des Staats, so weit dieselben nicht durch besondre Gesetze bestimmt worden, zu beurtheilen sind.

und somit: -> Preußisches Kriegsrecht um 1800 bzw. Corpus Iuris Militaris einige Jahrzehnte früher als Ausnahmerecht, die Kriegslast als Sonderfall des Aufopferungsanspruchs und Ausnahmefall von der Entschädigungspflicht
Bluntschli, Das moderne Kriegsrecht der civilisihrten Staaten, 1874.
 
Leider weiss ich nicht mehr, wo ich es gelesen habe: Wenn man das Glueck hatte, dass man "hohen Besuch hatte", etwa irgendein Generalstab, am besten noch durch Napoleon persønlich, gab's Entschædigung. Da wurde irgendeine Kasse geøffnet, und entsprechend Francs gegeben. Nach welchen Regeln das gehandhabt wurde, und ob das auch der Fall war, so es eben einfache Einheiten waren, kann ich leider nicht sagen.

Gruss, muheijo


Gut, das kann im Einzelfall so gelaufen sein.

Aber die Region um Leipzig, die Kampfzonen waren doch flächig zerstört, denke ich zumindest.
Insgesamt kann sich die jeweilige Herrschaft/Regierung doch kaum zurücklehnen,
"ja die in Gohlis haben halt jetzt den Schwarzen Peter gezogen, Pech gehabt".
Da würde doch die ganze Region zusammenbrechen.

Dass die Staatsgewalt, die Obrigkeit als solche überhaupt akzeptiert wird, liegt doch darin begründet, dass in solchen Fällen Hilfe kommt.
Wenn nicht - wird der Staat binnen kurzem zusammenbrechen.
 
Aber die Region um Leipzig, die Kampfzonen waren doch flächig zerstört, denke ich zumindest...
Insgesamt kann sich die jeweilige Herrschaft/Regierung doch kaum zurücklehnen, ...

Eine fehlende Verpflichtung würde ja nicht hindern, etwas zu tun.

Gibt es für solche Regionen keine Aufzeichnungen für die unmittelbare Nachkriegszeit, etwa über Hilfen, Zahlungen etc.?

Siehe zB auch:
Belagerung Kolbergs 1807 ? Wikipedia
 
und somit: -> Preußisches Kriegsrecht um 1800 bzw. Corpus Iuris Militaris einige Jahrzehnte früher als Ausnahmerecht, die Kriegslast als Sonderfall des Aufopferungsanspruchs und Ausnahmefall von der Entschädigungspflicht
Bluntschli, Das moderne Kriegsrecht der civilisihrten Staaten, 1874.
Der Corpus Iuris Militaris passt 1813/14 nicht mehr. Das HRRDN gab es nicht mehr, die entsprechenden Gesetze hatten keine Gültigkeit mehr, insbsondere weil Preußen auch entsprechende Landesgesetze hatte. Zu Kriegszerstörungen des Heeres im eigenen Land finde ich in der entsprechenden Militärgesetzgebung aber nichts. Beziehst du dich auf etwas bestimmtes? Das Einzige, das man irgendwie konstruieren könnte, wäre eine Subsummierung der "zur Verfügung Stellung" (ob nun freiwillig oder nicht) von kriegserforderlichen Materialien als Bestandteil der Teilnahme an Landwehr oder Landsturm.

Was mich stutzig macht ist Repos einleitender Hinweis, dass Mathias Stinnes sich eben empört darüber geäußert hatte, dass er nicht entschädigt worden wäre. Warum tut er das, wenn es unter bestimmten Umständen nicht möglich gewesen wäre? Was ich allerdings nicht beurteilen kann, ist, wie wissenschaftlich besagtes Buch ist. Ist es nur eine heitere Sammlung von ungeprüften Familienanekdötchen oder kann man die entsprechende Literatur ernst nehmen?
 
Der Corpus Iuris Militaris passt 1813/14 nicht mehr. Das HRRDN gab es nicht mehr, die entsprechenden Gesetze hatten keine Gültigkeit mehr, insbsondere weil Preußen auch entsprechende Landesgesetze hatte.
Das ist schon klar, es ging lediglich um die Sonderstellung des Kriegsrechts als Ausnahmezustand. Deswegen habe ich auch auf das zT auf Gewohnheitsrecht basierende, zeitlich parallele preußische Kriegsrecht hingewiesen.

Zu Kriegszerstörungen des Heeres im eigenen Land finde ich in der entsprechenden Militärgesetzgebung aber nichts. Beziehst du dich auf etwas bestimmtes?
Kein spezieller Bezug. Requisition war üblich resp. Gewohnheit -Entschädigungsregelungen waren nicht vorhanden, wie aus älterer Literatur zum Kriegsrecht hevorgeht. Diese Rahmenbedingungen würde ich für die schwache Auslegung "gehalten" im ALR heranziehen. Hinzu kommt mE, dass das ALR eher die "ordentlichen" Enteignungen im Frieden als Regelungsgegenstand im Visier hatte.


Ist es nur eine heitere Sammlung von ungeprüften Familienanekdötchen oder kann man die entsprechende Literatur ernst nehmen?
Vielleicht war sein Anspruch und seine Empörung eher moralisch zu verstehen?
 
Eine fehlende Verpflichtung würde ja nicht hindern, etwas zu tun.

Gibt es für solche Regionen keine Aufzeichnungen für die unmittelbare Nachkriegszeit, etwa über Hilfen, Zahlungen etc.?

Siehe zB auch:
Belagerung Kolbergs 1807 ? Wikipedia


Ich weiß es nicht.
Unterstelle jedoch, dass es die sehr wohl gibt. Aber sicher an recht versteckter Stelle zu finden. Denn leider interessiert dies wenig.

Wenn ich hier jetzt die Frage gestellt hätte, von welchem Baum Prinz Heinrich der Fröhliche den Angriff der Leibhusaren beobachtet hätte...
20 Antworten in kürzester Zeit wären mir sicher gewesen.

Und genau deshalb finde ich, sollte man dieses Thema doch auch mal ausleuchten.
Teile unserer UrUrgroßeltern sind doch garantiert unter den Betroffenen.
 
Vielleicht war sein Anspruch und seine Empörung eher moralisch zu verstehen?
Ganz ernsthaft: wenn das Zitat so belegbar ist, dann vermute ich eher einen versicherungsrechtlichen Hintergrund.

Requisition war üblich resp. Gewohnheit -Entschädigungsregelungen waren nicht vorhanden, wie aus älterer Literatur zum Kriegsrecht hevorgeht.
Ja, wobei das einleitende Beispiel ja noch nicht mal eine Requirierung war. Vielleicht drehen wir uns deshalb auch gerade gefühlt im Kreis. Zerstörungen durch Kampfhandlungen, sowie Requirierungen passen auch nicht wirklich zum Schadenersatz. Selbst groß angelegte staatliche Wiederaufbaumaßnahmen nach einer großflächigen Zerstörung sind kein Schadenersatz. Fasst schon passender finde ich Repos Witwe Bolte Beispiel. Also wer ersetzt Individualschaden nach Fehlverhalten durch Angehörige der eigenen Armee?

Mit der preußischen Heeresreform gab es doch auch eine Veränderung im Disziplinarrecht. Es wird doch zumindest bis zu den Unteroffizieren unterschieden zwischen soldatischen Handlungen und strafrechtlich verfolgbaren Handlungen. Darauf kann sich im Zusammenhang mit der Verletzung von Eigentumsrechten Dritter auch ein Schadenersatzanspruch herleiten. Wer dann schlussendlich wie schadenersatzpflichtig wird und wie das praktisch umgesetzt wurde, steht dann natürlich auf einem anderen Blatt. Aber gerade das, nämlich die Veränderung im Disziplinarrecht war doch eine der großen Novellierungen. Oder war das nur Papier und Papier ist geduldig?
 
Mit der preußischen Heeresreform gab es doch auch eine Veränderung im Disziplinarrecht. Es wird doch zumindest bis zu den Unteroffizieren unterschieden zwischen soldatischen Handlungen und strafrechtlich verfolgbaren Handlungen. Darauf kann sich im Zusammenhang mit der Verletzung von Eigentumsrechten Dritter auch ein Schadenersatzanspruch herleiten.

Ich vermute, das Papier verfolgt hier ungeduldig einen anderen Zweck.

Der Hinweis erinnert mich an ein anderes Beispiel: disziplinarische Hinweise im Ostfeldzug 1941 in Zusammenhang mit Requirierungen und Verhalten gegenüber der Bevölkerung. Die Führung einer Armee denkt hier eher in der Kategorie der Kampfkraft, ökonomisch Effektivität. Jede Auflösung der Disziplin ist kontraproduktiv, somit massiv zu unterbinden, oder umgekehrt: Operationen und Gefechte beruhen auf der maximal möglichen Disziplinierung der Truppen unter Kriegsbedingungen.

Kurzum: solche Innovationen sind mE eher auf Kampfkraft gerichtet, nicht auf naturgesetzliche Diskussionen über die Komplementarität von Aufopferungsanspruch und staatlicher Gegenleistung.
 
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