Immer wieder hört man dieser Tage - teilweise sogar als versteckte Rechtfertigung für die russischen Angriffskrieg auf das kleinere Land - dass die Ukraine 2019 den Gebrauch des Russischen verboten habe.
Das ist nicht korrekt. Tatsächlich hat die Ukraine nicht den Gebrauch des Russischen verboten, sondern die ausschließliche Veröffentlichung von Texten auf Russisch in Printmedien. Das hat de facto zur Folge, dass Texte, die eh nur in kleinerer Auflage erscheinen, nunmehr nur noch auf Ukrainisch publiziert werden, weil es sich aufgrund der geringen Auflagengröße nicht lohnt, sie zweisprachig erscheinen zu lassen. (Auch meine kurze Darstellung ist natürlich bei weitem noch zu unterkomplex.)
Meistens wird dieses angebliche Verbot des Russischen ohne den historischen Kontext gesehen.
Vor vielen Jahrhunderten hat der byzantinische Patriarch Johannes XIV. oder einer seiner Kanzlisten die Begriffe 'Kleinrussland' Μικρὰ Ῥωσσία und 'Großrussland' Μεγάλη Ῥωσσία geprägt. Diese Begriffe hatten keinerlei Hierarchisierung der betreffenden Gebiete im Sinn. Seit dem 19. Jahrhundert sind sie aber verstärkt durch die zaristische Verwaltung in einer hierarchisierenden Form gebraucht worden, die Kleinrussen waren nach der neuen Lesart wie Kinder, die nicht die Verantwortung für sich selbst tragen konnten.
Wer etwas im zaristischen Teil der Ukraine auf sich hielt, sprach Russisch und kein Ukrainisch. So wurde Russisch die Sprache der Gebildeten und Ukrainisch (Kleinrussisch, Ruthenisch) die Sprache der Bauern und Arbeiter. Im Zuge der Bildung eines sich von Russland abgrenzenden ukrainischen Nationalbewusstseins begann man aber, eine ukrainische Literatursprache auszubilden. Besonders zu nennen ist hier Taras Tschewtschenko (der so aussah, als habe man Putin und Bismarck - aber ohne Fliege - gemeinsam in einen Langelaan'schen Materietransmitter gesteckt). Taras Tschwetschenko (1814 - 1861) ist in Ukraine ungefähr so bekannt, wie Goethe in Deutschland.
1863 reagierte die zaristische Administration - namentlich der zaristische Innenminister Pjotr Walujew - mit dem geheimen Walujew-Dekret: Валуевский циркуляр.
Darin heißt es über die ukrainische Sprache: "eine eigene kleinrussische Sprache gab es nie, gibt es nicht und wird es nie geben, ihre Sprache, wie sie von der einfachen Bevölkerung gebraucht wird, ist nichts anderes als durch polnischen Einfluss korrumpiertes Russisch."
(Funfact: Sowohl der russische als auch der ukrainische Nationalismus (zumindest außerhalb Galiziens) waren im 19. Jhdt. stets antikatholisch, antipolnisch und antihabsburgisch. Man könnte meinen Putin haben Habsburg durch den Weten ersetzt).
Mit diesem Geheimdekret wurde das Ukrainische verboten, 1870 im Ems Ukaz wurde dieses Verbot des Ukrainischen noch einmal verschärft. Die beiden Dokumente stehen im Kontext einer zaristischen Russifizierungspolitik der Ukraine.
Mit der Integration der Ukrainischen Sowjetrepublik in die UdSSR hörten die Russifizierungstendenzen nicht auf - auch der Holodomor, der vorwiegend kleinrussisch besiedelte Gebiete der Ukraine betraf und der scharf abgeriegelt wurde, so dass Nahrungssuchende aus den betroffenen Hungergebieten dort nicht hinauskamen, ist in die nun sowjetische Russifizierungespolitik der Ukraine einzuordnen. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu Stalins Tod wurde die Russifizierungspolitik fortgeführt.
Die Orangene Revolution 2004 wurde ausgelöst durch einen Wahlbetrug Wiktor Janykowytschs, der bereits damals vielen Ukrainern als der Kandidat Moskaus galt. Die Orangene Revolution richtete sich als nicht nur gegen den Wahlbetrug Janykowytschs sondern auch gegen die russische Einflussnahme auf die ukrainische Politik.
Nach sechs Jahren (2010) konnte sich Janykowytsch wiederum in den Präsidentschaftswahlen in der Stichwahl gegen Julia Timotschenko durchsetzen (die in der Folge in Schauprozessen dann ins Gefängnis prozessiert wurde) und im Zuge des Euro-Maidan wieder freigelassen.
Also nach etlichen bitteren Erfahrungen der Ukrainer mit einer zunächst vom zaristischen und dann dem sowjetischen Regime betriebenen Russifizierungspolitik und schließlich mit der aggressiven Einmischung des von Putin regierten Kreml in innere Angelegenheiten der Ukraine (nebst Abspaltung der Krim und Teilen des Donbass) hat diese 2019 die einsprachige Publikation von Medien auf russisch in der Ukraine verboten, eines russischen Präsidenten, der ganz in der Tradition russischer Nationalisten des 19. Jhdts. die Ukraine als nichtexistent betrachtet.
(Nur noch eine Fußnote zur Krim: Anlass Chrustschows der Ukraine die Krim zu schenken war das 300jährige Jubiläum der Aufnahme des ukrainischen Hetmanats in das Großfürstentum Moskau mit dem Vertrag von Perejaslaw (1654). Die orthodoxen Kosaken hatten sich von der Herrschaft der katholischen Polnisch-Lithauischen Adelsrepublik freigekämpft und den Zaren um militärischen Beistand gebeten. Ab 1667 spaltete sich das Hetmanat und der östliche Teil wurde Teil des zaristischen Russland.)
Das ist nicht korrekt. Tatsächlich hat die Ukraine nicht den Gebrauch des Russischen verboten, sondern die ausschließliche Veröffentlichung von Texten auf Russisch in Printmedien. Das hat de facto zur Folge, dass Texte, die eh nur in kleinerer Auflage erscheinen, nunmehr nur noch auf Ukrainisch publiziert werden, weil es sich aufgrund der geringen Auflagengröße nicht lohnt, sie zweisprachig erscheinen zu lassen. (Auch meine kurze Darstellung ist natürlich bei weitem noch zu unterkomplex.)
Meistens wird dieses angebliche Verbot des Russischen ohne den historischen Kontext gesehen.
Vor vielen Jahrhunderten hat der byzantinische Patriarch Johannes XIV. oder einer seiner Kanzlisten die Begriffe 'Kleinrussland' Μικρὰ Ῥωσσία und 'Großrussland' Μεγάλη Ῥωσσία geprägt. Diese Begriffe hatten keinerlei Hierarchisierung der betreffenden Gebiete im Sinn. Seit dem 19. Jahrhundert sind sie aber verstärkt durch die zaristische Verwaltung in einer hierarchisierenden Form gebraucht worden, die Kleinrussen waren nach der neuen Lesart wie Kinder, die nicht die Verantwortung für sich selbst tragen konnten.
Wer etwas im zaristischen Teil der Ukraine auf sich hielt, sprach Russisch und kein Ukrainisch. So wurde Russisch die Sprache der Gebildeten und Ukrainisch (Kleinrussisch, Ruthenisch) die Sprache der Bauern und Arbeiter. Im Zuge der Bildung eines sich von Russland abgrenzenden ukrainischen Nationalbewusstseins begann man aber, eine ukrainische Literatursprache auszubilden. Besonders zu nennen ist hier Taras Tschewtschenko (der so aussah, als habe man Putin und Bismarck - aber ohne Fliege - gemeinsam in einen Langelaan'schen Materietransmitter gesteckt). Taras Tschwetschenko (1814 - 1861) ist in Ukraine ungefähr so bekannt, wie Goethe in Deutschland.
1863 reagierte die zaristische Administration - namentlich der zaristische Innenminister Pjotr Walujew - mit dem geheimen Walujew-Dekret: Валуевский циркуляр.
Darin heißt es über die ukrainische Sprache: "eine eigene kleinrussische Sprache gab es nie, gibt es nicht und wird es nie geben, ihre Sprache, wie sie von der einfachen Bevölkerung gebraucht wird, ist nichts anderes als durch polnischen Einfluss korrumpiertes Russisch."
(Funfact: Sowohl der russische als auch der ukrainische Nationalismus (zumindest außerhalb Galiziens) waren im 19. Jhdt. stets antikatholisch, antipolnisch und antihabsburgisch. Man könnte meinen Putin haben Habsburg durch den Weten ersetzt).
Mit diesem Geheimdekret wurde das Ukrainische verboten, 1870 im Ems Ukaz wurde dieses Verbot des Ukrainischen noch einmal verschärft. Die beiden Dokumente stehen im Kontext einer zaristischen Russifizierungspolitik der Ukraine.
Mit der Integration der Ukrainischen Sowjetrepublik in die UdSSR hörten die Russifizierungstendenzen nicht auf - auch der Holodomor, der vorwiegend kleinrussisch besiedelte Gebiete der Ukraine betraf und der scharf abgeriegelt wurde, so dass Nahrungssuchende aus den betroffenen Hungergebieten dort nicht hinauskamen, ist in die nun sowjetische Russifizierungespolitik der Ukraine einzuordnen. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu Stalins Tod wurde die Russifizierungspolitik fortgeführt.
Die Orangene Revolution 2004 wurde ausgelöst durch einen Wahlbetrug Wiktor Janykowytschs, der bereits damals vielen Ukrainern als der Kandidat Moskaus galt. Die Orangene Revolution richtete sich als nicht nur gegen den Wahlbetrug Janykowytschs sondern auch gegen die russische Einflussnahme auf die ukrainische Politik.
Nach sechs Jahren (2010) konnte sich Janykowytsch wiederum in den Präsidentschaftswahlen in der Stichwahl gegen Julia Timotschenko durchsetzen (die in der Folge in Schauprozessen dann ins Gefängnis prozessiert wurde) und im Zuge des Euro-Maidan wieder freigelassen.
Also nach etlichen bitteren Erfahrungen der Ukrainer mit einer zunächst vom zaristischen und dann dem sowjetischen Regime betriebenen Russifizierungspolitik und schließlich mit der aggressiven Einmischung des von Putin regierten Kreml in innere Angelegenheiten der Ukraine (nebst Abspaltung der Krim und Teilen des Donbass) hat diese 2019 die einsprachige Publikation von Medien auf russisch in der Ukraine verboten, eines russischen Präsidenten, der ganz in der Tradition russischer Nationalisten des 19. Jhdts. die Ukraine als nichtexistent betrachtet.
(Nur noch eine Fußnote zur Krim: Anlass Chrustschows der Ukraine die Krim zu schenken war das 300jährige Jubiläum der Aufnahme des ukrainischen Hetmanats in das Großfürstentum Moskau mit dem Vertrag von Perejaslaw (1654). Die orthodoxen Kosaken hatten sich von der Herrschaft der katholischen Polnisch-Lithauischen Adelsrepublik freigekämpft und den Zaren um militärischen Beistand gebeten. Ab 1667 spaltete sich das Hetmanat und der östliche Teil wurde Teil des zaristischen Russland.)