Entwicklung kleinrussische Sprachen

El Quijote

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Immer wieder hört man dieser Tage - teilweise sogar als versteckte Rechtfertigung für die russischen Angriffskrieg auf das kleinere Land - dass die Ukraine 2019 den Gebrauch des Russischen verboten habe.
Das ist nicht korrekt. Tatsächlich hat die Ukraine nicht den Gebrauch des Russischen verboten, sondern die ausschließliche Veröffentlichung von Texten auf Russisch in Printmedien. Das hat de facto zur Folge, dass Texte, die eh nur in kleinerer Auflage erscheinen, nunmehr nur noch auf Ukrainisch publiziert werden, weil es sich aufgrund der geringen Auflagengröße nicht lohnt, sie zweisprachig erscheinen zu lassen. (Auch meine kurze Darstellung ist natürlich bei weitem noch zu unterkomplex.)

Meistens wird dieses angebliche Verbot des Russischen ohne den historischen Kontext gesehen.

Vor vielen Jahrhunderten hat der byzantinische Patriarch Johannes XIV. oder einer seiner Kanzlisten die Begriffe 'Kleinrussland' Μικρὰ Ῥωσσία und 'Großrussland' Μεγάλη Ῥωσσία geprägt. Diese Begriffe hatten keinerlei Hierarchisierung der betreffenden Gebiete im Sinn. Seit dem 19. Jahrhundert sind sie aber verstärkt durch die zaristische Verwaltung in einer hierarchisierenden Form gebraucht worden, die Kleinrussen waren nach der neuen Lesart wie Kinder, die nicht die Verantwortung für sich selbst tragen konnten.

Wer etwas im zaristischen Teil der Ukraine auf sich hielt, sprach Russisch und kein Ukrainisch. So wurde Russisch die Sprache der Gebildeten und Ukrainisch (Kleinrussisch, Ruthenisch) die Sprache der Bauern und Arbeiter. Im Zuge der Bildung eines sich von Russland abgrenzenden ukrainischen Nationalbewusstseins begann man aber, eine ukrainische Literatursprache auszubilden. Besonders zu nennen ist hier Taras Tschewtschenko (der so aussah, als habe man Putin und Bismarck - aber ohne Fliege - gemeinsam in einen Langelaan'schen Materietransmitter gesteckt). Taras Tschwetschenko (1814 - 1861) ist in Ukraine ungefähr so bekannt, wie Goethe in Deutschland.

1863 reagierte die zaristische Administration - namentlich der zaristische Innenminister Pjotr Walujew - mit dem geheimen Walujew-Dekret: Валуевский циркуляр.

Darin heißt es über die ukrainische Sprache: "eine eigene kleinrussische Sprache gab es nie, gibt es nicht und wird es nie geben, ihre Sprache, wie sie von der einfachen Bevölkerung gebraucht wird, ist nichts anderes als durch polnischen Einfluss korrumpiertes Russisch."

(Funfact: Sowohl der russische als auch der ukrainische Nationalismus (zumindest außerhalb Galiziens) waren im 19. Jhdt. stets antikatholisch, antipolnisch und antihabsburgisch. Man könnte meinen Putin haben Habsburg durch den Weten ersetzt).

Mit diesem Geheimdekret wurde das Ukrainische verboten, 1870 im Ems Ukaz wurde dieses Verbot des Ukrainischen noch einmal verschärft. Die beiden Dokumente stehen im Kontext einer zaristischen Russifizierungspolitik der Ukraine.

Mit der Integration der Ukrainischen Sowjetrepublik in die UdSSR hörten die Russifizierungstendenzen nicht auf - auch der Holodomor, der vorwiegend kleinrussisch besiedelte Gebiete der Ukraine betraf und der scharf abgeriegelt wurde, so dass Nahrungssuchende aus den betroffenen Hungergebieten dort nicht hinauskamen, ist in die nun sowjetische Russifizierungespolitik der Ukraine einzuordnen. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu Stalins Tod wurde die Russifizierungspolitik fortgeführt.

Die Orangene Revolution 2004 wurde ausgelöst durch einen Wahlbetrug Wiktor Janykowytschs, der bereits damals vielen Ukrainern als der Kandidat Moskaus galt. Die Orangene Revolution richtete sich als nicht nur gegen den Wahlbetrug Janykowytschs sondern auch gegen die russische Einflussnahme auf die ukrainische Politik.

Nach sechs Jahren (2010) konnte sich Janykowytsch wiederum in den Präsidentschaftswahlen in der Stichwahl gegen Julia Timotschenko durchsetzen (die in der Folge in Schauprozessen dann ins Gefängnis prozessiert wurde) und im Zuge des Euro-Maidan wieder freigelassen.

Also nach etlichen bitteren Erfahrungen der Ukrainer mit einer zunächst vom zaristischen und dann dem sowjetischen Regime betriebenen Russifizierungspolitik und schließlich mit der aggressiven Einmischung des von Putin regierten Kreml in innere Angelegenheiten der Ukraine (nebst Abspaltung der Krim und Teilen des Donbass) hat diese 2019 die einsprachige Publikation von Medien auf russisch in der Ukraine verboten, eines russischen Präsidenten, der ganz in der Tradition russischer Nationalisten des 19. Jhdts. die Ukraine als nichtexistent betrachtet.

(Nur noch eine Fußnote zur Krim: Anlass Chrustschows der Ukraine die Krim zu schenken war das 300jährige Jubiläum der Aufnahme des ukrainischen Hetmanats in das Großfürstentum Moskau mit dem Vertrag von Perejaslaw (1654). Die orthodoxen Kosaken hatten sich von der Herrschaft der katholischen Polnisch-Lithauischen Adelsrepublik freigekämpft und den Zaren um militärischen Beistand gebeten. Ab 1667 spaltete sich das Hetmanat und der östliche Teil wurde Teil des zaristischen Russland.)
 
Der ukrainische Sprachpurismus geht so weit, dass selbst Eigennamen in die ukrainische Schreibweise übertragen werden.
Влади́мир (Wladimir)
Володи́мирович (Wolodymir)
Игорь (Igor)
Ігор (Ihor)

Die aktuellen Varietäten der ukrainische und russische Schriftsprache sind klar unterscheidbar - nicht zuletzt wegen der abweichenden Schreibtradition. Zum Teil weicht sogar das Alphabet ab.

Die Lenisierung von [g] zu [h] ist sehr auffällig - besonders bekannt durch die verschiedenen Schreibweisen der Stadt Lugansk/Luhansk.
Zur Unterscheidung ukrainischer und russischer Dialekte ist sie aber nicht geeignet!
In südrussischen Dialekt ist jedoch die gleiche Lenisierung ebenfalls vorhanden.
Südrussiche und ukrainische Dialekte sind also weniger leicht unterscheidbar.
Die russische Literatursprache basiert auf dem zentralrussischen Dialekt, der in der Ostukraine ursprünglich nicht verbreitet war.

Die ukrainische Sprache hat zahlreiche Dialekte. Insbesondere die Kuban-Region im heutigen Russland und der russische Kaukasus wurden von Kosaken und Siedlern (aus dem heute ukrainischen Raum) erschlossen, die entsprechende Spuren in den Dialekten hinterlassen haben.
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Ob das wirklich alles ukrainische Dialekte sind, ist selbstverständlich umstritten.
Die Sprache der Huzulen in den Karparten wird auch als Russinisch bezeichnet und als eigene Sprache außerhalb der Ukraine als eigenständige Sprache verstanden. In der heutigen Ukraine gilt ihre Sprache offiziell als Ukrainisch und damit nicht als Minderheitensprache.
Die Ostukraine kann natürlich auch als südrussischer Dialektraum gelten, wobei dieser Dialektraum in Russland einfach fortgesetzt wird. Die Sprache der Kosaken am Kuban und Don zuweilen auch als Balachka bezeichnet wird. Tatsächlich wurde der Nordkaukasus und das Kuban-Gebiet durch Kosaken und Siedler aus der heutigen Ukraine russifiziert.
Die Abgrenzung zum Weißrussisch ist auch schwierig. In den 90ern wurde auch für die Existenz einer westpolesischen Sprache als eigenständige Sprache argumentiert, die im Grenzgebiet zwischen Weißrussland und der Ukraine gesprochen wird.
Die ukrainische Schriftsprache pasiert auf dem Dialekt in Galizien. Gleichzeitig existierte bis zum 2. Weltkrieg in Galizien auch ein kleinpolnische Dialekt, insbesondere in Lemberg und der Städten. Jedenfalls ähnelt die ukrainische Standardsprache sehr stark den Dialekten im Süden Polens und umgekehrt.
Eine kleine Merkwürdigkeit ist noch, dass es in Neurussland auch noch ein Neuserbien gab. In der Südukraine wurdenim 18. und 19. Jahrhundert Serben, Bulgaren und polnische Juden und Katholiken angesiedelt, aber auch Griechen und Deutsche. Die Nachfahren dieser Siedler sprechen heute meistens russisch. (Nach dem Untergang der Sowjet-Union haben vor allem Griechen, Deutsche und Juden die Ukraine verlassen.)

Die Verwirrung könnte also nicht größer sein.
Hinzu kommt noch, dass in der Sowjet-Union in den 70ern und 80ern kaum ukrainisch in der Schule unterrichtet wurde. Die meisten heutigen Ukrainer haben in der Schule also nur die russische Standardsprache gelernt und sind heute wahrscheinlich nicht dazu in der Lage ukrainische, südrussische und südpolnische Dialekte klar zu unterscheiden.
Dass in den Ballungsräumen die Dialekte aussterben, kennen wir auch aus Deutschland. Das gilt sowohl für Kiew wie für den in stark industrialisierten Donbass.
 
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Wer etwas im zaristischen Teil der Ukraine auf sich hielt, sprach Russisch und kein Ukrainisch. So wurde Russisch die Sprache der Gebildeten und Ukrainisch (Kleinrussisch, Ruthenisch) die Sprache der Bauern und Arbeiter.
Die Sache ist noch komplizierter.
Die Bauern sprachen irgendeinen slawischen Dialekt und waren meistens Analphabeten. Die Grenzen zwischen kleinpolnischen, ukrainischen, weißrussischen und südrussischen Dialekten ist keineswegs klar. Sofern Schulbildung vorhanden war, wurde sie durch die jeweilige Kirche vermittelt.

Die Stadtbevölkerung tendierte entweder zur polnischen oder zur russischen Sprache.
Ein großer Teil der Stadtbevölkerung waren Juden und wurden von polnischen, russischen, ukrainischen Nationalisten ausgegrenzt, sprach daher untereinander oft jiddisch und zustätzlich die jeweiligen Verkehrsprachen in Österreich-Ungarn und dem russischen Zarenreich.

Mit der Integration der Ukrainischen Sowjetrepublik in die UdSSR hörten die Russifizierungstendenzen nicht auf
Tatsächlich gab es in den 1920ern durch die Bolschewisten gewisse Ukrainisierungstendenzen. Regionalsprachen wurden geförderten, zahlreiche Minderheitensprachen wurde erst jetzt verschriftlicht. Diese Nationalpolitik wurde jedoch von Stalin beendet.
In der KP der Ukraine wurden ebenfalls der Sprachenstreit geführt und sich darüber beschwert, dass die meisten Funktionäre gar kein ukrainisch könnten. Tatsächlich spielten russsischsprachige Juden aus der Ukraine in der KP die wichtigste Rolle, allen voran Leo Trotzki.

auch der Holodomor, der vorwiegend kleinrussisch besiedelte Gebiete der Ukraine betraf und der scharf abgeriegelt wurde, so dass Nahrungssuchende aus den betroffenen Hungergebieten dort nicht hinauskamen, ist in die nun sowjetische Russifizierungespolitik der Ukraine einzuordnen.
Ob Russizierung tatsächlich die Absicht war, muss bezweifelt werden. Zu den Fakten gehört, dass diese Hungersnot nur in der Ukraine eine besondere Rolle in der Erinnerungskultur spielt. Tatsächlich waren weite Teile der Sowjet-Union betroffen. Ideologischer Hintergrund war die Zwangskollektivierung und Entkulakisierung. Verfolgt wurden nicht die "Ukrainer" sondern die sogenannten "Kulaken". Das war also Klassenkampf.

Das Problem ist natürlich die besondere Verteilung der Ethnien in der Ukraine. Die Bauern und damit auch die Kulaken waren in der Regel Ukrainer, während in den Städten Juden die größte Bevölkerungsguppe darstellten.

Die Konflikte in der 1. Hälfte des 20. Jahrhundert vom Bürgerkrieg bis zm 2. Weltkrieg laufen auch immer darauf hinaus: Weiße Kosaken und ukrainische Nationalisten gegen die jüdische Bevölkerung der Ukraine bzw. die Bolschewisten gegen die Kulaken und Nazi-Kollaborateure.

Diese Konfliktlinie zwischen russischsprachiger Stadtbevölkerung und ukrainischer Landbevölkerung existiert heute in der Form nicht mehr. Die ganzen Vertreibungen, Völkermorde und Migrationen im 20. Jahhundert nicht komplett nachvollziehen. Jedenfalls haben wir heute in den ukrainischen Städten eine ganz andere ethnoreligiöse Zusammensetzung der Bevölkerung als vor dem 2. Weltkrieg.
 
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Eine terminologische Bemerkung am Rande: es ist vermutlich im heutigen Kontext nicht mehr angebracht, den Begriff "kleinrussisch" (малороссийский) o.Ä. ("Kleinrussland", Kleinrussen") zu verwenden. Im Mittelalter mag diese ursprünglich orthodox-byzantinische Einteilung in "Mikra Rosia, Megale Rosia" wertneutral gewesen sein, heute ist sie definitiv ein Instrument der kolonialen Propaganda der vermeintlichen "Grossrussen" und wird von den Ukrainern als Schmähung empfunden.
 
Nur mal so aus Interesse; hat der Film "13.Krieger" das sprachlich korrekt wiedergegeben wie die Tartaren mit Ibn Fadlan sprachen?
Es schien mir als wollte man sie als Vikinger darstellen, es klang so.
 
Eine terminologische Bemerkung am Rande: es ist vermutlich im heutigen Kontext nicht mehr angebracht, den Begriff "kleinrussisch" (малороссийский) o.Ä. ("Kleinrussland", Kleinrussen") zu verwenden. Im Mittelalter mag diese ursprünglich orthodox-byzantinische Einteilung in "Mikra Rosia, Megale Rosia" wertneutral gewesen sein, heute ist sie definitiv ein Instrument der kolonialen Propaganda der vermeintlichen "Grossrussen" und wird von den Ukrainern als Schmähung empfunden.


Ganz so einfach kann man sich das im Bezug auf historische Themen allerdings nicht machen.
Der Begriff "Kleinrussisch"/"Kleinrusse" mag seinem Ursprung nach eine Fremdzuschreibung sein, ist aber im 17. bis 19. Jahrhundert durchaus auch Selbstzuschreibung/Eigenidentität von Teilen der Bevölkerung in den heute zur Ukraine gehörenden Gebieten gewesen, bevor sich die Vorstellung einer ukrainischen Nation allmählich durchzusetzen begann.

Es ist sicherlich nicht sinnvoll diese Begrifflichkeiten auf die heutige Ukraine oder ihre Bevölkerung anzuwenden. Genau so wenig sinnvoll ist es allerdings diesen Begriff aus politischen Gründen ausschließen zu wollen, sofern wir uns über historische Umstände unterhalten, was hier der Fall ist.
Es handelt sich um Begriffe, die für das 17. bis 19. Jahrhundert eine durchaus beachtenswerte Relevanz als Selbstbezeichnungen haben und in diesem Sinne haben sie sicherlich auch eine gewisse Berechtigung, wenn man sich mit der Geschichte der Sprachentwicklung in dieser Zeit befassen möchte.

Die ukrainische Schriftsprache pasiert auf dem Dialekt in Galizien.
Was sicherlich auch mit dem Umstand der liberaleren Presse- und Zensurgesetzgebung in der Habsburgermonarchie (verglichen mit dem Zarenreich) zusammenhängt, die die Herausbildung einer schriftlichen Tradition des Ukrainischen als Schriftsprache in wesentlich stärkerem Umfang ermöglichte, als das in den ukrainischen Gebieten des Zarenreichs der Fall war.
Das dürfte sich damit wohl ähnlich verhalten, wie mit der Herausbildung der litauischen Schriftsprache, die vor allem in Ostpreußen relativ günstige Bedingungen zu ihrer Herausbildung vorfand.

Was dann allerdings auch zu einer weiteren Verkomplizierung der Umstände in der Ukraine führt, wenn man bedenkt, dass für die gesamte mittlere und östliche Ukraine der Prozess der Herausbildung der ukrainischen Schriftsprache ein Prozess gewesen sein dürfte, der wesentlich von "außen" kam oder möglicherweise als äußerer Einfluss, nicht als eigene Entwicklung wahrgenommen wurde.
 
Jedenfalls haben wir heute in den ukrainischen Städten eine ganz andere ethnoreligiöse Zusammensetzung der Bevölkerung als vor dem 2. Weltkrieg.

Was allerdings neben den Eingriffen durch "externe" Ereignisse (Krieg, Deportation, Völkermord etc.) auch ganz einfach mit dem Wachstum der Städte im Zuge der Industrialisierung zusammenhängen dürfte und damit mit dem Umstand, dass es die ukrainischsprachige Landbevölkerung zunehmend durch die Veränderung der Arbeitswelt in die städtischen Zentren verschlug.
Dieser Prozess fand ja in der Sowjetunion, somit auch der Ukraine etwas später statt als in anderen Teilen Europas.

Somit ist der Befund, dass sich die kulturellen Gegensätze zwischen Stadt und Land im Hinblick auf Sprachfragen und nationale Identitäten weitgehend aufgelöst haben, sicherlich richtig.
Allerdings stellt sich mit dabei die Frage ob dafür möglicherweise neue Konfliktlinien innerhalb der größeren Städte entstanden sind, in denen sich die sprachlichen Mehrheitsverhältnisse durch den Zuzug von immer mehr Sprechern des Ukrainischen im Zuge des letzten Jahrhunderts umgekehrt haben.
Das und die damit möglicherweise empfundene Marginalisierung des Russischen in seinen traditionellen Verkehrsräumen innerhalb der Ukraine mag sicherlich Zündstoff für den heutigen Konflikt sein, wenn auch in keiner Weise durch genuin politische Entscheidungen ausgelöst oder herbeigeführt.
 
Weder im Film noch in der Romanvorlage tauchen Tataren auf.
Ich kenne den Film nicht, aber laut englischer Wiki wird die Karawane des Titelhelden von "Tatar raiders" überfallen.

Nur mal so aus Interesse; hat der Film "13.Krieger" das sprachlich korrekt wiedergegeben wie die Tartaren mit Ibn Fadlan sprachen?
Es schien mir als wollte man sie als Vikinger darstellen, es klang so.
Meinst Du die "Tataren" (die wird es nur im Film gegeben haben) oder die Rus?
 
Meinst Du die "Tataren" (die wird es nur im Film gegeben haben) oder die Rus?
Ich habe den Film auch nicht gesehen. Allerdings scheint der Titelheld, sich anfangs auf einer Reise zu den Wolgabulgaren befunden zu haben. Gilt die Wolgabulgarische Sprache nicht als eine Art Vorläufer der Tatarischen Sprache?
Allerdings haben diese Turksprachen nichts mit slawischen Sprachen wie Ukrainisch zu tun.
 
Ich kenne den Film nicht, aber laut englischer Wiki wird die Karawane des Titelhelden von "Tatar raiders" überfallen.
Eine kurze Episode am Anfang, weder Wolgabulgaren noch Tataren oder Chazaren und auch keine Kiewer Rus spielen in Film oder Buch eine wesentliche Rolle, stattdessen hat der Film-/Romanheld Ibn mit einer Fantasiemixtur aus Wikingern (angelehnt an den Bericht des historischen Ibn Fadlan) und Beowulf zu tun (was in der dt. und engl. Wikipedia nachgesehen werden kann) und die Sprache, die der Ibn lernt, ist quasi was "altnordisches", was "wikingisches" (ob die Filmemacher dabei sprachhistorisch fundiert vorgegangen sind, weiß ich nicht) ((ob die Leute, von deren Häuptlingsbestattung, Toilettenbräuchen und Sklavenhandel Ibn Fadlan berichtet, als nordgermanische Wikinger oder als "frühe Russen" (Rus) gedeutet werden sollen, spielt für den Film/Roman keine Rolle, denn da sind sie eindeutig "Wikinger"))

Weder Tataren noch Wolgabulgaren werden da zu Wikingern gemacht. Und weder Tataren, noch Wolgabulgaren, weder Waräger noch "Wikinger" haben irgendwas mit der Unterscheidung von ukrainisch und russisch zu tun.
 
Allerdings scheint der Titelheld, sich anfangs auf einer Reise zu den Wolgabulgaren befunden zu haben. Gilt die Wolgabulgarische Sprache nicht als eine Art Vorläufer der Tatarischen Sprache?
Der historische Ibn Faḍlān ist zu den Wolgabulgaren gereist. Das Wolgabulgarische ist nicht die Vorgängersprache des Tatarischen, sondern mit dem Tschuwaschischen verwandt.
 
Es ist sicherlich nicht sinnvoll diese Begrifflichkeiten auf die heutige Ukraine oder ihre Bevölkerung anzuwenden.
Hierin sind wir uns einig.

Genau so wenig sinnvoll ist es allerdings diesen Begriff aus politischen Gründen ausschließen zu wollen, sofern wir uns über historische Umstände unterhalten, was hier der Fall ist.
Also, der Faden hier beginnt mit dem angeblichen Verbot der russischen Sprache im Jahr 2019.
Was vergangene Jahrhunderte betrifft, sollte es doch möglich sein den Begriff "kleinrussisch" durch "ukrainisch" zu ersetzen.

Es handelt sich um Begriffe, die für das 17. bis 19. Jahrhundert eine durchaus beachtenswerte Relevanz als Selbstbezeichnungen haben und in diesem Sinne haben sie sicherlich auch eine gewisse Berechtigung, wenn man sich mit der Geschichte der Sprachentwicklung in dieser Zeit befassen möchte.
Na ja, wir schreiben ja auch nicht von "Negern" wenn wir über Schwarzafrikaner des XIX. oder XX. Jhd reden. Sprachgeschichtlich betrachtet fällt auf, dass die Ablehnung des Terminus "Kleinrussisch" mit dem Aufkommen des literarischen Ukrainischen zusammenfällt.
Ich bezweifle sehr dass sich die Bewohner der Ukraine im XVII. bis XIX. Jhd. jemals als "Kleinrussen" verstanden oder bezeichnet haben. Sie verstanden sich eher als Litwiny, Litowtsy, Ruthener (gleichbedeutend mit "orthodox") oder Kosaki.

http://resource.history.org.ua/cgi-...&S21P03=TRN=&S21COLORTERMS=0&S21STR=Ukraintsi
Звідки і як пішли бо Україна й українці

Was sicherlich auch mit dem Umstand der liberaleren Presse- und Zensurgesetzgebung in der Habsburgermonarchie (verglichen mit dem Zarenreich) zusammenhängt, die die Herausbildung einer schriftlichen Tradition des Ukrainischen als Schriftsprache in wesentlich stärkerem Umfang ermöglichte, als das in den ukrainischen Gebieten des Zarenreichs der Fall war.
Ich denke nicht dass sich das schriftliche Ukrainische vorwiegend im habsburgischen Galizien verfestigt hat. Die ukrainische Schriftsprache haben wir in erster Linie einigen herausragenden Literaten und Dichtern (Kobsaren) des XIX. Jhd zu verdanken, die überwiegend der heutigen Zentralukraine entstammen (Iwan Kotliarewsky, Ostap Wieressaj) oder gar der Region um Kharkiw im Osten (Grigori Osnowjanenko).
Der grösste und bedeutendste ukrainische Dichter, Taras Schewtschenko, wurde in einem Dorf in der Nähe von Kiew geboren.
 
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У пн.-сх. рус. землях самоназва "русин" поступово вийшла з ужитку, а прикметник "русьский" у 15—16 ст. набув форми "русскій", яка згодом стала самоназвою росіян (виникло від двоскладного сполучення "русскіє люді", в якому 2-гу частину перестали вживати). В ін. рус. землях цей етнонім не поширився, лишившися прикметником. У землях ВКЛ "русскіх" називали "московські люди" у множині та "москвитин" в однині. У зх. джерелах до і після появи нової офіц. назви Моск. д-ви "Русскоє царство" (1547) розрізняли "русинів/рутенів" та "московитів", "Русь" і "Московію" та їхні мови. Ознакою зростання мовної дистанції стала потреба в Москві 16 ст. у перекладачах з "білоруського наріччя" (рус. мови ВКЛ).

У 14—16 ст. етнонім "русин" та ототожнення себе з "руським народом" стало спільним для У. та білорусів у межах ВКЛ. Така ідентичність була властива елітним та освіченим верствам; у решти населення (у багатьох місцевостях аж до 19 — поч. 20 ст.) домінували локальні ідентичності нижчого рівня ("тутешні").

(...)

У 1-й пол. 17 ст. назва "Україна" асоціювалася з простором активності козацтва: Диким полем та осередками реєстрових козацьких полків (пд. Київського воєводства). Похідне від неї слово "українець", що інколи почало вживатися в джерелах, має територіальне, а не етнічне значення: виходець з України-Наддніпрянщини. Усталеним етнонімом для У. лишалося "русин".

(...)

У 2-й пол. 17 — на поч. 18 ст. набула поширення ще одна назва: "Малоросія" (див. Мала Русь), яка поширилась із церк. грец. риторики києво-могилянського кола вченості. Грец. назва Русі "Росія" до серед. 17 ст. стосувалася переважно Київ. правосл. митрополії. Відповідно вона була сприйнятою козац. елітою — вихованцями Київ. колегіуму. Відносини з Моск. д-вою з 1654 вимагали певного розрізнення понять, бо у Московщині також називали себе "русскій народ", а У.-козаків називали "черкасами". Одна назва була заширокою, а друга — завузькою.

Врешті відповідна моск. установа зі зв’язків з Військом Запорозьким була названа Малоросійським приказом (1660—1722). Змішування актуальних назв України бачимо у клятві І.Мазепи, цитованій П.Орликом: "Для общего блага Матери моей Отчизны бедной Украины, всего Войска Запорожского и народа Малороссийского". Надалі у 18 ст. термін "малоросійський народ" був цілком усталеним у місц. офіц. сфері (напр. "Права, за якими судиться малоросійський народ" 1743; див. "Права, по которым судится малороссийский народ"). Втім назва "Малоросія" лишилась у використанні освічених кіл та урядовців, не набувши помітного поширення в народі, де вже усталилися "Україна" як "емоційна Вітчизна" та чітка асоціація її з "козацьким народом" і його побутуванням.

Im Nordosten der »russischen Erde« wurde der Eigenname »Rusyn« (русин, dt. Ruthener) allmählich ungebräuchlich, und das Adjektiv русьский nahm im 15. und 16. Jahrhundert die Form русскій an, die später zum Eigennamen der sog. »(Groß-)Russen« wurde (hervorgegangen aus der Wortkombination русскіє люді, wobei der zweite Teil wegfiel). In anderen »russischen Ländern« verbreitete sich dieses Ethnonym nicht und blieb ein Adjektiv. Auf dem Gebiet des Großfürstentums Litauen wurden »(Groß-)Russen« im Plural als »Moskauer Leute« (московські люди) und im Singular als »Moskowiter« (москвитин) bezeichnet. In westlichen Quellen wurde vor und nach der Einführung des neuen offiziellen Namens des Herzogtums Moskowien, »Russisches Königreich« (1547), zwischen »Russynen/Ruthenen« und »Moskowitern«, »Rus’« und »Moskowien« und deren Sprachen unterschieden. Ein Zeichen für die wachsende sprachliche Distanz war, dass im 16. Jahrhundert in Moskau Übersetzer aus dem »weißrussischen Dialekt« (= russische Sprache des Großfürstentums Litauen) benötigt wurden.

Im 14. und 16. Jahrhundert wurde das Ethnonym »Rusyn« (Ruthener) und die Identifizierung mit dem »russischen Volk« (русьский народ) für Ukrainer und Weißrussen innerhalb des Großfürstentums Litauen üblich. Diese Selbstbezeichnung war der Elite und den gebildeten Schichten vorbehalten; der Rest der Bevölkerung identifizierte sich (in vielen Gebieten bis zum 19. und frühen 20. Jahrhundert) mit lokalen Charakterisierungen niedrigeren Niveaus (»тутешні«).

(...)

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde der Name »Ukraine« mit dem Wirkungsbereich der Kosaken in Verbindung gebracht: Wilde Feldlandschaften und Zentren registrierter Kosakenregimenter (südlich der Kiewer Woiwodschaft). Das davon abgeleitete Adjektiv »ukrainisch«, das gelegentlich in Quellen verwendet wird, hat eine territoriale, keine ethnische Bedeutung: es bezeichnet einen Bewohner der »Ukraine-Naddniprianshchyna«. Die Ukrainer nannten sich selbst weiterhin »Ruthener« (русин).

(...)

In der zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts verbreitete sich ein anderer Name: »Kleinrussland«, der sich aus der kirchengriechischen Nomenklatur des Kiew-Mohylaer Gelehrtenkreises entwickelte. Der griechische Name der Rus’ (Росія) bezog sich bis Mitte des 17. Jahrhundert hauptsächlich auf die orthodoxe Metropolie von Kiew und wurde dementsprechend von der kosakischen Elite - den Studenten des Kiewer Kollegs - aufgenommen. Die Beziehungen zu Moskowien erforderten seit 1654 eine gewisse begriffliche Unterscheidung, denn in Moskowien nannte man sich ebenfalls »russisches Volk« (русскій народ), derweil die ukrainischen Kosaken »Tscherkessen« genannt wurden. Der eine Name war zu weit gefasst, der andere zu eng.

Die Moskowitische Einrichtung für die Beziehungen zur saporoschanischen Armee wurde schließlich »Kleinrussischer Orden« (1660-1722) getauft. Die Vermischung unterschiedlicher Namen der Ukraine zeigt sich in dem von P. Orlyk zitierten Eid von I. Mazepa: »Für das Gemeinwohl meines Vaterlandes, der armen Ukraine, der gesamten Saporoger Armee und des Volkes von Kleinrussland«. Später, im 18. Jahrhundert, war der Begriff »Kleinrussisches Volk« in der lokalen offiziellen Sphäre durchaus gebräuchlich. Der Name »Kleinrussland« beschränkte sich jedoch auf gebildete Kreise und Regierungsbeamte, ohne in der Bevölkerung viel Anklang zu finden. Dort hatte sich der Name »Ukraine« als »emotionale Heimat« - und seine klare Assoziation mit dem »Kosakenvolk« und seiner Lebensweise - bereits etabliert.

Historisches Institut der Ukraine
УКРАЇНЦІ
 
Zuletzt bearbeitet:
Was vergangene Jahrhunderte betrifft, sollte es doch möglich sein den Begriff "kleinrussisch" durch "ukrainisch" zu ersetzen.

Zu welchem Zweck?

Na ja, wir schreiben ja auch nicht von "Negern" wenn wir über Schwarzafrikaner des XIX. oder XX. Jhd reden.

Nein, wir nicht, die Zeitgenossen allerdings schon.
Und in dem Augenblick in dem ein Begriff nicht nur eine Fremdzuschreibung, sondern auch eine Eigenbezeichnung ist, würde man eben den historischen Sinngehalt verändern.

Hinter dem Begriff "kleinrussisch" steckt einmal eine andere Identitätskonstruktion, als hinter dem Begriff "ukrainisch".
Personen die sich selbst vor 2 oder 3 Jahrhunderten so bezeichneten aus politischen Gründen eine andere Identität zuzuschreiben hieße in den historischen Tatsachen herumpfuschen, zu Gunsten eines Bildes, dass manch einem vielleicht besser gefallen mag, dass aber eben mit der historischen Realität nicht viel zu tun hat.

Ich bezweifle sehr dass sich die Bewohner der Ukraine im XVII. bis XIX. Jhd. jemals als "Kleinrussen" verstanden oder bezeichnet haben. Sie verstanden sich eher als Litwiny, Litowtsy, Ruthener (gleichbedeutend mit "orthodox") oder Kosaki.

Ich dagegen würde mal sehr deutlich bezweifeln wollen, dass sich die orthodoxen Bewohner der ukrainischen Gebiete so besonders mit den katholischen Litauern identifizierten.

Eine geschlossene Selbstdefinition der Bewohner des Gesamtgebiets der Ukraine als "Kosaken" halte ich ebenfalls für ein bisschen weit hergeholt. Da dürfte dann auch mehr der Wunsch Vater des Gedanken sein.
 
Was dann allerdings auch zu einer weiteren Verkomplizierung der Umstände in der Ukraine führt, wenn man bedenkt, dass für die gesamte mittlere und östliche Ukraine der Prozess der Herausbildung der ukrainischen Schriftsprache ein Prozess gewesen sein dürfte, der wesentlich von "außen" kam oder möglicherweise als äußerer Einfluss, nicht als eigene Entwicklung wahrgenommen wurde.
In der östlichen Ukraine kommt doch alles "von außen" und nichts "von innen".;)
Das gilt auch für die russische Schriftsprache. 1918 gab es eine große russische Rechtschreibreform, bei der ziemlich viel auf den Kopf gestellt wurde bzw. vereinfacht wurde. Unter anderem wurden mehrere Buchstaben einfach abgeschafft, weil man dachte, dass man sie nicht mehr braucht. Auch diese neue Schriftsprache kam von außen, wurde. Die ukrainische Schriftsprache ist hingegen viel konservativer und hat auch jene Buchstaben behalten, die im Russischen abgeschafft wurden.

Im 18. Jahrhundert wurde die Gründung Neurussland veranlasst. Die Pontosgriechen und die Krim-Tataren waren anscheined zuerst da - heute verschwindend geringe Minderheiten. Daneben existierten Ansiedlung der Kosaken - ein zusammengewürfelter Haufen von Menschen unterschiedlicher Herkunft. Das zuvor tatarische Gebiete war weitgehend entvölkert und wurde durch Migranten kolonisiert. Die Aussicht auf eigenes Grundbesitze lockte deutsche, serbische, rumänische und sogar italienische Einwanderer. Die Auswanderung nach Neurussland, d.h. die spätere Ostukraine, war eine Alternative zur Auswanderung nach Amerika.
Als der Donbass im 19. Jahrhundert zum Zentrum der Schwerindustrie wurde, kam es auch zur vermehrten Einwanderung aus dem eigentlichen Russland, aber auch Wolga-Tataren, Polen und eben Ukrainer. Die Entwicklung ist durchaus vergleichbar mit dem Ruhrgebiet. Im Ruhrgebiet entstand der Regiolekt Ruhrdeutsch, im Donbass auch einige bemerkenswerte Mischform aus Ukrainisch und Russisch - das sogenannte Surschyk.
Eine Unterscheidung des Eigenen und des Fremden ergibt hier keinen Sinn.
Alles was es an russischer oder ukrainischer Tradition gibt, ist kaum älter als 200 Jahre.

Eine geschlossene Selbstdefinition der Bewohner des Gesamtgebiets der Ukraine als "Kosaken" halte ich ebenfalls für ein bisschen weit hergeholt. Da dürfte dann auch mehr der Wunsch Vater des Gedanken sein.
Russen und Ukrainer bedienen sich gleichermaßen nationaler Kosakenmythen.
 
Und in dem Augenblick in dem ein Begriff nicht nur eine Fremdzuschreibung, sondern auch eine Eigenbezeichnung ist, würde man eben den historischen Sinngehalt verändern.
Es hat gewiss Leute in der ukrainischen Oberschicht gegeben, die sich im 18. und 19. Jahrhundert als „Kleinrussen“ bezeichnet haben. Das war aber eine kleine, z.T. auch russifizierte oder russischstämmige Minderheit. Vielleicht war das auch nicht ihre einzige Selbstbezeichnung sondern eine, die mit anderen Identitäten koexistierte (etwa „Ruthener“). Und selbst in diesen begrenzten Zirkeln ist der Begriff schnell aus der Mode gekommen, als er vom großrussischen Chauvinismus vereinnahmt wurde.

Personen die sich selbst vor 2 oder 3 Jahrhunderten so bezeichneten aus politischen Gründen eine andere Identität zuzuschreiben hieße in den historischen Tatsachen herumpfuschen

Es gibt eine jahrhundertealte ostslawische Sprache und Kultur, die wir heute als „ukrainisch“ bezeichnen. Träger dieser Kultur haben sich im Laufe der Zeit (unter Anderem) Ruthener, Kleinrussen und zuletzt Ukrainer genannt. Wenn wir nun jemanden, der im 18. Jhd. lebte und sich selbst als „Kleinrusse“ sah, heute als „Ukrainer“ bezeichnen, schreiben wir ihm doch nicht eine andere Identität zu. Seine Identität bleibt unverändert ukrainisch.
Es geht hier nur um die konventionelle Benennung von Volksgruppen bzw. Sprachen unter Berücksichtigung a) des kolonialen Kontexts (17. bis 20. Jhd) in dem die Begriffe „Kleinrussland“, „Kleinrussisch“ usw. gebraucht wurden, b) des aktuellen Kriegszustandes zwischen der Ukraine und der ehemaligen Kolonialmacht Russland und c) des Selbstverständnisses der heutigen Ukrainer, die sich schon lange nicht mehr „Ruthener“ oder „Kleinrussen“ nennen.

Ich dagegen würde mal sehr deutlich bezweifeln wollen, dass sich die orthodoxen Bewohner der ukrainischen Gebiete so besonders mit den katholischen Litauern identifizierten.
Die litauische Aristokratie bildete nur einen geringen Teil der Bevölkerung des Großfürstentums Litauen. Die Mehrheit sprach „ruthenisch“ (also altukrainisch und altbelarussisch) und war orthodox.
 
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Russen und Ukrainer bedienen sich gleichermaßen nationaler Kosakenmythen.

Richig und entsprechend ist es hüben wie drüben ziemlicher Murks annehmen zu wollen, der Großteil der Bevölkerung habe sich als "Kosaken" identifiziert.
Gerade mit dem sozialen Wandel des Kosakentums weg vom freien Kriegertum hin zu Sozialstrukturen, die dem großrussischen Niederadel nicht unähnlich waren, geriet ja doch ein Großteil der Bevölkerung in Abhängigkeit von der "kosakischen" Oberschicht und dürfte deren Anwensenheit eher als Bedrückung empfunden haben, als als etwas womit Identifikation problemlos möglich war.
 
Richig und entsprechend ist es hüben wie drüben ziemlicher Murks annehmen zu wollen, der Großteil der Bevölkerung habe sich als "Kosaken" identifiziert.
Dass sich ein Großteil der Bevölkerung als "Kosaken" identifiziert habe, hat hier - so wie ich das lese - auch niemand behauptet; sondern lediglich, dass ein Teil der Bevölkerung in der heutigen Ukraine sich als Kosaken indentifizierte - andere hingegen als Tataren oder Ruthenen, etc.
 
Richig und entsprechend ist es hüben wie drüben ziemlicher Murks annehmen zu wollen, der Großteil der Bevölkerung habe sich als "Kosaken" identifiziert.
Definieren wir mal worum es hier geht…
Der Begriff „Kosaken“ (aus dem Türkischen: qazaq) bedeutet etymologisch gesehen soviel wie „Abtrünniger“ oder „von der Heimat getrennt“. Es handelt sich also nicht um ein Ethnonym, sondern um eine Lebensart: militarisiertes freies Nomadentum, dem jedermann beitreten konnte. (Ursprünglich setzten sie sich wohl (Anfang des 16. Jhd.) aus den Resten der zerschlagenen Goldenen Horde zusammen, zu denen sich dann immer mehr Ruthener, Kaukasier usw. gesellten, wobei die Ruthener bald den Hauptteil bildeten.)
Später haben die Saporogischen Kosaken im 17. Jhd. eine entscheidende Phase der ukrainischen Geschichte mitgeschrieben. Es verwundert also nicht, dass sich die Ukrainer dem Kosakentum nahe fühlen, dass sie es als bedeutenden Teil ihrer Geschichte und Kultur empfinden.
Das heißt natürlich nicht, dass sie auch alle selbst im engeren Sinne Kosaken waren oder sind…

Gerade mit dem sozialen Wandel des Kosakentums weg vom freien Kriegertum hin zu Sozialstrukturen, die dem großrussischen Niederadel nicht unähnlich waren, geriet ja doch ein Großteil der Bevölkerung in Abhängigkeit von der "kosakischen" Oberschicht und dürfte deren Anwensenheit eher als Bedrückung empfunden haben, als als etwas womit Identifikation problemlos möglich war.
Das hatte dann aber (ab Ende des 18. Jhd.) nicht mehr viel mit den Kosaken zu tun…
 
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