Ernst Jünger

G

Gast

Gast
Hallo,
ich habe eine Frage bezüglich Ernst Jüngers.Warum hat er in den USA eine große Fangemeinde?

Hierzu wurde mir empfolen mich über die US-amerikanische Verehrung von Freiherr von Richthofen zu informieren.

Vielen Dank im Vorraus.


Gast
 
Jünger hatte und hat auch eine große Fangemeinde in Frankreich, und kein Geringerer als Staatspräsident Mitterand hat Jünger wiederholt zu seinem Geburtstag besucht. Er konnte wahnsinnig gut schreiben, und Werke wie "In Stahlgewittern", "Auf den Marmorklippen" oder "Das abenteuerliche Herz" sind einfach große Literatur.

Von Richthofens Ruhm als "The Red Baron" war sozusagen made in USA. Die Franzosen mochten "Le diable rouge" nicht, doch die Angelsachsen haben immer noch eine Schwäche für ihn. Der Verweis auf von Richthofen spielt vermutlich darauf an, dass Ernst Jünger auch ein Ritter des Pour le merite, der höchsten preußischen Kriegsauszeichnung, war. The "Blue Max" hat die Phantasie der Amerikaner angeheizt, seinen Spitznamen bekam er nach Max immelmann, dem "Adler von Lille", der neben Oswald Boelcke bekannteste deutsche Jagdflieger und Pour le Merite- Träger.

Jünger war Stoßtruppführer und wurde unzählige Male verwundet. Die Nazis priesen "In Stahlgewittern" als Werk heroischer Bewährung, doch in Wirklichkeit ist es ein absolut illusionsloser und ungeschminkter Bericht vom Frontalltag. Jünger schreibt ganz offen von verwildertem Kriegsstil, von Beschlagnahmen und sinnlosen Zerstörungen von Zivileigentum. Mit einer grandiosen Erzählkunst porträtiert er verschiedene Typen und berichtet vom Gammelalltag, den man sich durch die Jagd auf Ratten vertreibt. Ganz offen berichtet er darüber, dass bei Stoßtruppunternehmen und Sturmangriffen auf beiden Seiten selten Gefangene gemacht wurden.

"Pardonstimmung hing nicht in der Luft"

Beim Rückzug auf die Siegfriedlinie wird kein Stein auf dem anderen gelassen und rücksichtslos eine Taktik der verbrannten Erde angewendet. Für die nachstoßenden Gegner konstruiert man "Fallen von tödlicher Arglist", von denen eine verheerende Wirkung in einem Offiziersbordell anrichtet.
 
Jünger war Stoßtruppführer und wurde unzählige Male verwundet. Die Nazis priesen "In Stahlgewittern" als Werk heroischer Bewährung, doch in anrichtet.

Mit den Nazis hatte er aber nichts im Sinn.
Er ließ sich auch keineswegs vereinnahmen.

OT:
Seine letzten Jahrzehnte verbrachte er in einem Stauffenbergischen (sic!) Amtshaus an der Donauseite der Schwäbischen Alb. Seine letzte Ehe schloss er in der Kirche von Pflummern bei Riedlingen.
 
@Repo, wo ist eigentlich seine Käfersammlung geblieben - eine der besten in Privathand?


Fragen, BB einfach fragen
von der Sammlung habe ich schon gehört, allerdings länger her,

in der Gedenkstätte war ich noch nie, die haben nur geöffnet, wenn ich arbeite, oder im Forum bin, also absolut keine Zeit habe:cool:

OT: Übrigens ein interessantes Eck dort, 10km im Umkreis die Heuneburg, Kloster Heiligkreuztal und Sigmaringen
 
Zuletzt bearbeitet:
Als ich mir das Buch "Stahlgewitter" in einer Bibliothek auslieh, musste es erst umständlich aus dem Archiv geholt werden. Als ich es dann von der Bibliothekarin bekam, übergab sie es mir mit einer verächtlichen Bemerkung. Na ja, ich habe es so hingenommen. Was soll auch ein Disput am Tresen.
Stahlgewitter ist eines der faszinierendsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Ich habe es mir danach, so schnell es ging, gekauft. So etwas muss man besitzen.
 
Als ich mir das Buch "Stahlgewitter" in einer Bibliothek auslieh, musste es erst umständlich aus dem Archiv geholt werden. Als ich es dann von der Bibliothekarin bekam, übergab sie es mir mit einer verächtlichen Bemerkung. Na ja, ich habe es so hingenommen. Was soll auch ein Disput am Tresen.
Stahlgewitter ist eines der faszinierendsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Ich habe es mir danach, so schnell es ging, gekauft. So etwas muss man besitzen.

Jüngers Buch zählt zu den literarisch gelungensten Verarbeitungen des Weltkriegs, und seine Erzählkunst macht Jünger zu einem der ganz Großen, wobei "Auf den Marmorklippen" und "Das abenteurliche Herz" mindestens ebenso gelungen sind. Ganz große Literatur!
 
Mit den Nazis hatte er aber nichts im Sinn.
Er ließ sich auch keineswegs vereinnahmen.

Von den Nazis ließ er sich nicht vereinnahmen , aber in Sinn und Aktion gehörte er neben zuvielen Anderen Intellektuellen nicht zu den Verteidigern der Weimarer Demokratie :
Am 17. 10.1930 war E. Jünger im Berliner Beeethoven-Saal mit dabei, als er inmitten seines Kreises, die Rede des Nobelpreisträgers Thomas Mann "Deutsche Ansprache" störte, anlässlich des großen Wahlerfolges der NSDAP.
Zitiert aus: Geisteswissenschaften FAZ 30.04.08, Nr. 101, Autor: Alexander Camman.

Thomas Mann, der wie viele andere Skeptiker die politische Kraft der NSDAP mit Misstrauen beobachtet hatte, entschloss sich zu einem Appell an die Vernunft, einer Rede, die er am 17. Oktober 1930 im Berliner Beethovensaal hielt und die als „Deutsche Ansprache“ in die Geschichte einging. Unter das vorwiegend republikanische und sozialdemokratische Publikum hatte sich ein Dutzend Nationalsozialisten gemischt, die versuchten, durch Zwischenrufe zu stören. Das gelang ihnen jedoch nicht. Thomas Mann nannte den Nationalsozialismus in nüchterner Unumwundenheit „eine Riesenwelle exzentrischer Barbarei und primitiv-massendemokratischer Jahrmarktsrohheit“ und „Massenkrampf, Budengeläut, Halleluja und derwischmäßiges Wiederholen monotoner Schlagworte, bis alles Schaum vorm Munde hat“. Er fragte, ob das deutsch sei und ob „das Wunschbild einer primitiven, blutreinen, herzens- und verstandesschlichten, hackenzusammenschlagenden, blauäugig gehorsamen und strammen Biederkeit, diese vollkommene nationale Simplizität in einem reifen, vielerfahrenen Kulturvolk wie dem deutschen“ überhaupt verwirklicht werden könne. Der Beifall im Saal war groß, drang aber nicht nach draußen durch. Thomas Mann zählte zu den wichtigsten prominenten Gegnern des Nationalsozialismus, und seine Stimme hatte wegen seines hohen Ansehens im Ausland großes Gewicht, aber seine zahlreichen Appelle verhallten ungehört. (Wikipedia: Thomas Mann)

Jünger ist weder ideologisch noch literarisch auf einen Nenner zu bringen.
Sein "Stahlgewitter " steht auch für eine Ästethisierung der Gewalt, vergleichbar mit der künstlerisch-verbrämten Ästethisierung des Körperkults einer L. Riefenstahl.
 
Sein "Stahlgewitter " steht auch für eine Ästethisierung der Gewalt, vergleichbar mit der künstlerisch-verbrämten Ästethisierung des Körperkults einer L. Riefenstahl.
Dem stimme ich zu. Ich war/bin von dem Buch fasziniert, eben auch oder vor allem wegen dieser Ästhetik der Gewalt. Warum sollte man ihr eine solche auch absprechen? Ich würde aber eher von der Ästhetik des Grauens reden wollen.
 
Dem stimme ich zu. Ich war/bin von dem Buch fasziniert, eben auch oder vor allem wegen dieser Ästhetik der Gewalt. Warum sollte man ihr eine solche auch absprechen? Ich würde aber eher von der Ästhetik des Grauens reden wollen.

Ich würde Ernst Jünger nicht mit Leni Riefenstahl auf eine Stufe stellen wollen. Eine morbide Ästhetisierung von Krieg und Gewalt könnte man auch Ernest Hemingway unterstellen. Beide, Jünger wie Hemingway erlebten den Krieg als Abenteuer, als Ausbruch aus der Beengtheit des Alltags und als atavistischen Daseinszustand, der eine Rückkehr zum Status Quo ante von 1914 unmöglich machte. Jünger gehörte neben Hemingway zu den sprachgewaltigsten Vertreter dieser Kriegsgeneration und wer sein Buch aufmerksam liest, wird bemerken, dass Jünger durchaus nicht die Kreigsführung glorifiziert. Nüchtern sarkastisch berichtet er ziemlich ungeschminkt vom Rückzug auf die Siegfriedlinie 1917, wo die Deutschen einen breiten Streifen verbrannter Erde hinterlassen und für die nachrückenden Alliierten Fallen von "tödlicher Arglist" hinterlassen. Er beschreibt mit unvergleichlicher Erzählkunst, dass im Grabenkampf nicht selten ein Graben "ausgeputzt" wurde, wie Karl Krauss es nannte, spprich dass alle Gegner massakriert wurden, denn "Pardonstimmung lag nicht in der Luft". Ernst Jünger hat wohl, ähnlich wie Hemingway den Krieg als blutiges Abenteuer, als Probe männlicher Bewährung betrachtet, doch seine Kriegsschilderung zeichnet sich durchaus nicht durch Verherrlichung deutscher Tugenden, Verherrlichung des Krieges als "Opfergang" aus, wie es Autoren wie Walter Flex taten.

Jüngers nüchtern, sarkastische Erzählweise kommt ohne Pathos aus, und er berichtet ohne jede moralische Wertung einfach nur das, was er und viele andere taten, wobei er auch Dinge einfließen lässt, die viele andere Kriegsautoren lieber ausblendeten und ihrem Publikum nicht zumuteten. "In Stahlgewittern" gehört daher auch heute noch zu den authentischsten literarischen Werken, die den Weltkrieg verarbeiteten und Ernst Jünger zu den sprachgewaltigsten Vertretern dieser "Lost Generation".
 
Ich kann mich an eine Szene bei Jünger erinnern, als er auf einen verletzten britischen Offizier trifft, und er die größte Mühe mit sich hat, den Wehrlosen nicht zu massakrieren.

OT:
Bei den Briten soll es in manchen Einheiten das "traditionelle "too late boy"" gegeben haben.



Von Glorifizierung kann ich bei Jünger wirklich nichts finden.
Aus heutiger Sicht manches sehr schwer zu verstehen und einzuordnen.


Der Verzicht auf den Sitz im Reichstag hat mich immer sehr beeindruckt.
 
... vor allem wegen dieser Ästhetik der Gewalt. Warum sollte man ihr eine solche auch absprechen? Ich würde aber eher von der Ästhetik des Grauens reden wollen.

Das sind freilich auch die Punkte, die Jüngers Kritiker hervorheben!

Die Verherrlichung von Gewalt und der Kult, ja geradezu die Idealisierung einer Männlichkeit, wie sie "Krieger" repräsentieren, wurde ihm vielfach angekreidet. Und wenn man heute Jüngers Werk vor allem aus einer ästhetischen Perspektive betrachtet, so bleiben fragwürdige politische Einstellungen wie Antiliberalismus und antidemokratisches Verständnis ausgeblendet. Das gilt besonders für Jüngers Frühwerk, das einige sogar als Präfaschistisch und als intellektuellen Wegbereiter des Nationalsozialismus betrachten.

Wer Jüngers Schaffen beurteilen will, sollte neben einer vielleicht verständlichen Faszination auch kritische Betrachtungen anstellen.
 
Das sind freilich auch die Punkte, die Jüngers Kritiker hervorheben!

Die Verherrlichung von Gewalt und der Kult, ja geradezu die Idealisierung einer Männlichkeit, wie sie "Krieger" repräsentieren, wurde ihm vielfach angekreidet. Und wenn man heute Jüngers Werk vor allem aus einer ästhetischen Perspektive betrachtet, so bleiben fragwürdige politische Einstellungen wie Antiliberalismus und antidemokratisches Verständnis ausgeblendet. Das gilt besonders für Jüngers Frühwerk, das einige sogar als Präfaschistisch und als intellektuellen Wegbereiter des Nationalsozialismus betrachten.

Wer Jüngers Schaffen beurteilen will, sollte neben einer vielleicht verständlichen Faszination auch kritische Betrachtungen anstellen.


Alles OK.
Kann man durchaus so interpretieren.

Aber er hat sehr früh die Nazis durchschaut. Und blieb stur.

Als freischaffender Künstler den Sitz im Reichstag ablehnen! Respekt.

Ein Sitz im Reichstag des Hitler-Reiches bedeutete, 2-3 Sitzungen im Jahr, aber monatlich Diäten einstreichen. Und keine geringen!
Als Freischaffender!!!!!!!

OT:
Ich kenne einen Fall aus dem Hesse-Umfeld, wo einer seine Frau so ein bisschen auf den Strich geschickt hat, aus Not und seiner Kunst zu liebe. (Ist bei der Züricher Sittenpolizei aktenkundig, also keine üble Nachrede, Fakt)
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber er hat sehr früh die Nazis durchschaut. Und blieb stur.
Als freischaffender Künstler den Sitz im Reichstag ablehnen! Respekt.

Ja, das muss man ihm wirklich zugute halten. Er hat sich in keine Schablone pressen lassen und ist auch dem verführerischen Wortgeklingerl der Nazis nicht gefolgt.

Aber er hat sich leider auch keine Verdienste beim Aufbau der jungen bundesdeutschen Demokratie nach 1945 erworben, obwohl besonders zu Beginn unbelastete und intellektuelle Köpfe Mangelware waren.
 
Ja, das muss man ihm wirklich zugute halten. Er hat sich in keine Schablone pressen lassen und ist auch dem verführerischen Wortgeklingerl der Nazis nicht gefolgt.

Aber er hat sich leider auch keine Verdienste beim Aufbau der jungen bundesdeutschen Demokratie nach 1945 erworben, obwohl besonders zu Beginn unbelastete und intellektuelle Köpfe Mangelware waren.

In dem letzten Interview an das ich mich erinnern kann, (ein-zwei Jahre vor seinem Tod) erzählt er, wie ihn ein englischer Reporter gefragt hätte, was sein schlimmstes Erlebnis im ersten Weltkrieg gewesen wäre.
"Natürlich, dass wir verloren haben" hätte er geantwortet.

Ich denke das trifft es, er war ein Mensch der Welt von 1914, er ist nicht zu messen aus der Sicht des Jahres 2008.
 
Zurück
Oben