"Erzwungene Wege" - Vertriebenausstellung in Berlin

Zitat:"falls es z.B. gewaltsame Vertreibungen nach 1945 gegeben haben sollte"

Nachdem was ich aus meinen familiären Quellen weiß, war es im Frühjahr ´46 am schlimmsten.
 
Saint-Just schrieb:
( falls es z.B. gewaltsame Vertreibungen nach 1945 gegeben haben sollte), wäre ein polnisches Bekenntnis wiederum doch rechtswirksam.

Was heisst" gegeben haben sollte?"
Wenn meine Oma noch leben würde, würde sie dir den Satz um die Ohren hauen.
Ein Handwagen und vier Kinder. Mehr blieb ihr nicht von Schlesien.
 
Saint-Just schrieb:
( falls es z.B. gewaltsame Vertreibungen nach 1945 gegeben haben sollte),...

wie sollen wir das verstehen? sind die deutschen freiwillig gegangen, weil sie so nett darum gebeten worden sind?

vor einiger zeit gabs hier in bonn eine ähnliche ausstellung, die sich mehr um die integration der vertriebenen widmete. aber es wurde auch an das leid auf flucht und vertreibung erinnert. ich kann mich nicht erinnern, dass sich polnische oder tschechische stellen empört hätten. es liegthalt doch wohl an den organiosatoren in berlin.
 
Das Gedächtnis der Polen war unmittelbar nach dem Krieg erfüllt von dem Übermaß an Leid, das ihnen von NS-Deutschland zugefügt wurde und das nach Kompensation, nicht selten auch nach Rache verlangte. Das Selbstbild und die Sichtweise des Opfers, obgleich Polen offiziell zu den Kriegssiegern zählte, wurde durch die demütigenden Erfahrungen sowjetischer Hegemonie verstärkt und machte unempfindlich für fremdes Leid, zumal, wenn es sich um Deutsche handelte. Der Groll über die von der SS und der Wehrmacht an Polen verübten Verbrechen, gepaart mit dem für Polen so ernüchternden Kriegsausgang, entlud sich an den Deutschen. Alte, Frauen und Kinder wurden jenseits von Oder und Neiße mit der Kapitulation im Mai 1945 staaten- und rechtlos und waren stellvertretend für das "Dritte Reich" der Wut und Rache der sechs Jahre lang gepeinigten Polen ausgesetzt.


Das Titat stammt aus dem Heft "Deutsche und Polen", herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung.

Mehr unter

http://www.bpb.de/publikationen/06RCXA,,0,Deutschland_und_Polen.html
 
Saint-Just schrieb:
Aber ist Polen dann nicht völlig draußen? Man kann sich schließlich nur zu etwas bekennen, wofür man irgendwie verantwortlich war.
Du siehst scheinbar nur die Möglichkeit einer "Schuldanerkenntnis" aber warum soll es nicht eine grundsätzlich Verurteilung dieser Verschiebung geben? Schuld zur Initiatve sehe ich bei den Polen nicht - aber in der Art der Durchführung, die mit den vorherigen deutschen Verbrechen an Polen zu erklären ist.

Dann müsste eine Art Bekenntnis zu den Opfern ja von den den USA, GB und den 15 Nachfolgestaaten der UdSSR kommen ...
Die Westmächte sagen sie mußten Stalins Forderungen in der Kriegsendphase akzeptieren und ausserdem sollte das ja alles "ganz anders ablaufen.." Die UdSSR gibt es nicht mehr, die Einzelstaaten kümmern sich nicht darum. Willst du von dem diktatorischen Weißrußland, was heute teils auf dem alten Ostpolen liegt, eine Schuldanerkenntnis erwarten?

Und wenn Polen doch irgendwie mitverantwortlich ist ( falls es z.B. gewaltsame Vertreibungen nach 1945 gegeben haben sollte), wäre ein polnisches Bekenntnis wiederum doch rechtswirksam.
Das mit den gewaltsamen Vertreibungen ist ja wohl eine rhetorische Frage. Zum Bekenntnis, siehe oben: Kein Verursachergeständnis, eine moralische Verurteilung des Vorgangs.
 
Arne schrieb:
Du siehst scheinbar nur die Möglichkeit einer "Schuldanerkenntnis" aber warum soll es nicht eine grundsätzlich Verurteilung dieser Verschiebung geben?

Was mir nicht in den Kopf will ist, wie es gelingen soll, einerseits die Grenzverschiebungen grundsätzlich zu verurteilen, andrerseits die dadurch entstandene Grenze als gültig zu betrachten. Allein eine solche Verurteilung würde doch diese Grenzen infragestellen. Welches diplomatische Kuddelmuddel dadurch in Europa enstünde, will ich mir gar nicht ausmalen.
Genauso verstehe ich nicht, wie man den Ablauf der Vertreibungen verurteilen könnte, ihr Ergebnis aber weiterhin als verbindlich ansehen.

Willst du von dem diktatorischen Weißrußland, was heute teils auf dem alten Ostpolen liegt, eine Schuldanerkenntnis erwarten?

Die Frage ist, kann man es erwarten. Territorial direkt betroffen wären neben Weißrussland auch Russland, die Ukraine und Litauen.
 
Soweit ich weiß, waren die Entvölkerungen vom Polnischen und sowjetischem Verwaltungsbereich des deutschen Reiches *wie es offiziell hiess* selbst nach damaliger polnischer und sowjetischer Rechtslage illegal. Die Gebietsabtretungen waren auch mit den Westallierten zwar als Machtspährenverschiebung geplant, aber niemals als Völkerverschiebung. Erst als Millionen ungeplanter Heimatloser im Westen ankamen, wurde über einen weiteren Statusquo verhandelt.
 
askan schrieb:
Die Gebietsabtretungen waren auch mit den Westallierten zwar als Machtspährenverschiebung geplant, aber niemals als Völkerverschiebung. Erst als Millionen ungeplanter Heimatloser im Westen ankamen, wurde über einen weiteren Statusquo verhandelt.

Also daran hat, glaube ich, wirklich keiner so richtig geglaubt, oder? Nur eine Verschiebung der Machtssphäre, sprich welcher Staat Eigentümer eines Stück Landes ist, das wäre geradezu naiv. Das hat schon nach den Beschlüssen des Völkerbundes nicht geklappt. Und dann den Versuch neu zu starten, Millionen "Ausländer" in einem fremden Staat leben zu lassen.:nono:
 
Nicht als Eigentümer, sondern als Verwalter des Landes war die polnische und sowjetische regierungen geplant. Ich glaube die Sow. hätten einige Erfahrung darin "Ausländer" in der eigenen Machtspähre zu haben.
 
askan schrieb:
Nicht als Eigentümer, sondern als Verwalter des Landes war die polnische und sowjetische regierungen geplant. Ich glaube die Sow. hätten einige Erfahrung darin "Ausländer" in der eigenen Machtspähre zu haben.

Als Verwalter? Diese Idee wäre auf Dauer auch unter Garantie schief gegangen. Wer lässt sich denn gerne von einer Minderheit verwalten?
Außerdem passt das doch einfach nicht, deutsches Land, verwaltet von Polen und Russen.
Und die Sowjetunion hatte allenfalls Erfahrung im Niederschlagen von Völkeraufständen. Außerdem waren das Deutsche. Da häte ich gewise Spannungen im Verhältns zwischen Verwalter und Bewohner gesehen.
 
Martas schrieb:
Als Verwalter? Diese Idee wäre auf Dauer auch unter Garantie schief gegangen. Wer lässt sich denn gerne von einer Minderheit verwalten?
Außerdem passt das doch einfach nicht, deutsches Land, verwaltet von Polen und Russen.
Und die Sowjetunion hatte allenfalls Erfahrung im Niederschlagen von Völkeraufständen. Außerdem waren das Deutsche. Da häte ich gewise Spannungen im Verhältns zwischen Verwalter und Bewohner gesehen.

Die Deutschen wären unter über 100 Nationalitäten der Sowjetunion nur eine weitere gewesen. Außer in der RSFSR waren Russen in jeder Unionsrepublik eine Minderheit. Spannungen gab es auch zwischen anderen Völkern der Sowjetunion, aber die hat sie 70 Jahre lang ausgehalten. Auf Dauer geht immer alles schief (eine ausreichend lange Dauer vorausgesetzt :) ).
 
Zuletzt bearbeitet:
Saint-Just schrieb:
Die Deutschen wären unter über 100 Nationalitäten der Sowjetunion nur eine weitere gewesen. Außer in der RSFSR waren Russen in jeder Unionsrepublik eine Minderheit. Spannungen gab es auch zwischen anderen Völkern der Sowjetunion, aber die hat sie 70 Jahre lang ausgehalten.

Eine weitere Nationalität in der Reihe der Völker der Sowjetunion...
So ganz rosig würde ich das nicht sehen. Es war Kriegsende, und die Russen hatten eine "Riesenwut" gegenüber den Deutschen. Andere Völker ja auch.
Doch trotzdem wäre das Verwalter-Bewohner Verhältnis garantiert sehr schlecht gewesen. Außerdem war es eine große Anzahl von Menschen, die plötzlich unter sowjetische/polnische Verwaltung fielen.
Hätte sich auch die Deutsche Bevölkerung auf Dauer mit diesem Zustand abgegeben? Ich denke nicht.

Und das heutige Russland brökelt. Man siehe den Konflikt in Tschetschenien.
 
Anders gefragt.....gab es in Tschetschnien denn in den letzten 200 Jahren mal frieden? Nein! *ausgenommen die zeit in der die Tsche. verbannt waren*
Ein unpassendes beispiel.
 
Saint-Just schrieb:
?? Über Grenzfragen wird doch da gar nicht ausgesagt, hauptsächlich gehts da um die Integration der Vertrieben in Westdeutschland. Das "Recht auf Heimat" ist allerdings eine ziemlich vieldeutige Formulierung.

1950 konnten die Vertrieben genauso wenig wie heute über Grenzen entscheiden. Selbst die Bundesrepubik brauchte da noch über 20 Jahre zu den Ostverträgen. Aber du liest schon in der ersten beiden Artikeln vom Verzicht auf Rache oder Vergeltung (!) und dem Wunsch nach freiem Leben in Europa ohne Zwang und Furcht.
Das Recht auf Heimat bedeutet dort leben zu dürfen, wo man sich zuhause fühlt - also die freie Wahl des Wohnortes.
 
Bei den Grenzverschiebungen haben die Alliierten vielleicht an die Ergebnisse des ersten Weltkriegs gedacht. Da wurden bei den Grenzveränderungen ja auch bedeutende Bevölkerungszahlen an "fremder" Nationalität in die verschiedenen Staaten gebracht. Ich denke z.B. an die Sudetendeutsche in der Tschecheslowakei, die Deutschen in Posen, im Baltikum und auch die Galizier usw.

Damit die Grenzverschiebung ohne Vertreibungen hätte klappen können, hätten viele Polen aber im Osten bleiben müssen. Diese haben aber schon 1939-41 die sowjetische Besetzung erlebt und wollten polnische Statsbürger sein. Viele von ihnen wurden dann in Schlesien und Ostpreußen auf den deutschen Höfen angesiedelt, wobei durch Flucht vor der roten Armee und die Kriegsfolgen eh schon etliche Höfe frei waren. Die verbleibenden Deutschen wurden dann zum größten Teil auch noch vertrieben* und die Gebiete sind heute wirklich polnisch und nicht mehr deutsch.

Solwac

*Diese Vertreibungen sind das, was von der polnischen Öffentlichkeit anerkannt werden sollte. Auslöser war die sowjetische Expansion, die die 1939 besetzten Gebiete annektiert hat. Die Polen waren dann Opfer und Täter zugleich, wobei die Wahrnehmung natürlich zwiegespalten war zwischen der Angst, ob sie die Höfe behalten konnten und der Wut auf die Deutschen wegen der Besatzung im Krieg.
 
Meine Grosseltern erfuhren von der geplanten "Umsiedlung" morgens um 7 Uhr, als ihnen mitgeteilt wurde, das sie sich in 2 Stunden mit max. 20 Kg Gepäck am Dorfplatz einzufinden haben. Einen Tag vorher wurden sie noch gefragt, ob sie die polnische Staatbürgerschaft haben wollen, da meine Grossmutter im Geburtenregister als Österreicherin eingetragen war.
 
Solwac schrieb:
*Diese Vertreibungen sind das, was von der polnischen Öffentlichkeit anerkannt werden sollte. Auslöser war die sowjetische Expansion, die die 1939 besetzten Gebiete annektiert hat. Die Polen waren dann Opfer und Täter zugleich,

Und genau das ist es, was langfristig zu einem freundschaftlichen Miteinander von Polen und Deutschen führen würde.
 
Arne schrieb:
Und genau das ist es, was langfristig zu einem freundschaftlichen Miteinander von Polen und Deutschen führen würde.
Hoffen wir auf ein Klima der Verständigung in Polen, nachdem bei uns die Vertriebenenverbände seit dem letzten Generationswechsel in der Spitze endlich auch die politischen Gegebenheiten wirklich anerkennen. Vielleicht klappt es ja noch, bevor die letzten Zeitzeugen versterben.

Interessant finde ich in dem Zusammenhang, wie gut der kleine Grenzverkehr nicht erst seit Polens Beitritt zur EU schon hilft. Es muß vieles wohl einfach nur "normaler" werden.

Solwac
 
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