Das war früher überall üblich, ist wohl eine "Erfindung" von Hagenbeck. So makaber das heute klingt, die Leute waren später in der Heimat dann hochangesehen und reich. Man zeigte auch Indianer, Polynesier, Inuit, Mongolen usw.
Es wäre mal interessant, wann damit Schluß war: 1914?
Nein, das muss später gewesen sein. Der 1926 geborene Hans-Jürgen Massaquoi schreibt in
Neger, Neger, Schornsteinfeger! Meine Kindheit in Deutschland über einen Besuch im Tierpark Hagenbeck:
"Eine der beliebtesten Attraktionen für Hamburger [...] war Hagenbecks Tierpark [...]. Als überzeugter Hagenbeckfan stimmte ich begeistert zu, als meine Mutter eines Tages meinte, dass es mal wieder Zeit für einen Zoobesuch sei. Diesmal hatte sie mit einer Kollegin aus dem Krankenhaus vereinbart, deren Tochter Ingeborg mitzunehmen, ein etwas freches, aber ansonsten ganz nettes Mädchen in meinem Alter.
Kaum waren wir nach der langen Fahrt mit der Straßenbahn im Zoo angekommen, da wollte Ingeborg auch schon die 'Indianer' sehen. Meine Mutter und ich hatten noch nie gehört, dass im Tierpark Menschen gezeigt wurden, aber Ingeborg blieb dabei, dass sie bei ihrem letzten Zoobesuch richtige lebendige 'Indianer' gesehen hatte. Meine Mutter fragte einen Zoowärter und bekam die Antwort, Indianer gäbe es gerade keine, aber man könne sich Afrikaner ansehen, was genauso interessant sei. Die 'primitiven Völker', so erklärte der Mann vom Zoo, seien Teil der berühmten Hagenbeckschen 'Kulturschauen'.
Ingeborg und ich waren enttäuscht, weil wir uns schon darauf gefreut hatten, tapfere Krieger mit prächtigem Federschmuck zu sehen, aber wir fanden uns mit der afrikanischen Schau ab, [...] Was wir dann zu sehen bekamen, verschlug mir die Sprache. Wir gingen an herrlichen Gehegen [...] vorbei und kamen am 'afrikanischen Dorf' an, das aus rund einem halben Dutzend strohgedeckter Lehmhütten bestand und in dem, wie wir erfuhren, 'echte Afrikaner' wohnten. Wie die Tiergehege war das 'Dorf' von einem brusthohen Holzzaun umgeben, der dafür sorgen sollte, dass die Zuschauer draußen und die zur Schau gestellten Menschen drinnen blieben. Der einzige Unterschied zwischen Menschengehege und Tiergehegen war der, dass es keinen Wassergraben gab.
Abgesehen von der Hautfarbe und den Haaren hatten die 'Afrikaner' keinerlei Ähnlichkeiten mit meinem Verwandten oder mit irgendwelchen anderen Afrikanern, die ich im Hause meines Großvaters [Generalkonsul von Liberia in Hamburg] kennengelernt hatte. Alle 'Dorfbewohner' waren barfuß und trugen zerrissene Lumpen. Zwei in schäbige Tücher gehüllte Frauen rammten im gleichmäßigen Rhythmus einen schweren Holzpflock in einen Mörser. Ein Zoowärter erklärte, sie würden Maismehl für das Abendessen machen. Die Männer saßen in Grüppchen und betrachteten aufmerksam die Zuschauer [...] Beide Seiten musterten einander mit unverhohlener Neugier über den Zaun hinweg.
Plötzlich geschah genau das, was ich vom ersten Moment an befürchtet hatte. Obwohl ich mich bewusst im Hintergrund gehalten hatte, [...] entdeckte mich einer der Afrikaner in der Menge. Mit einem Mal wurde das ganze Dorf auf mich aufmerksam. [...] Als hätten sie einen Verwandten gesichtet [...] zeigten sie alle in meine Richtung und strahlten. [...] Einer der Zoobesucher folgte der Richtung, in die die Afrikaner zeigten, und als er den Grund für die Aufregung begriff, richtete auch er seinen dicken Zeigefinger auf mich. 'Guck mal!' sagte er zu seiner Begleiterin. 'Da ist ein Kind von denen.' Das löste unter den übrigen Zuschauern eine Kettenreaktion aus, bis schließlich alle, Afrikaner und Deutsche, mich anstarrten."