Finanzierung der Kriege 1866 und 1870/71

silesia

Moderator
Teammitglied
Um den Ausbruch des Krieges 1866 herum sackten die Kurse an der Berliner Börse stark ab, es wurde von einer regelrechten Spekulationswelle auf den Sieg Österreichs gesprochen.

Das bringt mich auf die Frage, wer die Finanzierung Preußens für beide Kriege aufgebracht hat und wie dieses genau erfolgte. Ich meine, dazu bspw. gelesen zu haben, dass die Anleihe für die Rheinischen Eisenbahnen (als Staatsanleihe) ein wesentlicher Finanzierungsbeitrag für den Krieg 1866 gewesen sei.

Weiterhin:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gerson_Bleichröder
http://de.wikipedia.org/wiki/Adolph_von_Hansemann
http://de.wikipedia.org/wiki/Disconto-Gesellschaft

Der Krieg von 1866 entzog den südlichen Staaten außerdem Frankfurt als Finanzzentrum für die Staatsfinanzierung und als Konkurrent zum aufstrebenden Finanzplatz Berlin, der sich nun neben Wien und Paris als Börsenzentrum einreihte.

Ganz interessant ist dabei der Finanzrückfluß von 1873, durch die frz. Reparationen. Für die Bezahlung der Reparationen gab Frankreich Anleihen in verschiedenen Währungen heraus, die 14-fach überzeichnet waren und die eine rasante Bezahlung ermöglichten.
 
Ich meine, dazu bspw. gelesen zu haben, dass die Anleihe für die Rheinischen Eisenbahnen (als Staatsanleihe) ein wesentlicher Finanzierungsbeitrag für den Krieg 1866 gewesen sei.

Du meinst sicher die am 18.7. 1865 erfolgte Verpflichtung Preußens, ihre Optionen auf Anteile der Köln-Mindener Bahn zu verkaufen.
Hierfür flossen 5 Mio.+705 000 Taler bar in die "Mobilmachungskasse" für 1866. Zusätzlich erhielt Preußen verkehrsfähige Eisenbahnaktien im Wert von 7 Mio.+ 295.000 Talern und eine Verfügung über 1Mio.+700.000 Taler, die sich zuvor für Zahlungen in Treuhandverwahrung befunden haben.

Schon im Vorfeld der Gasteiner Konvention vom Aug. 1865, hatte Bismarck die Minister für Handel+Finanzen zu fiskalischen Initiativen angetrieben, die Preußen gegen Österr. stärken sollten. Durch Manipulation des Geldmarktes
( z.B. Hochtreiben d. Zinsen )hoffte Bismarck, er könne Wien, ehedem in Geldnot, davor abschrecken, sich auch noch Kosten für einen Krieg aufzubürden.
Er drängte die zögernden preuß. Minister zu verwegenen Maßnahmen, um die preuß. Kriegskasse zu füllen. Im Gegensatz zu Finanzminister Karl v. Bodelschwingh, der verfassungswidrige Schritte scheute, ( er trat zurück, da er keine Mittel für den "sündhaften Bruderkrieg" bewilligen wollte) hatte Bismarck keine Skrupel, eine Anleihe notfalls auch ohne Bewilligung d. Parlaments aufzunehmen, freilich nur im äußersten Fall. 9 Mio. Taler in Staatsobligationen, die 1859 autorisiert, aber nie ausgegeben waren,wurden aus den Tresoren der Seehandlung geholt und auf den Markt geworfen.
Am 23. 7.1865 telegraphierte Bismarck an d. Kronprinzen , dass die Summe von ca. 60 Mio. Taler für eine vollständige Mobilmachung und einjährigen Kriegszug disponabel seien.....damit läßt sich schon was machen, während Österr. fast bankrott war zu selben Zeit...:fs:.

zur Finanzierung des 1870 Feldzuges später noch was...:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Herzlichen Dank schon fürs erste,...
und ich warte weiter gespannt.



Die etatmäßige Ausgangslage beim 70/71-ger Krieg stellen die diesbezüglichen Bestimmungen der Verfassung d. norddt. Bundes dar, Verfassung des Norddeutschen Bundes (1867) welche die aristokratisch-monarchistisch-preuß. Ordung auf dem Feld des Militärs und dessen Bedarf im Kriegsfall verschleiernd beschreiben, um die Kriegskasse im Ernstfall abseits von parlament. Kontrolle aufzufüllen.
" Im Jahre 1866 wollte Bismarck deshalb ein so genanntes Septennat
verabschieden, wobei er über sieben Jahre hinweg das Parlament in Bezug auf das Heer nicht mehr hätte befragen müssen. Dieses Septennat wurde nach Auflösung des Parlaments und anschließenden Neuwahlen 1867 von den Nationalliberalen und Konservativen im Parlament verabschiedet."

Das Bundesbudget mußte noch 1867 vom sich kostituierenden Reichstag d. norddt. Bundes jährlich bewilligen lassen,dieses Recht wurde allerdings dadurch ausgehebelt, dass die Militärausgaben , die ca. 90 % ! des Gesamtbudgets ausmachten, bis zum 31.12.1871 der parlament. Kontrolle entzogen bleiben sollten.

Preußischer Verfassungskonflikt ? Wikipedia

Zur Frage der Verwendung der franz. Kontributionszahlungen nach 1871 auszugsweise:
Die liberale Reichspartei(LRP) von 1871 -
 
@silesia
Ein gutes Thema - endlich mal nicht das öde "Wer schlug wen wo?";)

@Arcimboldo
Ich würde mich gern weiter kundig machen und wäre deshalb dankbar, wenn Sie mir die Quellen für Ihre Hinweise nennen könnten.

Als Einstieg hatte ich herausgekramt: Helmut Böhme, Deutschlands Weg zur Großmacht, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1966. Zwei Aspekte daraus zu 1866:

- Zentrale finanzpolitische Figur war demnach August von der Heydt, dem es gelang, im Bündnis "mit Bleichröder und Hansemann, aber auch mit der rheinischen Industrie, ... dem preußischen Staat das fehlende, aber notwendige Geld zu beschaffen..." (S. 206). Wie schon angedeutet, "hatte die Berliner Börse auf einen Sieg des Donaustaates spekuliert" (S. 213), und jenes Bündnis brachte den Umschwung.

- Interessant finde ich die Hinweise auf die grundlegende Nord-Süd-Verschiebung der Finanzmärkte infolge dieser Ereignisse - Stichwort: Sieg des Talers über den Gulden (S. 215) - und auf die "Zerrüttung des hypothekarischen Kredits durch Krise und Krieg" (S. 214). Die Folgen trugen - Überraschung! - die kleinen Bauern besonders in Süddeutschland, die keine mächtige Bankorganisation wie in Preußen zur Verfügung hatten, was eine "massenhafte [finanzielle] Exekution" (ebd.) zur Folge hatte.
 
Die Folgen trugen - Überraschung! - die kleinen Bauern besonders in Süddeutschland, die keine mächtige Bankorganisation wie in Preußen zur Verfügung hatten, was eine "massenhafte [finanzielle] Exekution" (ebd.) zur Folge hatte.

Böhme habe ich inzwischen auch dazu gefunden, dennoch vielen Dank für den Hinweis.:winke:

Er enthält sehr interessante, aber mE nur stichwortartige Darstellungen der Abläufe, so auch zu Frankfurt.

Wenn ich das richtig verstanden, waren persönliche Beziehungen zB der Privatbankhäuser die Grundvoraussetzung für die Plazierung von (öffentlichen) Anleihen. Frankfurt hatte hier wohl die Funktion des Finanzplatzes für Süddeutschland vor 1866. Daher ist die preußische Besetzung und folgende Annektion ein wirtschaftspolitischer Schachzug, der den süddeutschen Staaten nach dem Krieg den Handelsplatz (samt dortiger Akteure) entzog. Dieser Entzug ist eine Voraussetzung der folgenden massenhaften "Exekution" mittels fällig gestellter Kredite.
 
Wenn ich mir die Vielfalt der Themen ansehe, über die hier diskutiert oder hinterfragt werden, kann ich mich für Ausführungen wie diese hier

Ein gutes Thema - endlich mal nicht das öde "Wer schlug wen wo?";)

nicht wirklich begeistern, auch wenn dort ein blinzelnder Smiley gesetzt worden ist.

Ich denke, das jedes Mitglied indviduelle Vorlieben für bestimmte Bereiche der Geschichte hat und das ist auch vollkommen in Ordnung so.
 
Böhme habe ich inzwischen auch dazu gefunden, dennoch vielen Dank für den Hinweis.:winke:

Er enthält sehr interessante, aber mE nur stichwortartige Darstellungen der Abläufe, so auch zu Frankfurt.

Wenn ich das richtig verstanden, waren persönliche Beziehungen zB der Privatbankhäuser die Grundvoraussetzung für die Plazierung von (öffentlichen) Anleihen. Frankfurt hatte hier wohl die Funktion des Finanzplatzes für Süddeutschland vor 1866. Daher ist die preußische Besetzung und folgende Annektion ein wirtschaftspolitischer Schachzug, der den süddeutschen Staaten nach dem Krieg den Handelsplatz (samt dortiger Akteure) entzog. Dieser Entzug ist eine Voraussetzung der folgenden massenhaften "Exekution" mittels fällig gestellter Kredite.

Genau! Was ich nicht gesehen (oder überlesen?) habe, sind Daten über die Kriegskosten an sich bzw. um die Größenordnungen, um die es seinerzeit ging. Vor allem 70/71 war es ja, schon von der Dauer her, kein "Kabinettskrieg" mehr. Wo findet man dazu etwas?
 
@Arcimboldo
Ich würde mich gern weiter kundig machen und wäre deshalb dankbar, wenn Sie mir die Quellen für Ihre Hinweise nennen könnten.

Sorry, das hatte ich vergessen :rotwerd:

Meine lit. Quellen sind :
H. Kellenbenz :"Deutsche Wirtschaftsgeschichte Bd. II. , Verlag H. C. BECK
H.J. Schoeps : "Preußen, Geschichte eines Staates" , Ullstein-Materialien
Otto Pflanze: "Bismarck - Der Reichsgründer "Bd. I+II. -Verlag H.C. Beck
 
Auch von mir aus Dank! Die Kriegsfinanzierung der süddeutschen Staaten 1870 betreffend, gibt es eine Monographie von Rudolf Lenz aus 1970, die ich freilich nicht gelesen habe.
 
aus Waltershauen, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1815-1914, noch gefunden:

aus der frz. Kriegsentschädigung (u.a. 4,2 Mrd. Franc in Wechsel), wurden u.a. die Anleihen des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Staaten über 805 Mio. Mark zurückbezahlt (das waren angeblich Gesamtsummen der Verschuldung, danach waren die Staaten "schuldenfrei").

Die Rückzahlungen führten bei den Kreditgebern unmittelbar zu Neuanlagen, also zur Suche nach neuen Investitionen.
 
Auch von mir aus Dank! Die Kriegsfinanzierung der süddeutschen Staaten 1870 betreffend, gibt es eine Monographie von Rudolf Lenz aus 1970, die ich freilich nicht gelesen habe.

Man stößt ja immer auf alte Fragen, diese Antwort hier hatte ich leider übersehen ... :rotwerd:
Das Buch ist hochinteressant, eine detaillierte Studie zur verknüpften Wirtschafts- und Militärgeschichte:
Lenz, Kosten und Finanzierung des Deutsch-Französischen Krieges 1870 - 1871 - dargestellt am Beispiel Württembergs, Badens und Bayerns, Wehrwissenschaftliche Forschungen 12.

kurzgefaßt:
Württemberg ...
finanzierte anschubweise (insbes. die Mobilisierung) durch reine Haushaltsumschichtungen, zB Kürzungen der
etatisierten Eisenbahninvestitionen. Der weitere Verlauf wurde durch Anleihen gedeckt, Gesamtbedarf: 15,9 Mio. Gulden (veranschlagt waren zunächst 26 Mio.) bei einer Höchst-Kriegsstärke von 43.557 Mann (Durchschnitt 38.253).

Baden ...
finanzierte zunächst aus dem laufenden Haushalt (bei geringen vorgesehenen Kreditierungen), und führte auch die Verhandlungen betr. Darlehen von Bayern und Vorschuss vom Norddeutschen Bund zunächst ohne Anlaß.
Kriegskosten insgesamt 14,3 Mio. Gulden bei einer höchst-Kriegsstärke von 44.537 Mann (Durchschnitt 34.268)

Bayern ...
benötigte früh ein Vorschuss-Darlehen von Preussen über 3 Mio. Gulden bereits auf die Mobilisierungskosten. Die tatsächlichen Kriegskosten sollten dann weiter durch Anleihen gedeckt werden. Die dann aufgelegte Anleihe von 18.2 Mio. Gulden (für die sofort ein Übernahmeangebot von Bankhaus Erlanger, Bankhaus Rothschild zu Frankfurt und Discontoi-Gesellschaft vorlag), war bis zum 25.8.1870 tatsächlich mit 106 Mio. Gulden gezeichnet worden, eine nahezu 6-fache Überzeichnung (Grund waren eintreffende Meldungen über Siege: Gravelotte, St. Privat, die einschließung von Metz). Davon wurden 56,2 Mio. Gulden tatsächlich hereingenommen, der 18,2 Mio. überschießende Teil bereits als Eisenbahnanleihen.
Kriegskosten insgesamt 69,7 Mio. Gulden bei einer Höchst-Kriegsstärke von 180.100 Mann (Durchschnitt 109.611).
 
Preussen hatte sich ja auch bei den Pariser und Londoner Rothschilds um Kredite bemüht. Dies wurde aber mit dem Hinweis abgelehnt, dass man keine Kriege finanzieren würde. Ich weiß beispielsweise dass die Pariser Rothschilds mit den Habsburgers vor dem Krieg 1866 sehr ernsthaft über einen Kredit verhandelt haben. Wien war kurz vor der Zahlungsunfähigkeit und die Gerüchteküche munkelte schon die ganze Zeit über den bevorstehenden Krieg zwischen Preussen und Österreich.

Meine Frage ist, ob ein Forianer vielleicht weiß, ob die Rothschilds tatsächlich nie Kriege finanziert haben? oder ob das nur eine Ausrede gegenüber den Preußen war, weil man ganz allgemein davon ausgegangen war, das bei einer kriegerischen Auseinandersetzung die Österreicher als Sieger das Schlachtfeld verlassen würden.
 
Ist mir ad hoc nichts bekannt.

Nachgeschlagen habe ich zum Burenkrieg und der britischen Finanzierung. Der Bedarf der Kriegsanleihen wurde offenbar zT über J.P. Morgan platziert und gedeckt (10 Mio. GBP).

Beim Krimkrieg soll sich Rothschild/London mit einem hohen Prozentsatz an der Finanzierung beteiligt haben. Mir ist aber unklar, ob das durch das Bankhaus selbst übernommene Finanzierungen waren, oder ob man hier in den Konsortien eine mitwirkende Rolle übernahm, die die Anleihen am Markt platzierten.
 
Der Krimkrieg scheint ein Minenfeld zu sein. Ferguson hat in seiner Rothschild-Monographie dazu ein spezielles Kapitel, Inhalt ist mir aber unbekannt.

Aus einer Publikation zu Gladstone und der Bank of England folgt, dass der Hintergrund der GBP-Anleihen zum Krimkrieg mindestens mal sehr kompliziert war und offenbar auch auf einen Machtkampf mit der Zentralbank zurückzuführen ist.

Paris soll ebenfalls Anleihen über Rothschild ausgegeben haben. Im Verlauf des Krieges sollen die Rothschild-Häuser dann Petitionen an die Regierungen ausgegeben haben, den Schutz für jüdische Minderheiten in Russland in den kommenden Friedensvertrag aufzunehmen. Das deutet auf einen gewissen Einfluss über die Finanzierung hin. Allerdings ist so etwas mE nicht ausreichend bzw. geeignet, die direkten Anleihen zu bestätigen, da solche Einflüsse auch von Konsortialbanken üblich waren, die direkte Kontakte zu den Regierungen pflegten.
 
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