Ich habe da eine kurze Frage an die Experten des Forums. Kann man im Mittelalter (z.B. ab Hochmittelalter) schon von einer "Finanzwirtschaft" sprechen? Oder reichen die paar Geldleiher und Banken nicht aus um so einen Begriff zu rechtfertigen? Aktien und Börsen gab es ja erst später, oder?
Das Finanzwesen ist stets mit Geld verknüpft, das ausgegeben, verliehen oder geliehen wird und somit kann man von der Antike bis heute von einem Finanzwesen oder einem Finanzsystem sprechen.
Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erfuhr das Geldgeschäft durch die Zunahme großer Anleihen der Fürsten eine beträchtliche Erweiterung. Das Bankgeschäft und der Geldwechsel befanden sich in der Hand großer Kaufleute, die über ein weit reichendes Netz von vereidigten Boten, Faktoreien und Korrespondenten verfügten (Medici, Fugger, Welser usw.). Banken mit öffentlichem Charakter kamen erst im 17. Jh. auf, allerdings gab es in Venedig bereits 1587 eine Staatsgirobank, den Banco di Rialto. Große Handelsfirmen waren vielfach Warenhändler und Bankiers in einem. Hinzu kamen die deutschen und ausländischen Messen, auf denen Geschäfte getätigt wurden.
Um den risikoreichen Bargeldverkehr bei größeren Beträgen zu vermeiden, kam seit dem 15./16. Jh. der Wechsel als Zahlungs- und Kreditmittel in Gebrauch, der aus Südeuropa stammte.
Wechsel (Urkunde) ? Wikipedia Er wurde hauptsächlich im Verkehr mit Süd- und Westeuropa verwendet und in Deutschland von solchen Firmen ausgestellt oder in Zahlung genommen, die dort über Niederlassungen bzw. Faktoreien verfügten. Auch im Bereich der Hanse gab es einen allerdings bescheideneren Wechselverkehr.
Beträchtliche Bedeutung bekam seit etwa 1500 die Einrichtung der Börse. Von Brügge aus verbreitete sie sich weiter, so in Köln 1553, Hamburg 1558, Frankfurt 1585.
Die Geldschöpfung übernahmen häufig öffentliche Unternehmen (Regiebetriebe), so unter anderem in vielen Städten Norddeutschlands, aus denen Dienstverträge mit dem Münzpersonal überliefert sind. Teilweise erfolgte die Geldherstellung aber auch durch privilegierte private Korporationen. Territorialherren ließen Münzen vielfach von Pächtern betreiben. Aus den Münzabrechnungen erfährt man etwas über Münzkosten und Gewinne.
So gab es also im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit ein differenziertes Finanzwesen, in dem Geld, Wechsel, Messen, Börsen, Banken und Versicherungen ihren Platz hatten.