Finanzwirtschaft im Mittelalter

Kai3017

Neues Mitglied
Ich habe da eine kurze Frage an die Experten des Forums. Kann man im Mittelalter (z.B. ab Hochmittelalter) schon von einer "Finanzwirtschaft" sprechen? Oder reichen die paar Geldleiher und Banken nicht aus um so einen Begriff zu rechtfertigen? Aktien und Börsen gab es ja erst später, oder?
 
Hier sollten wir uns zunächst erst einmal darauf verständigen, was unter „Finanzwirtschaft“ zu verstehen ist.

Wenn wir diesen als Geschäftsprozess (siehe Definition Geschäftsprozess)definieren mit den Bestandteilen:
  • Investitionen,
  • Finanzierung und
  • Risikomanagement
dann würde ich schon sagen, dass wir dieses auch im Mittelalter vorfinden.
Hier denke ich erst einmal an die Hanse, aber auch an die Fugger und Welser.
Vielleicht solltest Du Dir mal bei wiki darüber etwas ansehen und dann weiter recherchieren, je nachdem wie tief Du einsteigen willst.

Zur Hanse -> Klick.

Interessant wäre da der Abschnitt -> 3.4 Hansekaufleute.
 
Du meinst sowas wie heute mit "Immobilienblase" , "Internetblase" ,
OT
welche Blase haben wir eigentlich gerade jetzt?
OT Off

Meines Wissens war der "Tulpenhandel" die erste "Blase" der westlichen Welt.
Also durch die Welt "schwappendes Kapital/Geld" , mit dem man etwas kauft, um es gewinnbringend an jemanden zu verkaufen, der es auch nur kauft, in der Hoffnung , es gewinnbringend oder "werterhaltend" zu verkaufen/besitzen, davon ist mir nichts bekannt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tulpenmanie
Für Wikipedia ein sehr ausführlicher und detaillierter Bericht
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe da eine kurze Frage an die Experten des Forums. Kann man im Mittelalter (z.B. ab Hochmittelalter) schon von einer "Finanzwirtschaft" sprechen? Oder reichen die paar Geldleiher und Banken nicht aus um so einen Begriff zu rechtfertigen? Aktien und Börsen gab es ja erst später, oder?

Das Finanzwesen ist stets mit Geld verknüpft, das ausgegeben, verliehen oder geliehen wird und somit kann man von der Antike bis heute von einem Finanzwesen oder einem Finanzsystem sprechen.

Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erfuhr das Geldgeschäft durch die Zunahme großer Anleihen der Fürsten eine beträchtliche Erweiterung. Das Bankgeschäft und der Geldwechsel befanden sich in der Hand großer Kaufleute, die über ein weit reichendes Netz von vereidigten Boten, Faktoreien und Korrespondenten verfügten (Medici, Fugger, Welser usw.). Banken mit öffentlichem Charakter kamen erst im 17. Jh. auf, allerdings gab es in Venedig bereits 1587 eine Staatsgirobank, den Banco di Rialto. Große Handelsfirmen waren vielfach Warenhändler und Bankiers in einem. Hinzu kamen die deutschen und ausländischen Messen, auf denen Geschäfte getätigt wurden.

Um den risikoreichen Bargeldverkehr bei größeren Beträgen zu vermeiden, kam seit dem 15./16. Jh. der Wechsel als Zahlungs- und Kreditmittel in Gebrauch, der aus Südeuropa stammte. Wechsel (Urkunde) ? Wikipedia Er wurde hauptsächlich im Verkehr mit Süd- und Westeuropa verwendet und in Deutschland von solchen Firmen ausgestellt oder in Zahlung genommen, die dort über Niederlassungen bzw. Faktoreien verfügten. Auch im Bereich der Hanse gab es einen allerdings bescheideneren Wechselverkehr.

Beträchtliche Bedeutung bekam seit etwa 1500 die Einrichtung der Börse. Von Brügge aus verbreitete sie sich weiter, so in Köln 1553, Hamburg 1558, Frankfurt 1585.

Die Geldschöpfung übernahmen häufig öffentliche Unternehmen (Regiebetriebe), so unter anderem in vielen Städten Norddeutschlands, aus denen Dienstverträge mit dem Münzpersonal überliefert sind. Teilweise erfolgte die Geldherstellung aber auch durch privilegierte private Korporationen. Territorialherren ließen Münzen vielfach von Pächtern betreiben. Aus den Münzabrechnungen erfährt man etwas über Münzkosten und Gewinne.

So gab es also im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit ein differenziertes Finanzwesen, in dem Geld, Wechsel, Messen, Börsen, Banken und Versicherungen ihren Platz hatten.
 
Im Frühmittelalter war es für Christen verboten Geld für Zinsen zu vergeben so dass es vor allem Juden waren die als Geldgeber fungierten.

Später wurde es aufgeweicht so waren die Tempelritter eine Bank ähnliche Organisation, sie haben sich einige Tricks welches man auch heute noch aus dem Islamic Banking kennt übernommen. Man gibt Darlehen und bekommt dafür Gewinn aber nennt es nicht Zinsen.

Später musste man das Zinsgebot immer weiter aufweichen um den Handel nicht zum erliegen zu bringen.
 
Es geht doch aber augenscheinlich nicht um die Modalitäten oder Techniken im Geldwesen (Finanz"wirtschaft"), sondern - wie Dieter schon ausgeführt hat - um den Umfang des Geldwesens.
 
Es geht doch aber augenscheinlich nicht um die Modalitäten oder Techniken im Geldwesen (Finanz"wirtschaft"), sondern - wie Dieter schon ausgeführt hat - um den Umfang des Geldwesens.


Nun,dann könnte die Finanzgeschichte über die " Missisippi -Spekulation "
näher betrachtet werden bzw. das Wirken des John Law.
Ich glaube da ging es erstmals um die Deckung von Papier - " Werten "...:rofl:

Mississippi-Spekulation ? Wikipedia
 
Vielen Dank für Eure raschen und umfangreichen Antworten. Ihr überfordert mich damit schon fast ein bisschen ;-)

Wenn ich das richtig verstanden habe, kann man den (Fern-)Handel gewissermaßen als Mutter der Finanzwirtschaft bezeichnen. Weiters könnte man dann argumentieren, dass aufgrund der Gegebenheiten im Frühmittelalter quasi keine Finanzwirtschaft existent war.

Interessant ist auch die Sache mit den Tulpen-Spekulationsgeschäften. Da sind vermutlich schon zahlreiche Finanzler reich geworden ohne an einem Wertschöfpungsprozess beteiligt gewesen zu sein. Das ist wohl ein ziemlicher gesellschaftlicher Luxus.
 
Falls es interessiert würde ich das Buch "Im Namen Gottes und des Geschäfts" von C.H.Beck ISBN 3 406 30861 9 empfehlen es handelt vom Leben des toskanischen Kaufmanns Francesco di Marco Datini (1335-1410) da wird recht ausführlich wie damals Bargeldloser-Zahlungsverkehr ablief, und wie damals Kaufmanns-Imperien geführt wurden.
 
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Wenn ich das richtig verstanden habe, kann man den (Fern-)Handel gewissermaßen als Mutter der Finanzwirtschaft bezeichnen. Weiters könnte man dann argumentieren, dass aufgrund der Gegebenheiten im Frühmittelalter quasi keine Finanzwirtschaft existent war. ...

@Kai3017

Schau auch mal hier, und zwar unter Punkt 15 "Geschichte des Wechsels".

Wechsel (Urkunde) ? Wikipedia

Stichwort "Kreditwechsel ohne Valutaklausel".

M.
 
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