Flandern beteiligte sich vom 9. Jh. an in größerem Umfang am Fernhandel, als dieser - teilweise bedingt durch die Einfälle der Wikinger - vom Delta der großen Ströme Rhein, Maas und Schelde abrückte und sich nach Süden, vor allem ins Scheldegebeit, verlagerte. Hier entwickelten sich noch im 9. Jh. Handelsniederlassungen in Gent, Tournai und Valenciennes, im 10. Jh. in Arras, Douai und Lille, und schließlich an der Nordseeküste in Brügge und St.-Omer.
Hauptursache des internationalen Handelsverkehrs in Flandern war die Verbindung zwischen England und dem Rheinland. Seit dem Ende des 11. Jh. bildeten englische Wolle und Rheinwein hier die wichtigsten Handelsgüter. In den meisten der genannten flämischen Städte hatte sich im Lauf des 11. Jh. ein auf Export ausgerichtetes und englische Wolle verarbeitendes Tuchgewerbe etabliert, dessen Anfänge vielleicht auf römerzeitliche technische Traditionen zurückgehen sowie vor allem auch auf die riesige einheimische Wollproduktion.
Die neue Textilverarbeitung, die sich in den Städten Flanderns während des 11. Jh. ausbildete, unterschied sich in mancher Hinsicht von der besonders in Frauenwerkstätten auf den großen Domänen betriebenen ländlichen Tuchproduktion. Charakteristisch war der Übergang zu vorwiegend männlichen Arbeitskräften, eine weit vorangetriebene Arbeitsteilung und der am Export orientierte Luxuscharakter der Produktion. Seit etwa 1100 kam es zur Masseneinfuhr und -verarbeitung qualitativ hochwertiger englischer Wolle, die dann den Rohstoff für die feinsten flandrischen Tuche bildete.
Mit diesem kommerziellen Erfolg einher ging der frühzeitige Aufstieg der flandrische Städte, der im 9.-11. Jh. erfolgte. Großen Anteil hatten daran die Fernhändler, die am Import englischer Wolle und Export feiner Tuche maßgeblich beteiligt waren. So entwickelte sich Flandern schon frühzeitig zu einer wohlhabenden Region, geprägt durch Handel und hochwertiges Handwerk, die in Mittel- und Westeuropa an der Spitze stand.