Flandern im Mittelalter

Conny1

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

häufig habe ich mich gefragt, warum in der Zeit so um 800 n. Chr. ausgerechnet die Region nördlich Paris bis einschließlich Flandern deutlich weiter entwickelt war als (mit Ausnahme von Norditalien) das übrige Europa. Kann mir da einer eine Antwort geben ?

Conny :rolleyes:
 
Also ich würde nicht sagen das Flandern um das Jahr 800 so gut entwickelt war wie etwa Italien.

Die Grafschaft wurde von Karl dem Kahlen um 862 geschaffen in erster Linie um den Normanneneinfällen entgegen zu wirken.
Die eigentliche wirtschaftliche Bedeutung Flanderns entstand zu Beginn des Englich-Französischen Konfliktes Ende des 11. Jahrhunderts.
Die Grafen von Flandern befanden sich in einer außerordentlich komfortabelen Position. Eigentlich waren sie Vasallen Frankreichs. Jedoch besaßen sie auch Territorien im im Reich wie Valenciennes und Gent ("Reichsflandern").
Später kam noch die Markgrafschaft Namur hinzu.
Wärend die Normandie Aufgrund das Gegensatzes der englichen Könige zu Frankreich bis zum Ende des Hundertjährigen Krieges ein zentraler Austragungsort des Konfliktes war, konnte Flandern besonders für England als Brückenkopf für seinen Handel mit dem Festland dienen. Allen voran der Handel mit Textilien machte Flandern reich.
Dies begünstigte vor allem die Stadtentwicklung (siehe Antwerpen, Gent oder Brügge).
Ende des 13. Jahrhunderts versuchte Frankreich Flandern zu unterwerfen was jedoch in der Sporenschlacht 1302 scheiterte.
Und wärend Frankreich und England sich im Hunderjährigen Krieg befanden, wurde Flandern duch die Ehe seiner Erbin Margarethe mit Philipp dem Kühnen, 1385 ein Teil des burgundischen Länderkomplex.
 
Ergänzend zu Joinvilles sehr guten Ausführungen möchte ich zur Geschichte Flanderns auf folgenden Artikel verweisen, über den ich kürzlich gestolpert bin: http://grafschaft_flandern.know-library.net/
(Leider bringt die Seite ein lästiges Ebay Popup, das erst wegzuklicken ist... :S )

Unter den Grafen von Flandern - welche übrigens bis 1278 als einigermaßen treue Vasallen des französischen Königs galten - gab es dabei sehr interessante Persönlichkeiten.
Einige Beispiele:
Robert II. de Flandres (1093 - 1111) - er nahm mit seinem Heer am 1. Kreuzzug teil und tat sich bei der Schlacht von Doryläum, der Belagerung Antiochias, der Belagerung Jerusalems und der Schlacht von Askalon hervor
Baudouin VII. de Flandres (Balduin VII. mit dem Beil oder Balduin VII. der Strenge) (1111 - 1119) - er ging mit besonderer Härte gegen Landfriedensbrecher vor
Guillaume I. Clinton (Wilhelm I. Clito) (1127 - 1128) - Sohn des Robert Courteheuse (Herzog der Normandie); ein Herrscher mit starker Willkür
Thierry I. d'Alsace (Dietrich I. von Elsaß) (1128 - 1168) - zunächst von den Ständen gegen Guillaume I. berufener Gegengraf und von diesem mehrfach geschlagen; hielt jedoch die folgende Belagerung durch Guillaume aus, bei welcher dieser umkam

Vor allem unter dem Grafen Thierry I. erlebte Flandern auch die größte territoriale Expansion sowie eine große ökonomische und agrarkulturelle Entwicklung, und neue Handelsfirmen wurden gegründet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Flandern beteiligte sich vom 9. Jh. an in größerem Umfang am Fernhandel, als dieser - teilweise bedingt durch die Einfälle der Wikinger - vom Delta der großen Ströme Rhein, Maas und Schelde abrückte und sich nach Süden, vor allem ins Scheldegebeit, verlagerte. Hier entwickelten sich noch im 9. Jh. Handelsniederlassungen in Gent, Tournai und Valenciennes, im 10. Jh. in Arras, Douai und Lille, und schließlich an der Nordseeküste in Brügge und St.-Omer.

Hauptursache des internationalen Handelsverkehrs in Flandern war die Verbindung zwischen England und dem Rheinland. Seit dem Ende des 11. Jh. bildeten englische Wolle und Rheinwein hier die wichtigsten Handelsgüter. In den meisten der genannten flämischen Städte hatte sich im Lauf des 11. Jh. ein auf Export ausgerichtetes und englische Wolle verarbeitendes Tuchgewerbe etabliert, dessen Anfänge vielleicht auf römerzeitliche technische Traditionen zurückgehen sowie vor allem auch auf die riesige einheimische Wollproduktion.

Die neue Textilverarbeitung, die sich in den Städten Flanderns während des 11. Jh. ausbildete, unterschied sich in mancher Hinsicht von der besonders in Frauenwerkstätten auf den großen Domänen betriebenen ländlichen Tuchproduktion. Charakteristisch war der Übergang zu vorwiegend männlichen Arbeitskräften, eine weit vorangetriebene Arbeitsteilung und der am Export orientierte Luxuscharakter der Produktion. Seit etwa 1100 kam es zur Masseneinfuhr und -verarbeitung qualitativ hochwertiger englischer Wolle, die dann den Rohstoff für die feinsten flandrischen Tuche bildete.

Mit diesem kommerziellen Erfolg einher ging der frühzeitige Aufstieg der flandrische Städte, der im 9.-11. Jh. erfolgte. Großen Anteil hatten daran die Fernhändler, die am Import englischer Wolle und Export feiner Tuche maßgeblich beteiligt waren. So entwickelte sich Flandern schon frühzeitig zu einer wohlhabenden Region, geprägt durch Handel und hochwertiges Handwerk, die in Mittel- und Westeuropa an der Spitze stand.
 
timotheus schrieb:
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Unter den Grafen von Flandern - welche übrigens bis 1278 als einigermaßen treue Vasallen des französischen Königs galten - gab es dabei sehr interessante Persönlichkeiten.
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Auch interessant:
Graf Balduin IX. von Flandern und Hennegau (+1205) wurde von den Kreuzfahrern des IV. Kreuzzuges am 9. Mai 1204 zum lateinischen Kaiser von Konstantinopel gewählt.
 
Auf folgende Seite möchte ich noch verweisen, auch wenn das Thema jetzt einen Monat ruhte: http://www.genealogie-mittelalter.de/balduine_grafen_von_flandern/flandern_grafschaft.html
Dabei ist es neben den bereits genannten Punkten mE auch noch wichtig, die innenpolitische Konsoldierung zu beachten, welche im 12. Jh. zunächst eine Verbesserung der Rechtsstellung der Städte (Schöffenbänke, Gottes- und Marktfriedenspolitik), später dann eine effiziente Verwaltung des Landes sowie durch Zoll- und Marktprivilegien nochmals wirtschaftlichen Aufwind für die Städte brachte (vgl. Abschnitt I.3 und I.4).
 
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