Flottenangriff auf die Dardanellen 1915

G

Gast

Gast
Hallo Zusammen,

ich habe eine Frage zu der britisch – französischen Unternehmung gegen die Dardanellen, insbesondere zu den Flottenangriffen im März 1915.

Hier wurde ein massives Aufgebot an Kriegsschiffen aufgestellt, um im Vorfeld der Landungen die Küste zu beschießen.

Dazu gehörten zu den alten Linienschiffen auch moderne Schlachtschiffe.

Line A
Großkampfschiff
Qeen Elizabeth
Schlachtkreuzer
Inflexible
Linienschiffe
Agamemnon
Lord Nelson

Flanke
Linienschiffe
Prince George
Majestic
Triumph
Swiftsure

Line B
Linienschiffe
Gaulois (frz.)
Charlemangne (frz.)
Bouvet (frz.)
Suffren (frz.)
Ocean
Albion
Irresistible
Vengeance

In der Linie A wären das im Einzelnen an Geschützen:
8x 38 cm
16x 30,5 cm
10x 23,4cm (Ingesamt 20x 23,4 cm, aber nur 5 pro Breitseite einsetzbar)

Die Linienschiffe der Flanke und Linie B umfassen pro Schiff 4x 30,5 cm Geschütze, also 12 Stück.

Das ist ein enormes Breitseitgewicht und dennoch endete diese Aktion in einem Fiasko. Wie war das möglich, mit so vielen Geschützen, die Landungszone nicht sturmreif schießen zu können? Ist es schwieriger von See aus, bestimmte Punkte an Land zielgenau zu treffen?

Was war das Problem?

In dem Link wird der Angriff gut graphisch dargestellt:
http://uni.marcoraddatz.com/gesch_neu_ps/gallipoli.pdf
 
... dennoch endete diese Aktion in einem Fiasko. Wie war das möglich, mit so vielen Geschützen, die Landungszone nicht sturmreif schießen zu können? Ist es schwieriger von See aus, bestimmte Punkte an Land zielgenau zu treffen?

Was war das Problem?

Zwar ist das nicht gerade mein Spezialgebiet, wenn es um den Ersten Weltkrieg geht, aber soweit ich es überblicke, wurde durchaus versucht, den Weg quasi "freizuschießen", d.h., die türkischen Artilleriestellungen wurden schon vehement bekämpft bzw. beschossen.
Ein grundsätzlicher Punkt ist bei derartigen Angriffen sicherlich, daß der Angegriffene - zumal, wenn er selbst über ausreichend gute Artillerie verfügt - nicht der Dinge harrt und den Beschuß über sich ergehen läßt, sondern zurückfeuert.
Außerdem stellten wohl im konkreten Fall ausgelegte tükische Seeminen einen weiteren nicht zu unterschätzenden Aspekt dar, welcher der Flotte der Entente zusetzte.
Vgl. dazu auch folgende Texte:
Schlacht von Gallipoli - Seeangriffe - Wikipedia (deutscher Text, aber leider nur Kurzüberlick)
Naval operations in the Dardanelles Campaign - Wikipedia, the free encyclopedia
The Naval Attack / FORSNET
(beide Darstellungen sind ausführlicher, aber eben englischsprachig)

PS: Wie bereits geschrieben, ist es nicht mein Spezialgebiet, so daß ich mich irren mag und deswegen ggf. um Ergänzungen, Differenzierungen sowie Korrekturen bitte...
 
Gallipoli

Salute,

das Problem war nicht die Feuerkraft der Geschütze sondern die Uneinigkeit im britischen Kriegskabinett hinsichtlich der Fragestellung, wo die strategische Schwerpunktsetzung erfolgen sollte. An der "weichen Seite" der Mittelmächte (Dardanellen), so wie es W. Churchill empfahl oder an der Front in Frankreich. W. Churchill unterlag im Kriegskabinett und der strategische Schwerpunkt bildete weiterhin die Front in Frankreich. Daher auch die ungenügende maritime Unterstützung der "Dardanellen-Operation".

Ist auch nicht mein "Spezial-Gebiet".

Literatur:

TURKSAM | Winston Churchill And Gallipoli Compain? 18th March 1915 ( Part?1 ) | Dr. M.Galip Baysan


Lies auch die Erinnerungen von W. Churchill aus dem I. Weltkrieg.

The World Crisis, 1911-1918: Amazon.de: Winston Churchill, Martin Gilbert: Englische Bücher

und hier:

Winston Churchill - Wikipedia, the free encyclopedia

Gruß



Karsten
 
Das Problem waren u.a. die Minen. Nachdem der Bereich vor der Flotte von Minen freigeräumt war, hatte in der Nacht vor dem Angriff ein türkischer Minenleger vom Gegner unbemerkt erneut Minen in der geräumten Zone verlegt:
Nach dem Verlust von 6 Schiffen (mehr als ein Drittel der Flotte)
(gesunken: HMS Ocean und HMS Irresistible und das franz. Schlachtschiff Bouvet;
schwerst beschädigt: HMS Inflexible und die franz. Schlachtschiffe Suffren und Gaulois) zog sich die Flotte in sicheres Gewässer zurück, verlor aber aufgrund der größeren Entfernung weiter an Kampfkraft.



Hier einige links (mit gutem Material) zum Thema

Gallipoli: The War at Sea
(pdf-Dateien)

Gallipoli — Turkey

The Gallipoli Association

Gallipoli, Turkey, WW1, Anzac, Light Horse

Hier findest Du die Berichte von Kitchener und Hamilton:

Reports on Gallipoli - World War I Document Archive

Gruß

Cisco
 
Abgesehn von den Minen , konnte viele der Vor-Dreadnaughts kaum weiter als 12 Km schiessen .
Viele der zeitgleichen Landschlachten hatten eine Feuerunterstützung von 1.000 und mehr Geschützen und dort kamen die Angriffstruppen durch ihre Laufgräben bis kurz vor dem Feind .
Bei der Landung , dazu noch in einfachen Booten sassen die Alliierten wie auf dem Präsentierteller und die Türken konnte sie aus Landstellungen und von Schiffen in den Dardanellen aus beschiessen.
 
Das ist ein enormes Breitseitgewicht und dennoch endete diese Aktion in einem Fiasko. Wie war das möglich, mit so vielen Geschützen, die Landungszone nicht sturmreif schießen zu können? Ist es schwieriger von See aus, bestimmte Punkte an Land zielgenau zu treffen?
Warum das Unternehmen selbst so und nicht anders endete, ist relativ leicht zu sagen (siehe nur das Gallipoli-Kapitel in Keegan, Der Erste Weltkrieg, S. 331-351). Ich konzentriere mich auf den taktisch-technischen Teil der Frage.

Als "sturmreif" würde man wohl eine Situation bezeichnen, in welcher der Verteidiger durch vorangegangene Beschießung in seinen Abwehrmitteln so eingeschränkt ist, dass er gegen die Erstürmung seiner Stellung keinen hinreichenden Widerstand mehr zu leisten vermag. Gründe, warum dies nicht gelang, sind:

1. Zielgenaues Treffen ist natürlich auch von See her möglich, insbesondere wenn es sich um feststehende Ziele handelt. Die fest installierten türkischen Batterien wurden auch z. T. getroffen, zum anderen Teil ging ihnen phasenweise die Munition aus. Die Türken verfügten aber darüber hinaus über eine größere Zahl von beweglichen Batterien/Einzelgeschützen, die durch ständige Verlegung dem Beschuss ausweichen konnten.

2. Das Hauptproblem der Feuerlenkung bestand jedoch daran, dass die türkischen Stellungen nicht genügend einsehbar waren. Das galt insbesondere für diejenigen, die oberhalb der Steilküste lagen. (Feuerlenkung durch Flugzeuge konnte in diesem Feldzug noch nicht erfolgen.)

3. Hier wie in vergleichbaren anderen Schlachten, in denen eine Vorentscheidung durch Artilleriebeschuss angestrebt wurde, machte man sich Illusionen über die Wirkung des Trommelfeuers. Keegan (Die Schlacht, S 241-338, insb. S. 269 ff.) verdeutlicht das am Beispiel der Sommeschlacht, wo allein am Tag vor dem Sturm 375.000 Granaten (insgesamt 1,5 Mio) unterschiedlichster Kaliber auf die Deutschen abgeschossen wurden - welche gleichwohl in der Lage blieben, aus Gräben und MG-Nestern ein vernichtendes Abwehrfeuer zu unterhalten.

4. Keegan gibt (S. 278 f.) einen interessanten Hinweis auf den "aktiven Anteil" des Trommelfeuers: "Die 1250-Pfund-Granate der 15-Zoll-Haubitze z. B. enthielt 180 Pfund Sprengstoff ..., die 32-Pfund-Granate der 4,5-Zoll-Haubitze enthielt nur runde vier Pfund." Wenn man das auf die Beschießung der Dardanellen überträgt, dann relativiert sich - in Verbindung mit den anderen Faktoren - die Effektivität der an den Dardanellen eingesetzten Kampfmittel doch erheblich.
 
Nur so aus dem Gedächtnis (weshalb ich die Quellen schuldig bleiben muss und mich im Detail möglicherweise etwas vertun kann) und in Ergänzung zu meinem geschätzten Vorredner:

1.
Die Minen haben mit der Erfolglosigkeit des Beschusses der direkten Landungszonen nur bedingt etwas zu tun. Das hätten die alliierten Schiffe aus unverminten Gewässern heraus tun können. Das Problem mit den Minen war folgendes:
Die Alliierten versuchten zunächst, die Meerenge im Handstreich zu nehmen ("forcieren"), indem sie die Minen räumen und dann einfach unter Niederhaltung der verteidigenden türkischen Geschützbatterien durchzubrechen versuchten, um ihre Truppen in der Nähe von Istanbul/Konstantinopel zu landen, um die Stadt einzunehmen. Erst als dies nicht gelang, rang man sich zum Alternativplan durch, eben der Landung direkt an der Meerenge. Da dies eigentlich von Anfang an gar nicht so gedacht war, war die Planung der Landung dann auch entsprechend schlecht.
Die alliierten Schiffe, die den Minen zum Opfer fielen, taten dies beim Versuch, die weiter hinten bei den Dardanellen stationierten türkischen Feldbatterien zu bekämpfen, um die Minenräumer zu decken, die immer wieder von diesen Geschützen zusammengeschossen worden waren. Mit der unmittelbaren späteren Landezone hatte das nichts zu tun.

2.
Es gab an der direkten Landefront zumeist nichts nennenswertes zu beschießen.
Die Türken hielten ihre Truppen meist an den Hinterhängen der Dardanellengebirge, wo sie nicht vom Feuer der Schiffsgeschütze erfasst werden konnten, da diese entweder in die Vorderseite der Hügel einschlugen oder weit darüber hinwegflogen. Man hätte hier Steilfeuergeschütze gebraucht und genau das sind Schiffsgeschütze nun mal nicht.

Wie schwach die tatsächlichen Landezonen zu Beginn tatsächlich von den Türken besetzt waren erkennt man an der Leichtigkeit, mit denen den Alliierten der Großteil ihrer Landungen gelang.

3.
Erst nach den alliierten Landungen, nach deren ursprünglichem Erfolg die Briten versäumten, die Initiative zu behalten und zu langsam landeinwärts vorstießen, gingen die Türken in größerer Zahl nah genug heran, so dass ein Stellungskrieg entstand. Hier aber waren die Linien oft zu nahe beieinander, als dass die Schiffsgeschütze so ohne Weiteres hätten wirken können, ohne die eigenen Leute zu gefährden.
 
Die fest installierten türkischen Batterien wurden auch z. T. getroffen, zum anderen Teil ging ihnen phasenweise die Munition aus. Die Türken verfügten aber darüber hinaus über eine größere Zahl von beweglichen Batterien/Einzelgeschützen, die durch ständige Verlegung dem Beschuss ausweichen konnten....

Ich hab da eine Abteilung Haubitzen in Erinnerung, die wohl nachts Stellungswechsel durchführten. Ein deutscher Oberst ("Wehrle") soll die geführt haben.
So wurden tagsüber die am Vortag erkannten Haubitzstellungen aus sicherer Entfernung beschossen aber wenn die Schiffe im Lauf des Tages näher herangingen, kam die Antwort von anderer Stelle.
 
Der - zunächst - Oberstleutnant Wehrle war für die artilleristische Verbesserung der osmanischen Arillerie im Bereich der Dardanellen nicht unwichtig.

So schreibt Erickson (Pos 401, Seite: keine Ahnung), dass Enver General Leutnat Merten nach Konstantinopel gesandt hatte und eine Planungsgruppe etablierte.

Diese hatte bereits am 8. November 1914 einen Plan ausgearbeitet, wie die "Straße" gegen feindliche Schiffe verteidigt werden solle.

Neu war, dass eine "Haubitze-Zone" eingerichtet wurde, die sich später als sehr effektiv gegen die angreifenden Schiffe erweisen sollte.

Diese Haubitzen Zone wurde unter das Kommando von Wehrle gestellt.
Prior u.a, sprechen davon, dass er - später Oberst - generell die osmanische Artillerie an den "Strassen" ausgebildet hätte (Prior et. al. Pos. 3278)

Diese Veränderungen integrierte die unterschiedlichen artillerischtischen Möglichkeiten in einem Konzept und führte zu einer deutlichen Verbesserung der Effektivität.

Zusätzlich wurden deutsche Unteroffiziere den osmanischen Geschützmannschaften zur Seite gestellt, um die Effektivität auch auf der Ebene einzelner Geschütze zu erhalten.

Insgesamt zeigt sich, dass die Vorbereitungen der Ausbildung vor dem Krieg, die Ausbildung der osmanischen Truppen erleichtert hatte, da die osmanischen Offiziere bereits vor dem Krieg in den Kategorien der deutschen / preußischen Armee gedacht haben. Und somit eine "gemeinsame militärische Kulltur" vorhanden war, die die Arbeit der deutschen Berater vereinfacht hatte.

Erickson, Edward J. (2015): Gallipoli. The Ottoman campaign. Barnsley: Pen & Sword Military.
Prior, Robin; Bradley, Stephen; Burness, Peter; Petersen et. al. (2015): Gallipoli. A ridge too far. Wollombi, NSW, Australia: Exisle Publishing.
 
Zurück
Oben