Man sollte sich an politisch und militärisch tatsächlich erwogenen Optionen mehr orientieren, als an den diversen Luftblasen des Navy Scare 1904/5.
Über die diversen Agenten- und Gruselstories haben wir schon gesprochen. Hier einige weitere Beiträge zur Rezeptionsgeschichte des deutschen Flottenbaus in Großbritannien:
April 1904: Entente Cordiale, Aufgabe der britischen "splendid isolation"
1.5.1904: National Review, The Menace of the German Navy", Invasion, Konzentration der zusammengefaßten deutschen Flotte auf die global verstreute Royal Navy. Forderungen: Allianz mit Japan+Frankreich.
1.6.1904: Empire Review zum bevorstehenden Besuch des Königs, Der weitere Ausbau der deutschen Flotte sei für den Weltfrieden untragbar.
25.-30.6.1904: Kieler Besuch Edwards VII., Vorführung fer deutschen Flotte. Tirpitz berichtet von bedeutungsschwangeren Wortwechsel und Blickkontakten zwischen Edward VII./Selborne
Times und alle weiteren bedeutenden Blätter 1.7.1904: die deutsche Flotte werde nach dem Muster der britischen gebaut, Edward VII. sei von der german fleet in being stark beeindruckt.
10.7.1904: Gegenbesuch der deutschen Flotte in Plymouth, kühler "Empfang" durch die Presse laut Metternich. Die deutsche Flotte wird als Bedrohung empfunden, "auffalend häufige Besuche" deutscher Schiffe in englischen Gewässern werden festgestellt. Spionage wird von der Presse vermutet.
12.7.1904 deutsch-englischer Schiedsvertrag.
16.7.1904 statt vieler The Spectator: we cannot be close friends both with France and Germany. Deutsche Diplomatie gehe auf Täuschung Großbritanniens aus, bis die deutsche Flotte zuschlagen könne.
September/Oktober 1904, u.a. Times: deutsche Kohleversorgung der russischen Flotte auf der Fahrt in den Pazifik sei Bruch der Neutralität.
21.10.1904 Beschießung der Fischerboote auf der Doggerbank durch russische Flotte. Die starke deutsche Flotte wird für eine deutsch-russische Verständigung als unerläßlich angesehen.
Es folgt der Artikel von Arnold White in der Sunday Sun, 6.11.1904: England müsse die deutsche Flotte ohne Kriegserklärung angreifen und vernichten. Reaktion von Balfour: "Arnold White ought to be hanged." Allerdings berichtet Metternich, der Presseartikel entspreche der Stimmung, und zitiert aus einem Brief: "Deutschland sei der gefährlichere Feind [als Rußland]. Es werde immer klarer, dass der deutsche Kaiser seine Flotte ausbaue, um England später zu bekriegen. Als Engländer müsse man sich daher die Frage vorlegen, ob es nicht richtiger sei, das Prävenire zu spielen und Deutschland zu bekämpfen, solange dafür noch Zeit sei."
12.11.1904: Army and Navy Gazette: "The Naval Horizon". Die deutsche Flotte sei während des Doggerbank-Zwischenfalls im Kieler Hafen in Bereitschaft gehalten worden. Deutschland profitiere vom russisch-japanischen Krieg. Die Flottenvorbereitungen seien unerträglich. "We are contend to point put that the present moment is particularly opportune for asking that this fleet [die deutsche Flotte] should not be further increased." Der Vorschlag bedeutete im Kontext, die Flotte einfach zu vernichten.
14.11.1904: Vanity Fair "If the German Fleet were destroyed, the peace of Europe would last for two generations... The German Navy is absolutely useless except for purposes of aggression against England.
Am 10.12.1904 wurde die britische Heimatflotte um 4 Linienschiffe aus der Mittelmeerflotte verstärkt.
Fisher, Memories, 1919, S. 4 und S. 14:
"We should "copenhagen" the german fleet at Kiel a´la Nelson. But, alas! even the very whisper of it exited exasperation agaist the supposed bellicose, but really peaceful, First Sea Lord, and the project was damned."
Wie auch dieser Hinweis zeigt, sind die Überlegungen - ex post als Beleg für die Prophezeiungen Fishers über den kommenden Konflikt von ihm selbst ausgewertet - nicht in ein politisch bemerkbares Stadium übergegangen.
O´Byron, Die Beurteilung der deutschen Flottenpolitik in amerikanischen Zeugnissen der Vorkriegszeit.
Metz, Die deutsche Flotte in der englischen Presse, der Navy Scare vom Winter 1904/05.