Frage zu Germanen und Sachsen

Detlef H.

Neues Mitglied
Ich bin nicht wirklich geschichtsfest, versuche aber die Besiedlung des Raumes zwischen Braunschweig und Hannover zur zeit der Vökerwanderung zu ergründen:

Zum einen stoße ich auf Informationen und Karten, die die Cherusker und die Longobarden benennen. Beide haben sich zur Zeit der Vökerwanderung bewegt und die freiwerdenen Räume wurden wohl von slawischen Gruppen besiedelt.

Das Wort "Sachsen" kommt in diesem Zusammenhang nicht vor.

Zur Zeit der Christianisierung ist der o.g. Raum von den Sachsen besiedelt. Im Norden gibt es den Gau Flutwidde, im Süden den Gau Astfala.

Aber wie erfolgte der Übergang der besidelung von den germanischen Stämmen zu den Sachsen? Wo kamen die Sachsen her?

Ich freue mich auch über populärwissenschaftliche Literaturhinweise!

Detlef
 
Oje.. die letzte Zeile lässt mich stark stutzen.. populärwissenschaftliche Hinweise wirst du in einem (wie ich dieses einschätze) guten Geschichtsforum hoffentlich nicht finden.

Die Sache mit Völkermigrationen ist immer sehr kompliziert, und in dem vorliegenden Fall habe ich selber auch wenig Ahnung, aber Wanderungsbewegungen von antiken Völkern lassen sich heutzutage i.d.R. nicht mehr vollkommen festmachen. Hier brauch man zum einen archäologische Funde die man dann am besten noch an geschichtlichen Quellen festmachen kann (ein tolles Beispiel hierfür ist die Einwanderung der Langobarden in Süditalien).

Auch gibt es durchaus Streitpunkte bezüglich der durch die Römer vorgenommen Völker- oder Volksgruppenbezeichnungen.
 
Ich bin nicht wirklich geschichtsfest, versuche aber die Besiedlung des Raumes zwischen Braunschweig und Hannover zur zeit der Vökerwanderung zu ergründen:

Meinst du die Hildesheimer Börde ? Wikipedia ?
Zu den Menschen im frühen 1. Jtsd. kann ich wenig sagen, nur, dass man aufgrund der guten Bedingungen für die Landwirtschaft nicht unbedingt freiwilliges Verlassen von Besiedlungsplätzen erwarten sollte.
 
Die Sachsen waren ein germanischer Stammesverband der Teilweise aus Cheruskern gebildet wurde.

Korrekt; wobei sich dieser Prozess wohl überall im süd-germanischen Raum beobachten lässt. Die meisten germanischen Völkernamen, die man aus der Wanderungszeit so kennt, sind die Namen von Stammesverbänden, in denen zahlreiche frühere Stämme aufgingen, die uns teilweise durch römische Geschichtsschreiber etx. bekannt sind. Es scheint in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende tiefgreifende soziale Veränderungen im germanischen Raum gegeben zu haben, die die alte politische Ordnung mit zahlreichen eher kleinen Stämmen ersetzte durch die neuen, großen Stammesverände.

Die Franken (wörtlich ‚die Kühnen‘, später auch ‚die Freien‘; auch Hugen von ae. Hugas) stellen einen der germanischen Großstämme dar, die durch Zusammenschluss mehrerer germanischer Kleinstämme entstanden.
Franken (Volk) ? Wikipedia

Als suebisch bezeichnete Stämme waren zur Zeit Tacitus’ die Semnonen, Markomannen, Hermunduren, Quaden und Langobarden, manchmal werden auch die Angeln dazugezählt.
Sueben ? Wikipedia

Die Deutung des Namens als zusammengespülte und vermengte Menschen durch den römischen Historiker Asinius Quadratus, dessen Zeugnis nur bei dem spätantiken Autor Agathias (um 580) bewahrt wurde, könnte auf die Entstehung der Alamannen durch ein Zusammenwachsen von Gefolgschaften, Familiengruppen und einzelnen Menschen verschiedener Herkunft zurückgehen.
Alamannen ? Wikipedia
 
Auch gibt es durchaus Streitpunkte bezüglich der durch die Römer vorgenommen Völker- oder Volksgruppenbezeichnungen.

Wobei Cheruscii ein latinisiertes germanisches Wort ist. Es steckt darin hirsk, heute Hirsch. Ebenso dürfte es mit den Ampsivariern, den Männern von der Ems, den Chasuariern, den Männern von der Hase (Nebenfluss der Ems) und vielen anderen Stämmen sein. Die Frage ist dann halt z.B.: Sind die Chasuarier wirklich ein eigener Stamm oder nur eine Gruppe innerhalb eines Stammes?

Wie nun die Ethnogenese der Sachsen genau sich vollzogen hat, weiß ich nicht, es gibt aber offensichtlich in vormerowingischer Zeit enge Verbindungen zu den Franken - da können andere sicher mehr zu beitragen - nach Widukind sollen die Sachsen ja vom Meer gekommen sein ("Pro certo autem novimus Saxones his regionibus navibus advectos...", Widukind RGS I, 3) andererseits nimmt er für die Sachsen in Anspruch, dass sie schon von Flavius Josephus genannt worden seien ("Ceterum gentem antiquam [...] de quibus et in contione Agrippae ad Iudeos oration contexitur,..." Widukind RGS I, 2). Tatsache ist, dass Josephus dem Herodes Agrippa II. folgendes in den Mund legt: "Und Ihr? Seid ihr reicher als die Gallier, stärker als die Germanen, klüger als die Griechen?" (BJ II, 16, 4 - 5)
Wen Agrippa/Josephus hier tatsächlich mit den Germanen angesprochen hat, Cherusker, Sugambrer, Bataver, Markomannen etc., das wird aus der Stelle nicht ersichtlich, wir können nur eingrenzen, von Caesar und Ariovist oder von Varus und Arminius bis entweder in die Zeit der Rede Agrippas (wenn wir die Erwähnung der Germanen in dieser Rede für historisch halten), ungefähr 64 n. Chr. oder bis in die Zeit der Niederschrift des Bello Iudaico, also den Zeitraum von 75 - 79 n. Chr.
 
Die Cherusker dürften bereits Ende des 1. Jahrhunderts zu Gunsten der Chatten ihre Unabhängigkeit verloren haben. In der Germania schreibt Tacitus, dass das Gebiet der Chauken an das der Ketten grenzt.
Dass das südlichere Niedersachsen einst chattisch, später hessisch könnte, lässt der frühmittelalterliche Gauname pagus hessi saxoncius/sächsischer Hessengau vermuten, der gleich nördlich an den fränkischen Hessengau pagus hassorum angegrenzte. Der Name ist ab dem 8. Jahrhundert belegt.
Scheint so als hätten Franken und Sachsen den Hessengau und damit Hassi/Hessi einst geteilt.

Dies passt mit der unter Historikern umstrittenen Aufteilung des Thüringerreiches im im sechsten Jahrhundert zusammen. Dass die Sachsen Teile des Thüringerreiches eroberten wird heute bestritten. Die Ausdehnung des Thüringerreiches nach Westen und Norden ist jedoch völlig unklar, kann daher kaum als Argument für irgendwas dienen. Eine thüringische Herrschaft in Nordhessen und Niedersachsen bzw. die Hassi/Hessi als vom Thüringer-König abhängiger Satelliet ist meiner Meinung nach nicht ausgeschlossen.
Was die Untergliederung der Sachsen in die "Teilstämme" Westfali, Ostfali und Angarii bedeutet, ist völlig unklar. Klar ist nur, dass die Ostfali in der hier besprochenen Region lebten.

Meine Theorie ist daher wie folgt: Die Cherusker unterlagen den Chatten im 1. Jahrhundert. Die Chatten wurden Hessen und unterlagen zu einem ungewissen Zeitpunkt den Thüringern. Die Thüringern unterlagen im sechsten Jahrhunderten Franken und Sachsen. Die Bewohner des von den Sachsen eroberten Gebietes, wurden Ostfalen genannt. Die Ostfalen galten in der Folgezeit als Teil der Sachsen.

Widukind kennt offensichtlich den Falvius Josephus und den antiken Germani-Begriff. Der Sammelname Germani verschwindet Anfang des 3. Jahrhundert aus den Quellen. Die Römer nennen die Völker östllich des Rhein, also die Einwohner der Germania nicht mehr Germaen sondern Franken u. Allamannen genannt. Im vierten Jahrhundert tauchen auch erste sichere Erwähnungen der Sachsen auf. Wenn Widukind nun Germani und Saxones in Beziehung setzt, ist das eine "Translatio Germanorum", eine gelehrte Schein-Kontinuität, unabhängig davon, dass beide "Völker" offensichtlich das gleiche Gebiet - die Germania - zu unterschiedlichen Zeiten bewohnten.
Die Sachsen werden als Nordsee-Piraten beschrieben. Ihr Kerngebiet dürfte eher an den Küsten gelegen haben und nicht unbedingt in Südniedersachsen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin nicht wirklich geschichtsfest, versuche aber die Besiedlung des Raumes zwischen Braunschweig und Hannover zur zeit der Vökerwanderung zu ergründen ...

Zur Zeit der Völkerwanderung - also seit Ende des 4. Jh. - ist Norddeutschland Siedlungsgebiet der Sachsen, die sich vermutlich im 3. Jh. als Großstamm bildeten und von ihrem Ursprungsraum zwischen Weser, Elbe und Holstein nach Süden vordrangen. Die Langobarden im Raum Lüneburg/unterer Elbe waren im Verlauf des 4. Jh. nach Oberitalien abgezogen, sodass der Machtbereich der Sachsen im 5. Jh. von den Thüringern im Süden, den Franken im Südwesten und den Friesen im Nordwesten begrenzt wurde.

Allerdings zeigen Friedhöfe im Raum Lüneburg/Lüchow-Dannenberg, deren Gräber in die Zeit um 500 datieren, dass nicht alle Langobarden abwanderten, sondern zumindest Bevölkerungsreste in ihren alten Siedlungsgebieten zurückblieben. [1]

Interessant ist die frühere Hypothese, dass weite Gebiete Nordwestdeutschlands von einer großflächigen Entvölkerung betroffen waren, was heute anhand gezielter Fortschungsgrabungen nicht mehr angenommen wird. Archäologische Quellen zeigen allerdings, dass besonders in der zweiten Hälfte des 5. Jh. viele Sachsen im Rahmen der germanischen Landnahme nach Britannien abwanderten. Betroffen war besonders ein großer Teil der küstennah lebenden Bevölkerung sowie westlich der Elbe siedelnde Sachsen. [1]

[1] Hans-Jürgen Häßler (Hrsg.), Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens, Stuttgart 1991, S. 287-289
 
Hallo erstmal
Wenn ich Deine Frage richtig verstehe, möchtest Du wissen welche Stämme so ungefähr um 450 in den späteren fränkischen Gauen Astfalago und Flutwiddego gewohnt haben, also hildesheimer Börde, östliches Leinebergland und die westliche Südheide.
Mit "Cheruskern" und "Langobardenresten" / garniemand liegst Du schon nicht verkehrt.
Sachsen im eigentlichen Sinne sind da wenige bis garkeine hingezogen, vielmehr haben Sächsiche Edelinge????? nach dem Zusammenbruch des Thüringerreichs dort Land "erworben", die Südheide war noch menschenleerer als heute, denn auf den Sandböden da ist Landwirtschaft ohne Düngung einfach nicht möglich. Geh mal davon aus, das aus allen umliegenden Stämmen es immer mal wieder Leute probiert haben.
Das wären dann Cherusker, Langobarden und Chauken, bisschen weiter südlich sollen die Reste der Ambronen gewohnt haben. Die ominösen Chatti, die die Cherusker entmachtet haben sollen, dürften in der Gegend kaum vertreten sein, sprachlich endet deren Einfluß so ungefähr bei Göttingen.

Wer da jetzt nun genau und wann gewohnt hat? In etwa die Fußkranken der Völkerwanderung, ausschließlich der Slawen und der Ostgermanen. Die Ostgermanen haben den Raum wohl nicht berührt, die Slawen kamen in geschichtlicher Zeit in Raum zwischen Harz und Heide nur bis ins Braunschweiger Wendland und nordöstlich ins hannöversche Wendland. Aber das erst in geschichtlicher Zeit, Frühmittelalter bis Ende Hochmittelalter.
 
Fußkranke der Völkerwanderungszeit?
Jedenfalls haben z.B. nördlich bei Stade an der Elbe starke sächsische Bevölkerungsteile gelebt, http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stade-archaeologen-graben-saechsische-burg-aus-a-967611.html
Burg der Zurückgelassenen

05.05.2014 | Von Angelika Franz
In den "dunklen Jahrhunderten" des frühen Mittelalters war nicht viel los zwischen Elbe und Weser - glaubte man. Doch neue Funde in Stade zeigen, dass es an der Schwinge in diesen Jahrhunderten keineswegs so dunkel war.

...
Eigentlich, so waren sich die Forscher bisher einig, war in dem Gebiet nicht mehr viel los, seit die meisten Sachsen sich ab dem 5. Jahrhundert in Richtung England abgesetzt hatten, um gemeinsam mit den Angeln die Insel zu besiedeln. Während die Verwandten in England erste Königreiche gründeten, herrschten über die letzten Daheimgebliebenen lediglich so genannte Satrapen. Ihre Dörfer waren nicht mehr als ein paar zusammengewürfelte Höfe.

Die "Burg" ... ist jedoch alles andere als ein trauriges Dorf von Zurückgelassenen. Der ovale Burgwall aus Holz und Erde ragte einst etwa sieben bis acht Meter hoch, noch heute sind an die fünf davon erhalten. Er umschließt ein Areal von 4600 Quadratmetern - das entspricht in etwa der Fläche eines kleinen Fußballfelds.
...

Der früheste im Wall verbaute Baum wurde im Jahr 673 oder 674 gefällt - fast ein Jahrtausend, bevor die Schweden kamen. Schäfer nickt mit dem Kopf Richtung Burggelände und lächelt: "Wir haben hier die älteste mittelalterliche Burg zwischen Rhein und Elbe."

Zwei Burgen in friedlicher Nachbarschaft

Unten am Fuß des Walls schlängelt sich die Schwinge durch die Wiesen. Einer ihrer Bögen stößt fast direkt an den Wall. Hier fand Schäfer eine Uferrandbefestigung. Zwischen Ufer und Wall lag ein breiter Laufsteg aus Holzbrettern und -bohlen, etliche davon ehemalige Schiffsteile. "Das kennen wir von späteren Zentralplätzen wie Dorestad oder Haithabu",
...

"Da drüben", er zeigt auf einen nur 500 Meter entfernten Geländesporn, der bei den Einheimischen als Ohle Dörp bekannt ist, "haben die bei geophysikalischen Prospektionen und Laserscans vor fünf Jahren noch eine Burg gefunden." Die ist mit rund 70 mal 90 Metern zwar etwas kleiner ... - war aber ebenfalls dauerhaft bewohnt und hatte auch einen Schutzwall. Statt zu konkurrieren, pflegten die beiden Burgen wohl mehr oder weniger gute Nachbarschaft. Denn die frühesten Funde aus Ohle Dörp datieren in das achte Jahrhundert - beide Anlagen existierten zumindest eine zeitlang gleichzeitig.

...

Vorbei war es in der Burg an der Schwinge um 928 oder 929. In diese Jahre fallen die letzten Daten von Bauhölzern. "929 fiel Lüder V. aus dem Geschlecht der späteren Stader Grafen auf dem Schlachtfeld im brandenburgischen Lenzen", setzt Schäfer die Puzzleteile zusammen. "Und etwa ab 900 hatte man begonnen, den Spiegelberg in der heutigen Stader Altstadt aufzuschütten, auf den die Familie dann bald ihren Herrschersitz verlegte." Die neue Siedlung lag deutlich näher an der Elbe und damit an den Handelswegen.
...
wobei mich dieser "Überraschungstenor" des Artikels überrascht. Ich finde es nicht wirklich befremdlich, dass in Niedersachsen auch weiterhin Sachsen heimisch waren ....
 
Stade liegt aber nicht wirklich im "Einzugsgebiet" von Hannover, sondern weit nordwestlich - wie die Karte hübsch offenbart, während eigentlich die andere Richtung angefragt war.
Nun denn, aufmerksam geworden auf diesen drei Jahre alten Thread, nehme ich mir die Freiheit auf eine von mir besprochene Fundstelle zu verlinken, leider ebenfalls knapp außerhalb, aber entgegengesetzten Richtung südlich von Braunschweig/Wolfenbüttel: Wedde bei Beuchte im Harzvorland - http://www.geschichtsforum.de/373883-post15.html.
Es geht der dort zit. Forscherin (B. Ludowici) aber weniger um eine ethnische Deutung der Funde zw. Leine Aller & Harz, sondern sie liefert höchstens eine gewisse Vorarbeit dazu, indem sie den Fundkreise des 5./ 6. Jhs. nach Ztr. klassifiziert.
 
Zurück
Oben