Frage zu Mussolinis Friedensbemühungen 1939

Guilelmus

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Ich las folgendes*:

Freitag, 25. August 1939

(...) Mussolini hat Mitte des Monats auf die geringe Kriegsrüstung Italiens hingewiesen und erklärt, für einen Krieg sei für sein Land eine längere Vorbereitungszeit notwendig. Am Abend des 21. hat Ribbentrop den bevorstehenden Abschluß des Moskauer Paktes seinem italienischen Kollegen Ciano telefonisch mitgeteilt. Jetzt setzt Hitler in einem langen Schreiben Mussolini davon in Kenntnis, daß der Vertrag unterschrieben sei und der Angriff auf Polen unmittelbar bevorstehe. Rom muß sich entscheiden: für Teilnahme oder für Abseitsstehen. Roosevelt richtet eine zweite Botschaft an Hitler mit der Bitte, er möge sich mit Polen friedlich einigen.

17.30 empfängt Hitler den französischen Botschafter Coulondre und versichert ihm, daß er keinen Krieg mit Frankreich wolle und es nicht angreifen werde. Der Franzose erwidert, sein Land habe Verpflichtungen gegenüber Polen. Hitler entgegnet darauf, ob es zwischen Deutschland und Frankreich zum Kriege komme, hänge von Frankreich ab, nicht von Deutschland. Über seine Entschlossenheit, die polnische Frage zu lösen, läßt er keinen Zweifel, aber er wünscht ausdrücklich, Coulondre solle dem französischen Ministerpräsidenten Daladier seine, Hitlers, Friedensversicherung übermitteln.

Gegen 18.00 Uhr erscheint der italienische Botschafter Attolico und überbringt ein Schreiben Mussolinis. Der Duce teilt mit, daß Italien im Falle eines deutschen Angriffs auf Polen und eines Gegenangriffs der Bundesgenossen Polens „angesichts des gegenwärtigen Standes der italienischen Kriegsvorbereitungen" nicht in den Krieg eintreten könne. „Bei unseren Begegnungen war der Krieg für nach 1942 vorgesehen, und zu jener Periode wäre ich zu Lande, zur See und in der Luft fertig gewesen gemäß den verabredeten Plänen." Dagegen würde Italien unverzüglich „am Kampfe teilnehmen, wenn ihm Deutschland sofort das Kriegsmaterial und die Rohstoffe liefert, um den Ansturm auszuhalten, den die Franzosen und Engländer vorwiegend gegen uns richten werden." Attolico wird kühl entlassen, und nachdem er gegangen ist, sagt Hitler empört: Die Italiener machen es wie 1914!"

Sonntag, 27.August 1939

(...) Um 9.00 Uhr begibt sich der deutsche Botschafter in Rom zu Mussolini und übergibt ihm ein Schreiben, in dem Hitler die italienische „Nichtkriegführung" billigt. Er wünscht lediglich, daß sie geheimgehalten werde und Italien militärische Maßnahmen ergreife, um die Engländer und Franzosen zu täuschen. Außerdem bittet Hitler um Land- und Industriearbeiter. In Berlin macht Botschafter Attolico das deutsche Auswärtige Amt mit der Hoffnung Mussolinis bekannt, durch eine internationale Konferenz den drohenden Kriegsausbruch zu verhidern.
Am Nachmittag um 16.00 Uhr empfängt Ribbentrop den französischen Botschafter Coulondre und übergibt ihm die Antwort auf Daladiers Brief. Sie zeigt, daß Hitler in der polnischen Frage völlig unnachgiebig und entschlossen ist, „die Frage so oder so zu lösen".

Montagabend, 28. August 1939

In Deutschland werden Lebensmittelkarten eingeführt. Schlagzeilen melden „500 Zloty für den Kopf jedes Volksdeutschen! Abschlachtungen und Massenmorde! Offensive Mobilmachung in Polen vollzogen."

Dienstag, 29. August 1939

(...) Etwa zur gleichen Zeit empfängt Hitler den italienischen Botschafter Attolico, der einen Brief Mussolinis überbringt. Der Duce empfiehlt, die günstige Antwort von gestern zu einer friedlichen und für Deutschland günstigen Lösung der Krise auszunutzen. Hitler erwidert dem Botschafter kühl, er sei bereits in Verhandlungen mit Großbritannien eingetreten und habe sich zum Empfang eines polnischen Unterhändlers bereit erklärt.

Donnerstag, 31. August 1939

(...) Der italienische Botschafter Attolico übermittelt zwar den Vorschlag Mussolinis, für den 5. September eine internationale Konferenz einzuberufen. Aber das ist vergeblich.

Freitag, 1. September 1939

(...) Um 13.00 Uhr erhält Mussolini ein Telegramm Hitlers, in dem die Überzeugung ausgedrückt wird, daß „die italienische Waffenhilfe nicht nötig ist". Rom versucht den ganzen Tag über immer noch, eine Konferenz zustandezubringen.

Sonnabend, 2. September 1939

Die deutschen Truppen setzen ihren Vormarsch in Polen schnell fort.
Mussolini teilt am Vormittag Hitler mit, er könne mit Frankreich, England und Polen vieleicht noch eine Konferenz zustandebringen, wenn Deutschland seine Armeekorps an Ort und Stelle ließe. Danzig sei bereits deutsch, und und Deutschland habe durch die ersten Erfolge „moralische Genugtuung" erhalten. Polen lehnt Mussolinis Vorschlag ab aus Furcht, die Westmächte könnten ihn benutzen, um sich ihren Beistandsverpflichtungen zu entziehen. England und Frankreich halten an der Forderung fest, die deustchen Truppen müßten aus Polen zurückgezogen werden. Daraufhin läßt Mussolini den Konferenzplan fallen, er ist überzeugt davon, daß Hitler diese Bedingung nicht annehmen wird.

Sonntag, 3. September 1939

In seinem Antwortschreiben an Mussolini dankt Hitler für den „letzten Versuch einer Vermittlung". Wie erwartet, weist er es zurück, die schon „gebrachten Blutopfer sich durch diplomatische Ränke wieder entwerten zu lassen".


*Bilder aus der Weltgeschichte Heft 15 - Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg von Heinz Grosche, Verlag Moritz Diesterweg, 5. Auflage 1962, Seite 51 ff.

Was ich zum Thema bisher las:
02.09.1939 - Botschafter Bernardo Attolico Berlin Note Ministerpräsident Duce Benito - chroniknet - Schlagzeilen, Ereignisse, Fotos mit Geschichte, Community
Bernardo Attolico (1880-1942)
World War 2 Plus 55 - The Road To War
Axis History Forum • View topic - Hitler's Meetings: Research Project
Bernardo Attolico in Dizionario Biografico ? Treccani
Einführung: Freundschafts- und Bündnispakt zwischen Deutschland und Italien (Stahlpakt) vom 22. Mai 1939 und geheimer Zusatzvertrag / Bayerische Staatsbibliothek (BSB, Mnchen)
Fortnightly Club of Redlands



Meine Fragen: Wie ernst war es Mussolini mit der Friedenskonferenz, und, machte er diese Vorschläge nur, weil er ungenügend gerüstet war? Sind diese Friendensbemühungen so bestätigt; wer hat genauere Informationen?
 
Bislang wurde dazu keine Meinung geäußert.

Liegt das vielleicht an der Fragestellung "Friedensbemühungen", oder an dem gewählten Einstiegszeitpunkt 25.8.1939?

Was hast Du denn bislang über den Weg Mussolinis, zB 1936/39, zu diesen "Friedensbemühungen" gefunden?
 
Mussolini wollte sicher auch keine Verhandlungslösung ohne italienische Beteiligung und schon deshalb schaltete er sich in den diplomatischen Verhandlungen zwischen Berlin und London ein. Es waren die Briten, die die Italiener bedrängten. Natürlich ging es dabei auch um die Sicherstellung der italienischen Neutralität, wenn sich der Krieg schon nicht verhindern ließe.

Am 27.August notierte Ciano in seinem Tagebuch, das es ihm nach vielen Mühen gelungen war, den Duce auf seine Linie zu ziehen. Am 28.August ist von zahlreichen und herzlichen Kontakten mit den Briten die Rede, auf die auch Attolico seine ganze Hoffnung stütze.
Ribbentrop machte Attolico am Abend des 27.08. die Nutzlosigkeit jeder italienischen Vermittlung klar.

Nachdem dies geklärt war, bereitete sich Italien auf seine Neutralität vor und Mussolini hoffte auf eine „harte und blutige“ Auseinandersetzung, damit man später daraus seine Vorteile ziehen könne.
Als Mussolini vom Angriff der Wehrmacht auf Polen Kenntnis bekam, beeilte er sich seinen Botschafter in Berlin, Attolico, anzurufen, damit dieser von der deutschen Regierung eine Erklärung erhalte, die Italien von seiner Bündnispflicht gemäß dem Abmachungen des Stahlpaktes entbinde.

Siebert, Italiens Weg in den Zweiten Weltkrieg
 
Was Mussolini für die Neutralität in einer Friedenskonferenz haben wollte, wurde ein halbes Jahr später deutlich. Die Forderungen stiegen permanent, und eskalierten noch einmal nach dem deutschen Antritt im Westen im Mai 1940/Juni 1940.

Auch an Hitler wären evt. Forderungen zu dem früheren Zeitpunkt gestellt worden. Bei so einer Konferenz hatte Mussolini bessere Voraussetzungen gehabt als in München 1938. Die italienische Führung war über das Hitler-Stalin- Abkommen schwer verschnupft. Die obligatorischen Neujahrsgrüße Hitlers zum 1.1.1940 wurden erst Monate später erwidert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bislang wurde dazu keine Meinung geäußert.

Liegt das vielleicht an der Fragestellung "Friedensbemühungen", oder an dem gewählten Einstiegszeitpunkt 25.8.1939?

Was hast Du denn bislang über den Weg Mussolinis, zB 1936/39, zu diesen "Friedensbemühungen" gefunden?

Erst einmal danke für die Antworten, und Entschuldigung für meine späte Antwort.
Warum ich erst mit Ende August anfing? Weil der Text, den ich dazu las, erst da einsetzte. Ich habe ihn gescannt, was vielleicht problematisch (Copyright) ist, aber der Text lohnt sich.)
Zur Fragestellung: So wie ich es verstanden habem versuchte Mussolini einen großen Krieg in Europa abzuwenden, zumindest zu diesem Zeitpunkt.


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Erst einmal danke für die Antworten, und Entschuldigung für meine späte Antwort.
Warum ich erst mit Ende August anfing? Weil der Text, den ich dazu las, erst da einsetzte. Ich habe ihn gescannt, was vielleicht problematisch (Copyright) ist, aber der Text lohnt sich.)
Zur Fragestellung: So wie ich es verstanden habem versuchte Mussolini einen großen Krieg in Europa abzuwenden, zumindest zu diesem Zeitpunkt.

Hast Du Dich einmal über den Ciano-Besuch 14 Tage zuvor informiert? Ribbentrop und Hitler instruierten den italienischen Außenminister bzgl. der Angriffspläne, dieser lehnte eine italienische Unterstützung zu diesem Zeitpunkt ab und trug seine Einschätzung vor, dass GB und FRA in diesen Krieg mit Polen zwingend verwickelt werden würden. Hitler wie Ribbentrop wiesen das entschieden zurück, übrigens noch vor dem Hitler-Stalin-Pakt.

Die italienische Haltung im August 1939 ist nun nicht unbedingt ein Ausdruck von Friedensliebe, war doch Mussolini kurz vorher (Albanien) und in den letzten Jahren (Abessinien) nicht vor Überfällen zur passenden Zeit zurückgeschreckt. Dieser Krieg Hitlers kam Italien unpassend, insbesondere hinsichtlich der angestrebten Aufrüstung. Die Krise wird Mussolini schon angenehm gewesen sein, verschaffte sie ihm doch die Gelegenheit als "Makler" zwischen den Fronten, für den beiden Seiten Preise zu zahlen hätten. Indessen marschierte Hitler allein los, und brüskierte Italien wie zuvor im Fall Österreichs, Rest-Tschechien und beim Hitler-Stalin-Pakt.
 
Ein aktueller Aufsatz zu den "Ungereimtheiten" und Verfälschungen in den Ciano-Tagebüchern, ganz interessant im Rahmen der Diskussion über Mussolinis "Friedensbemühungen", soweit sie sich auf diese Quelle stützt:

"Bei Egodokumenten ist Vorsicht geboten. Im Falle der Ciano-Tagebücher 1937–1943 gilt das im besonderen Maße: Der ehemalige Außenminister des Duce und seine Frau Edda hatten viele Motive und Möglichkeiten, das Tagebuch zu „frisieren“. Tobias Hof, Mitarbeiter im Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, zeichnet die abenteuerliche Geschichte der wertvollen Quelle bis zur Veröffentlichung nach, er thematisiert die vielen Ungereimtheiten und Verstümmelungen und plädiert schließlich für eine vorsichtig-umsichtige Nutzung dieses Dokuments aus dem innersten Kreis des faschistischen Regimes, das längst eine kritische Neuausgabe verdient hätte."

Tobias Hof: Die Tagebücher von Galeazzo Ciano, VfZ 2012, S. 507-527
Institut für Zeitgeschichte: 4/2012
 
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