Fragen zu Dionysos, Zeus- Epiklese und Platonstelle

Turambar

Mitglied
Hallo,
ich habe eine Frage zum Umgang bzw. Bewertung des "Gottes der Extase" (u.a) Dyonisos, die angestoßen wurde von einer Bemerkung, die ich irgendwo (sry, ich weiß weder das Werk, noch den Autor :S ):

War dieser nicht durchaus "furchterregend" (so in der Art die Bemerkung) im Sinne von Kontrollverlust (z.B. infolge von Alkohol oder Tanz)? Ich meine gerade die hohe Aristokratie in ihrer Selbstdarstellung müsse sich doch davor ängstigen, was meint ihr dazu?

Was bedeutet im Zusammenhang mit einem Trankopfer (spondé) die Epiklese Zeus Sotér? (mWs. nach Anfrage eines Profs so viel wie "Bewahrer/ Heilsbringer")

Wo nennt Platon Wein als Erziehungsmittel?
 
Turambar schrieb:
War dieser nicht durchaus "furchterregend" (so in der Art die Bemerkung) im Sinne von Kontrollverlust (z.B. infolge von Alkohol oder Tanz)? Ich meine gerade die hohe Aristokratie in ihrer Selbstdarstellung müsse sich doch davor ängstigen, was meint ihr dazu?

Ich empfehle dir die Lektüre von Euripides "Die Bakchen" (Bakchen= Bachantinnen = den Dionysos-Kult Zelebrierende).

http://gutenberg.spiegel.de/euripide/bakchen/bakchen.htm

Was du mit der hohen Aristokratie genau meinst, verstehe ich nicht ganz. Die Aristokratie des klass. Griechenlands? Ich würde daraus überhaupt keinen allgemeinen Schluss daraus ziehen. Aber vielleicht meinst du eben eh den Inhalt der "Bakchen": hier wird ein selbstgerechter Aristokrat eines Besseren belehrt, dass es Höhere über ihm gibt:

Euripides Stück behandelt die Geschichte des Dionysos und seines Auftritts in der Welt (hier eine berühmte Königsstadt). Der Halbgott weiß die Frauen zu verzaubern, in Trance tanzen sie (die Bakchen) orgiastisch unter dem Getöse archaischer Instrumente und verherrlichen den Gott, der verkleidet anschließend die Stadt betritt.
Der König erkennt D. als göttliches Wesen nicht an und betrachtet missgünstig die Hingabe der Frauen an den neuen Gott.
Der König (name vergessen, sorry) wird zuletzt von den Bakchen als Gegner und Hintertreiber des Dionysos/seiner Verehrung im (Blut-)Rausch regelrecht zerrissen.
Dass er König ist, also eine hochstehende Person, ist eher ein damals üblicher dramaturgischer Effekt. Und auch, dass seine eigene Mutter und seine Schwestern unter den -richtig: in ihrem Rausch blinden und völlig entfesselten- Bakchen mit an seiner "Hinrichtung" mitbeteiligt waren.
Als ihnen, dargestellt durch die Mutter, "die Augen aufgehen" erkennen sie erst wozu sie sich treiben ließen.
Gesteuert und manipuliert wurden sie vom Gott Dionysos, der sich für die an ihm begangene Geringschätzung durch den König rächte.

So weit mir bekannt, war dieser Kult aus Kleinasien (von den Lydern od Phrygiern, ja, Phrygiern glaube ich) von den Griechen übernommen worden.
Nach und nach wurde er so auch zum Gott des Weines. Und des Theaters, fällt mir gerade ein!
Der Wein selbst diente ursprünglich ja ausschließlich Priestern dazu, sich in Trance zu versetzen, egal welchem Götterkult dienend, im Dionysos-Kult berauschte sich alelrdings die ganze Gemeinde, wie ich glaube, mich erinnern zu können.
 
Ich berichtige mich gleich mal selbst bzw. ergänze:

Ort der Handlung, wo Dionysos (Sohn des Zeus mit der sterblichen Semele) auftritt: Theben.
Der neidische und ungläubige König: Pentheus.

Und der Dionysuskult kommt doch aus Lydien.

;-)
 
Turambar, wenn ich dich richtig verstehe, bis du der Meinung, dass die herrschende Schicht bzw. der Adel Anhänger des Dionysos mit Vorbehalt betrachtet haben könnten, da ekstatische Ausschweifungen nicht zu kontrollieren waren.

Bei diesem Fragenkomplex muss man sich aus der Gegenwart lösen und in die Gefühlswelt des antiken Menschen eintauchen. Ekstase und orgiastische Elemente bei der Verehrung von Göttern waren in der Antike untrennbar mit dem Dasein verbunden und waren Ausdruck göttlichen Präsenz. Insofern ist dein Gedanke viel zu rational und spielte meines Erachtens für die Elite keine Rolle - zudem sich ekstatische Ausbrüche nicht gegen die Herrschenden richteten und mit politischen Gegebenheiten kaum etwas zu tun hatte.

Während die olympischen Götter mit vornehmem Abstand über die Menschen regierten, kommt Dionysos selbst auf die Erde und zwingt alle Menschen, besonders die Frauen, in seinen Dienst. Er erscheint mit einem lärmenden Gefolge von halbgöttlichen und halbtierischen Wesen - Nymphen, Satyrn, Silenen - er selbst oft in Tiergestalt. Die orgiastischen Kultfeiern finden meist im Winter statt, bei denen Frauen den Thyrsos - den efeuumkränzten Stab - schwingen und Fackeln tragen. Dabei geraten sie in Ekstase - ursprünglich nicht durch Weingenuss - und drehen sich im Tanz. Es sollen auch Tiere roh verschlungen worden sein, vermutlich als primitiver sakramentaler Akt, bei dem sich der Mensch den Gott und seine Kraft einverleiben wollte.

Die überlieferten Berichte dieses "Orgiasmus" sind alle dichterisch-literarisch - z.B. die Bacchen, auf die ning schon hingewiesen hat. Daher lässt sich kaum noch feststellen, wieweit der Orgiasmus in den offiziellen Dionysoskult der griechischen Polis Eingang gefunden hat. Eine "Staatsgefährdung", wie du vermutest, hat wohl niemand darin gesehen.
 
Noch ein Nachtrag zu den Zeus-Epiklesen, von denen es eine große Anzahl gibt. Der von dir genannte "Zeus Soter" bedeutet wohl "Retter", d.h eine Anrufung in großer Not. Zeus Soter gilt aber auch als Garant für das Bestehende und ist damit "Hausgott". In diese Funktion ist er Beschützer der Freundschaftskreise, der Symposien und der die Familie einigenden Bande. "Zeus Soter" erhält auch die dritte Weinspende beim Symposion (vgl. Platon leg. 3, 692a)
 
Dass Extase fester Bestandteil von Kultfeiern war, ist mir bekannt. Es ging mir weniger um die Gefärdung der Polis-ordnung, als eher der psychologischen/ soziologischen Dimension: Angst um das eigene Ansehen und Selbstwertgefühl, die Ehre, das (schon bei Homer, die Hektor-zieht-in-den-Kampf-Stelle) immer (meiner Meinung nach) auf der Einschätzung anderer basierte. Mangel an Selbstkontrolle könnte diese schließlich schmälern, das war mein Gedanke.
(u.a. bei Xenophanes (Symposion):
" Lob verdient, wer beim Zechen Gutes und wertvolles darlegt,
seine Gedächtniskraft wahrt, stets nach dem Besten (areté) auch strebt.")


Zur Epiklese: Genau das meinte ich, danke! Das dritte Trankopfer beim Symposion, jedoch war mir der konkrete Zusammenhang zum Symposion nicht klar.
 
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