Fragen zur deutschen Königszählung und zur deutschen Identität

Ich habe eher den Eindruck, dass wir durch moderne Massenmedien die verschiedenen deutsche Dialekte recht gut kennen. Ich stamme beispielsweise aus Mecklenburg, meine Freundin aus Bayern. Sie versteht allerdings problemlos Plattdütsch, und ich bairisch, ohne es besonders gelernt haben zu müssen.
Dazu ein kleiner Test...
Hier eine Kostprobe eines Dialektes, zu dessen Nächstverwandten bspw. Nordbairisch, Oberfränkisch sowie die mainfränkischen Dialekte gehören:
Iich bii Aarzgebeergler; un dos is fei net aafach e Sackse: in Leiptsch un in Drasdn vrstitt uns eh kenner, aber a in Kams odr Zwicke heert dos schuu ewing auf. Un do sei fei wuuannersch a Leit, wuu dii Sprooch vrhuunebiibln, aber de Walt is aam schlacht...
Bis itze gitt's noch? Vrstisstis, wos do suu stiit?
Iich glaab fei, 's gitt a noch, wenn'ch saa "dr Maa", "de Fraa" un "s Kind"; wos aber saas'dn ze "Fansder", "Gung", "Gaar", "Naal", "Woong"? Un wos is "Dridewaar", "Hoos", "Huus", "Schmiich", "Fauns", "Hitsch"?


Alles verstanden bzw. wie würde das auf Standarddeutsch lauten?
(Aber bitte ohne Google o.ä. Hilfsmittel...)
Anm.: Das sind übrigens noch vergleichsweise einfache Sätze...



Bezugnehmend auf den zitierten Text
Text aus Artikel der Wikipedia zu Althochdeutsch schrieb:
... Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich im mittelrheinischen Gebiet eine mittelhochdeutsche Dichter- und Literatursprache, die uns in der klassisch höfischen Ritterliteratur begegnet, in der auch keltisches Sagengut bearbeitet wurde. Begründet und getragen wurde diese Dichtung vor allem vom aufstrebenden Adel, der sich damit vom Volk abheben wollte...
noch zum Mittelhochdeutsch (auch hier Wikipedia zur Verdeutlichung):
Mittelhochdeutsch schrieb:
Mittelhochdeutsch bezeichnet im weiteren Sinn eine ältere Sprachstufe der deutschen Sprache, nämlich sämtliche hochdeutschen Varietäten etwa zwischen 1050 und 1350 (das entspricht ungefähr dem Hochmittelalter). Im engeren Sinn bezeichnet Mittelhochdeutsch die Sprache der höfischen Literatur zur Zeit der Staufer. Für diese Sprache wurde im 19. Jahrhundert im Nachhinein eine vereinheitlichende Orthographie geschaffen, das normalisierte „Mittelhochdeutsch“, in dem seither viele Neuausgaben der alten Texte geschrieben werden...
...
Das Mittelhochdeutsche als ältere Sprachstufe des Deutschen liegt nicht in einer einheitlichen Sprachform vor, sondern in einer Vielzahl von lokalen Dialekten...
...
Das Mittelhochdeutsche war in sich keine einheitliche Schriftsprache sondern es gab unterschiedliche Schreibformen und Schreibtraditionen in den verschiedenen hochdeutschen Regionen. Die regionale Gliederung des Mittelhochdeutschen deckt sich oft mit den rezenten dialektalen Großräumen und Aussprache-Isoglossen, jedoch haben sich diese Dialektgrenzen seit dem Mittelalter auch verschoben...
Von Mittelhochdeutsch ? Wikipedia



Und noch dazu:
Er wurde aber durch norddeutsche Kaufleute im Heiligen Land gegründet mit der Absicht den deutschen Kreuzfahrern und Pilgern medizinische Hilfe zu bieten.

Niemand hat hier etwas anderes behauptet :fs:
Dennoch ist es mE etwas verwegen, daraus abzuleiten, daß "die Schaffung des Deutschen Ordens" als "Auswuchs einer gemeinsamen Identität" gesehen werden kann.
Zum einen könnte ich mit analoger Ableitung dann bspw. den Johanniterorden als Auswuchs gemeinsamer italienischer Identität sehen (schließlich ging der auch aus einer Gründung von Kaufleuten aus Amalfi hervor und kümmerte sich zunächst vornehmlich um Pilger aus den italienischen Städten).
Zum anderen ist der Kontext auch nicht ganz so einfach abzuhandeln, sondern muß differenzierter gesehen werden: Deutscher Orden - Deutsche Brderprovinz
 
Das Mittelhochdeutsche war in sich keine einheitliche Schriftsprache sondern es gab unterschiedliche Schreibformen und Schreibtraditionen in den verschiedenen hochdeutschen Regionen. Die regionale Gliederung des Mittelhochdeutschen deckt sich oft mit den rezenten dialektalen Großräumen und Aussprache-Isoglossen, jedoch haben sich diese Dialektgrenzen seit dem Mittelalter auch verschoben...

Ich habe eine Seite aus einer Nibelungen Handschrift an der Wand hängen,
für mich klingts wie geschriebenes Schwäbisch.
"in alden Mären viel gesait"
 
Hehe, ein Test. Mal sehn, was ich hinkrieg.

Ich bin Erzgebirgler, und das ist aber nicht einfach ein Sachse, in Leipzig und Dresden versteht uns eh keiner, aber auch in Kams (?) und Zwickau hört das schon ein wenig auf.
Und das sind auch (jede Menge?) Leute,die die Sprache (verhunzen?), ...(?)
Bis jetzt gehts noch? Verstehst du, was da so steht?
Ich glaub aber, es geht auch noch, wenn ich sage "der Mann", "die Frau" und "das Kind", was aber sagen Sie zu ( da steigt ich aus ^^).

Ich hab da eher meine Probleme mit dem Lesen, als mit dem akkustischen Verstehen, glaube ich.

Dennoch ist es mE etwas verwegen, daraus abzuleiten, daß "die Schaffung des Deutschen Ordens" als "Auswuchs einer gemeinsamen Identität" gesehen werden kann.

Zu dieser Ableitung genügt mir allein der Name des Ordens, und die meist deutschen Mitglieder.
 
Erst einmal zum Test: wie ich bereits schrieb, waren es vergleichsweise einzelne Sätze.
Und um jeglichen Mißverständnissen vorzubeugen: es ging mir dabei nicht darum, irgendwen vorzuführen (wäre Blödsinn, denn wer in einer Mundart zuhause ist, hat naturgemäß den Vorteil), sondern die Verständlichkeit abseits des Standarddeutschen zu verdeutlichen.

Iich bii Aarzgebeergler; un dos is fei net aafach e Sackse...
Ich bin Erzgebirgler, und das ist aber nicht einfach ein Sachse...
Das paßt soweit.
Anm.: Hier gleich der Hinweis auf das eigentümliche Wort fei, welches typisch für den oberdeutschen Sprachraum ist. Genaugenommen gibt es dafür keine standarddeutsche Entsprechung, und oftmals wird es auch nicht übertragen. Es kann jedoch - je nach Intention des Satzes - die Bedeutung von aber, nämlich, übrigens, ziemlich oder endlich haben.

... in Leiptsch un in Drasdn vrstitt uns eh kenner, aber a in Kams odr Zwicke heert dos schuu ewing auf...
... in Leipzig und Dresden versteht uns eh keiner, aber auch in Kams (?) und Zwickau hört das schon ein wenig auf.
In Leipzig und Dresden versteht uns eh keiner, aber auch in Chemnitz und Zwickau wird es schon schwer (damit).
Den Sinn hast Du verstanden - auch soweit gut.
ABER: Das war noch der einfache Teil des Textes...

Un do sei fei wuuannersch a Leit, wuu dii Sprooch vrhuunebiibln, aber de Walt is aam schlacht...
Und das sind auch (jede Menge?) Leute,die die Sprache (verhunzen?), ...(?)
Hier wird es bereits mühsam: Und woanders (sprachlich korrekt: andernorts) sind da (sprachlich korrekt: gibt es) auch Leute, welche diese Sprache verunstalten, aber die Welt ist eben schlecht...
Ich gebe zu, daß dieser Satz diesbezüglich gemein ist.
Anm.: fei dient hier der Verstärkung, ohne ins Standarddeutsche übertragen zu werden.

Bis itze gitt's noch? Vrstisstis, wos do suu stiit?
Bis jetzt gehts noch? Verstehst du, was da so steht?
Wieder einfach und soweit OK; sprachlich korrekt svw. Geht es noch (mit dem Verstehen des Textes)? Verstehst Du, was da geschrieben steht?

Iich glaab fei, 's gitt a noch, wenn'ch saa "dr Maa", "de Fraa" un "s Kind"; wos aber saas'dn ze "Fansder", "Gung", "Gaar", "Naal", "Woong"? Un wos is "Dridewaar", "Hoos", "Huus", "Schmiich", "Fauns", "Hitsch"?
Ich glaub aber, es geht auch noch, wenn ich sage "der Mann", "die Frau" und "das Kind", was aber sagen Sie zu ( da steigt ich aus ^^)...
Diese Sätze sind auch wirklich gemein, denn mit jedem Wort steigt faktisch der Schwierigkeitsgrad des Verstehens: Ich glaube übrigens, daß es auch noch geht, wenn ich "der Mann", "die Frau" und "das Kind" sage; was aber sagst Du denn zu "Fenster", "Junge", "Jahr", "Nagel", "Wagen"? Und was ist "Bürgersteig" (ganz gemein, da Trottoir landschaftlich verformt - Anm. von mir), "Hase", "Hose", "Gliedermaßstab" (Zollstock; in Sachsen landschaftliche Bezeichnung Schmiege - Anm. von mir), "Ohrfeige" (hier Bezug zu Faust - Anm. von mir), "Fußbank" (kann man kaum erklären - Anm. von mir)?

Es ist also wirklich nicht so einfach mit dem Verstehen ohne Bemühen um Standardsprache; und jetzt stell Dir einmal vor, Du hast den Austausch und Kontakt incl. der Möglichkeit, mit diesen Dingen zu befassen, nicht in dem Maße wie wir heute.

Ich hab da eher meine Probleme mit dem Lesen, als mit dem akkustischen Verstehen, glaube ich.

Darüber ließe sich streiten, aber das bringt nichts.
Als Beispiel möchte ich hierzu lediglich einmal schlecht=schlacht anführen, wo das ch im erzgebirgischen Wort nicht wie in Licht oder richtig, sondern wie in Buch oder lachen ausgesprochen wird.



Zur anderen Sache:

Zu dieser Ableitung genügt mir allein der Name des Ordens...
"Ordo domus Sanctae Mariae Theutonicorum"

Orden (der Brüder) vom deutschen Haus St. Mariens - aber ob das wirklich ausreichend ist?
Mir geht dabei nämlich eine Anmerkung in Alain Demurger "Die Ritter des Herrn - Geschichte der geistlichen Ritterorden Europas" - C.H. Beck, München 2003; S. 48 nicht aus dem Kopf: bis 1258(!) erhoben die Johanniter den Anspruch, daß das deutsche Haus ihnen unterstellt sei.

... und die meist deutschen Mitglieder...

Gehen wir es einmal andersherum an: wenn diese Ordensgründung derart identitätsstiftend war, wie erklärt sich dann, daß bspw. der Johanniter-/Hospitaliter-/Malteserorden auf deutschem bzw. HRR Gebiet nicht zurückgedrängt wurde, sondern nach wie vor der größere und bedeutendere Orden blieb?
 
Noch ein Nachtrag, den ich während des nächtlichen Schreibens vergessen hatte...

Es ist also wirklich nicht so einfach mit dem Verstehen ohne Bemühen um Standardsprache; und jetzt stell Dir einmal vor, Du hast den Austausch und Kontakt incl. der Möglichkeit, mit diesen Dingen zu befassen, nicht in dem Maße wie wir heute.

Auch zu bedenken ist, daß wir heutzutage eben die deutsche Standardsprache zumindest in der Schule einmal kennengelernt haben.

Darüber ließe sich streiten, aber das bringt nichts.
Als Beispiel möchte ich hierzu lediglich einmal schlecht=schlacht anführen, wo das ch im erzgebirgischen Wort nicht wie in Licht oder richtig, sondern wie in Buch oder lachen ausgesprochen wird.

Hier ist noch hinzuzufügen, daß beim Sprechen im konkreten Fall noch einige Worte miteinander verschmolzen werden, die in aufgeschriebenen Sätzen getrennt stehen.
 
Interessant die Auflösung. Ja, das klingt wirklich ähnlich wie der oberpfälzer Dialekt, den ich hier gewohnt bin. "Fei" ist ein sehr typisches Wort hier.

Gehen wir es einmal andersherum an: wenn diese Ordensgründung derart identitätsstiftend war, wie erklärt sich dann, daß bspw. der Johanniter-/Hospitaliter-/Malteserorden auf deutschem bzw. HRR Gebiet nicht zurückgedrängt wurde, sondern nach wie vor der größere und bedeutendere Orden blieb?

Hm, ich sagte nicht, dass die Ordensgründung identitätsstiftend war. Ich meine aber, dass es auffällig ist, dass es eine gewisse Vorstellung vom "Deutschen" gegeben haben muss, wenn sich der Orden schon so benennt.

Ob "Ordo domus Sanctae Mariae Theutonicorum" oder "Ordo Teutonicus"ist in der Beziehung relativ egal. Offensichtlich hat es mehr bedeutet als "der Orden, in dem deutsch gesprochen wird", zumal das ja hier teilweise schon widerlegt wurde :D
 
Du teilst diese Meinung? Ich habe explizit nach Deiner Sicht der Dinge gefragt.

Ja. Da ich nicht im 13. Jahrhundert lebe, muss ich mich auf die damaligen Menschen und ihre Meinungen verlassen. Und Walther grenzt das deutsche Land eben dergestalt ab, dass es von der Elbe bis zum Rhein und wieder nach Ungarn reiche.

- Die erste urkundliche Erwähnung der Staatsbezeichnung „Regnum Teutonicum" erscheint im Jahre 920.

Wir brauchen hier nicht über Staatsnamen sprechen, weil es damals schlicht keine offiziellen Staatsnamen gab. Regnum teutonicorum war kein offizieller Staatsname, und Regnum francorum (orientalum) auch nicht. Nicht der "Staatsname" ist wichtig, sondern das Verständnis der Menschen. Und die verstanden sich (zusätzlich zu ihrer Identität als Baiern etc.) durchaus als Deutsche.

Singular "Deutschland" ist also noch nicht vertreten (...)

Wie MacX schon sagte, kam bereits in der Goldenen Bulle das Wort Dutschelant vor. Zu Huttens Zeiten war der Begriff Teutschland/Deutschland schon normal. Hutten selbst benutzte das Wort sehr häufig. Er benutzte übrigens auch die Bezeichnung "Teutsches Reich" recht häufig.

Eine wirkliche deutsche Identität konnte sich erst im Zuge der Entstehung der "Nationalstaaten" (<-- bitte auch durchlesen!) im 18./19. Jh. herausbilden.

Kommt darauf an, was Du unter "wirklicher deutscher Identität" verstehst. Wenn Du darunter die Idee, man dürfe nur in der Armee des jeweiligen Vaterlandes dienen und sich nicht als Söldner an den höchstbietenden verkaufen (im Verein mit der Wehrpflicht als einem Ehrendienst), hast Du recht. Wenn Du darunter verstehst, dass die Deutschen sich als ein Volk fühlten, hast Du unrecht, denn das taten sie schon vorher.

(Und ich füge weiter hinzu:) ...und kann somit imho auch keine deutsche Identität für seine Person aufbauen.
:)

Auch heute gibt es genug Menschen, die keine deutsche Identität haben. Gibt es deshalb keine deutsche Nation, weil Millionen Deutsche lieber Bayern/Sachsen/Franken oder Europäer denn Deutsche sind?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja. Da ich nicht im 13. Jahrhundert lebe, muss ich mich auf die damaligen Menschen und ihre Meinungen verlassen. Und Walther grenzt das deutsche Land eben dergestalt ab, dass es von der Elbe bis zum Rhein und wieder nach Ungarn reiche.
Hierzu habe ich jetzt mal recherchiert. Aus: Danielle Buschinger: Einige Bemerkungen zum Begriffsfeld Nation im Maittelalter. Von der natio zur Nation. in: Iablis 2005
...Dennoch scheinen zwei deutsche Dichter vom Ende des 12. und vom Anfang des 13. Jahrhunderts ein gewisses Nationalgefühl auszudrücken: Gottfried von Straßburg in seinem Tristan (1205-1210) und vornehmlich Walther von der Vogelweide (1170-1220) in einigen seiner Gedichte.

Beide Autoren benutzen den ethnischen Namen Alemâne (Walther 34,7 Ich han zwen Alman under eine krone braht, Gottfried 3702/3 Norwaegen, Irlandaere,/ Almanjen, Schotten unde Tenen, übrigens wie Wolfram von Eschenbach in seinem Parzival [67,22 dâ ligent ûf dem plâne/ die stolzen Alemâne] oder in seinem Willehalm (350,7 Franzoyse und Alemâne). Walther gebraucht jedoch öfter das germanische Wort tiutsch, das von germ. *Þeuðô-= Volk abgeleitet und ursprünglich (im 8. Jahrhundert) benutzt wurde, um die Volkssprache zu benennen (theodisca lingua) im Gegensatz zum Latein, dann eine Sprache, die sich von den romanischen Volkssprachen unterschied. Unter Karl dem Großen wurde die Gemeinschaft der germanischen Völker durch den Ausdruck gentes theodiscae bezeichnet. Im Mittelhochdeutschen bedeutet diutsch, tiutsch zweifelsohne ›deutsch‹. Im Cligès (V. 2925) stellt Chrétien de Troyes tiois (ein Wort, das diutsch entspricht) Aleman (= Alemâne) gegenüber, und gibt dabei wohl ersterem die Bedeutung von ›Norddeutscher‹, letzterem die von ›Süddeutscher‹.
Das heißt, es gab am Anfang des 13. Jh. tatsächlich zwei deutsche Dichter, die sich wohl etwas unter "Deutschland" vorstellten.
Ich möchte dabei zu bedenken geben, daß jede "Ideologie" "Erfinder" bzw. Vorreiter braucht, die eine Idee haben und die diese Idee verbreiten. Im Laufe der Zeit machen sich dann immer mehr Menschen diese Idee zu eigen. Haben wir es hier möglicherweise mit zwei dieser Vorreiter zu tun?

Diese Idee mag dann im Laufe der Zeit immer mehr Anhänger gefunden haben und deshalb:
Wie MacX schon sagte, kam bereits in der Goldenen Bulle das Wort Dutschelant vor. Zu Huttens Zeiten war der Begriff Teutschland/Deutschland schon normal. Hutten selbst benutzte das Wort sehr häufig. Er benutzte übrigens auch die Bezeichnung "Teutsches Reich" recht häufig.

Weiterhin muß ich aber noch auf die politischen Verhältnisse im 12./13. Jh. aufmerksam machen, denn gerade in dieser Zeit war mit den Staufern eine Kaiserdynastie an der Macht, die besonderen Wert auf den Namen "Imperium Romanorum" legte, so daß Gottfried von Straßburg und Walther von der Vogelweide diesbezüglich in klarer Opposition zum Kaiser standen.

Wir brauchen hier nicht über Staatsnamen sprechen, weil es damals schlicht keine offiziellen Staatsnamen gab. Regnum teutonicorum war kein offizieller Staatsname, und Regnum francorum (orientalum) auch nicht. Nicht der "Staatsname" ist wichtig, sondern das Verständnis der Menschen. Und die verstanden sich (zusätzlich zu ihrer Identität als Baiern etc.) durchaus als Deutsche.
(...)
Kommt darauf an, was Du unter "wirklicher deutscher Identität" verstehst. Wenn Du darunter die Idee, man dürfe nur in der Armee des jeweiligen Vaterlandes dienen und sich nicht als Söldner an den höchstbietenden verkaufen (im Verein mit der Wehrpflicht als einem Ehrendienst), hast Du recht. Wenn Du darunter verstehst, dass die Deutschen sich als ein Volk fühlten, hast Du unrecht, denn das taten sie schon vorher.
Im 13. Jh.? Woher willst du das wissen?
Ich hab auch dazu heute mal was nachgelesen: Ganz im Widerspruch zu deiner Meinung steht in meinem Buch "Geschichte des Alltags des Deutschen Volkes" nichts von einem deutschen Nationalbewußtsein.
Die große Mehrheit der Bevölkerung waren Bauern und die sahen nur ihr nächstes Umfeld. Es gab eigentlich im Reich überhaupt kaum Gemeinsames: keine einheitlichen Maße und Gewichte, keine einheitliche Währung und eine Vielzahl von lokalen Herrschaften, die immer selbständiger regierten. Da haben es Ideen wie ein "Nationalbewußtsein" natürlich besonders schwer. Besonders beim einfachen Volk - den Bauern. In meinem Buch wird das Ganze als "lokale Borniertheit" umschrieben.
Auch heute gibt es genug Menschen, die keine deutsche Identität haben. Gibt es deshalb keine deutsche Nation, weil Millionen Deutsche lieber Bayern/Sachsen/Franken oder Europäer denn Deutsche sind?
Hat wohl mit der jüngeren Deutschen Geschichte zu tun, wodurch das "Deutschsein" schon fast in Verruf geraten ist - leider.
 
Das heißt, es gab am Anfang des 13. Jh. tatsächlich zwei deutsche Dichter, die sich wohl etwas unter "Deutschland" vorstellten.
Ich möchte dabei zu bedenken geben, daß jede "Ideologie" "Erfinder" bzw. Vorreiter braucht, die eine Idee haben und die diese Idee verbreiten. Im Laufe der Zeit machen sich dann immer mehr Menschen diese Idee zu eigen. Haben wir es hier möglicherweise mit zwei dieser Vorreiter zu tun?

Da wir mit dem Annolied schon einen Beleg im 11. Jahrhundert haben, wären die beiden genannten Dichter wohl keine Vorreiter, sondern eher Mitläufer.

Dem Rest kann ich so zustimmen. Beim Versuch den Zeitpunkt festzustellen, ab wann das einfache Volk ein überregionales Nationalbewusstsein entwickelte, tappen wir wohl im Düstern. Ich würde aber aufs Spätmittelalter tippen.
 
H

Im 13. Jh.? Woher willst du das wissen?
Ich hab auch dazu heute mal was nachgelesen: Ganz im Widerspruch zu deiner Meinung steht in meinem Buch "Geschichte des Alltags des Deutschen Volkes" nichts von einem deutschen Nationalbewußtsein.
Die große Mehrheit der Bevölkerung waren Bauern und die sahen nur ihr nächstes Umfeld. Es gab eigentlich im Reich überhaupt kaum Gemeinsames: keine einheitlichen Maße und Gewichte, keine einheitliche Währung und eine Vielzahl von lokalen Herrschaften, die immer selbständiger regierten. Da haben es Ideen wie ein "Nationalbewußtsein" natürlich besonders schwer. Besonders beim einfachen Volk - den Bauern. In meinem Buch wird das Ganze als "lokale Borniertheit" umschrieben.

Hat wohl mit der jüngeren Deutschen Geschichte zu tun, wodurch das "Deutschsein" schon fast in Verruf geraten ist - leider.

Ich denke mal, dass wir da nach wie vor der "borussischen" Sichtweise der Historiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts aufsitzen.
 
Ordnungszahlen

hallo zusammen,
ich habe mal eine frage in bezug auf ordnungszahlen bei herrschern. führten z.b. die salier schon zu lebzeiten nach ihrem namen eine ordnungszahl oder wurde diese erst in späterer zeit zur orientierung hinzu gefügt?
 
Die Ordnungszahlen kamen erst recht spät auf. Auch bei den Staufern werden sie noch nicht benutzt.

Seine Urkunden hat Friedrich II. in der Regel nach der obligatorischen Ivokation ("+In nomine patre et...") mit "Fredericus divina favente clementia rex Sicilie, ducatus Apuliae et principatus Capuae" eingeleitet. In der Rekognitionszeile hat er meist ähnlich geschlossen.
Eine gefälschte Urkunde von 1211 nennt ihn "Fredericus dei gratia Romanorum rex et imperator semper augustus"
Schließlich nennt ihn eine Urkunde vom Januar 1212 "Fredericus divina favente clementia rex Sicilie, ducatus Apuliae et principatus Capuae in Romanorum imperatorem electus et semper augustus." Aber bei einigen der folgenden Briefe und Urkunden bezieht er sich wieder nur auf seine italienischen Titel und zwar unabhängig davon wo bzw. für wen er urkundet.
 
Ich muss mich korrigieren, lese gerade in der lat. Fassung des Mainzer Landfriedens: "Fridericus secundus divina favente clemencia Romanorum imperator semper augustus, Ierusalem et Sicilie rex."
Allerdings kann ich nicht mehr nachvollziehen, warum ich ausgerechnet ein staufisches Bsp. gewählt habe :confused:
 
Hab grad mal im "Monumenta Germaniae Historica" reingeschmökert unter den Urkunden Heinrichs IV., in der zB steht "nostri patris Heinrici secundi Romanorum imperatoris". Er nennt seinen Vater Heinrich III, also den 2. römischen Kaiser Heinrich, was ja nicht verkehrt ist, da Heinrich I. nur König war...
 
Es gibt auch Urkunden von Heinrich IV., v. a. nach seiner Kaiserkrönung, in denen er sich selbst "Heinrich III." nennt. Dasselbe Spiel mit Heinrich V., der sich "Heinrich IV." nennt. Ich glaube, Konrad III. nannte sich auch "Konrad II." - ohne je zum Kaiser gekrönt worden zu sein. In den historiographischen Werken werden die Kaiser allerdings anders gezählt. Ich glaube, es war Otto von Freising, der dieselbe Zählung für die ganzen Heinriche verwendet wie wir, wenn ich mich recht erinnere...
 
Der früheste Historiograph, von dem ich sicher weiß, dass er die Herrscher mit Zahlen versehen hat, ist Otto von Freising im 12. Jahrhundert. Aus praktischen Gründen begann man aber sicherlich schon etliche Jahre davor damit.
Ich bin gerade über eine spanische Münze gestolpert. Um es vorweg klar zu sagen: Die Münze ist etwas über ein halbes Jahrhundert nach Otto von Freising geprägt worden, für Heinrich I. von Kastilien, der nur drei Jahre König war und an einem Dachziegel auf dem Kopf starb (vermutlich tatsächlich ein Unfall, Mordthesen, sind mir zumindest nicht bekannt, weder mittelalterlich noch neuzeitlich. Heinrich/Henric/Enrique war ja auch erst 13 Jahre alt).
hENRIC ibn Alfuns.png

Die Münze folgt den Münzen Alfons VIII., der auch im arabischen Tex erwähnt wird (ich kann die Münze nur lesen, weil ich weiß, was da stehen soll*):
hENRIC ibn Alfuns2.png

الأمير
ابن ألفنس الثامن
hENRIC​
Der Emir/König
Sohn Alfons' des Achten Heinrich



*will sagen: Ich hätte das niemals selber entziffert, erkenne aber, wo ich weiß, was da steht, tatsächlich ein paar Buchstaben wieder.
 
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