Frankreich 1799-1803: Republik oder Quasimonarchie?

Brissotin

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Ich lese ja derzeit die Biographie von Bernard zu Talleyrand.

Daraus geht hervor, dass Talleyrand neben Sieyès einer der "Hauptstrippenziehen" des Coup d'État vom Brumaire war, welcher dem Directoire dann den Todesstoß versetzte. Sieyès hatte ja angeblich ständig neue Verfassungsentwürfe bei sich. Auch zum Sturz des Directoire hatte er einen ausgearbeitet, welcher die Exekutive verändern sollte. Dieser wurde aber sowohl nach den Ansichten von Bonaparte, als auch denen von Talleyrand allerdings völlig umgeworfen. Letztlich kam den beiden Kammern dadurch nur noch eine Art Statistenrolle (wie eigentlich auch den beiden letzteren Konsuln) zu.

In der Folge wurden dann Sieyès und Roger Ducos, die sich für Bonapartes Unternehmen hatten vorspannen lassen und somit als 2 der 5 Direktoren - nur den gefährlichsten, Barras, meinte man noch bestechen zu müssen - hinter dem Sturz ihrer eigenen Herrschaft standen, ausmanövriert. Stattdessen nahm man zwei politisch weniger gefährliche Bürger, wobei Cambacérès zumindest in der Enghien-Affäre den Schneit hatte zu protestieren (!), welche die beiden provisorischen Konsuln Ducos und Sieyès ersetzten.

Nun meint Bernard, dass dieses Consulat, wie es mit dem Dreigestirn Bonaparte-Cambacérès-Lebrun, im Grunde Talleyrands Vorstellungen von einer konstitutionellen Monarchie, die er in der Versammlung schon um 1790 hatte, am nächsten kam, mit der Ausnahme, dass die Amtszeit des maßgeblichen Consul noch begrenzt war.
Dass es überhaupt ein Dreigestirn gab, sollte den Republikanern verschleiern, dass es sich um eine Quasimonarchie mit eigentlich nur einem Mann handelte - Bonaparte - der nicht nur die Gesetze sanktionierte, sondern sie auch noch selber vorschlagen durfte. Gerade Letzteres scheint mir aber, abgesehen davon, dass sich Bonaparte doch selber um die Verfassung wenig scherte, eher gegen eine wirkliche konstitutionelle Monarchie zu sprechen.

Bonaparte war grundsätzlich Republikanismus verhasst und daher suchte er, wenn es nur irgend ging, seine Feinde unter den Jakobinern. Unter dem Vorwand Jakobiner zu sein, hatte man sich ja auch die beiden übrigen Direktoren 1799 entledigt.
Auf Anraten Talleyrands bemühte sich Bonaparte, natürlich verdeckt, da ihn als Chef einer "Republik" eine offene Verhandlung mit Louis XVIII kompromitiert hätte, sogar ein Ausgleich mit den Bourbonen und den militantesten Royalisten, nachdem er schon vielen Emigrantenfamilien die Rückkehr erleichtert hatte.

Der "Volksentscheid" von 1802, welcher die Amtszeit des 1er Consul lebenslänglich machte, ließ dann quasi die Bemäntelung fast gänzlich fallen.

Was meint ihr zu Bernards Ausführungen?*:grübel:

Constant und andere, welche den zunehmenden Absolutismus Bonapartes bemängelten, wurde auch gedroht oder mit einer milden Verbannung, wo man die Verschickung nicht durchführen konnte oder wollte, die neuen Grenzen in der (Schein-)Republik aufgezeigt.

*
J.F.Bernard: "Talleyrand - Diplomat - Günstling - Opportunist"
Heyne, München, 1979
S. 248
 
Auf Anraten Talleyrands bemühte sich Bonaparte, natürlich verdeckt, da ihn als Chef einer "Republik" eine offene Verhandlung mit Louis XVIII kompromitiert hätte, sogar ein Ausgleich mit den Bourbonen und den militantesten Royalisten, ...

Frage dazu, wie soll den dieser Ausgleich ausgesehen haben?

Gruss, muheijo
 
Frage dazu, wie soll den dieser Ausgleich ausgesehen haben?

Gruss, muheijo
Die Bourbonen dürfen zurückkehren und erhalten eine stattliche staatliche Entschädigung und verzichten dafür auf alle Ansprüche auf den Thron.

Das liegt zwischen der republikanischen Ansicht, dass sie den Tod verdient haben und überhaupt durch ihre Emigration alle Rechte auf irgendwelche Unterstützung durch Frankreich verwirkt haben und der royalistischen Maximalforderung einer Wiedereinsetzung in die alten Rechte.


Louis XVIII zog allerdings stolz das "Elend" des Exils vor. (Wie sicher das Leben in Frankreich gewesen wäre (siehe Fall Enghien) steht freilich auf einem anderen Blatt(!).)
 
Was meint ihr zu Bernards Ausführungen?*:grübel:

Ich habe gerade mal bei meinem "Talleyrand" von Duff Cooper quergelesen.
Demnach scheint es tatsæchlich so zu sein, dass

- N die Royalisten als das kleinere Uebel angesehen hat: Die Jakobiner galten als Hauptfeinde
- Talleyrand Initiator oder zumindest Unterstuetzer eines Ausgleichs gewesen sein soll; er arrangierte Treffen mit royalistischen Abgeordneten usw. Wie dieser "Ausgleich" aussehen sollte, wird nicht beschrieben.

Talleyrand ging aber davon aus, dass das Konsulat auf wackligen Beinen stand, er wird also -wie immer- Alternativplæne gehabt haben, wenn's mit N bergab gegangen wære.
Die Royalisten hingegen waren sich nicht einig, wie sich N entwickeln wuerde: Als Cromwell oder Monk (der fuer die Wiedereinsetzung der Stuarts eintrat)
Talleyrand selbst hielt sich schon damals alle Optionen offen.

Gruss, muheijo
 
1.
- N die Royalisten als das kleinere Uebel angesehen hat: Die Jakobiner galten als Hauptfeinde
- Talleyrand Initiator oder zumindest Unterstuetzer eines Ausgleichs gewesen sein soll; er arrangierte Treffen mit royalistischen Abgeordneten usw. Wie dieser "Ausgleich" aussehen sollte, wird nicht beschrieben.

2.
Talleyrand ging aber davon aus, dass das Konsulat auf wackligen Beinen stand, er wird also -wie immer- Alternativplæne gehabt haben, wenn's mit N bergab gegangen wære.

3.
Die Royalisten hingegen waren sich nicht einig, wie sich N entwickeln wuerde: Als Cromwell oder Monk (der fuer die Wiedereinsetzung der Stuarts eintrat)
4.
Talleyrand selbst hielt sich schon damals alle Optionen offen.
1.
Die Royalisten waren vielleicht gerade darum nicht so gefährlich, da sie sich in der Republik mit ihren Zielen vor der Öffentlichkeit ohnehin selbst kompromittierten, während die Neojakobiner ja im Grunde nur die Republik, welche "existierte", wieder auf ihre republikanischen Werte zurück führen wollten.
Es muss ja eine gewisse Menge an Leuten gegeben haben, welche den Rat der 500 mit seiner, scheinbar eher jakobinisch gesinnten, Zusammensetzung, wie er im Brumaire bestand, gewählt haben und diese Wähler waren ja nicht auf einmal verschwunden, sondern stellten eine andauernde Gefahr da. Bonaparte war sich seines Verstoßes gegen den Geist der Revolution (von 1792), so denke ich, durchaus bewusst.
Hatte er nicht im August als Augenzeuge eines Tuileriensturms so kommentiert, dass er diesen Pöbel rasch zusammenschießen lassen würde? Ich denke, das passt genau in seine Ansichten.

2.
Das betont auch Bernard und erwähnt wegen dieser Pläne, welche Bonaparte scheinbar zu Ohren kamen, dann schon ein gewisses Zerwürfnis zwischen beiden, als Bonaparte nach Marengo zurück nach Paris kam. Wobei sich die eigentliche Kluft zwischen den Männern erst so wirklich vertiefte, als Bonaparte Piemont annektieren ließ, was Talleyrand nicht nur für unnötig, sondern eben auch für einen Fehler hielt. Wahrscheinlich um diese Zeit des Bruches des Friedens mit England wurde Talleyrand so recht bewusst, dass er sich in Bonapartes Befähigung als Oberhaupt und einer Gemeinsamkeit in den außenpolitischen Ansichten doch getäuscht hatte. Ab 1802/03 und dann mit dem politischen Mord an Enghien ließ Bonaparte doch deutlich seine Vorstellungen einer Diktatur oder Herrschaft erscheinen.

Allerdings konnte diese Fehler keine jakobinische Opposition auswerten, weil diese, so nicht schon vom Direktorium entfernt, sehr geschickt von Fouché bekämpf und im Keime erstickt wurde.

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Eine Zwischenfrage hätte ich zu dem Thema, auch wenn leider ein bisschen über das Jahr 1803 hinaus gehend. Kann man Moreaus Schicksal mit dem von Carnot 1797 vergleichen? Bonaparte hatte ja versucht, Moreau in einen Zusammenhang mit der Pichegru-Cadoudal-Affäre verurteilen zu lassen, wobei Moreau seine alte Freundschaft zu Pichegru zum Verhängnis wurde. Zwar ließ sich nichts wirklich Wesentliches nachweisen, er wurde sogar eigentlich freigesprochen, war danach durch Intervention Bonapartes aber dennoch erledigt und wurde durch den ersten Konsul 1804 verbannt.
Der Ursprung des Zerwürfnisses, abgesehen davon, dass Moreau als Kriegsheld von 1800 immernoch gefährlich hoch in der Gunst eines Teils der Bevölkerung stand, war ein Brief von Moreau von 1803, in welchem er sich über sein Missfallen über die Ausgestaltung und die Zunahme der Diktatur des ersten Konsuls gegenüber einem General geäußert hatte.

Carnot war ja ebenfalls, als überzeugter Republikaner, 1797 mit den Ränken der royalistischen Partei um Pichegru in den Kammern in Verbindung gebracht worden. Nach der Niederlage der Royalisten im Fructidor hatte zwar Carnot versucht seine Unschuld zu beteuern, zu beteuern, dass er sich für einen antirepublikanischen Staatsstreich nie hergegeben hätte, aber dem wurde kein Glauben geschenkt - oder vielmehr die maßgeblichen Direktoren um Barras WOLLTEN dem nicht glauben.

In gewissem Maße gab sich ja auch Barras monarchengleich. Auch wenn ich ihn nun nicht auf eine Stufe mit Bonaparte in der Hinsicht stellen möchte.
Wie groß ist der Unterschied zwischen Direktorium und Konsulat?
Zumindest regierten die Direktoren in der Konsequenz des Alltagsgeschäfts doch ohne die Kammern oder an ihnen vorbei, auch wenn diese gefährlich blieben.

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3.
Zumindest die militanten Royalisten werden erkannt haben, dass Bonaparte zu ehrgeizig ist, um dem König Platz zu machen. Louis XVIII mag Bonaparte am Anfang, zum Zeitpunkt des ersten Austausches mit dem neuen ersten Konsul, noch unterschätzt haben.

4.
Wie stets.
Zumindest die Royalisten und Emigranten dürften erkannt haben, dass er der versöhnliche Part war, der noch emsiger als Bonaparte, doch der eigentliche Nerv einer Rückkehr der Emigranten und einer Wiedereinsetzung in gewissen Ebenen war.
Ich denke mal, damit empfahl er sich für die Bourbonen, auch wenn er den echten Katholiken und überzeugtesten Bourbonenfreunden weiterhin durch die Makel, die ihm durch seine Rolle in der Revolution anhafteten, ewig suspekt blieb.
 
Ich lese ja derzeit die Biographie von Bernard zu Talleyrand.

Daraus geht hervor, dass Talleyrand neben Sieyès einer der "Hauptstrippenziehen" des Coup d'État vom Brumaire war, welcher dem Directoire dann den Todesstoß versetzte. Sieyès hatte ja angeblich ständig neue Verfassungsentwürfe bei sich. Auch zum Sturz des Directoire hatte er einen ausgearbeitet, welcher die Exekutive verändern sollte. Dieser wurde aber sowohl nach den Ansichten von Bonaparte, als auch denen von Talleyrand allerdings völlig umgeworfen. Letztlich kam den beiden Kammern dadurch nur noch eine Art Statistenrolle (wie eigentlich auch den beiden letzteren Konsuln) zu.

In der Folge wurden dann Sieyès und Roger Ducos, die sich für Bonapartes Unternehmen hatten vorspannen lassen und somit als 2 der 5 Direktoren - nur den gefährlichsten, Barras, meinte man noch bestechen zu müssen - hinter dem Sturz ihrer eigenen Herrschaft standen, ausmanövriert. Stattdessen nahm man zwei politisch weniger gefährliche Bürger, wobei Cambacérès zumindest in der Enghien-Affäre den Schneit hatte zu protestieren (!), welche die beiden provisorischen Konsuln Ducos und Sieyès ersetzten.

Nun meint Bernard, dass dieses Consulat, wie es mit dem Dreigestirn Bonaparte-Cambacérès-Lebrun, im Grunde Talleyrands Vorstellungen von einer konstitutionellen Monarchie, die er in der Versammlung schon um 1790 hatte, am nächsten kam, mit der Ausnahme, dass die Amtszeit des maßgeblichen Consul noch begrenzt war.
Dass es überhaupt ein Dreigestirn gab, sollte den Republikanern verschleiern, dass es sich um eine Quasimonarchie mit eigentlich nur einem Mann handelte - Bonaparte - der nicht nur die Gesetze sanktionierte, sondern sie auch noch selber vorschlagen durfte. Gerade Letzteres scheint mir aber, abgesehen davon, dass sich Bonaparte doch selber um die Verfassung wenig scherte, eher gegen eine wirkliche konstitutionelle Monarchie zu sprechen.

Bonaparte war grundsätzlich Republikanismus verhasst und daher suchte er, wenn es nur irgend ging, seine Feinde unter den Jakobinern. Unter dem Vorwand Jakobiner zu sein, hatte man sich ja auch die beiden übrigen Direktoren 1799 entledigt.
Auf Anraten Talleyrands bemühte sich Bonaparte, natürlich verdeckt, da ihn als Chef einer "Republik" eine offene Verhandlung mit Louis XVIII kompromitiert hätte, sogar ein Ausgleich mit den Bourbonen und den militantesten Royalisten, nachdem er schon vielen Emigrantenfamilien die Rückkehr erleichtert hatte.

Der "Volksentscheid" von 1802, welcher die Amtszeit des 1er Consul lebenslänglich machte, ließ dann quasi die Bemäntelung fast gänzlich fallen.

Was meint ihr zu Bernards Ausführungen?*:grübel:

Constant und andere, welche den zunehmenden Absolutismus Bonapartes bemängelten, wurde auch gedroht oder mit einer milden Verbannung, wo man die Verschickung nicht durchführen konnte oder wollte, die neuen Grenzen in der (Schein-)Republik aufgezeigt.

*
J.F.Bernard: "Talleyrand - Diplomat - Günstling - Opportunist"
Heyne, München, 1979
S. 248

Guten Tag,

in der Tat war Talleyrand ein gemäßigter Revolutionär. Er setzte das metrische System durch, warb für ein neues Schulsystem, einzig seine umgesetzten Vorschläge zum Kircheneigentum schlugen Wellen, die ihm noch Jahrzehnte später auf die Füße fielen.
Er war einer der wenigen Hocharistokraten, die begriffen hatten, dass die Machtvollkommenheit des Königs alle Stände des Staate völlig machtlos machte. Während der immer mehr verarmende Adel "unbeschäftigt und gelangweilt, sein Heil in allerlei Zerstreuung suchte, ... brachten Industrie und Handel den bürgerlichen Klassen große Reichtümer, und bedeutende Männer fanden gleichfalls Anerkennung; aber als einziger Vorrang galt nur die hohe Geburt." (Vergl. T., Memoiren, Köln und Leipzig, 1891, Band 1, Seite 90/91)
Talleyrands Familie selbst ist das beste Beispiel für die Abhängigkeit vom königlichen Hof und die doch fast sprichwörtliche Armut der meisten Aristkraten, wobei Armut natürlich relativ zu sehen ist!

In der Tat hatte Talleyrand während der Revolution Verbindungen zum königl. Hof und hoffte, mit einigen Veränderungen die Monarchie erhalten zu können. Nun, ja, ein schwacher, zudem schlecht beratender Ludwig XVI. und eine nichts begreifende Clique um den Grafen von Artois verhinderte aber auch die geringste Reform. Es kam, was kommen musste ...

Talleyrand favorisiert eindeutig die Monarchie:
"Das Direktorium wird aufgelöst, Bonaparte, Sieyès und Roger Ducos werden zu Konsuln ernannt und man läßt nur die verschiedenen Kommissionen zur Ausarbeitung der Verfassung bestehen. Im Grunde hatte auch hier wieder nur eine Polyarchie die andere ersetzt." (Memoiren, Seite 213)
Und das konnte Talleyrand natürlich nicht reichen, zu zeitlich nah waren noch die Probleme, die er selbst mit einigen Mitgliedern des Direktoriums hatte!

"Wenn nämlich der 18. Brumaire von wirklichem Nutzen für das Land sein sollte, so musste man jetzt die Monarchie wiederherstellen." (Seite 214)

Er führt den Weg an: Monarchie auf gewisse Jahre, auf Lebenszeit, auf Erblichkeit. Und läßt dann die Katze seine Person betreffend aus dem Sack:
"Alle drei Konsuln hielten täglich eine Sitzung, zu welcher die Minister erschienen, um die Berichte ihres betreffenden Ressorts abzustatten. Das Portefeuille des Auswärtigen ist aber in jedem wohlgeordneten Staate ein geheimes und darf nicht im offenen Ministerrat verhandelt werden; ich bat daher den General, mir zu erlauben, über die Angelegenheiten meines Ministeriums nur mit ihm allein zu verkehren.
Bonaparte begriff sehr gut die Tragweite meines Vorschlages und traf sofort die nötigen Anordnungen. Ich arbeitete also immer nur mit ihm allein." (Seite 215)

Auch wenn die Herrschaft Napoleons eine Militärdiktatur war, die Ergebnisse der Revolution blieben unangetastet.

Talleyrand und der Herrscher, dazwischen niemand mehr! Ganz in der Tradition des Hocharistokraten, dessen Adel sich bis ins 9. Jhd. zurückverfolgen läßt! Wir erleben es bei Napoleon, dann unter der Restauration und auch unter Louis Philippe als Talleyrand als Botschafter in London arbeitete und nur mit dem Monarchen arbeitete und damit den Minister Grafen Molé zum Rückzug zwang.

Grüße
excideuil
 
1.
Talleyrand favorisiert eindeutig die Monarchie:
"Das Direktorium wird aufgelöst, Bonaparte, Sieyès und Roger Ducos werden zu Konsuln ernannt und man läßt nur die verschiedenen Kommissionen zur Ausarbeitung der Verfassung bestehen. Im Grunde hatte auch hier wieder nur eine Polyarchie die andere ersetzt." (Memoiren, Seite 213)


Er führt den Weg an: Monarchie auf gewisse Jahre, auf Lebenszeit, auf Erblichkeit. Und läßt dann die Katze seine Person betreffend aus dem Sack:
"Alle drei Konsuln hielten täglich eine Sitzung, zu welcher die Minister erschienen, um die Berichte ihres betreffenden Ressorts abzustatten. Das Portefeuille des Auswärtigen ist aber in jedem wohlgeordneten Staate ein geheimes und darf nicht im offenen Ministerrat verhandelt werden; ich bat daher den General, mir zu erlauben, über die Angelegenheiten meines Ministeriums nur mit ihm allein zu verkehren.
Bonaparte begriff sehr gut die Tragweite meines Vorschlages und traf sofort die nötigen Anordnungen. Ich arbeitete also immer nur mit ihm allein." (Seite 215)

2.
Auch wenn die Herrschaft Napoleons eine Militärdiktatur war, die Ergebnisse der Revolution blieben unangetastet.
1.
Was aber letztlich mit dem "neuen" Consulat herauskam, war ja ohnehin eher eine Diktatur, welche vollkommen auf eine Person (Bonaparte) zugeschnitten war.
Sièyes arrangierte sich mit seiner Quasikaltstellung. Er war zwar ein Projektmacher, aber zum rebellieren gegen die Umdeutung des Brumaire durch Bonaparte zu wenig ehrgeizig und wohl auch zu unfähig.
(Ein bisschen erinnert er mich an Bernis, den kurzzeitigen Außenminister unter Louis XV.)

2.
Wobei ich mich eben dabei am meisten frage, ob das 1802 oder 1804 oder sonst irgendwann Bonapartes "Liberalismus" oder einem Rest an Realismus zuzuschreiben war oder war es einfach nur so, dass schlicht das nicht rückgängig gemacht wurde, was seiner Herrschaft nicht gefährlich werden konnte?

Für mich ist diese Republik dem Namen nach eine Republik und auch, im Großen und Ganzen, der Außenwirkung und Selbstdarstellung nach, wobei auch in der Hinsicht Bonaparte zusehends die Maske fallen ließ - Aussöhnung mit Rom als (oder sehe ich das Falsch) Vorbereitung zum Kaisertum. Immerhin überdauerte die Republik den Namen nach bis über die Kaiserkrönung hinaus, war doch Bonaparte Kaiser der französischen Republik. ( =) tut mir leid, das finde ich schon lustig, wenngleich es in sich erklärlich ist)
 
1.
Was aber letztlich mit dem "neuen" Consulat herauskam, war ja ohnehin eher eine Diktatur, welche vollkommen auf eine Person (Bonaparte) zugeschnitten war.
Sièyes arrangierte sich mit seiner Quasikaltstellung. Er war zwar ein Projektmacher, aber zum rebellieren gegen die Umdeutung des Brumaire durch Bonaparte zu wenig ehrgeizig und wohl auch zu unfähig.
(Ein bisschen erinnert er mich an Bernis, den kurzzeitigen Außenminister unter Louis XV.)

2.
Wobei ich mich eben dabei am meisten frage, ob das 1802 oder 1804 oder sonst irgendwann Bonapartes "Liberalismus" oder einem Rest an Realismus zuzuschreiben war oder war es einfach nur so, dass schlicht das nicht rückgängig gemacht wurde, was seiner Herrschaft nicht gefährlich werden konnte?

Für mich ist diese Republik dem Namen nach eine Republik und auch, im Großen und Ganzen, der Außenwirkung und Selbstdarstellung nach, wobei auch in der Hinsicht Bonaparte zusehends die Maske fallen ließ - Aussöhnung mit Rom als (oder sehe ich das Falsch) Vorbereitung zum Kaisertum. Immerhin überdauerte die Republik den Namen nach bis über die Kaiserkrönung hinaus, war doch Bonaparte Kaiser der französischen Republik. ( =) tut mir leid, das finde ich schon lustig, wenngleich es in sich erklärlich ist)

1. In der Tat unterschied sich das Consulat in einem wesentlichen Punkt vom Direktorium: Mit Napoleon gab es einen Konsul, der die Armee (geschlossen) hinter sich hatte, die anderen Konsuln damit defakto Makulatur waren. Und natürlich war der 18./19. Brumaire ein Militärputsch und damit im weiteren eine Militärdiktatur.
Dennoch, an der wirtschaftlichen Situation hatte sich nichts geändert, auch war das Land nicht befriedet. Das Ausland durfte nicht unbeachtet bleiben. Die wesentlichen Drahtzieher des Brumaire mussten also behutsam vorgehen, um das Projekt nicht zu gefärden. Dazu gehörte unbedingt, die Errungenschaften der Revolution nicht infrage zu stellen. (Bank von Franreich, Code Civil ...)
Wie vorsichtig man war, zeigt sich unter anderem auch in der zeitweisen Auflösung des Polizeiministeriums unter Fouché!

2. Nun, ich weiß nicht, ob man Napoleon überhaupt etwas wie Liberalismus oder Realismus zugestehen kann, hatte er überhaupt ein System außer dem, mit einer großen Armee möglichst große Siege einzufahren? Im Felde fühlte er sich wohl, in den Salons, in der Diplomatie hingegen deplaziert ...

Natürlich war Frankreich dem Namen nach eine Republik, ehe sich Napoleon zum Kaiser der Franzosen krönte. Die Aussöhnung mit der Kirche diente dabei nur der Befestigung der Herrschaft.

Ja, und nachdem der Herrschaft befestigt, wurden immer mehr Brumaireianer kaltgestellt (vergl. u.a. A.S. Manfred: Napoleon, Berlin 1978, Seite 480-1)

Grüße
excideuil
 
Ich bin absolut Deiner Meinung! Der Austausch ist wirklich sehr gewinnbringend. (Kann man mehr von einem Thread erwarten? Ich glaube nein.)

Wie vorsichtig man war, zeigt sich unter anderem auch in der zeitweisen Auflösung des Polizeiministeriums unter Fouché!
Hatte das nicht auch ein bisschen mit der Rivalität von Fouché und Talleyrand zu tun. Im Grunde hielt Talleyrand Fouché für den richtigen Mann, auch um den (Neo-)Jakobinern was vorzugaukeln. Andererseits war Fouché zu intelligent und gefährlich. Er konnte mit seinen Fähigkeiten, die Talleyrand vielleicht anfangs unterschätzte, ihn selbst leichterdings als "zweiter" Mann hinter dem Vorhang verdrängen.
:grübel:
 
Ich bin absolut Deiner Meinung! Der Austausch ist wirklich sehr gewinnbringend. (Kann man mehr von einem Thread erwarten? Ich glaube nein.)


Hatte das nicht auch ein bisschen mit der Rivalität von Fouché und Talleyrand zu tun. Im Grunde hielt Talleyrand Fouché für den richtigen Mann, auch um den (Neo-)Jakobinern was vorzugaukeln. Andererseits war Fouché zu intelligent und gefährlich. Er konnte mit seinen Fähigkeiten, die Talleyrand vielleicht anfangs unterschätzte, ihn selbst leichterdings als "zweiter" Mann hinter dem Vorhang verdrängen.
:grübel:

Doch, das geht! Wenn man die richtigen Fragen gestellt bekommt wie deine!
Plötzlich war ich meiner Sache nicht mehr sicher, ob meine - woher auch immer- manifestierte Meinung denn wirklich stimmig ist und siehe da, ich muss mich korrigieren!

"Die Auflösung des Polizeiministeriums selbst zäumte man als großen politischen Akt auf. Das Konsulat habe alle inneren Zwistigkeiten beseitigt, allen früheren Parteien den Boden entzogen, alle Franzosen zu einer Familie, zu einer "französischen Partei" vereinigt. Folglich werde auch kein Polizeiministerium mehr gebraucht, es sei gegenstandslos geworden."
(A.S. Manfred: Napoleon Bonaparte, Berlin 1978, Seite 382)

Warum wollte Napoleon also Fouché loswerden?

Joseph Fouché, ein Name der bei manchen Schauer auslöst, wird er doch oft auf den "Terroristen" und "Königsmörder" reduziert. Stimmt so nicht:

Louis Madelin, sein wohl bester Biograf schreibt:

"Talleyrand, der häufig mit Sieyès zusammenkam und ihn beriet, hatte ihm Fouché anempfohlen. Talleyrand war Minister des Auswärtigen und hatte interessiert, fast amüsiert, die Entwicklung Fouchés in Mailand und Den haag verfolgt; er hielt ihn, noch mehr als Barras, für jemand, der seine frühere Gesinnung geändert hatte. um die neojakobinische Partei zu zähmen, war niemand mehr geignet als der frühere Freund Chaumettes."
(Madelin: Fouché, München, 1989, Seite 84)

"Sieyès stimmte zu. Fouché übernahm sein Amt an dem Tag, da Talleyrand das seine abgab."
(Orieux: Talleyrand, Frankfurt, 1972, S. 294)

Fouché war Brumaireianer und sicherte mit seiner Polizei den Staatsstreich und behielt sein Ministerium.
Unter ihm wurde die Polizei mächtig. Allerdings gänge man fehl, glaubte man, dass Fouché nur der "Knecht" des künftigen Kaisers gewesen wäre. Er wusste alles, was im Reich geschah, hatte aber zu allen Schichten und Parteien beste Beziehungen! Bei den Republikaner und auch bei den Royalisten, kein Witz, wer mag, lese bei Madelin nach!
Fouché war ein Mann des Ausgleichs geworden, fürchtete für den inneren Frieden in Frankreich, wenn Napoleon sich zum Herrscher auf Lebenszeit ernennen ließ (Madelin, Seite 126)
Fouché beeinflusste den Senat, der daraufhin Napoleons Konsulat auf nur 10 Jahre Konsul beschloss, der Korse, sauer, ließ sich vom Volk die Lebenslänglichkeit bestätigen...

Nach Madelin weiß Napoleon, "wer den Senat gegen ihn beeinflusst hat." Nach Orieux war Talleyrand der Informant. Fakt ist, Fouché wurde verabschiedet.
Das Einzige was vorsichtig war, war die Verabschiedung: Sie wurde versüßt mit einem Senatsposten versehen mit Dotationen und der fetten Pfründe von Aix.

Was nun das Verhältnis Talleyrand - Fouché angeht, das wäre wohl einen eigenen Thread wert, für den Augenblick soll das Wort von Orieux genügen:
"Sie begegnen sich zuweilen auf ihrem Weg, befreunden sich jedoch nicht, sie verabscheuen und verachten sich - bis sie sich eines Tages verbünden, um gemeinsam einen Schlag zu führen ..."
(Orieux, Seite 294)

Grüße
excideuil
 
@ exideuil

Wenn Talleyrand den Minister Fouché verpfiffen hat, lag ich ja nicht ganz falsch.:D

Aber Du hast Recht, das hat mit meiner ursprünglichen Fragestellung nicht viel zu tun, außer dass es in die Zeit vor 1803 fällt, da Fouché ja im September 1802 entlassen wurde.

Im Grunde wird mir das ganze Ausmaß der damaligen Ziele Bonapartes klarer und dass Bonaparte 1802 bei seinem Weg zur Monarchie, bei allen Widersprüchen zwischen den zwei Männern, in Talleyrand einen verlässlichen Partner hatte.
 
Dennoch, an der wirtschaftlichen Situation hatte sich nichts geändert, auch war das Land nicht befriedet. Das Ausland durfte nicht unbeachtet bleiben.
Meinst Du die wirtschaftliche oder die finanzielle Situation Frankreichs? Wobei ich bei der finanziellen Situation die Staatsfinanzen natürlich meine. Der Wirtschaft schadete freilich die englische Seeblockade und die Lahmlegung und zumindest Behinderung des Austausches mit den eigenen, hart umkämpften Kolonien.

Die Staatsfinanzen wurden im Grunde auch von den Revolutionsregierungen nicht in Ordnung gebracht. Als eine kleine Ursache könnte man die Rüstungsausgaben, Verwüstungen, das Chaos der ständigen Aufstände, des Bürgerkrieges usw. ansehen. Was man tat, war doch hauptsächlich ein reiner Abverkauf. Durch die Einziehung des Emigrantenbesitzes, des Besitzes der königlichen Familie selbst z.B., meinte man flüssig zu werden. Aber so ein Abverkauf ist doch keine Reform oder wirkliche Problemlösung. Eine wirkliche Lösung hatte eigentlich nur der König 1789 gewollt. Vielleicht gab es ein paar, wenige Willige, welche das auch begriffen, aber der überwiegende Teil der großen Akteure waren nunmal keine Staatsmänner, sondern Politiker. Diese Politiker hatten eher ein primäres Interesse am Machtgewinn oder Rechthaberei.

Hier sehe ich die eigentliche Problematik. Entweder wurden die Staatsfinanzen als grundsätzliches Problem garnicht begriffen oder aber maximal erst dann etwas getan, wenn sonst die Handlungsfähigkeit der Regierung verloren gegangen wäre. Aber selbst die Zwangsmaßnahmen der Montagnards während der Schreckensherrschaft, welche kurzzeitig die Assignaten wieder an Wert gewinnen ließen, scheinen mir auf die lange Sicht zweifelhaften Vorteils.
Die Schuldenberge des Direktoriums waren ja wohl sagenhaft. Dass diese durch Räubereien in Italien oder dann in Ägypten gedeckt werden sollten, erschien mir schon immer eine fragwürdige Lösung. Wie lange sollte das gut gehen? Und wie sollte es im Friedensfall weitergehen, da die Korruption von Barras bis in die Ministerien weiterhin lief?
 
Mir erscheint es nicht sonderlich verwunderlich, dass die Staatsfinanzen wæhrend einer Revolution und Kriegen mit dem Ausland in Unordnung geraten.
Interessant fuer mich wære, ob N dies zumindest in der im Thread angesprochenen Zeit wieder in Ordnung gebracht hat.
Ohne direkte Quellen nennen zu kønnen, ist es mir aber erinnerlich, dass es so war.

Fuer die spætere Zeit wird es wieder Probleme gegeben haben: Ich denke nicht, dass die Zahlungen, die die jeweiligen Verlierer der spæteren Kriegsjahre bis 1812 zu leisten hatten, die Kriegskosten sowie den wirtschaftlichen Niedergang durch die Kontinentalsperre ausgleichen konnten.
Der Korruption insbesondere im Zusammenhang mit der Beschaffung von Kriegsmaterial (Waffen, Uniformen etc.) ist auch ein N nicht Herr geworden.
Es wære aber mal interessant zu wissen, wie es z.B. mit der Inflation (und mit den Brotpreisen z.B.) wæhrend seiner Herrschaft ausgesehen hat.
Weiss da jemand etwas substantielles?

Gruss, muheijo
 
Da magst du sicher recht haben, hätte man in Frankreich nicht "Notgelder" ausgelegt, nicht nur einmal, sondern im ganzen dreimal.
Die Assignaten - das Geld der Revolution Karl Walker www.Artfond.de Kunstfond limited

Ich habe irgendwo gelesen, das Brot hätte den dreifachen Preis erlangt, also eine Inflation von 300%?
Das ist auch etwas, das ich nicht verstehe.

Vielen ging es doch durch die Revolution, auch unter dem "Pöbel" nicht besser, sondern eher sogar schlechter. Warum gab es dann nicht schon 1792 in Paris wie dann 1793 im Westen einen ausgeprägten Royalismus auch bei der Unterschicht?
Vielleicht waren da die führenden königstreuen Aristokraten einfach nicht schlau genug, um die Stimmung für sich zu instrumentalisieren.:grübel:
 
Oder es ging leider auch hier um die menschlichen Schwächen. Vielleicht fand sich einfach nicht der "Führer", der das Zepter in die Hand genommen hat, vielleicht aus innerer Antriebslosigkeit, oder auch einfach Mutlosigkeit und Angst?

Man sieht doch an vielen Beispielen der Geschichte, und gerade an der Französischen Revolution, was möglich ist, wenn man sich traut, wenn man den Nachbarn dazu bringt, dass auch ER sich traut ...
Ich kann daher das Argument "wir konnten nichts dagegen tun, die Hände waren uns gebunden" nie einfach so stehen lassen ...
 
Meinst Du die wirtschaftliche oder die finanzielle Situation Frankreichs? Wobei ich bei der finanziellen Situation die Staatsfinanzen natürlich meine. Der Wirtschaft schadete freilich die englische Seeblockade und die Lahmlegung und zumindest Behinderung des Austausches mit den eigenen, hart umkämpften Kolonien.

Die Staatsfinanzen wurden im Grunde auch von den Revolutionsregierungen nicht in Ordnung gebracht. Als eine kleine Ursache könnte man die Rüstungsausgaben, Verwüstungen, das Chaos der ständigen Aufstände, des Bürgerkrieges usw. ansehen. Was man tat, war doch hauptsächlich ein reiner Abverkauf. Durch die Einziehung des Emigrantenbesitzes, des Besitzes der königlichen Familie selbst z.B., meinte man flüssig zu werden. Aber so ein Abverkauf ist doch keine Reform oder wirkliche Problemlösung. Eine wirkliche Lösung hatte eigentlich nur der König 1789 gewollt. Vielleicht gab es ein paar, wenige Willige, welche das auch begriffen, aber der überwiegende Teil der großen Akteure waren nunmal keine Staatsmänner, sondern Politiker. Diese Politiker hatten eher ein primäres Interesse am Machtgewinn oder Rechthaberei.

Hier sehe ich die eigentliche Problematik. Entweder wurden die Staatsfinanzen als grundsätzliches Problem garnicht begriffen oder aber maximal erst dann etwas getan, wenn sonst die Handlungsfähigkeit der Regierung verloren gegangen wäre. Aber selbst die Zwangsmaßnahmen der Montagnards während der Schreckensherrschaft, welche kurzzeitig die Assignaten wieder an Wert gewinnen ließen, scheinen mir auf die lange Sicht zweifelhaften Vorteils.
Die Schuldenberge des Direktoriums waren ja wohl sagenhaft. Dass diese durch Räubereien in Italien oder dann in Ägypten gedeckt werden sollten, erschien mir schon immer eine fragwürdige Lösung. Wie lange sollte das gut gehen? Und wie sollte es im Friedensfall weitergehen, da die Korruption von Barras bis in die Ministerien weiterhin lief?

Meine Bemerkung bezog sich auf den 18./19. Brumaire, denn nur mit einer neuen an die Macht geputschten Regierung hatte sich natürlich nichts geändert.

"Als N. Konsul wurde, fand er in der Staatskasse 167000 Francs vor. Die Schulden beliefen sich auf 474 Millionen Franc ...
(Cronin: Napoleon, Seite 252)

Erste Maßnahmen waren 2 Millionen aus Genua, 3 Miliionen von franz. Bankiers und 9 Millionen von einer Lotterie (ebenda)

Dann wurde das Steuersystem geändert, da die Einkommensteuer von "Männern eingehoben wurde, die dieses Amt nebenberuflich versahen. Eine der ersten Amtshandlungen N. ... war daher die Ernennung von 840 Beamten - acht für jedes Depardement -, die ausschließlich mit der Erhebung der Steuern betraut wurden." (ebenda)

Hinzu kam die Senkung der Einkommensteuern, dafür die Einführung vielfältiger indirekter (Verbrauchs-) Steuern.

"Nicht nur in der Steuersphäre, sondern durch seine gesamte Wirtschaftspolitik unterstützte und förderte das Konsulat die Unternehmertätigkeit. Insbesondere Bonaparte setzte sich für die Entwicklung der Industrie ein."
(Manfred, Napoleon Bonaparte, Seite 287)

Aber:

"Es ist behauptet worden, Napoleon hätte unter gewissen einschränkenden Bedingungen sogleich im Jahre 1800 Frieden schließen können. Wohl kaum. Denn seitdem das Direktorium sich gewöhnt hatte, einen Teil der Staatslasten auf die "befreiten" Nachbarn umzulegen, war es dem mühseligen Weg und langwierigen Geschäft der Ordnung des Staatshaushaltes träge aus dem Weg gegangen. Jetzt hatte zwar Napoleon mit festem Willen auch hierin bessere Ordnung zu schaffen gesucht. Aber mehr als die ersten Schritte dazu konnten in den wenigen Monaten seiner Regierung nicht geschehen sein. Noch hielt sich das Kapital zurück, noch war der Zinsfuß ein sehr hoher, noch waren die Steuereingänge nicht in voller Ordnung ... Man war also, wenn der Staat überhaupt existieren wollte, vorläufig noch auf die Zuschüsse der Alliierten, auf die Brandschatzung im Feindesland verwiesen."
(Fournier: Napoleon I., Band 1, Seite 236)

Nun, die Korruption ist keine Erfindung des Direktoriums, auch unter Napoleon gab es reichlich davon ...

Grüße
excideuil
 
Meine Bemerkung bezog sich auf den 18./19. Brumaire, denn nur mit einer neuen an die Macht geputschten Regierung hatte sich natürlich nichts geändert.
"Als N. Konsul wurde, fand er in der Staatskasse 167000 Francs vor. Die Schulden beliefen sich auf 474 Millionen Franc ...

Die Ordnung im Finanzchaos war sicher eine vorrangige Aufgabe.

Die oben genannten Beispiele könnte man noch erweitern um die Abschaffung mißliebiger Maßnahmen (Zwangsanleihen, Beschlagnahmungen) sowie verlangte Sicherheiten von den Hauptsteuereinnehmern.

1801 wurde das erste Budget aufgestellt (die in der Zeit bis 1812 sämtlich negativ ausfielen, bis auf 1809). 1807 gab es eine Oberrechnungskammer, in der ersten Zeit 1800 ff gab es vierzehntägige Finanzsitzungen, an denen N. teilnahm. Die doktinäre Einseitigkeit gegenüber indirekten Steuern wurde wieder beseitigt, sie betrugen 1812 40% der Staatseinnahmen.

Ebenso bemerkenswert ist die Gründung der Bank von Frankreich 1800, die auch die Rentenauszahlungen übertragen bekam. Die Bank entwickelte sich gut, was an den schnell versechsfachten Diskontvolumina (1804: 630 Mio.) abzulesen war. 1804 kamen wohl keine Kontributionen aus den besetzten Gebieten, weswegen die Bank 1805 von der Staatskasse zu übermäßigen Darlehen ausgenutzt wurde. Dadurch kam es wiederum zur Finanzkrise 1805, die erst nach Austerlitz beseitigt werden konnte, weil der Bank gewährte Vorschüsse zurückbezahlt werden konnten.

Mit öffentlichen Anleihen war N. vorsichtig geworden, nachdem eine Anleihe 1800 in den Niederlande ein völliger Fehlschlag wurde. Anleihen sind danach wohl unter N. nicht mehr ausgegeben worden.

Die Finanzierung lief demnach auch über den Notenumlauf (1800: 25 Mio., dann 1804: 60 Mio., dann 1806: 119 Mio.). Daneben speiste sich das System aus den Einnahmen aus besetzten Ländern: hier gibt es ein Rundschreiben von 1810, dass die Einnahmen der letzten vier Jahre 1806/10 auf über 1 Milliarde bezifferte.

Daneben ist noch das Münzgesetz 1803 erwähnenswert, das eine Doppelwährung von Silber- (888 Mio. unter N.) und Goldmünzen (528 Mio.) schaffte. Die diversen ordnenden Reformen wurden - wie die Krise von 1805 zeigt - durch die Kriege stark beeinflußt.

Sée, Franz. Wirtschaftsgeschichte, Band II.
 
Die Finanzierung lief demnach auch über den Notenumlauf (1800: 25 Mio., dann 1804: 60 Mio., dann 1806: 119 Mio.). Daneben speiste sich das System aus den Einnahmen aus besetzten Ländern: hier gibt es ein Rundschreiben von 1810, dass die Einnahmen der letzten vier Jahre 1806/10 auf über 1 Milliarde bezifferte.

Daneben ist noch das Münzgesetz 1803 erwähnenswert, das eine Doppelwährung von Silber- (888 Mio. unter N.) und Goldmünzen (528 Mio.) schaffte. Die diversen ordnenden Reformen wurden - wie die Krise von 1805 zeigt - durch die Kriege stark beeinflußt.
Das ist eben das Interessante. Darüber hatte mir auch mal ein Sammler von Assignaten erzählt.
Hatte man in der zweiten Hälfte der 1790er zwar scheinbar das Vertrauen in Banknoten verloren und diese aufgegeben, so gab Napoléon dann daraufhin erfolgreich wieder welche aus.
Ich glaube aber, das hängt sowieso absolut mit der Akzeptanz, Ausschüttung und dem Glauben an einen Gegenwert zusammen. (Auf die Gefahr hin Quark zu erzählen. :rotwerd: )
 
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Hatte man in der zweiten Hälfte der 1790er zwar scheinbar das Vertrauen in Banknoten verloren und diese aufgegeben, so gab Napoléon dann daraufhin erfolgreich wieder welche aus.
Ich glaube aber, das hängt sowieso absolut mit der Akzeptanz, Ausschüttung und dem Glauben an einen Gegenwert zusammen. (Auf die Gefahr hin Quark zu erzählen. :rotwerd: )

Völlig richtig, eine Vertrauensfrage in die Bonität der ausgebenden Notenbank. Die Bank von Frankreich wurde mit einem Anfangskapital von 30 Mio. ausgestattet, später wurde das auf 45 Mio. erhöht. 1805 im Rahmen der Krise hatte man 63 Mio. an Depositen und Noten ausgegeben, aber nur noch 782.000 in der Kasse. Deshalb der kurze Vertrauensentzug, der quasi "militärisch" bei Austerlitz wieder beseitigt wurde.

Den Vertrauensfortschritt sieht man auch im Kurs alter Staatsanleihen: 1799 bei 7, dann 1800 bereits 30. In 1804 stieg er auf über 50 an, 1808 bei 83 für 100.
 
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