Französische Revolution- eine Notwendigkeit?

Diese Zahlen in allen Ehren,aber soche Situationen gab es auch schon früher.Das hat dann zu Bauerrevolten geführt und nicht zu fundamentalen Umwälzungen wie die franz.Revolution.

Daher das grosse Interesse an den Thesen von Todd ,das eben eine gewissene Massenalphabetisierung zu einem Umsturz führt.Todd weist das in seinen Werken anhand von genauen Zahlen nach.Am Beispiel der franz.Revolution und der russischen Revolution.


http://www.geschichte-luzern.ch/sites/default/files/Tagi%2016.7.2011%20Der%20Vermesser%20der%20Zukunft.pdf
Dass es eine Vielzahl von Faktoren gab, wird eigentlich von allen Historikern, die mir bis jetzt untergekommen sind, geteilt.

Man könnte freilich fragen, warum man nicht ebenso wie in anderen Staaten auch in Frankreich gesucht hatte, diese enorme Abhängigkeit von der Versorgung mit Brot durch die Einführung anderer Lebensmittel zu lösen. Der Versuche gab es wohl welche, allein sie drangen nicht durch. Das gleiche Problem gab es ja aber auch in einigen Teilen von Dtl. während der Missernten der Zeit um 1770.
 
Siehe auch hier, mit einigen Daten, und zum Zusammenhang Klima/Ernte:

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Frankreich war ein landwirtschaftlich geprägtes Land, und das Getreide dürfte die wesentliche Grundlage der Kalorienversorgung dargestellt haben. Zu den Preisen: ich meine darüber gelesen zu haben, dass es auch erhebliche Importmengen an Getreide gegeben hat.

Danke,
der Link ist klasse und das was ich suchte.

Was die Härte des Winters 1788/89 angeht, so war diese wohl geographisch so weitreichend, dass "all military operations in europa seem to have been stopped by the excessive severity of the weather",
und dass sich die Türken vorzeitig hinter die Donau zurückzogen um vorzeitig ihre Winterquartiere aufzusuchen (Seite 39, pdf-Seite 7 - hier zitierte Briefe des amerikanischen Botschafters in Paris im genannten Winter).

Ich bin direkt begeistert, auch von anderen Beiträgen.
Macht echt Spass.

Grüße
hatl

P.S. warum im Zitat des Beitrags der Link so eine seltsame Meldung hervorbringt, versteh ich jetzt grad nicht, er funktioniert aber trotzdem.
 
Diese Zahlen in allen Ehren,aber solche Situationen gab es auch schon früher. Das hat dann zu Bauerrevolten geführt und nicht zu fundamentalen Umwälzungen wie die franz.Revolution.
In der Tat haben Bauernrevolten nicht zum Erfolg geführt. Wie auch. Ohne Idee, wie das Leben anders als tradiert funktionieren soll auch nicht denkbar. Da hätte dann z.B. nur ein anderer - z. B. der Führer der Revolte - den bisherigen Grundherren abgelöst, der nach bewährtem Muster weiter agiert hätte oder der bisherige Grundherr hätte ein wenig vorsichtiger agiert. Am System selbst hätte es nichts geändert.

Zu den Ursachen der Franz. Revolution sind etliche Fakten und Zahlen benannt worden, die in der Summe sozial und wirtschaftlich bestimmt waren.

Es gibt noch einige hinzuzufügen:

Im Zuge des Endes des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und der politischen Annäherung an England erfolgte eine Verschärfung der Lage. Mit dem Handelsvertrag von 1786 kamen billige englische Industrieprodukte nach Frankreich. Exporte nach England - Wein oder Getreide - ließen nur die im Plus, die große Überschüsse erwirtschaften konnten.
Getroffen war das franz. Gewerbe.
1787 wurde die staatliche Getreidebevorratung aufgegeben - in Zeiten von einsetzenden Mißernten zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt.
Hinzu kam eine Rezession im Handwerk. In Paris, einer Stadt, die eher wenige Manufakturen besaß, gab es bei geschätzten 600000 Einwohnern ca. 80000 Arbeitslose. (Die Situation wurde später übrigens durch die Emigration der Aristokratie noch verstärkt)

Alles in allem bedeutet dies eine zunehmende soziale und wirtschaftliche Eskalation, die durch mehr oder weniger nicht erfolgreiche Maßnahmen der Krone nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Wie schon erwähnt, ging der Riß in der Gesellschaft quer durch diese und durch alle Stände.

Die Folge war die Einberufung der Generalstände. Ein Novum. Nach Erlangung der absoluten Macht durch die Krone erstmalig einberufen.

Daher das grosse Interesse an den Thesen von Todd ,das eben eine gewissene Massenalphabetisierung zu einem Umsturz führt.Todd weist das in seinen Werken anhand von genauen Zahlen nach.Am Beispiel der franz.Revolution und der russischen Revolution.
Ich gehe einmal davon aus, dass diejenigen, die in die Generalstände entsandt wurden, lesen und schreiben konnten. Ich gehe nicht davon aus, dass die Ergebnisse, die in der Folge der Einberufung der Generalstände, dem Ballhausschwur und der Konstituierenden Nationalversammlung OHNE Ideen möglich gewesen wären. Zu nennen sind da die Ideen der Aufklärer und z.B. die Schrift "Was ist der dritte Stand" des Abbé Sieyès. Zu deutsch, wenn ich keinen Plan habe, dann wird die ganze Sache auch nur eine Revolte, die selbst ein schwacher Monarch mit ein paar Regimentern niederschlagen kann.

Ob allerdings die begleitenden Volksmassen lesen und/oder schreiben konnten, vermag ich nicht zu beurteilen. Dies ist allerdings auch nicht wesentlich, da ihre Interessen nicht vertreten wurden, denn "Wichtiger war das Eigentumsprinzip. Die für die Bauern entäuschende Beibehaltung grundherrlicher Rechte auf der Basis der Unterscheidung zwischen solchen Rechten, "die sich aus unveräußerlichem Besitz an Sachen und Menschen und aus persönlicher Leibeigenschaft herleiten" beziehungsweise "die an ihre Stelle getreten sind" und daher abgeschafft werden, sowie solchen, die am Boden hafteten und nur ablösbar sein sollten, war nicht zum geringsten Teil auf die Interessen der bürgerlichen Grundherren zurückzuführen. Sie betrachteten die laufenden seigneurialen Abgaben, die zudem von denen, die sich aus der alten Leibeigenschaft herleiteten, nur schwer zu unterscheiden waren, als ihr Eigentum, und dieses wurde denn auch in der Ende des Monats verabschiedeten Menschen- und Bürgerrechtserklärung als unantastbar deklariert."

Grüße
excideuil

Quelle:#36 ebenda
 
Das umfangreiche Werk von Todd ist leider nicht auf Deutsch übersetzt.Er steht in der Tradition von Emmanuel Le Roy Ladurie et der Ecole des Annales.

Zu beiden findet sich allerhand auf Deutsch im Netz.

Ja ab so 1750 konnte der gemeine Bauer im Kernland von Frankreich lesen.

Nachweise bei den besagten Historiker.
 
Nachweise bei den besagten Historiker.

Todd ist Soziologe und kein Historiker, nur um die Terminologie ein wenig zu präziseren.

Und das Problem bei Todd ist, dass er mit seiner Argumentation zum einen deterministisch argumentiert und zum anderen zu monokausalen Erklärungen neigt. Dabei hast Du bisher keinen Link auf die Arbeit von Todd verlinkt, in dem er die deterministische und monokausale These vorgetragen haben soll, dass die Alphabetisierungsquote von mehr als 50 Prozent die FR und RR monokausal und deterministisch erklärt.

Und wie ist es mit den anderen Revolutionen, beispielsweise in China oder in GB? Wußte die Bevölkerung dort nicht, dass sie bei 50 Prozent eine Revolution machen müssen, oder sofern sie erst bei 49 Prozent lag, es verboten war eine Revolution durchzuführen.

In dieser behaupteten Form, wobei ich nicht genau weiss, was Todd nun wirklich präzise argumentiert, ist die These etwas "schlicht" und hat bisher keine nennenswerte Wahrnehmung in der entsprechenden internationalen Literatur zur FR und auch nicht zur RR gefunden.

Weder bei den Historikern noch im Bereich der historischen Soziologie, wie beispielsweise bei Tilly, Skocpol oder bei M. Mann.

Dieses Problem der Struktur der Argumentation, die deterministische Formulierung und auch der monokausale Argumentationsansatz wird Todd allgemein vorgehalten, wie beispielsweise von folgendem Autor in Bezug auf die Erklärung politischer Entwicklungen auf der Basis von sinkenden Geburtenraten.

The Rise Of Anti-Americanism - Google Books

Das hegelianische Geschichtsbild von Todd mag ihn in die Nähe der Ecole des Annales stellen, unterscheidet ihn jedoch mindestens von Lefebvre offensichtlich in der Argumentation und auch in der Bestimmung der Ursachen und Ziele der FR.

Annales-Schule ? Wikipedia

Und deswegen die Frage, was hat Todd denn nun genau gesagt, wo hat er das gesagt und welche Daten zieht er heran, um seine Erklärung zu rechtfertigen. Und natürlich die Frage, wie er seine Ergebnisse auch in die umfangreichen Ergebnisse der Ecole des Annales zur FR einbettet und auch die Frage beantwortet, an welchen Punkten er abweicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, das erste was wir klären müssen ist, ob Du glaubst, dass ein Video dem Anspruch einer halbwegs seriösen historischen Argumentation entspricht.

Und da Du offensichtlich der Meinung bist, dass das ausreicht, erklärt sich auch das offensichtliche Problem unserer Diskussion.

Daher das grosse Interesse an den Thesen von Todd ,das eben eine gewissene Massenalphabetisierung zu einem Umsturz führt.Todd weist das in seinen Werken anhand von genauen Zahlen nach.Am Beispiel der franz.Revolution und der russischen Revolution.

Wenn man sowas schreibt, dann sollte man in der Lage sein, den Beweis anzutreten.

Und ansonsten hast Du mir die Frage nach meinen Französichkenntnissen bereits im Rahmen der sehr fruchtlosen Diskussion über die "Französische Soziologie" gestellt und bereits eine entsprechende Antwort erhalten.

Soll ich Dir die Antwort nochmal suchen?:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Das umfangreiche Werk von Todd ist leider nicht auf Deutsch übersetzt.Er steht in der Tradition von Emmanuel Le Roy Ladurie et der Ecole des Annales.

Zu beiden findet sich allerhand auf Deutsch im Netz.

Ja ab so 1750 konnte der gemeine Bauer im Kernland von Frankreich lesen.

Nachweise bei den besagten Historiker.
Nun, ich empfinde es schon als etwas befremdlich, dass du zwar in #33 die These von Mon. Todd in den Raum stellst, bislang allerdings nähere Erläuterungen bzw. Fakten, auf die sich diese These stützt schuldig geblieben bist, stattdessen wohl erwartest, dass der geneigte Leser selbst in den Weiten des www sucht. Sieh mir nach, dass ich dazu nicht die geringste Lust verspüre, da ich mich angesichts der These eines Kopfschütteln nicht erwehren kann.

Stimmte diese These, bedeutet dies, dass sich die Bauern ab 1750 in revolutionärer Stimmung, Aufregung ... wie auch immer befunden haben müssten. Mich würde interessieren, wie sich das nach der Theorie von Mon. Todd dokumentiert, denn mir sind revolutionäre Erhebungen etc. der Bauern nicht geläufig. Bekannt sind mir nur Mitteilungen in den Beschwerdeheften anläßlich der Wahlen zu den Generalständen. Diese Mitteilungen sind in der Summe auf Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation der Bauern gerichtet, nicht aber auf grundsätzliche Veränderung des Systems. Das heißt also, der Hunger hat zu den Einträgen geführt, nicht das lesen können.
Zudem wird bei der Zusammensetzung der Generalstände deutlich, dass die Bauern als größter Bevölkerungsanteil in den Generalständen deutlich unterrepräsentiert bis gar nicht vertreten waren. Das heißt nun, dass die Revolution von anderen "gemacht" wurde. Hmm, irgendwie geht Revolution dann wohl doch anders als nur die 50% - Marke knacken :pfeif:, oder?

Grüße
excideuil
 
Zudem wird bei der Zusammensetzung der Generalstände deutlich, dass die Bauern als größter Bevölkerungsanteil in den Generalständen deutlich unterrepräsentiert bis gar nicht vertreten waren. Das heißt nun, dass die Revolution von anderen "gemacht" wurde. Hmm, irgendwie geht Revolution dann wohl doch anders als nur die 50% - Marke knacken , oder?
Kirchberger zumindest spricht irgendwo von der (bzw. besser einer) Revolution der Bauern. Die Generalstände halte ich zwar für wichtig, aber würde ich nicht überbewerten. Manchmal wurden sie ja selber von den Ereignissen in Paris, welche sie nicht steuern konnten, aber auch von anderen überrollt.
 
Nun, ich empfinde es schon als etwas befremdlich, dass du zwar in #33 die These von Mon. Todd in den Raum stellst, bislang allerdings nähere Erläuterungen bzw. Fakten, auf die sich diese These stützt schuldig geblieben bist, stattdessen wohl erwartest, dass der geneigte Leser selbst in den Weiten des www sucht. Sieh mir nach, dass ich dazu nicht die geringste Lust verspüre, da ich mich angesichts der These eines Kopfschütteln nicht erwehren kann.

Stimmte diese These, bedeutet dies, dass sich die Bauern ab 1750 in revolutionärer Stimmung, Aufregung ... wie auch immer befunden haben müssten. Mich würde interessieren, wie sich das nach der Theorie von Mon. Todd dokumentiert, denn mir sind revolutionäre Erhebungen etc. der Bauern nicht geläufig. Bekannt sind mir nur Mitteilungen in den Beschwerdeheften anläßlich der Wahlen zu den Generalständen. Diese Mitteilungen sind in der Summe auf Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation der Bauern gerichtet, nicht aber auf grundsätzliche Veränderung des Systems. Das heißt also, der Hunger hat zu den Einträgen geführt, nicht das lesen können.
Zudem wird bei der Zusammensetzung der Generalstände deutlich, dass die Bauern als größter Bevölkerungsanteil in den Generalständen deutlich unterrepräsentiert bis gar nicht vertreten waren. Das heißt nun, dass die Revolution von anderen "gemacht" wurde. Hmm, irgendwie geht Revolution dann wohl doch anders als nur die 50% - Marke knacken :pfeif:, oder?

Grüße
excideuil

Dann folge doch einfach diesem Link und übersetze mit Google

https://fr.wikipedia.org/wiki/L'Invention_de_l'Europe
 
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Kirchberger zumindest spricht irgendwo von der (bzw. besser einer) Revolution der Bauern. Die Generalstände halte ich zwar für wichtig, aber würde ich nicht überbewerten. Manchmal wurden sie ja selber von den Ereignissen in Paris, welche sie nicht steuern konnten, aber auch von anderen überrollt.
Ich denke, es liegt in der "Natur" von Revolutionen, dass ein gewisses nicht steuerbares Moment in ihnen liegt, schließlich treffen verschiedene Ideen und Interessen aufeinander, da ist der Ausgang dann nicht vorprogrammiert. Und dies gilt wohl umso mehr, wenn bei Revolutionen auch Gewalt im Spiel ist.

Den Begriff: Revolution der Bauern führt auch Schulin, hier der Link auf sein Buch: (ab Seite 75)
http://books.google.de/books?id=z5_...&ved=0CE0Q6AEwAjgK#v=onepage&q=vendee&f=false

Sicherlich können die Generalstände unterschiedlich bewertet werden. Für mich bleibt da ein Kopfschütteln, weil ich diese Ignoranz nicht nachvollziehen kann. Wenn die Krone schon diese Karte ziehen muss und diese Versammlung so schlecht vorbereitet wird (unklare Lage, ob nach Ständen oder nach Köpfen abgestimmt wird), dann muss man sich nicht wundern, dass die Macht verloren geht. Insofern finde ich die Generalstände, den folgenden Ballhausschwur und die Konstitution der Mitglieder der Generalstände des dritten Standes zur Nationalversammlung schon sehr bedeutend.
Nicht zuletzt waren bedeutende revolutionäre Protagonisten Mitglieder der Generalstände.

Dann folge doch einfach diesem Link und übersetze mit Google

https://fr.wikipedia.org/wiki/L%27Invention_de_l%27Europe
Und dann? ... lese ich nicht die Antwort auf meine Frage (Interesse).
Sorry, aber Chance vertan.

Grüße
excideuil
 
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Es liegt in der Natur der Sache das noch heute viel über die FR diskutiert wird in dem Land in dem sie nun mal stattgefunden hat.Desgleichen ist nun mal so das diese Diskussion in der Landessprache geführt wird.

Ich habe darauf hingewiesen das in der gegenwärtigen Diskussion in Frankreich sehr viel über die Rolle der Landwirtschaft diskutiert wird.

Ich habe das Beispiel der Auswanderung der Bauernschaft aus einer ,zugeben,unbedeutenden Randprovinz gegeben.

Ich habe auch auf die Rolle von Klimafaktoren in dieser Diskussion hingewiesen.Das ist aber nicht neu,weil ein Bekanter von mir schon vor dreißig Jahren mit einer Arbeit zu dem Thema promoviert hat.


Ich habe auch auf die zunehmende Rezeption von den Thesen von Todd hingewiesen.

Ich habe auch geschrieben das diese Thesen nicht auf Deutsch übersetzt sind.Das ist sicherlich bedauerlich, aber letzlich nicht mein Problem
 
Sicherlich können die Generalstände unterschiedlich bewertet werden. Für mich bleibt da ein Kopfschütteln, weil ich diese Ignoranz nicht nachvollziehen kann. Wenn die Krone schon diese Karte ziehen muss und diese Versammlung so schlecht vorbereitet wird (unklare Lage, ob nach Ständen oder nach Köpfen abgestimmt wird), dann muss man sich nicht wundern, dass die Macht verloren geht. Insofern finde ich die Generalstände, den folgenden Ballhausschwur und die Konstitution der Mitglieder der Generalstände des dritten Standes zur Nationalversammlung schon sehr bedeutend.
Nicht zuletzt waren bedeutende revolutionäre Protagonisten Mitglieder der Generalstände.
Ich habe gedacht, es stand von Anfang an fest, dass wie auf eigentlich jeder Ständeversammlung nach Ständen abgestimmt wurde. Der Einfall, dass nach Köpfen abgestimmt würde, hätte doch dem Charakter einer Ständeversammlung widersprochen. Ich denke da an den Reichstag z.B..

Ich denke weniger, dass die Modalitäten der Generalstände das Problem für die Krone waren, als dass der Zeitpunkt inmitten von Unruhen äußerst unglücklich gewählt war. Nach dem Scheitern des Durchbruchs über das Mittel der Notablenversammlung schien es doch sehr, als seien die Generalstände der letzte Rettungsanker, woran sich die Krone klammerte, um das Ruder nochmal rumzureißen - als wäre es je gelungen mit einem solchen Mittel, welches der Opposition noch ein weiteres Sprachrohr verlieh, die eigene Machtposition auszubauen... Doch wohlmöglich war der König wirklich so naiv. :grübel: An mangelnder Regierungserfahrung kann es ja nach 15 Jahren auf dem Thron nun auch nicht mehr gelegen haben.
 
Im Zuge der Einberufung der Generalstände wurde die Anzahl der Deputierten des 3. Standes verdoppelt. Dies stellte bereits eine gravierende Änderung dar und damit klar, dass die Frage, ob nach Köpfen oder Ständen abgestimmt werden soll auf der Tagesordnung stand. Dies wird schon an der Anzahl der Deputierten klar, da in der Summe der 3. Stand eine kleine (50,5 %) Mehrheit hatte. L.XVI. vermied eine Stellungnahme bis in die Versammlung hinein und schwächte damit seine Position, da er keinen der Stände auf seine Seite brachte.

Die Mehrheit der beiden ersten Stände hatte ein imperatives Mandat, par ordre abzustimmen, der 3 .Stand hingegen ein imperatives Mandat, nach Köpfen abzustimmen.
""Da nun die Krone als wichtigste berufene Instanz vermieden hatte, die verworrene Lage zu klären, verstand es sich von selbst, dass entweder die Generalstände zur Inaktivität verurteilt bleiben mussten - was niemand wünschte - , oder aber das eine der beiden Gruppen sich über ihr Mandat und ihre Wählerwünsche hinwegsetzen und den Forderungen des Gegners nachgeben musste.""[1]

Es folgte ein Machtkampf um die Durchsetzung der Abstimmung "nach Ständen" oder "nach Köpfen" über die Dauer von ca. 6 Wochen mit dem bekannten Ergebnis.

Grüße
excideuil

[1] Malettke, Klaus: Die Bourbonen, Bd. II: Von Ludwig XV. bis Ludwig XVI. 1715-1789/92, W. Kohlhammer, Stuttgart, 2008, Seite 222, zit. nach Schmitt, Repräsentation und Revolution, 1969, Seite 231f
 
Wie schon erwähnt, ging der Riß in der Gesellschaft quer durch diese und durch alle Stände.
Ergänzend noch ein paar Zahlen und Anmerkungen zum privilegierten 1. Stand (Klerus):

Erster Stand: 130 (Tausend)
davon:
Bischöfe, Prälaten, Äbte: 10
Regularklerus: 60
davon.
Nonnen: 40
Mönche: 20
Weltklerus: 60
davon:
Pfarrer: 30
Vikare: 30

Der Klerus war von allen Steuern befreit, lediglich eine freiwillige Abgabe floß in die Staatskasse. Dieser Beitrag stieg zwar auf 5 Millionen Livres, sank aber prozentual von 10 auf 2% des Staatshaushaltes.

Insgesamt hatte der Klerus Einnahmen von ca. 200 Millionen Livres. Völlig ungleichgewichtig die Verteilung. Ein Bischof konnte mit min. 4000 Livre rechnen, teilweise wesenlich mehr, nicht selten bis zum 100-Fachen. Spitzenreiter war der Erzbischof von Straßburg mit 1,2 Mill. Livre.

Ein Pfarrer hingegen bekam ab 1786 nicht mehr als 750, ein Vikar lediglich 300 Livres. Zum Vergleich dazu verdiente ein Tagelöhner 200 Livres, wenn er denn Arbeit fand. [1]

Die durch königl. Edikt (1786) festgelegten Summen für den niederen Klerus kamen erst nach Aufbegehren der Pfarrer gegen die Kirchenoberen zustande. So wurde versucht, den "inneren Frieden" wiederherzustellen. Freilich mit einem Koalitionsverbot für die niederige Geistlichkeit verbunden.

Betrachtet man die Zusammensetzung der Deputierten des 1. Standen zu den Geralständen, dann ergibt sich dies:
Gesamt:291, davon 47 Bischöfe, 35 Abbés, 208 Pfarrer [2/Seite 221]
Schon daraus ergab sich die Gefahr, dass dieser 1. Stand für die Krone "verloren gehen" konnte, wie es dann auch tatsächlich geschah.

Noch ein paar Zahlen zum Brotpreis (4-Pfundbrot):
Nov. 1787: 9 Sous (20 Sous = 1 Livre)
Jan. 1788: 12 Sous
Frühjahr 88: 15, dann 20 Sous
Am 14. Juli 1789, an jenem Tag, an dem die Bastille, erstürmt wurde, stieg der Getreidepreis auf sein Rekordniveau ... " [2/ Seite 230]
Mal davon abgesehen, dass die Bastille übergeben wurde, läßt dies eher den Schluss zu, dass diese oder andere Revolten, eher so zu deuten sind:
"Der große Getreidemangel provozierte Furcht, Hass gegen die angeblichen Wucherer, eine starke Zunahme von durch das Land streifenden und nach Nahrungsmitteln suchenden Menschen und mehr oder minder spontane Ausbrüche von Gewalt." [2/Seite 230], als dass man von organisierten revolutionären Aktionen sprechen könnte.

Wie auch immer, deutlich wird die katatrophale wirtschaftliche Lage der Mehrheit der Franzosen, die einfach nach Veränderung schrie.

Grüße
excideuil

[1] Michael Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution, in: Malettke, Klaus (Hrsg): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime – Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Bd. 32, Colloquium Verlag, Berlin, 1982, Seiten 106 u. 112
[2] Malettke, Klaus: Die Bourbonen, Bd. II: Von Ludwig XV. bis Ludwig XVI. 1715-1789/92, W. Kohlhammer, Stuttgart, 2008
 
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