Frauenraub in Neolithikum

Cassandra

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Hallo Zusammen,

gestoßen bin ich auf folgenden Satz:
Frauenraub, territoriale Kämpfe oder Racheakte waren (im Neolilthikum)keine Seltenheit.

Auf der Suche nach mehr Informationen fand ich folgendes: Raptio in Wikipedia.

meine Frage ist nun, inwieweit kann man belegen, dass Frauenraub im Neolithikum keine Seltenheit war? Hat sowas flächendeckend stattgefunden?

Laut Gerda Lerner soll der Frauenraub ein Instrument gewesen sein, um das patriarchalische Strukturen zu festigen, die Frau von der Familienbande zu isolieren. Doch ist dafür nicht die Exogamie vollkommen ausreichend?

Oder gab es einen grundsetzlichen Frauenmangel?

Was steckt hinter den Frauenraub?

Danke und Gruß
Cassandra
 
Das gibt heute noch, aber in eher harmloser Form als Hochzeitsbrauch.

Ala Katschuu (Brautraub)
Seit Urzeiten kann in Kirgistan ein junger Mann ein Mädchen, das ihm gefällt, rauben. Ihm behilflich dabei sind seine Freunde oder Verwandten. Gewöhnlich wird der Tag des Raubes im Voraus bestimmt. Im Hause des jungen Mannes versammeln sich alle Verwandten, Tische werden gedeckt, ein Festessen wird gekocht. Für das geraubte Mädchen wird ein Zimmer im Hause bestimmt, wo eine Ecke mit einem sehr weissen Vorhang, dem "Köschögö"zugehängt wird. Wenn das Mädchen ins Haus des jungen Mannes gebracht wird, wird ihr Kopf mit einem weissen Kopftuch, das Symbol ihrer Jungfräulichkeit, bedeckt. Dieses Ritual lebt auch in unseren Tagen weiter. Nach der Hochzeitszeremonie folgt das Ritual "otko kirgisisch": es ist die Einführung der Braut in ihrer neuen Familie. Das junge Paar wird zu den Verwandten eingeladen. Die junge Frau gilt erst als Gleichberechtigte in der Familie, wenn sie beim Kochen Fett in den Kessel gegeben hat. Dschentek toj (Geburtsritual)
Ein anderer Brauch, der ebenfalls aus der vorchristlichen Zeit stammt, heisst " Dschentek toj " und ist das Fest zur Geburt eines Kindes. Wenn das Kind seine erste Schritte macht, wird der Brauch "tuschoo kesüü" zelebriert: Unter den Gästen wird ein Wettlauf veranstaltet. Dem Kind werden die Beine mit einem schwarzweissen Garn zusammengebunden. Der Sieger beim Wettbewerb schneidet dem Kind seine Fesseln durch und führt es die ersten zehn Meter an der Hand. Die Bedeutung ist, dass der kleine Mensch, nachdem er von diesen Fesseln befreit ist, sein ganzes Leben lang sicher gehen kann.


aus http://www.kirgistan-info.ch/info.shtml

ich war selbst einmal zu so einem Brautraub-Familienfest in Bischkek eingeladen (3 Tage lang, mit einer Menge Wodka und einer halben gebratenen Schafherde). Mir wurde erzählt, das dieser Brautraub früher eher eine Art Rettung war. wenn ein Mädchen verheiratet werden sollte, aber es den Mann nicht mochte, dann konnte sie dafür sorgen das sie noch vor der Hochzeit geraubt wurde, bevorzugt von dem jungen Mann der ihr eher gefällt. Da dieser Raub allgm. als Verlobung anerkannt wurde, hatte ein Mädchen damit ein Instrument in der Hand selbst die Wahl zu treffen. Und wenn ihr der "Räuber" nach ein paar tagen nun doch nicht gefiel konnte sie wieder in vollen Ehren ins Elternhaus zurückkehren (bis zur nächsten Hochzeit bzw Entführung).
 
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Cassandra schrieb:
meine Frage ist nun, inwieweit kann man belegen, dass Frauenraub im Neolithikum keine Seltenheit war? Hat sowas flächendeckend stattgefunden?

Laut Gerda Lerner soll der Frauenraub ein Instrument gewesen sein, um das patriarchalische Strukturen zu festigen, die Frau von der Familienbande zu isolieren. Doch ist dafür nicht die Exogamie vollkommen ausreichend?

Erstens ist es m.W. kaum möglich, solche Phänomene in der Jungsteinzeit nachzuweisen. Hinweise mag es geben, aber Beweise sicherlich nicht.

Zweitens wissen wir nichtmal, ob der Sprung vom Meso- ins Neolithikum wirklich allgemein den Wandel hin zu einer partiarchalische Gesellschaft bedeutet hat. Es gibt dazu viele Theorien, aber letztlich reden wir hier von sehr unterschiedlichen Kulturen, langen Zeiträumen und weiten Räumen. DAS Neolithikum gibt es nur in der Theorie. In der Praxis werden alleine im Europa des 4. und 3. Jtds. v.Chr. mehrere neolithische Gesellschaftsformen nebeneinander existiert haben. Dass man allgemein und weltumspannend dem Neolithikum eine Kultur des Brautraubs unterstellt, finde ich mehr als gewagt.

Ich erkenne etwa in den "Megalithikern" noch kein Indiz für eine Manifestation des Männlichen, sondern eher das Gegenteil, während bei späteren chalkolithischen und bronzezeitlichen Kulturen das männliche Element schon deutlicher in Erscheinung tritt. Ob das alles aber etwas mit einem Machtkampft "Matriarchat vs. Patriarchat" zu tun hat, bleibt fraglich.

Meine bescheidene Meinung dazu ...
 
Vor etwa 6000 Jahren gab es in Schletz, Asparn an der Zaya, Niederösterreich ein Massaker, bei der geschätzte 200 Menschen erschlagen worden sind, die Leichen wurden in den Kreisgraben geworfen.

Das Besondere daran ist, unter den Skeletten fehlten junge Frauen und Mädchen. Anscheinend wurden diese von den Siegern als Beute mitgenommen.

im Internet nachzulesen unter: das Massaker von Schletz
 
.... ein Massaker, bei der geschätzte 200 Menschen erschlagen worden sind, die Leichen wurden in den Kreisgraben geworfen.
Das Besondere daran ist, unter den Skeletten fehlten junge Frauen und Mädchen. Anscheinend wurden diese von den Siegern als Beute mitgenommen.
:grübel: Hmmm. Die Männer wurden also umgebracht, die Frauen geraubt. Jetzt wissen wir endlich, warum :
Laut Gerda Lerner soll der Frauenraub ein Instrument gewesen sein, um das patriarchalische Strukturen zu festigen
Richtet bitte Frau Lerner aus, dass ich beim nächsten Massaker lieber geraubt als erschlagen werden möchte. Aber das passiert ja nur mit Frauen. Wie ungerecht !
 
Was steckt hinter den Frauenraub?
Ein Ritual mit beiderseitigem Einverständnis.

Frauenraub sollte unbedingt von geraubten Frauen getrennt werden. Eine theatralische Vermählungszeremonie ist etwas anderes als verschleppte Frauen im Kriegszustand.

Mir wurde erzählt, das dieser Brautraub früher eher eine Art Rettung war. wenn ein Mädchen verheiratet werden sollte, aber es den Mann nicht mochte, dann konnte sie dafür sorgen das sie noch vor der Hochzeit geraubt wurde, bevorzugt von dem jungen Mann der ihr eher gefällt. Da dieser Raub allgm. als Verlobung anerkannt wurde, hatte ein Mädchen damit ein Instrument in der Hand selbst die Wahl zu treffen. Und wenn ihr der "Räuber" nach ein paar tagen nun doch nicht gefiel konnte sie wieder in vollen Ehren ins Elternhaus zurückkehren (bis zur nächsten Hochzeit bzw Entführung).
Ganz wichtige Info. So gesehen ist Frauenraub kein Mittel der Frauenunterdrückung, sondern ein Machtmittel der Frauen gegen ihre (patriarchale) Unterdrückung.
 
Da wären wir wieder bei der Diskussion „Frauen in der Steinzeit“.......

Es gibt tatsächlich neben dem oben erwähnten Fund in Österreich noch den aus Talheim, BW, mit ähnlichen Ergebnissen.
Auch dort fehlen im „Massengrab“, mit einer Ausnahme, Knochenmaterial von jungen Frauen. Zumindest Talheim wird z.Zt. tatsächlich als Überfall auf eine Dorfgemeinschaft interpretiert, bei dem für die Angreifer „nutzlose“ Gefangene getötet wurden.
Sieht m.E. auch wirklich danach aus. Der Tod der einzelnen Menschen trat durch Gewalt ein, die Ver-/Begrabenen sind älter, Kinder, oder, wie im Falle der einzigen jungen Frau, behindert.

Beide Fundkomplexe sind jedoch linenbandkeramisch, für spätere oder frühere Hinweise auf geplanten und systematisch erfolgten Frauenraub als Mittel zur Durchsetzung der Patriarchats fehlen Funde.

Wie sollten die auch aussehen ?

Da stehen doch nur zwei unbeweisbare Aussagen im Raum.
Neolithikum = Patriarchat = Frauenraub.
Oder: Patriarchat = Besitz = Neolithikum = Frauenbesitz = Frauenraub.

Solche Aussagen sind einfach viel zu unwissenschaftlich und geben als Spekulation nur Raum für weitere Spekulationen.
Wenn denn nur von den Sozialwissenschaftler/innen endlich eingesehen werden würde, dass die Archäologie keine Aussagen zu Wertungen und Geisteshaltung liefern kann.:weinen::weinen:


Thomas
 
Kommt auch darauf an, ob Skelette ansonsten gesunder (!), junger Männer zu finden waren. Vermutlich hat man tatsächlich nur die erwischt, die sozusagen "Haus und Hof" hüteten, bzw. schwach und krank waren, die man vielleicht sogar bewußt zurückgelassen hatte. Muss gar kein Raub gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Tod der einzelnen Menschen trat durch Gewalt ein, die Ver-/Begrabenen sind älter, Kinder, oder, wie im Falle der einzigen jungen Frau, behindert.

Auch dies - im Hinblick auf die überfallene Dorfgemeinschaft - ein interessanter Befund, der zeigt, dass der Mensch vom Wesen her ein soziales, empathisch empfindenes Wesen ist.

Wenn denn nur von den Sozialwissenschaftler/innen endlich eingesehen werden würde, dass die Archäologie keine Aussagen zu Wertungen und Geisteshaltung liefern kann.

Wieso Sozialwissenschaftler?

Kommt auch darauf an, ob Skelette ansonsten gesunder (!), junger Männer zu finden waren. Vermutlich hat man tatsächlich nur die erwischt, die sozusagen "Haus und Hof" hüteten, bzw. schwach und krank waren, die man vielleicht sogar bewußt zurückgelassen hatte. Muss gar kein Raub gewesen sein.

Da es offensichtlich keine Bestattung gab, muss man davon ausgehen, dass es auch keine Überlebenden gab, die zurückkehren konnten.
 
Es handelte sich, soweit ich hier mitgelesen habe, um keine *selektive* Tötung - wie kommst du darauf? Die aufgefundenen Individuen waren offenbar alle dem Überfall zum Opfer gefallen.

Der Hinweis auf die Empathie sollte mE so verstanden werden, daß die behinderte junge Frau ihren Platz in der überfallenen Dorfgemeinschaft hatte, man hatte sich ihrer nicht zB durch Kindestötung entledigt.
 
Wieso zeugt das selektive Erschlagen von Behinderten von einem empathischen Wesen ?

Ich habe doch ausdrücklich auf die überfallene Dorfgemeinschaft hingewiesen!

Die behinderte Frau ist offensichtlich jahrelang versorgt, also in ihrer Behinderung akzeptiert worden. Erst als das Dorf ausgelöscht wurde, wurde sie als (halbwegs) Erwachsene zusammen mit den Verwandten ermordet.
 
Wäre noch zu klären, wie die Behinderung sich äusserte und ob sie tatsächlich von Geburt an da war.
 
Mir wurde erzählt, das dieser Brautraub früher eher eine Art Rettung war. wenn ein Mädchen verheiratet werden sollte, aber es den Mann nicht mochte, dann konnte sie dafür sorgen das sie noch vor der Hochzeit geraubt wurde, bevorzugt von dem jungen Mann der ihr eher gefällt. Da dieser Raub allgm. als Verlobung anerkannt wurde, hatte ein Mädchen damit ein Instrument in der Hand selbst die Wahl zu treffen. Und wenn ihr der "Räuber" nach ein paar tagen nun doch nicht gefiel konnte sie wieder in vollen Ehren ins Elternhaus zurückkehren (bis zur nächsten Hochzeit bzw Entführung).
Ganz wichtige Info. So gesehen ist Frauenraub kein Mittel der Frauenunterdrückung, sondern ein Machtmittel der Frauen gegen ihre (patriarchale) Unterdrückung.
Auch in Zentralasien gibt es immer noch Frauenraub, der NICHT mit Einverständnis der "Braut" geschieht. Das ist eine zweischneidige Sache, der erst mal gar nichts mit "Machtmittel der Frauen gegen die patriarchale Unterdrückung" zu tun hat, sondern mit einem Ausweg aus gesellschaftlichen Normen und Verpflichtungen, die mit einer Eheschließung einhergehen. Diesen Ausweg kann ein heiratswilliger junger Mann auch durchaus gegen den Willen seiner Auserwählten gehen.
 
Auch in Zentralasien gibt es immer noch Frauenraub, der NICHT mit Einverständnis der "Braut" geschieht. Das ist eine zweischneidige Sache, der erst mal gar nichts mit "Machtmittel der Frauen gegen die patriarchale Unterdrückung" zu tun hat, sondern mit einem Ausweg aus gesellschaftlichen Normen und Verpflichtungen, die mit einer Eheschließung einhergehen. Diesen Ausweg kann ein heiratswilliger junger Mann auch durchaus gegen den Willen seiner Auserwählten gehen.
Zumal es nicht viel Unterschied macht, ob die Frau von den Eltern gezwungen wird eine ungeliebte Verbindung einzugehen, oder von dem zukünftigen Gatten. In manchen Regionen/Ländern entscheiden immer noch maßgeblich die Eltern mit "Der kommt mir nicht ins Haus".

Im übrigen ist ein einverständlicher Raub kein Raub im wörtlichen Sinn. Man spricht nur ehrenhalber davon. Selbst in England, wo Gretna Green sozusagen das Mekka für alle war, deren Eltern die Erlaubnis nicht gaben, sprach man nicht von Raub, sondern von Flucht. Die meisten Eltern ergaben sich und akzeptierten notgedrungen die Verbindung, manche jedoch brachen mit den Töchtern und Söhnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Geht jetzt ein wenig vom Thema weg, aber trotzdem ein paar Anmerkungen. (Die sind auswendig, die Literatur dazu ist arg verstreut)-

Es liegt einiges an Hinweisen zum Umgang mit „behinderten“ Menschen in der VG vor.

In Halle liegt z.b. ein (neolithisches) Kind mit Hydrocephalitis (Wasserkopf), im Museum, dass im üblichen Sterbealter für unbehandelte H. mit ca 8-10 Jahren starb.
Ebenso aus Sachsen-Anhalt gibt es eine BZ-Zeitliche Bestattung eines Kindes, ebenfalls 8-12 Jahre alt, dass, ohne Füße geboren, mit Füßen aus Ton bestattet wurde.
Die berühmte „Schamanin“, ebenfalls im Hallensischen Museum, war sicher verhaltensauffällig, wenn nicht sogar wirklich eine Schamanin.
Die erwähnte Frau aus Talheim hatte irgendeine Einschränkung am Gehapparat, soll heißen, sie konnte „nicht richtig“ gehen.
Dass auch Krankenfürsorge betrieben wurde, zeigen gerichtete, verheilte Knochenbrüche oder Trepanationen.

Zum eigentlichen Thema „Frauenraub im N. als Mittel der Umsetzung des Patriarchats“, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr, was ich sagen sollte.
Die Idee, dass sich das P. erst mit der „Inbesitznahme“ von Land entwickelte, weil man/frau annimmt, dass sich erst dann eine „Eigentumsidee“ breitmachte, wobei dann Frau = Eigentum gleichgesetzt wurde, ist eine Aussage zur Frauenforschung, die schon im 19.Jh. formuliert wurde. (Auch von Männern...Graves etc.)

Das ist m.E. Kaffeesatzleserei. Völlig aus der Sicht des 19.Jh.

Die Hereinnahme der Massengräber aus der LBK erinnert mich methodisch dann an den Schützen, der zehnmal an eine Scheunenwand schießt, um dann um die dichteste Trefferlage seine Zielscheibe zu malen.
Normalerweise nimmt man/frau Fakten und entwickelt eine Theorie. Hier existiert eine Theorie und die Fakten werden dazu gesucht.
Methodisch...äh...zweifelhaft.

Thomas
 
Zum eigentlichen Thema „Frauenraub im N. als Mittel der Umsetzung des Patriarchats“, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr, was ich sagen sollte.
Die Idee, dass sich das P. erst mit der „Inbesitznahme“ von Land entwickelte, weil man/frau annimmt, dass sich erst dann eine „Eigentumsidee“ breitmachte, wobei dann Frau = Eigentum gleichgesetzt wurde, ist eine Aussage zur Frauenforschung, die schon im 19.Jh. formuliert wurde. (Auch von Männern...Graves etc.)
Stimmt auffallend. Frau=Scholle wäre eine faszinierende Rechnung, die voraussetzen würde, dass die Eigentumsrechte einer Gruppe grundsätzlich bei deren weiblichen Mitgliedern lagen. Warum man umständlicherweise Krieg führte, statt einfach nur die Frauen zu rauben? :devil: :D
 
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