Friedrich I. und Friedrich II. in Preußen, ein Vergleich

Brissotin

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So mehr ich mich mit beiden Charakteren beschäftige so näher tritt ein Vergleich als durchaus spannende Betrachtung an mich heran.
Über Friedrich I., wissen wir aus dem Geschichtsunterricht wenig. Er wird vielleicht im Nebensatz für seine angebliche Verschwendungssucht gescholten und dann wird noch Friedrich II. vielleicht noch zitiert, der seinen Großvater wegen seines "asiatischen Pomp" verurteilte. Gekannt hatte er seinen Großvater, den Wilhelmine von Bayreuth als liebevoll und familienbewusst lobt, nicht mehr. Friedrich II. wurde 1712 geboren, während sein großer Großvater 1713 verschied, von vielen betrauert.

Gemeinsames:
Beide hatten eine sehr schwere Jugend.
Friedrich I. hatte nach dem Tode seiner leiblichen Mutter schwer unter dem Einfluss der Stiefmutter zu leiden, was fast bis zu Misshandlungen führte. Er entfloh seinem Vater ebenso wie Friedrich II. und selbstverständlich ebenso erfolglos, wenngleich nicht so folgenschwer. Während Friedrich I. Furcht vor der Stiefmutter soweit ging, dass er fürchten musste, sie hätte ihn vergiftet (es war gerade die Zeit der Giftaffären am franz. Hof), hätte wenig gefehlt, dass Friedrich II. von seinem eigenen Vater zum Tode verurteilt worden wäre.

Beide blieben Zeit ihres Lebens zutiefst einsam.
Während allerdings Friedrich I. um ein funktionierendes Eheleben bemüht war, war F II. seine Gemahlin verhasst. F I. suchte Geborgenheit, protegierte seine politischen Favoriten, die sich als seine Freunde ausgaben, wie Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg. Ja noch am Ende seines Lebens heiratete er Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin, da der Kronprinz wie auch später als König viel kränkelte. Seine eigenen Worte drücken aber den eigentlichen Wunsch nach Geborgenheit in der Ehe aus, die ihm aber verwehrt blieb. Sophie Luise stellte sich schnell als geisteskrank heraus und wurde daher von ihm wieder nach Hause geschickt.

Beide hatten große Ideale und Ziele.
Der eine bemühte sich sein Leben lang um die Königswürde, die endlich Brandenburg-Preußen die lange strittig gemachte Position in Europa verschaffen sollte und für Stabilität sorgen, der andere erkannte seine historische Chance.

Beide schätzten und förderten die Künste, betätigten sich als große Baumeister, bzw. ließen bauen. Unter ihnen fanden die wissenschaftlichen Akademien und die Wissenschaften an sich einen großen Aufschwung in ihrem Staat. F I. hatte einen Schlüter, F II. einen Knobelsdorf ...

Unterschiede:
Während F I. bis in die heutigen Tage nicht zuletzt durch seinen Sohn und Enkel durch deren Urteile in unseren Augen völlig entstellt wurde, hatte F II.. stets eine hohe Anerkennung auch von seinen Feinden bzw. späteren Feinden Preußens (wie Napoleon I.) genossen. Während F I. am Beginn seiner Regierung eine völlige Zerschlagung der hohenzollerschen Länder durch das Testament seines Vaters befürchten musste und Brandenburg außenpolitisch instabil war, fand F II. den Staat wohl geordnet vor und hatte die Mittel (Heer und eine gefüllte Staatskasse) in den Händen, seine Ziele zu verwirklichen.

Wenn dann würde ich beiden den Titel eines "Großen" zumindest in der Geschichte ihres Staates zuerkennen.
 
Sehr interessanter Vergleich, finde ich.
Friedrich I. profitierte schon in hohem Maße von seinem Vater dem "Großen Kurfürsten", der in verschiedenen Schlachten die Schweden schlug und
das Gebiet vergrößerte. Zudem schloß er den Frieden von Oliva, der das Preußenland von der polnischen Krone löste und damit erst den Königstitel ermöglichte.
Wobei Friedrich I. den Pomp und die Ausschweifung wohl sehr liebte und die Königswürde wohl den damals noch kleinen Staat überforderte. Denn die Gattin des Königs hielt die Krönung zur "Königin in Preußen" für lächerlich.
Während Friedrich I. sein Geld für große Festivitäten und Schlosprojekte (Berliner Sgtadtschloss und Schloss Charlottenburg) verschleuderte, ging unter dem Alten Fritz der Staat beinahe wegen der vielen Kriege gegen fast alle anderen Großmächte unter.
Friedrich II. baute im Gegensatz dazu fast alle Schlösser mit Ausnahme des "Neuen Palais" nicht zur Repräsentation sondern zu seinem Privatvergnügen.
Friedrich II. profitierte schon sehr von der friedlichen aber dennoch aufrüstenden Politik des Soldatenkönigs und damit vollen Staatskasse und der Armee um seine Kriegspläne sofort im ersten Jahr seiner Regierung gegen Maria Theresia zu führen obwohl Preußen zuvor die Pragmatische Sanktion anerkannt hatte.
In der Geschichte Preußens sind beide selbstverständlich "Große", denn der eine machte den preußischen Königsstaat erst möglich während der Andere ihn durch seine Kriege zu einer europäischen Großmacht werden ließ.
 
Sehr interessanter Vergleich, finde ich.
Friedrich I. profitierte schon in hohem Maße von seinem Vater dem "Großen Kurfürsten", der in verschiedenen Schlachten die Schweden schlug und
das Gebiet vergrößerte. 1.

Zudem schloß er den Frieden von Oliva, der das Preußenland von der polnischen Krone löste und damit erst den Königstitel ermöglichte. 2.

Wobei Friedrich I. den Pomp und die Ausschweifung wohl sehr liebte und die Königswürde wohl den damals noch kleinen Staat überforderte. Denn die Gattin des Königs hielt die Krönung zur "Königin in Preußen" für lächerlich. 3.

Während Friedrich I. sein Geld für große Festivitäten und Schlosprojekte (Berliner Sgtadtschloss und Schloss Charlottenburg) verschleuderte, ging unter dem Alten Fritz der Staat beinahe wegen der vielen Kriege gegen fast alle anderen Großmächte unter. 4.

Friedrich II. baute im Gegensatz dazu fast alle Schlösser mit Ausnahme des "Neuen Palais" nicht zur Repräsentation sondern zu seinem Privatvergnügen. 5.
Schön, dass wir uns wenigstens im letzten Punkt einig sind.
Jetzt aber zu den von Dir angeführten:

1. Eben das gelang dem Großen Kurfürst nicht, eine entscheidende territoriale Stärkung Brandenburgs gelang erst nach der Erhebung zum König, F I. starb nur leider vor dem Ende des Nordischen Krieges, in dem FW I. die Lorbeeren absahnte. Das hatte ja F I. dazu verleitet soviel Geld und Verbindlichkeiten in das Projekt zu investieren: sein Vater war bei all den Kriegen bei den Friedensverhandlungen hinten an gestellt worden, eben weil er kein gekröntes Haupt war, sondern eben nur Markgraf von Brandenburg in erster Linie, dann erst Kurfürst.

2. Auch FW I musste über die Unabhängigkeit von der poln. Krone noch mit seinem Freund August II. Verträge abschließen, der aber dafür offene Ohren hatte, der Prozess war eigentlich erst mit der ersten Teilung Polens 1772 abgeschlossen. Von da an nannten sich die preußischen Könige "von" Preußen ganz offiziel. Natürlich gibt es den Passus "in" garnicht im Französischen, weshalb auch für die vorigen Könige schon das "von" sich eingebürgert hat. Schriftsprache war, wenn nicht in Reichsangelegenheiten Französisch.

3. Die Gattin die Du meinst Sophie Charlotte (von Hannover) ( http://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Charlotte_von_Hannover ) machte sich nur über F I. lustig. Sie verriet ihn bei ihren welfischen Verwandten und hinterging ihn auch gegenüber seinen Ministern. Man kann die Ehe nur als sehr traurig bezeichnen.

4. Genau das ist die langläufige Meinung über F I.. Dass er die Gelder für seine Hofhaltung ausschließlich dem eigenen Geldbeutel entnahm wird dabei gern übersehen.

5. Ob es nun besser ist, wenn jemand zu Repräsentation, das heißt zu der Zeit im Interesse des Staates, die Einnahmen ausgibt oder nur zu seinem eigenen Amusement, das ist nun eine gute Frage. Außerdem verrichtete F II. ja in Sans-Souci auch seine Amtsgeschäfte. Im Neuen Palais wurden u.a. auch internationale Gäste untergebracht oder bewirtet.

Außerdem sollte man FW I. Sparsamkeit richtig einordnen. FW I. bekam von seinem Vater eine moderne Stadt und repräsentative Bauten, die seinem Rang und der damals durchaus aus Gründen der Staatsräson nötigen Prachtentfaltung entsprachen. Die Notwendigkeit zum Ausbau war also auch nicht mehr gegeben. FW I. konnte nun einen August II. von Polen in entsprechenden Gemächern empfangen. (Übrigens wetteiferte er seit seinem Dresdenbesuch mit den Kronleuchtern mit seinem sächsischen Kollegen und war trotz seiner Knausrigkeit für die Geschenke von Silberservices (wer schonmal in Köpenick war, weiß wovon ich rede) ziemlich bekannt.
 
1. Eben das gelang dem Großen Kurfürst nicht, eine entscheidende territoriale Stärkung Brandenburgs gelang erst nach der Erhebung zum König, F I. starb nur leider vor dem Ende des Nordischen Krieges, in dem FW I. die Lorbeeren absahnte. Das hatte ja F I. dazu verleitet soviel Geld und Verbindlichkeiten in das Projekt zu investieren: sein Vater war bei all den Kriegen bei den Friedensverhandlungen hinten an gestellt worden, eben weil er kein gekröntes Haupt war, sondern eben nur Markgraf von Brandenburg in erster Linie, dann erst Kurfürst.

2. Auch FW I musste über die Unabhängigkeit von der poln. Krone noch mit seinem Freund August II. Verträge abschließen, der aber dafür offene Ohren hatte, der Prozess war eigentlich erst mit der ersten Teilung Polens 1772 abgeschlossen.

3. Die Gattin die Du meinst Sophie Charlotte (von Hannover) machte sich nur über F I. lustig.

4. Dass er die Gelder für seine Hofhaltung ausschließlich dem eigenen Geldbeutel entnahm wird dabei gern übersehen.

Außerdem sollte man FW I. Sparsamkeit richtig einordnen. FW I. bekam von seinem Vater eine moderne Stadt und repräsentative Bauten, die seinem Rang und der damals durchaus aus Gründen der Staatsräson nötigen Prachtentfaltung entsprachen. Die Notwendigkeit zum Ausbau war also auch nicht mehr gegeben. FW I. konnte nun einen August II. von Polen in entsprechenden Gemächern empfangen. (Übrigens wetteiferte er seit seinem Dresdenbesuch mit den Kronleuchtern mit seinem sächsischen Kollegen und war trotz seiner Knausrigkeit für die Geschenke von Silberservices (wer schonmal in Köpenick war, weiß wovon ich rede) ziemlich bekannt.

Kurze Rechtfertigung meiner Behauptungen:
zu 1. Der große Kürfürst hat zwar keine Eroberungen machen können aber im Westfälischen Frieden ist ihm Hinterpommern, Minden, Halberstadt zugesprochen worden. ebensowenig wie Friedrich I.
bis zu seiner Krönung. Er wurde z.B. bei den Friedensverhandlungen des Friedens von Rijswijk trotz großer Unterstützung der Alliierten übergangen. Durch die Krone sollte dies nun verhindert werden.
Zudem darf man nicht vernachlässigen, dass bereits drei andere deutsche Fürsten Könige wurden, z.B. der sächs. Kurfürst. Das trug sicher auch zum Wunsch nach Rangerhöhung bei. Sieht man z.B. am bayr. Kurfürst, der gerne Bayern gegen ein Königreich um Brüssel eingetauscht hätte.

zu 2. Durch seine geschickte Bündnispolitik GKürf. erreichte der G. Kurf. im schwedisch-polnischen Krieg sowohl den Verzicht Schwedens auf Preußen als auch die Aufgabe der Lehensherrschaft des Königs von Polen auf Ostpreußen im Vertrag von Oliva 1660.
(Steht zumindest bei Raabe (Hg.), Preußen. Chronik eines deutschen Staates, 2001.)

zu 3. "Sophie Charlotte, die vornehme, intellektuelle Hannoveranerin, sieht das Ganze eher als peinliches Possenspiel. Sie geniert sich wohl vor den wirklich großen europäischen Höfen."
Und an Leibniz schreibt sie: "Glauben Sie bitte nicht, dass ich diesen GLanz und die Kronen von denen man hier soviel Aufhebens macht, dem Vergnügen philosophischer Unterhaltung vorziehe, das wir in Lietzenburg miteinander hatten." (siehe ebenda)

zu 4. Bei weitem nicht alles zahlte der König aus seiner Privattasche. Wie ließe sich sonst erklären, dass im Jahre 1713 der Schuldenberg trotz immer neuer Steuern 20 Mio. Taler betrug, so dass Friedrich Wilhelm I. den gesamten Etat streichen und Einsparungen vornehmen musste.
Es sei erwähnt, dass die Schulden in großem Maß auf den geldgierigen Premierminister "von Kolbe Wartenberg" und seine Erfindung neuer Hofämter zurückzuführen ist.

zur Sparsamkeit FW. I.: Dass nun genung repräsentative Bauwerke vorhanden waren, ist natürlich zutreffend. Auch mit Gescheniken an andere Fürsten hielt er sich nicht zurück, so schenkte er z.B. das Bernsteinzimmer dem Zar Peter I. Außerdem ist bekannt, dass F.W. I. sein Geld hauptsächlich in Silberbuffets (wobei das Köpenicker schon unter F. I. entstand) und anderen Silber- und Goldarbeiten anlegte um es bei knapper Kasse wieder verkaufen zu können, wovon Friedrich II. dann regen Gebrauch machte.

Ich denke, dass hauptsächlich die Maßnahmen in der Militärpolitik und der Vermehrung der Bevölkerung durch die Einwanderungs- und Religionspolitik sehr viel zum Aufstieg Brandenburg-Preußens beigetragen haben. Ohne die Stärke der Armee wäre Preußen nie zu einer Großmacht geworden.
Die "Erfindung" eines Königreiches war natürlich ein Meisterstreich. Zum einen trug es, wie in deinem Beitrag genannt, zur Beachtung Preußens bei den anderen Königreichen bei, die es (mit Ausnahme des Papstes) anerkannten. Zum anderen konnten dadurch auch die einzelnen,
verstreuten Territorien unter einen Begriff, eine verbindende Staatszugehörigkeit gestellt werden.
Friedrich II. wollte eben dieses Staatsgebiet noch erweitern. Dabei hat er schon eine starke Militärmacht von seinem Vater zur Verfügung um sofort losschlagen zu können.

Beide Friedriche profitierten in sehr großem Maße von ihren Vätern. Obwohl es jeweils Konflikte mit ihnen gab, leisteten sie die Vorarbeit, auf denen der Erste seine Königskrönung, der Zweite seine Eroberungsfeldzüge aufbaute.
 
Wir verstehen uns.
zu zu 3.: Das bescheinigt ja nur wieder die schlechte Meinung, die Charlotte von dem "chimärisch Ding" ihres Gemahls hielt und was sie eigentlich überhaupt von ihm hielt, nämlich nichts.

Das besondere an Preußen und die historische Wirkung Friedrich I. ist, dass er eine Großmacht im Reich und eine Mittelmacht in Europa schuf. Im Vergleich mit allen drei anderen Königen kommt er gut weg. Der Griff nach der skandinavischen Krone für Hessen-Kassel gelang zwar, hatte aber keine Auswirkungen auf die deutschen Gebiete. Ebenso bei den Welfen von Hannover. Durch die Erlangung der Krone zeigten sie eher ein zunehmendes Desinteresse an ihren Stammlanden und engagierten sich im Reich (ab Georg II.) zusehends weniger. Sachsen ruinierte sich durch den Besitz der Krone von Polen gar und schied dadurch aus dem Mächtekonzert innerhalb des Reiches völlig aus. Als die bestimmenden Mächte flächenmäßig im Reich blieben also Österreich-Habsburg (mit einer Krone innerhalb des Reiches in Böhmen), Preußen (mit einer Krone, die auch erhebliche Auswirkungen auf die Gebiete innerhalb des Reiches hatte, die Trennung Kurfürstentum Brandenburg/Königreich Preußen wird selbst von Karl VI. nicht streng gezogen) und mit großem Abstand die vereinigten Wittelsbacher Staaten (Bayern, Pfalz, rheinländische Herzogtümer usw.), dann erst Sachsen.
 
Ich stimme euch in dem Punkt zu, dass es einige Gemeinsamkeiten zwischen Frierich I. und Friedrich II. gegeben hat, v.a. der Punkt, das beide eine schwierige Kindheit hatte.
Meiner Meinung nach aber wäre es eher gerechtfertigt Friedrich Wilhelm I. den Beinamen der Große zu geben als Friedrich I. Wenn wir die Taten der beiden mal gegenüberstellen:
Friedrich I. war von Geburt an eher kränklich, sein Vater hoffte, dass einer seiner älteren Brüder das Erbe antreten würde, beide versarben jedoch und so trat er das Erbe an. Seine Kindheit versuchte er mit Prunksucht und Eitelkeit auszugleichen, dies machte ihn jedoch zugleich anfällig für die Günstlinge an seinem Hof, die weitgehend die Regierungsgeschäfte übernahmen. Seine größte Leistung war zweifellos das erreichen der Königswürde, allerdings war dieses Projekt und der damit verbundende Prunk mit riesigen Kosten verbunden, welche der junge Staat nicht verkraften konnte, er fiel so in eine Wirtschaftliche Krise und machte rund 14 Millionen Taler schulden ( zu Friedrich Wilhelms I. antritt) Seine ausgaben für Wissenschaft und Kultur passen ebenfalls dazu.
Friedrich Wilhelm I. dagegen sparte an überflüssigem Prunk und verbannte die Günstlinge seines Vaters aus der Regierung. Er sanierte den Staat und machte ihn zu einer Merkantilen Wirtschaftsmacht, die Worte Finanzkrise oder Hungersnot waren zu seiner Regentschaft unbekannt. Außerdem schuff er die mächtigste Armee Europas. (Friedrich´ I. Armee war nicht schlecht, aber weit weniger gut finanziert, personell erheblich schwächer und wegen Subsidienverträge ständig anderswo gebunden) Auch den Beamtenstaat für den Preussen so berühmt ist wurde zu einem erheblichen Teil von ihm geschaffen.
 
Zur Bewertung wie natürlich auch zum Vergleich mit seinem Enkel ist eine Betrachtung der Finanzlage Friedrich I. ganz unabdingbar.

Man sollte nicht vergessen, dass auch ein großer Teil seiner Regierungszeit von der klugen und erfolgreichen Politik Danckelmanns gekennzeichnet war. Es entstand ein erstes selbstständiges Finanzministerium, welches schon 1689/90 einen Staatshaushalt vorlegen konnte.
„Insonderheit gehört es in dieser Beziehung zu (Friedrichs) Verdiensten, dass unter ihm das Rechnungswesen vervollkommnet wurde.“ (Riedel)

Einschließlich der Subsidienzahlungen in Millionenhöhe kann man von einem ungefähr 4 Mio. Talern umfassenden Staatshaushalt sprechen. Davon kamen 2,5 Mio. durch Steueraufkommen ein. Davon entfiel schon unter Friedrich I. die Hälfte auf Verteidigungsausgaben. 300.000 Taler wurden für den Hof und die Zivilverwaltung aufgewendet.

Allerdings stiegen die Ausgaben für den Hof mit dem Sturz Danckelmanns und dem Ministerum Wartenberg/Wittgenstein rapide auf schließlich 561.000 Talern im Jahre 1713, während die Schatulle des Königs (Einnahmen aus Münzregal, Postwesen und vor allem den persönlichen Gütern) bloß auf 496.000 Talern angewachsen war. So steigerten sich die Kosten der Hofhaltung um 39,4% von 1697 bis 1712.

Wo das Geld hinfloss erkennt man leicht, wenn man sich die Vermögen anschaut, welche die Clique um den Minister Wartenberg anschaut. Sein Privatvermögen stellte nach 12 Jahren seiner Einflussnahme einen Wert von 400.000 Talern dar. Wenn man das im Verhältnis zum Gesamthaushalt sieht, dann machte es ein Zehntel der jährlichen Einkünfte des Königreiches aus. Das Klientel um Wartenberg war obendrein Vielköpfig und die Unterschlagungen müssen sich somit auf über 1 Mio. belaufen haben. Eine astronomische Summe noch heute

Also waren weniger die Bauten und Feste schuld an der Misere, als die Unterschlagungen in der Nachdanckelmannzeit. Daneben scheitert das Erbpacht-Experiment in den letzten Jahren von Friedrich I. Regierung, welches so hoffnungsfroh begonnen hatte und hätte zukunftsweisend wirken können. Dazu kam eine Pestepidemie in Ostpreußen, bei dessen Linderung sich Friedrich finanziell obendrein noch verausgabte, was aber eher für als gegen ihn spricht.

Erst 1711 wurden Wartenberg und Wittgenstein endlich, aber recht gnädig entlassen. Mit von Ilgen hatte dann Friedrich I. den selben Minister, der auch seinem Sohn diente. Das Rad konnte Friedrich I. allerdings am Ende seiner Regierung nicht mehr herumreißen, nicht zuletzt wegen der Pest und persönlicher gesundheitlicher Probleme.

Sicherlich nicht falsch angelegt waren Friedrich I. Investitionen in die Forschung und Wissenschaften überhaupt, in dem er 1694 die Universität Halle, wo Größen wie Francke, Christian Thomasius und Christian Wolff eine Professur inne hatten, und 1700 die Akademie Berolina mit einem Präsidenten Leibniz gründete. Von Anfang an wurden auch an der Akademie in Berlin große Ergebnisse erzielt, die auch publiziert wurden, was von Geographie über Kunst bis zur Ökonomie reichte.

Selbst darüber fand Friedrich II. noch einen Grund zum spötteln, was überhaupt seine Aussagen über seinen Großvater ins rechte Licht rückt, nämlich, dass sie nur in einem Kanon der Meinung seines Vaters nachgeplappert waren, an Friedrich I. kein gutes Haar zu lassen:
Man hatte Friedrich I. eingeredet, es zieme sich für ein Königtum eine Akademie zu besitzen, genau wie man einem frischgebackenen Adligen weis macht, es sei schicklich, sich eine Meute zu halten.

Er und sein Vater hatte die Akademie aber sicherlich nicht geschadet.
 
Ich stelle mir im Vergleich auch manchmal Friedrich II. zu Pferde im Gefecht vor und dann Friedrich I.., der körperlich behindert, dennoch seinen Vater auf den Feldzügen begleitete (vor allem nach dem Tode seines älteren Bruders) und wie er dann schon als Kurfürst in den Laufgräben im Rheinland dabei war.

Hier noch eine Stimme eines Zeitgenossen, den ich oft und gerne zitiere und der Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. oftmals begegnet ist und dennoch genau in die Kerbe haut, dass der König Friedrich I., den Pomp liebte. Aus "Das galante Sachsen" (Amsterdam 1735) anonym Carl Ludwig von Pöllnitz zugeschrieben:
Die beyden Könige [von Polen und Dänemark, Anmerk. von mir] reiseten mit einander nach Lichtenberg, Ihro Königl. Hoheit die Frau Mutter zu besuchen. Von da fuhren sie nach Pretsch, woselbst sie von der Königin auf das herrlichste aufgenommen und bewirthet wurden. Ferner reiseten sie mit einander von diesem Schloss nach Potsdam zum König von Preußen, Friedrich dem Ersten, welcher durch die Aufnahme, womit er sie empfieng, bewiesen hat, wie würdig er sich erworben den Beynahmen des Herrlichen trage.
Entgegen meiner Angewohnheit Primiärquellen kursiv zu schreiben, habe ich darauf diesmal verzichtet, da im Original auch die nämlich Stellen wie ich sie schrieb kursiv waren und somit auch so dargestellt werden mussten, um die Betonung des Autors zu erkennen.
 
Abschließend und so sah es der König selber. Hier in einem Brief Friedrich I. vom 29. Nov. 1708 an Kurfürstin Sophie von Hannover (der er viele Briefe schrieb):
Ich finde aber, daß es beßer ist, sein geldt in seinem Lande roullieren zu laßen, als allein das gelt in seinen couffers liegen zu haben, und daß die unterthanen dabey auch leben können.
Eigentlich spricht es schon für seinen verzagten Charakter, dass er sich überhaupt meinte für jeden und alles vor seiner Schwiegermutter rechtfertigen zu müssen, die ihn ja offensichtlich hinterging in den Intrigen zusammen mit seiner Gemahlin. Scheinbar will er in diesem Brief seine Ausgaben für die Bauten usw. erklären und zwar damit, dass er die Wirtschaft ankurbelte, was ja auch richtig ist.
 
Scheinbar will er in diesem Brief seine Ausgaben für die Bauten usw. erklären und zwar damit, dass er die Wirtschaft ankurbelte, was ja auch richtig ist.

Was ja nicht gerade für ihn spricht, den solche Ausgaben sind alles andere als Langfristige Investitionen, si beschaffen einigen in der Region auf einige Jahre arbeit, aber dafür wird (zu) viel Geld aus der Staatskasse verwendet. Friedrich Wilhelms wirtschaftspolitische Maßnahmen dagegen sind erheblich Langfristiger und dienen dem Wohle des ganzen Landes, ohne die Staatskasse so zu belasten.

In einem Punkt scheinen wir uns ja einig zu sein: Friedrich I. war nicht allein dafür verantwortlich, dass die Staatskasse leer war, sondern zum großen Teil einige seiner Günstlinge. Allerdings ist es ihm vorzuwerfen, dass er Danckelmann durch einige Günstlinge ersetzt hat.
 
Der arme Danckelmann...

Er musste Danckelmann ersetzen, um König zu werden. Entgegen vieler Schmähungen, stand Danckelmann Friedrichs Projekt völlig entgegen. Leider gab es damals keine andere Möglichkeit als ihn nach Spandau vorerst zu schicken. Sicherlich war die Inhaftierung herscherliche Willkür par excelence. Interessant ist, dass die Feinde Danckelmanns in den Verhören am Anfang ihm vorwarfen, dass er die Erhebung zum König betrieben hätte. Friedrich ließ wohlwissend diesen Passus streichen. Vermutlich waren einfach eben diese korupten Gestalten, die einzigen, welche Friedrich I. Politik trugen, auch wenn nur, um sich selbst zu bereichern. An allen anderen Stellen in der Verwaltung traf er auf Ablehnung.

Dass FW I. niemals den Schritt gemacht hätte und also F II. niemals König gewesen wäre und undund , da sind wir uns zum Glück einig.

Danckelmann war, gerade bedauerlich wegen seiner Fähigkeiten, ein Bauernopfer auf dem Weg zur Krone und zur Großmacht Preußen. Friedrich I. wusste, dass er mit ihm nie seine Ziele erreicht hätte, also musste er es ohne ihn tun. Die Handsalben an all jene Potentaten, die Friedrich I. als König anerkannten werden nicht zuletzt zur finanziellen Erschütterung beigetragen haben.

Nach der endlichen Entlassung Wartenbergs war leider nicht mehr genug Zeit dem König vergönnt, seine Fehler wettzumachen. 1702 hätte er auch Danckelmann wieder zurück holen können oder nicht können, um sein Ansehen nicht einzubüßen. Der Fall Danckelmann belastet mehr als die Schulden des Königs auch meine Sicht auf diesen großen Monarchen.

Friedrich Wilhelm I. empfing Danckelmann dann nach dem Tode ja wieder umgehend und setzte die sinnvollen Reformen Friedrich I. in Preußen fort.

Ah ja, hier mal ein Bild von Eberhard von Danckelmann, von dem wir die ganze Zeit sprechen: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Danckelman,_Eberhard_von_(1643-1722).jpeg Er kann wohl unbenommen zu den bedeutensten preußischen Politikerpersönlichkeiten in einer Reihe mit den Herren Stein und Hardenberg gezählt werden.
 
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Vielwehrte Leüt.
Bei mir wurde daselbst stark gebeten, was zu gegenwärtigem Thema zu sagen, was meine Migräne eigentlich nicht zuläßt ...
Habe dies Familiendrama in den letzten Jahren miterleben 'müssen' und ich weiß noch gar nicht, ob die Zeit der VERANGENHEITsBEWÄLTIGUNG schon gekommen sei?
Des Königs, Fridrich I., Gemahlin seelig, die Figuelott (Sophie Charlotte) war vom gleichen Schlage wie die Pöllnitz und Leibnitz - sehr idealistisch. Sie kritisierte den Erzieher des Cronprintzen, Danckelmann. Der soll den Jungen verdorben haben. Der König ging Danckelmann in vieler Beziehung auf den Leim, wollte aber auf seine Frau nicht hören. Was die Förderung von Wissenschaft und Kunst anging, war es meißtens Fridrich, den man erst dazu überreden mußte. Von sich aus sah er da keine Notwendigkeit und hatte nur Interesse, wenn es ihm persönlich diente. Der König liebt lange Ceremonien, wo er sich als Herrscher darstellen kann. Immerhin ist er mildtätig - hat ein eine Art Sozialhilfe eingeführt. Er achtet auch streng darauf, daß die zuständigen Beamten dies an die Bedürftigen auszahlen. Leider stehen ihre Majestät extrem früh auf - gegen 3, 4 Uhr morgens. Da er seine Untergebenen spät zur Ruhe kommen läßt, stehen viele kurz vor dem Umfallen. Merkwürdig ist seiner Majestät schimpfen wider die Fremdländischen Ausdrücke in der teutschen Sprache: Er selbst flickt nämlich unheimlich viele Französische Ausdrücke in seine Reden ein.
Ich kann wohl sagen, daß sein Herr Sohn als Kind sehr süß aussah, sich aber leider als notorischer Tierquäler profilierte. Momentan wird er ständig gelobt, was ich nicht so recht glauben kann. Ich glaube, daß die Familie in Hanover wieder mal vieles verdrängt und schön redet. Eine Episode: Die Gouvernante wollte seinerzeit dem Kleinen einen Silberlöffel abnehmen. Was macht dieser Cronprintz? Er schluckt den ganzen Löffel aus Trotz herunter! Kürzlich hat der Cronprintz übrigens geheiratet - dehalb malt man wohl alles in schönen Farben. - Sein Hauptwerk ist die Jagd, das kann er immerzu machen.
Also, ich bin immer Hannoveranerin gewesen und froh, daß nicht ICH ins Haus Brandenburg einheiraten mußte, sondern die Figuelott seel. Schließlich glaube ich, daß der ganze Kummer darum die Figuelott ums Leben gebracht hat. Sie hatte nie Ruhe davor und das hat sie geschwächt. Die Weisheit lag bei ihr, Herrn von Leibnitz und Freüllein von Pöllnitz, sowie der alten Churfürstin in Hannover. Der König ist ganz anders, bei ihm kann ich Weisheit schwerlich enttecken. Aber wir müssen unsere Herrscher nunmal so ertragen, wie sie sind. Es gibt gewißlich ärgere.
Zierliche Grüße
Demoiselle
 
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@ Demoiselle
Du scheinst Dich ja ziemlich eingelesen zu haben. Da hätte ich einmal eine Frage. Die Abneigung Friedrich Wilhelm I. gegenüber seinem Vater ging ja schon über einen gewöhnlichen Vater-Sohn-Konflikt hinaus. Wie kam das?
Friedrich behandelte den Kronprinz ja niemals unverschähmt oder ließ es am nötigen Respekt gegenüber seiner Mutter fehlen, ganz anders als dann Friedrich Wilhelm I. selber in seiner eigenen Ehe. Wenn Friedrich Wilhelm der Hass gegen den Vater schon von seiner Mutter eingeimpft wurde, dann überrascht Friedrich Wilhelms Haltung gegenüber Danckelmann, den seine Mutter nicht ausstehen konnte. Trotz allem muss man sagen, dass nicht Sophie Charlotte sondern Friedrich I. Wille den Danckelmann zu Fall brachte.

Noch unverständlicher ist dann für mich die Ablehnung Friedrich II. gegen Friedrich I., er führte die selben fadenscheinigen Begründungen heran wie sein Vater, aber gerade durch den Konflikt mit diesem erscheinen die Begründungen ziemlich hohl. Rein alles was Friedrichs Politik entsprang wurde schlecht gemacht, das Schlechte wie das Gute, woraus ja die Unsachlichkeit der Bewertung von Sohn und Enkel deutlich wird.

Irgendwas muss es sein.:grübel:
Vielleicht weil Friedrich I. eben so grundverschieden charakterlich war, wie seine zwei Nachfolger? Weil er menschlicher zu handeln gewohnt war?
 
Ich 'kranke' an einer "um1700"-zentrischen Geschichtsbetrachtung (2006 ist das Jahr 1706 für mich 'jetzt'). Daher kommt die Perspektive, die ich auf diese Vorgänge habe. Der Cronprintz hält die Ausgabenpolitik seines Vaters für "die dollste Wirtschafft von der Welt". Der König ist prunksüchtig, weil sein Ego offensichtlich ständig diesen Glanz braucht. Wahrscheinlich lag der Fehler in seiner Kindheit, daß er unter diesen Minderwertigkeitsgefühle leidet. Interlektuell war der der Intelligenz- und Musenbestie Sophie-Charlotte weit unterlegen. Das wird ihm wohl auch zu schaffen gemacht haben. Es kann sein, daß die Figuelott hätte netter zu ihrem Gatten sein sollen (sie hat damals während der Crönungsfeierlichkeiten in Königsberg geschnupft, weswegen Fridrich hinterher der Kragen geplatzt sein soll). Nun hat sich die Figuelott selber auch nicht gut behandelt: Zu wenig Bewegung (tanzen wolte sie nicht und Basett und Musikspielen fördert nicht unbedingt die Gesundheit), ständiges Schnupfen ect. - So überstand sie ihre Grippe halt nicht und es wurde eine Lungenentzündung daraus. Sie wurde einfach zu fettleibig. Tja, es ist ein Trauerspiel ...
Wäre es nach der Figuelott gegangen, wäre Danckelmann schon früher hinweg gejagt worden. Das Fridrich sich von dem Mann ständig bequatschen ließ, konnte sie leider nicht verhindern. Auch in Hannover war man deswegen ständig beunruhigt, weil man mit ansehen mußte, wie der Enkel der alten Churfürstin Sophie verdorben wurde. Fridrich hatte alles andere als einen klaren Blick und war realitätsblind und begriffsstutzig. Aber schließlich ist ihm doch aufgefallen, daß mit Danckelmann etwas nicht stimmte, sowie, daß er einen negativen Einfluß auf den Cronprinzen ausübte. Ich glaube, daß der Cronprinz seinen Vater als Schwächling verachtet, weil er so nicht werden will.
Fridrich II. wird vielleicht demnächst auf die Welt kommen, wo der Cronprinz ja geheiratet hat? Wenn ich einmal versuche, etwas unbeholfen mit meinen Schulgeschichtswissen da herum zu stochern: Der Soldatenkönig wird demnach den Willen seines Sohnes brechen, welcher anscheinend Eigenschaften seiner Großmutter seel. an sich haben wird. Was sich in so einer gebrochenen Seele dann abspielt, ja fatal umkehrt (!), ist schwer zu ergründen - man kann aber das Schlimmste befürchten. Ich erinnere noch einmal an den Tierquäler und fürchte von daher, daß unser jetziger Cronprinz (von 1706) zu allerhand Grausamkeiten fähig ist ...
 
Danke, das half mir schon einiges. Also kann man davon ausgehen, dass Friedrich Wilhelm von Danckelmann beeinflusst wurde. Friedrichs Meinung wurde dann am Ende seiner Kronprinzenzeit stark durch die Annäherung an den Vater von dessen Ansichten verändert.

Ganz interessant ist eigentlich, dass Friedrich I. im Gegensatz zu dem Großen Kurfürst immer als sehr schwach dargestellt wird, dabei war es der Große Kurfürst, der sich am Ende seiner Regierung von seiner Gemahlin Dorothea( http://www.preussen.de/de/geschichte/1640_kurfuerst_friedrich_wilhelm/kurfuerstin_dorothea.html ) völlig beherschen ließ, was ja beinahe zu einer Zerschlagung duch Sekundogenitur der hohenzollerischen Gebiete geführt hätte.

Das mit der um-1700-zentrischen Geschichtsbetrachtung ist doch nicht unbedingt verkehrt, dafür gehst du, Demoiselle, ja offensichtlich mehr in die Tiefe. Mir fehlt für die Zeit das genügende Wissen. Mir geht es darum, für mich die Beweggründe der handelnden Akteure der barocken Epoche zu erklären. Warum entwickelten Preußen, Sachsen, Bayern, Pfalz die und die außenpolitischen Prämissen, die sich schon wie ein roter Faden durch das 18.Jh. verfolgen lassen? Die Grundlagen dafür wurden im 16. und 17. Jh., neben der topo- und geographischen Lage und ökonomischen Ausrichtung gelegt.

Bemerkenswert in dem Blick auf Friedrich I. in Preußen, ist auch dass das spätere Angedenken an ihn doch im Großen und Ganzen durch Friedrich Wilhelms Äußerungen beeinflusst ist. Dabei sollte man bedenken, dass Friedrich Wilhelm I. schon sehr früh während seiner Regierung Züge von Geisteskrankheit zeigte, die sich zu seinem frühen Tode hin noch verstärkten. Im Gegensatz zu Großbritannien, wo ein George III. bspw. für regierungsunfähig erklärt wurde, gab es in Preußen keine Instanz, welche den Geisteskranken auf dem Königsthron hätte absetzen können. Sein mehrfach geäußerter Wunsch für Kronprinz Friedrich (später der II.) abzudanken, deuten daraufhin, dass Friedrich Wilhelm I. seine Geisteskrankheit durchaus bewusst gewesen sein mag. Vielleicht wurde dieser Wunsch aber auch von seinen anderen Krankheiten herbei geführt. Ein Sohn-Vater-Komplex würde in die Geistesstörung Friedrich Wilhelm I. jedenfalls auch passen. Das aufbrausende Gebahren und die darauf wieder ganz mildtätige Art sind typische Merkmale einer psychischen Erkrankung. Mit zunehmendem Alter wurde der König weniger einsichtig und vergaß immer öfter irgendwelche den Familienangehörigen oder sogar fremden Mächten gegebene Versprechen. Dabei wird es schwierig sein heute so ganz zu entschlüsseln, welche Versprechungen er in Geistesabwesenheit aussprach und welche nicht. Jedenfalls sollten unter dem Gesichtspunkt vielleicht öfter die Aktivitäten des Königs Friedrich Wilhelm I. untersucht werden.
 
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Ganz interessant ist eigentlich, dass Friedrich I. im Gegensatz zu dem Großen Kurfürst immer als sehr schwach dargestellt wird, dabei war es der Große Kurfürst, der sich am Ende seiner Regierung von seiner Gemahlin Dorothea völlig beherschen ließ, was ja beinahe zu einer Zerschlagung duch Sekundogenitur der hohenzollerischen Gebiete geführt hätte.
Das ist jetzt für mich interessant. Für Sophie Charlotte (Figuelotte) seel. war es wohl ein tragischer Umstand, daß ihr Gatte offenbar kaum anders konnte, als einer jeden Gattin (nicht nur ihr!) zu mißtrauen. Seine Mutter hat im offensichtlich vorgelebt, daß die Ehefrau Gefahr bedeute. Demnach konnte Fridrich gar nicht auf Figuelott eingehen. Tragisch ist in diesem Zusammenhang sein hoher Verschleiß an Ehefrauen. Soviel ich weiß soll die Frau nach der Figuelott einmal wahnsinnig werden. Da drängt sich mir die Frage auf: "Welche Frau hält einen solchen Mann aus, der derartig negativ durch seine Mutter geprägt worden war?"
Dabei sollte man bedenken, dass Friedrich Wilhelm I. schon sehr früh während seiner Regierung Züge von Geisteskrankheit zeigte, die sich zu seinem frühen Tode hin noch verstärkten.
Im alten Testament steht irgendwo der Satz: "Die Sünden der Väter rächen sich bis ins dritte, vierte Glied." Demnach könnte man interpretieren, daß die Saat der Großmutter bei Friedrich Wilhelm verhängnisvoll aufgeht. Der spätere Leidenweg Friedrich II. ist so leicht zu erklären. Die gewißen Züge von Geisteskrankheit zeigen sich aber auch in der Tierquälerei, mit der er als Kind auffiel und die offenbar weit außerhalb der Norm lag. Auch sein kindliches Trotzgebahren war extrem ausgeprägt gewesen. Wo sein Vater leider kein Vertrauen zur Mutter seines Sohnes finden konnte, muß Friedrich Wilhelm sehr zerrissen gewesen sein. Wenn dies bereits in frühester Kindheit durchschlug, erklärt sich das trotzige Protestverhalten sehr leicht. Das gleiche gilt für den Sadismus, der oftmals ja ein Ventil für die eigene Not ist.
Man sollte die "Schwäche" Fridrichs I. (der auf der Gründungsurkunde Charlottenburgs nicht mit ie unterschrieben hat, weshalb ich ihm den Gefallen zu tun pflege) vielleicht lieber Vorsicht nennen. Diese Vorsicht beinhaltete offenbar auch Nachsicht mit dem Mitmenschen - und diese recht konsequent gelebte christliche Nächstenliebe macht ihn auch mir sympathisch. Seine Vorsicht führt ja auch dazu, daß er kriegerische Auseinandersetzungen vermied, womit er seinem Land und seinen Untertanen sehr viel ersparte. Gestern las ich, Friedrich II. hätte schließlich zu schätzen gewußt, daß sein Vater ihm einen geordneten Staatsapparat hinterlassen hätte. Da erscheint es tatsächlich ungerecht, die Leistungen Fridrich I. unter den Teppich zu kehren. Dazu zählen ja auch die Errungenschaften von Sophie Charlotte, die ja maßgeblich mit Herrn von Leibnitz an der heutigen Preußischen Academie der Wissenschaften schmiedete (damals hieß sie statt Academia noch Societas)! Das was Friedrich Wilhelm als Verschwendung abtat, erscheint uns heute als importantes Erbe des Preußentums. Die langen Kerls taugen allenfalls als amusante Karrikaturen - dagegen stehen die geistigen Leistungen Brandenburg-Preußens heute eigentlich gut da.
P.S.: Ich muß mich korrigieren. Gestern erfuhr ich von Madame (Liselotte von der Pfalz), daß die Hochzeit von Friedrich Wilhelm kurz bevor steht - und zwar am 14.November 1706. Madame hatte übrigens in Paris selbst den Stoff für die Braut ausgesucht, das Kleid nähen und nach Hannover schicken lassen. Die Braut, Sophie Dorothea, ist ja die Churprintzeß von Braunschweig. Madame hatte im letzten Monat irgendwas von Brautgeschenken gesagt, Fridrich I. hätte die doch eigentlich persönlich, blablabla... - Da dachte ich, die Hochzeit wäre gerade gelaufen. Sie steht also kurz bevor.
 
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Die erste Ehe mit Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel http://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Henriette_von_Hessen-Kassel soll sehr glücklich gewesen sein. Etliche Liebesbriefe sollen davon künden. Das junge Paar hatte tatsächlich zueinander gefunden und eine für die Verhältnisse des 17.Jahrhunderts sehr gute Ehe geführt, ganz ähnlich der des Großen Kurfürsten mit Louise Henriette von Oranien. Am Ende seines Lebens war es ihm aber nicht mehr bewusst und so jammerte er als alter und kranker König über drei unglückliche Ehen.
Zur Ehe mit Sophie Charlotte ist mir nur bekannt, dass sie ihn bei seiner Schwiegermutter schlecht machte und wegen der angeblichen Schwächen als Herscher (die wir heute wohl kaum noch nachvollziehen können) etwas scholt. Dass er bei ihr von ihr nicht gern gesehen war, führte sicherlich zu einer Entfremdung. Dass er dennoch keine Mätresse nahm, ist eigentlich in dem Zeitalter und unter den Umständen ganz erstaunlich.
Vor der Ehe mit Sophie Charlotte war sein Verhältnis zu Frauen, besonders zu seiner Stifmutter wohl schon durch die Verdächtigungen betreffend der Giftanschläge auf sich selbst und seine Gemahlin zerrüttet.

Naja "Verschleiß" würde ich das nicht nennen. Der erste Tod traf ihn sehr hart und er trauerte eine ganze Weile seiner ersten Gemahlin nach.

Dennoch sah er stets das staatliche Interesse an einer neuen Vermählung im Vordergrund. Seiner zweiten Gemahlin trauerte er zwar nicht nach, aber benannte immerhin wie gesagt Charlottenburg nach ihr. Sicherlich das war so üblich. (siehe Dorotheenstadt), aber ich denke schon dass es zeigt, dass er seine Gemahlin trotz der Intrigen bei Hofe nicht verachtete.

Seine Dritte Ehe war dann auch wieder den staatlichen Interessen geopfert zum einen, denn der Kronprinz war kränkelnd bis zu seinem Tode. Da erschien es sinnvoll eine junge Prinzessin an den Hof zu holen (machte Carl Theodor von der Pfalz bspw. 1795 ebenso). Ein Brief zeigt seine anfängliche Zufriedenheit mit der neuen Braut. Sophie Luise zu Mecklenburg-Schwerin war ja nur drei Jahre älter als der Kronprinz. Sie tat so als sei sie von Grund auf religiös und geriet über ihre Konfession, da sie Lutheranerin war in dummes Geschwätz über den König, der ja Calvinist war. Hierbei und einer etwas exzessiven Art der Andacht zeigten sich erste Anzeichen einer Geisteskrankheit. Diese scheint allerdings bei den mecklenburgischen Herzögen und der Familie erblich bedingt. Auch unter der Verwandschaft von Königin Luise (die Gemahlin Friedrich Wilhelm III.) aus dem Hause Mecklenburg-Strelitz sind mir Fälle von Geisteskrankheit bekannt, die sich wohl in Ansätzen auch schon bei Luise ablesen ließen in einer Störung wie sie auch Lady Georgiana, die berühmte Herzogin von Devonshire hatte.
 
Ich bin über Fridrichs erste Ehe kaum im Bilde, aber ich will es gern glauben.
Zu Sophie Charlotte muß ich gestehen, daß sie in sehr harmonischen Verhältnissen aufgewachsen ist. Sie hatte nach ihrer Heirat ständig Heimweh nach Hannover. Sie hing sehr an ihre Mutter Sophie und umgekehrt hing Sophie genauso an ihrer Tochter. Sophie Charlotte hielt sich daher sehr oft in Herrenhausen auf. Etliche Male kam ihre Mutter auch nach Lützenburg (heute Schloß Charlottenburg). Ich glaube aber nicht, daß Sophie von ihrer Tochter gegen Fridrich aufgehetzt wurde. Sie hatten beide die gleichen Vorstellungen und die waren recht ideal und entsprachen kaum den Gegebenheiten in Berlin.
Sophie galt, genau wie ihre Tochter als unheimlich intelligent. Sie ist sehr alt geworden und behielt bis zum Schluß ihren sehr klaren Blick. Sophie Charlotte war von dem Geist ihrer Mutter, sowie von Leuten wie v.Leibnitz und Steffani sehr geprägt worden. Dieser musisch-geisteswissenschaftlichen Ausrichtung konnte Fridrich werder entsprechen, noch dem etwas entgegen setzen. Sophie Charlotte galt in Sachen Intelligenz als Superfrau, was ganz Europa anerkannte und bewunderte. Wahrscheinlich war es hart für Fridrich, mit einer so Hochbebabten verehelicht zu sein. Man könnte Sophie Charlotte unterstellen, sie wäre unduldsam gegenüber dem Anderssein ihres Mannes gewesen. Ich komme in diesem Augenblick zu der Überzeugung, daß diese Heirat für sie ein Unglück gewesen sein muß. Das ist Fridrich nicht vorzuwerfen - es liegt an der Zeit. Heute, im 21.Jahrhundert stünden Sophie Charlotte viele Möglichkeiten offen, ihre Begabungen auszuleben. Vielleicht würde sie Studieren, um als Musikerin oder Wissenschaftlerin tätig zu werden. Vielleicht wäre sie aber auch Harz4-Empfängerin und hackte ihre Erkenntnisse bei Wikipedia hinein - oder bei geschichtsforum.de. Letzteres wäre aber wahrscheinlich allemal gnädiger, als die Aufgabe der dynastisch begründeten Gebärfunktion. Ich wollte jedenfalls nicht in jener Haut stecken, in der sie da stecken mußte.
Vielleicht sollte man es unterlassen, Fridrich und Sophie Charlotte gegeneinander auszuspielen. Beide waren offenbar nicht glücklich miteinander. Beide haben - davon bin ich überzeugt - nicht gegen ihr Gewissen gehandelt. Beide waren sehr idealistisch und haben sich - jeder nach seinen Vorstellungen und Möglichkeiten - aufrichtig bemüht, Positives zu bewirken.
 
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Angeblich soll sie verschwenderisch gehaushaltet haben, jedenfalls soll es Streit zwischen ihr un Danckelmann gegeben haben, wegen der ihr zur Verfügung gestellten Mittel. Vielleicht machte dieses Fremdsein, wie du es schön beschreibst, das aus, was eigentlich auch wiederum dazu führte, dass Sophie Charlotte auf Fridrichs Politik keinen Einfluss nehmen konnte. Da sie das nicht konnte, was für eine inteligente und sicherlich ehrgeizige Frau hart gewesen sein muss, wurde sie vielleicht verleitet alle politischen Wege ihres Gatten rundweg abzulehnen.

Dass sie seine Pläne in Hannover an ihre Verwandschaft wohl verriet, das ist nicht weiter wunderlich. Ebenso handelte dann ja auch Dorothea, die Gemahlin Friedrich Wilhelms I. in Preußen. Dieses Zunichtemachen der Pläne des Gatten schadete in beiden Fällen am Ehesten der Ehefrau und nützte niemanden.

Scheinbar gab es zwei Wege der Herschaft in Brandenburg-Preußen. Entweder beherschten die Minister die Politik (Kanzler Schwarzenberg zur Zeit Georg Wilhelms) oder zumindest den Herscher (wie Danckelmann, dann Wartenberg/Wittgenstein den Friedrich I. in Preußen und Grumbkow Friedrich Wilhelm I. in Preußen) oder die Frau den Herscher (wie beim Großen Kurfürst). Aus alledem resultierte vielleicht letzten Endes die Zurückgezogenheit Friedrich II., der sich von niemanden beherschen lassen wollte.
 
Du bringst einen neuen Aspekt ein, den ich nie bedacht hatte: Daß die Hannoveranerinnen zuhause, d.h. in ihrem Elternhaus mehr erzählten, als für die brandenburgisch-preußische Staatsraison verträglich war. Man kann hier sogar Geheimnisverrat unterstellen. Schließlich gibt es zwischen Hannover und Berlin eine ziemliche Konkurenz. Von meinem heutigen Jahr 1706 (gemäß meinen Reenact-Projekt) aus gesehen erinnere ich mich sogar an recht ernste Spannungen, die es in den letzten Jahren gegeben hat. Aber dieses Problem kenne ich von Madame (Liselotte v.d. Pfalz) auch. Madame ist jahrelang in Hannover erzogen worden, ist also irgendwie auch eine halbe Hannoveranerin. Sie beteuert immer, sie erzähle doch gar nichts Gravierendes, aber ich glaube, daß der Versailler Hof ihr zu Recht mißtraut, weil sie sehr offenherzig ist und gerne mal lästert. Das heißt nicht, daß Madame im Unrecht wäre - im Gegenteil hat sie eigentlich ein hohe moralische Kompetenz. Ihre Tante Sophie von Hannover, sowie deren verstorbene Tochter Sophie Charlotte, sind/waren ihr da nicht unähnlich.

Wenn Fridrichs erste Ehe so harmonisch gewesen war, ist dies natürlich ein ungünstiges Vorzeichen für die zweite Ehe gewesen. Die Blattern/Pocken kamen damals aus heiterem Himmel: Gestern noch putzmunter und scheinbar kerngesund, wacht man urplötzlich mit diesen Pockenmahlen auf und konnte schon am Tag darauf tot sein. Für den Ehepartner war dieser Schock schwer zu verdauen, vor allem dann wenn die Liebe so ideal war, wie Du sie geschildert hast. Ich habe selbst beobachtet, wie Menschen ihr Leben lang in Trauer gelebt haben, die auch in der zweiten Ehe noch anhielt. Demnach wäre Sophie Charlotte mit jemandem verheiratet gewesen, der eigentlich noch seine verstorbene Exfrau liebte. Das ist sehr tragisch.
Der Wunsch und das Bemühen, auf einen Nenner zu kommen, war bei beiden Ehepartnern durchaus vorhanden. Aber es ist ja oft so im Leben, wenn zwei unterschiedliche Auffassungen und Ansätze aufeinander treffen. Am Anfang teilt man viele Zwischentöne und Überschneidungen. Am Ende vertritt dann der eine schwarz und der andere weiß. Je mehr beide bestrebt sind, den anderen auf die eigene Seite zu ziehen, desto mehr grenzen sie sich voneinander ab. Jeder ringt um seine persönliche Autononie, ja um seine ureigene Identität. Deshalb wäre es schädlich für beide, nachzugeben. Da können beide nur tolerieren. Sophie Charlotte hätte vielleicht anerkennen können, daß ein gewisser Pomp damals üblich und daher staatsnotwendig war. Fridrich hätte im Gegenzug akzeptieren können, daß seine Frau soetwas schnell langweilte, anödete, nervte. Er hätte Ihr vielleicht sagen können: "Es wäre gut, wenn Ihr wenigstens die eine Stunde anwesend sein könntet."- Umgekehrt hätte sie vielleicht überlegen können, daß Kultur und Wissenschaften eben nicht ALLES im Leben sein können (auch wenn es ALLES für sie persönlich bedeutete).
Aber der Vorwurf "Verschwendung" wird leicht erhoben, wenn man den Sinn der betreffenden Investitionen nicht einsieht. Ich weiß, daß man zu Lützenburg (heute Schloß Charlottenburg) viel improvisiert hat - etliche Dekorationen waren gar aus Pappmaché. Eine Verschwenderin war Sophie Charlotte gewiß nicht. Indeß werden etliche am Berliner Hof die wissenschaftlichen und kulturellen Gebiete, die sie förderte nicht als wichtig angesehen haben. Etwa die Sternwarte im neuen Marsstall, oder die brandneue Erforschung fernöstlicher Kulturen/Sprachen. Es gab damals etliche Stimmen, die meinten, die Teütschen müßten eigentlich sich selbst genügen, ohne in die Ferne zu schweifen.

Was mich an Friedrich II. immer wundert, ist sein Expansionsdrang. Den hat Fridrich I. nicht. Ich glaube auch nicht, das Fridrich I. jemals auf den Gedanken käme, mit Wien zu konkurieren, geschweige denn, seine Truppen gegen den Käyser marschieren zu lassen. Der christliche Glaube würde ihm gar nicht erlauben, in dieser Weise gegen den Käyser vorzugehen. Dagegen erscheint Friedrich II. geradezu skrupellos. Ich muß gestehen, daß ich seit vielen Jahren sehr Käyserlich gesonnen bin. Käyser Leopold (leider letztes Jahr verstorben!) hatte ich wirlich ins Herz geschlossen und der war Fridrich I. gar nicht mal unähnlich (fromm, gewissenhaft, aber auch etwas naiv und beeinflußbar). Bislang habe ich Fürst Bismark immer die Schuld am Untergang des hl.Röm.Reichs gegeben, aber eigentlich greift das zu kurz: Man kann wohl unterstellen, daß Friedrich II. dem Reich die entscheidende Verwundung zufügte, sodaß es später für Napoleon eine leicht Beute sein sollte. Ich sage dies nicht ohne Verbitterung. Ich glaube fest, es wäre besser gewesen, wenn das hl. römische Reich - mit seinen gewachsenen föderalen Strukturen - sich allmählig zu einer Demokratie entwickelt hätte, wo der Kaiser in Wien schließlich lediglich repräsentative Funktionen erfüllte. Hopfen und Malz sind in diesem Punkt immerhin nicht verloren: Mit Freude sehe ich, wie man in diesem Jahr das Heilige Römische Reich Teutscher Nation neu entdeckt und dies in wichtigen Ausstellungen manifestiert. Da erkennt der Bundesbürger die Wurzeln seines heutigen föderalen Staates wieder. Diese Strukturen hat das Preußentum wenigstens NICHT dauerhaft zerstören können! Der nächste erfreuliche Entwicklungsansatz ist der europäische Einigungsprozeß, der uns nicht allein Wien näher bringt, sondern auch dem einstigen Erzfeind, dem 'Frantzoß'. Die Franzosen sind heute unsere größten Freunde - keine andere Nation steht uns so nahe und dies ist ein sehr glücklicher Umstand. - Um aber auf Friedrich II. und Bismark zurück zu kommen, so glaube ich, daß diese beiden ihrer Nation und ganz Europa mit ihrer Spaltpolitik sehr viel Leid eingebrockt haben. Ich glaube, daß diese unheilvolle Saat schließlich in den beiden Weltkriegen gipfeln mußte.
Aus der Presse um 1700 weiß ich, wie sehr man hier um den Frieden rang und auf allen Seiten versuchte, den spanischen Erbfolgekrieg zu verhindern. Später scheint man mir weitaus bedenkenloser in den Krieg gezogen zu sein. Die allgemeine Kriegslustigkeit, die aus der Zeit des beginnenden 1.Weltkrieges berichtet wird, ist für mich nur so erklärlich, daß die fatale Saat des preußischen Größenwahns und Militarismus hier aufging. Das war dem Habsburgerreich immer fremd gewesen. In Wien war man stets auf Selbsterhalt bedacht - darüber hinaus vermied man weitgehend militärische Auseinandersetzugen.

Insofern kann ich Deine Haltung - pro Fridrich I und contra Friedrich II. - sehr gut nachvollziehen. Aber vielleicht sollte ich mal zwischen diesen beiden Schauen, ob nicht der Soldatenkönig (der sadistische Tierquäler) auch schon allerhand Unheil gesäht haben könnte ...
 
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