Frühmittelalter konkret: Sachen gibt's, ...

Pope

Aktives Mitglied
Es tut mir leid, dass ich hier einen weiteren Illig-Strang in die Welt setze, aber vielleicht dient er ja darüber hinaus 'frühmittelalterlich Interessierten'.

Anlass sind natürlich die "ungeschehenen 300 Jahre", also die Zeit von 614 bis 911, die angeblich niemals stattgefunden hat. Das bedeutet aber, dass es Menschen gibt, die niemals gelebt haben, Gebäude, die nie gebaut wurden, Gegenstände, die niemals gefertigt, und Ereignisse, die niemals stattgefunden haben.

Anstatt theoretisch und abstrakt zu bleiben, würde ich mich freuen, hier Informationen über konkrete Gebäude und/oder Personen aus verschiedenen Regionen in der Zeit des Frümittelalters nachlesen zu können. Frühmittelalter anhand plastischer Beispiele, sozusagen. Nicht die große Politik, sondern Lokalgeschichte:

Was ist denn zwischen 614 und 911 in Eurer Gegend alles nicht passiert?
 
Ereignisse im Bistums Trier:

Bistum Trier schrieb:
Nach Germaneneinfällen wurde die Präfektur nach Arles verlegt (395/406); der Hunnensturm und schließlich die Eroberung durch die Franken um 470 nahmen der Stadt und dem Trierer Land die politische und militärische Bedeutung. Als Bischofssitz blieb Trier aber geistiges und geistliches Zentrum. Gestalten wie Bischof Niketius (526 bis nach 561) zogen Kleriker und umkehrbereite Romanen und Franken aus Aquitanien und Inner-Gallien ins Trierische. Sie ließen Teile der Basiliken wieder erstehen (sogen. „Quadratbau“ des Domes) und versuchten, der ungestümen Politik der fränkischen Herrscher entgegenzusteuern.

Das christliche Leben stützte sich zudem auf die Reste der romanischen Oberschicht und zunehmend auf den germanischen Adel. Dieser hatte sich zwar zunächst nur formell dem Christentum zugewandt, bekehrte sich aber nun in teilweise ungestümer Entschiedenheit.

In der urkundlich bezeugten Einrichtung der Taufkirche Tholey durch Adalgisel/Grimo 634, in der Klerikergemeinschaft von Mayen oder in Monumenten wie den Kreuzen von Moselkern und Faha aus dem 7. Jahrhundert werden die ländlichen Spuren des Christentums greifbar. Mitglieder des fränkischen Hochadels gründen Klöster: St. Martin in Trier (Magnerich um 600), St. Irminen/Oeren in Trier (Dagobert vor 639?), Pfalzel (Adela nach 700), Mettlach (Liutwin um 706), St. Maria zu den Märtyrern in Trier (derselbe mit Willibrord vor 715), Prüm (Bertrada 720 mit Mönchen der vom Iroschotten Willibrord gegründeten Abtei Echternach). Die Klöster und ihre Gründer tragen den Geist der frühesten Abtei St. Maximin in Trier und der ersten Welle irischen Mönchtums ins Land.

Nach 750 - der Großraum ist völlig christianisiert - füllt das Bistum mit den Grenzen seiner Diözese wieder den Bereich der römischen Provinz; bei Koblenz überschritt es den Rhein, so dass auch Westerwald und Taunus bis in den Raum Wetzlar erschlossen wurden. Während der vom heiligen Winfried/Bonifatius begonnenen und zur Zeit Karls des Großen vollendeten Erneuerung von Kirche und Reich wird Triers Rolle als Sitz des Erzbischofs erneuert (spätestens 811). Jetzt ist die Stadt selbst mit vielen Kirchen geschmückt, so dass in ihr wieder der Anspruch der römischen Zeit erwacht: Vorort für ganz Gallien zu sein.

Während des ganzen 9. Jahrhunderts konkurriert Trier mit Reims um den Primat, d.h. den Vorsitz vor allen Bischöfen in Gallien. In dieser Auseinandersetzung „erwacht“ auch wieder die Erinnerung an die Auszeichnung der Frühzeit: den Besitz der Christusreliquie. Auch die Verwüstung Triers durch die Normannen in der Karwoche des Jahres 882 konnten diese Erinnerung nicht auslöschen, obwohl mit ihr das endgültige Ende der Antike und die Vernichtung bedeutender Traditionen verbunden war.

http://cms.bistum-trier.de/bistum-t...14&MODULE=Frontend&ACTION=ViewPage&Page.PK=19

----------

Erzbischöfe von Trier, die es nie gegeben hat

Wikipedia schrieb:
Sibald 600-626
Modoald 626-645
Numerianus 645-665
Hildulf 665-671
Basinus 671-697
Liutwin 697-718
Milo 718-758
Wermad 758-791
Richbod (in Personalunion Abt von Lorsch) 791-804
Waso 804-809
Amalarius 809-814
Hetti 814-847
Dietgold 847-868
Barthold 869-883
Radbod (Erzkanzler) 883-915

http://de.wikipedia.org/wiki/Erzbischof_von_Trier

----------

Abtei Prüm
http://de.wikipedia.org/wiki/Prüm

Willibrord und die Abtei Echternach
http://www.willibrord.lu/de/

----------

Zum Stöbern:

Die Datenbank der Kulturdenkmäler der Region Trier
 
Zuletzt bearbeitet:
aus dem bereich der stadt mülheim a.d.ruhr habe ich auf die schnelle folgendes gefunden:

Zeittafel zur Stadtgeschichte

Um 811 wird Menden (Menethinna) in einem Cartular der Abtei Menden zum ersten Mal genannt. Dies ist die erste verlässlich datierbare Erwähnung des Namens eines späteren Mülheimer Stadtteils


883 / 884 entsteht wahrscheinlich die 1966 ausgegrabene Ursprungsanlage der Burg Broich als Sperrfort zur Sicherung des Ruhrüberganges gegen die Normannen. Im 11. Jh. Umbau der aufgelassenen Befestigung zur Burg


http://www.muelheim-ruhr.de/zeittafel_zur_stadtgeschichte2.html
 
Nehmen wird doch mal die Byzantinischen Kaiser und ihre Münzen. Alle gefälscht?

-Konstanz II. (641-668)
http://www.wegm.com/coins/constansii.htm

-Konstantin IV. (668-685)
http://www.wegm.com/coins/constantineiv.htm

-Justinian II. (685-695, 705-711)
http://www.wegm.com/coins/justinianii.htm

-Leontius (695-698)
http://www.wegm.com/coins/leontius.htm

-Tiberios III. (698-705)
http://www.wegm.com/coins/tiberiusiii.htm

-Philippicus (711-713)
http://www.wegm.com/coins/bardanes.htm

-Anastasios II. [713-715)
http://www.wegm.com/coins/anastasiusii.htm

-Theodosios III. (715-717)
http://www.wegm.com/coins/theodosiusiii.htm

-Leo III. (717-741)
http://www.wegm.com/coins/leoiii.htm

-Artabastos (741-743) (Warum fälscht man eigentlich Gegenkaiser? damit es nicht zu "glatt" zugeht?)
http://www.wegm.com/coins/artavasdus.htm

-Konstantin V. (741-775)
http://www.wegm.com/coins/constantinev.htm

-Leo IV. (775-780)
http://www.wegm.com/coins/leoiv.htm

-Irene (797-802) und Constantin VI.
http://www.wegm.com/coins/constantinevi.htm

Muss ich weiter machen? Oder kann jemand diese Kaiser und ihre Hinterlassenschaften (z.B. ihre Münzprägungen) im illigschen Sinne hinwegdiskutieren.

Natürlich haben auch die anderen "Phantomkaiser" fleissig ihre Münzen geprägt. Wer sich davon überzeugen will:
http://www.wegm.com/coins/byindex.htm

Vielleicht noch ein Beispiel für einen Phantomkaiser:
Basileios I. der Begründer der Makedonierdynastie. Warum fälscht man so jemanden? Um seine Nachfolger schlecht aussehen zu lassen?
 
Hier mal was aus der bayerischen Kircheprovinz:
  • um 696: Rupert kommt, gesandt von den Agilolfingern, nach Salzburg
  • 739: Salzburg wird Bistum (lt. Vita S.Bonifatii aus 755 = Erstbeleg des neuen Namens iVm römisch Iuvavum)
  • 798: Salzburg wird Erzbistum
Auch nicht zu vergessen:

881: Ad Weniam

Und in Linz, 799, die Martinskirche (Baugeschichte)

Unten, recht bekannte Sakralgegenstände aus der Zeit sowie das awarische Königsgeschirr...
 

Anhänge

  • tassilokelch.jpg
    tassilokelch.jpg
    40 KB · Aufrufe: 668
  • rupertuskreuz.jpg
    rupertuskreuz.jpg
    18,6 KB · Aufrufe: 607
  • nagyszentmiklos.gif
    nagyszentmiklos.gif
    72,3 KB · Aufrufe: 610
Zuletzt bearbeitet:
Andronikos schrieb:
Nehmen wird doch mal die Byzantinischen Kaiser und ihre Münzen. Alle gefälscht?


Vielleicht noch ein Beispiel für einen Phantomkaiser:
Basileios I. der Begründer der Makedonierdynastie. Warum fälscht man so jemanden? Um seine Nachfolger schlecht aussehen zu lassen?

Nicht nur gefälscht, mein lieber! Zum großen Teil von den Fälschern kunstvoll vergraben!:p
 
In meinem netten Heimatstädtchen wird das Kloster Laurissa (später Lorsch) 762 nicht gegründet. Die Königshalle auch erst viel, viel später gebaut.
 

Anhänge

  • lorsch.jpg
    lorsch.jpg
    44,7 KB · Aufrufe: 663
Die Schlacht von Tours und Poitiers 732 n. Chr.

Wenn die gefälscht ist, gibt sie uns wenigstens einen Hinweis auf die Herkunft der/des Fälschers. Immerhin muss es doch einen Grund geben, warum die Schlacht angeblich dort stattgefunden haben soll -> Lokalpatriotismus!
 
Wann ist Adalbero I., seit 929 Bischof von Metz geboren?
Und Adalbert II., Markgraf von von Tuszien starb am 19.9.915 und liegt in der Kathedrale von Lucca beerdigt.
Und Adaldag, Erzbischof von Hamburg-Bremen seit 937. War nachher Kanzler unter Otto I.
Apropos Erzbistum Hamburg-Bremen: Das steht 911 schon fertig da. Die päpstliche Urkunde stammt von 831. Aus 911 ist keine Urkunde bekannt.
Wie ist das mit den Arianischen Langobarden? Adalwald war der erste König der arianischen Langobarden, der (* 603) katholisch getauft wurde, daher gut belegt. 617 waren die Langobarden noch alle Arianer. 911 gab es keine arianischen Langobarden mehr.
 
tela schrieb:
Im Jahre 802 wird in Zarten - bei Freiburg - eine Urkunde ausgestellt, in der Güter in Ebringen - nahe Basel - an das Kloster St. Gallen übertragen werden.

816 schenkt ein Cozpert Güter in Ewattingen, Ühlingen und auch seinen Teil der Kirche von Zarten an das Kloster St. Gallen.

Quelle: http://freidok.ub.uni-freiburg.de/freidok/volltexte/2004/1295/pdf/Mangei.pdf

Das sind meiner Erinnerung nach genau die EUrkunden, deren Fälschung nach dem Augsburger Frieden das Kirchengut arrondieren sollten.:cool:
 
Hm: das wären dann weniger als 40 Jahre von der Besiedlung der Lausitz durch Slawen bis zur Unterwerfung der Lausitz durch Heinrich des I.

Die Lusitzi waren schnell, un dieser Zeit Siedlungsstrukturen aufzubauen, die man klar in mehrere Phasen unterteilen kann!
Oder wurde das Gebiet der Lausitz dann gar nicht erst von Slawen besiedelt?? ;-)

Sven
 
Hi Pope,
ich find's cool, daß du die Illig-Kritiker forderst; du willst wissen, was nicht paßt? Ich wohne in Klein Heidorn, heute ein O. T. von Wunstorf in Niedersachsen. Während das Dorf, in dem ich wohne, erst seit dem 13. Jahrhundert urkundlich bezeugt ist, soll das Wunstorfer Stift - ehemals ein Nonnenkloster - auf die Karolingerzeit (Luwig der Fromme) zurückgehen, allerdings ohne jegliche Spur des urprünglichen Kirchenbaus. Auch in der weiteren Umgebung - wenn ich jetzt Hildesheim nicht mit einbeziehe - gibt es keine Kirchenbau, der vor dem Ende des 1. nachchristlichen Jahrtausends - der älteste liegt irgendwo an der Weser. Sogar ein Motiv für Geschichtsfälschung läßt sich aus der Gegend interpretieren: ein Streit zwischen dem Bistum Minden und dem hisiegen Grafengeschlecht. Habe über den ganzen Kram schon länger nicht mehr nachgedacht.
 
Muspilli schrieb:
Sogar ein Motiv für Geschichtsfälschung läßt sich aus der Gegend interpretieren: ein Streit zwischen dem Bistum Minden und dem hisiegen Grafengeschlecht.

Mir ist zwar nicht klar, wieso ein alltäglicher Streit ein Motiv sein soll, sich einhellig zu einer Fälschung 300 Jahre europäischer und außereuropäischer Geschichte zu entschließen und Münzen nicht existierender byzantinischer Kaiser zu prägen und im östlichen Mittelmeerraum zu vergraben.

Aber jedenfalls haben wir endlich die Verdächtigen für die größte Fälschungsaktion der Weltgeschichte gefunden: Die Grafen von Klein Heidorn und den Bischof von Minden.
 
Melde der angebliche "Reiterstein von Hornhausen" (ehem. Kreis Oschersleben) um 700, sollte gefälscht sein. Damit verlöre die (ehem.) DDR den ältesten Bildstein auf ihrem Gebiet. Drittes Bild von Unten: http://www.archlsa.de/sammlung/index.htm

@ Schini
Der Salzburger Kalender, welcher u.a. bäuerliche Arbeiten aus dem 9.Jh. zeigt gehört auch somit dem Reich der Fälschung an, was aber für solche Dokumente ja ohnehin üblich.

Wie gut, dass wir 300 Jahre ad acta legen können, so wird die Weltgeschichte um einige blutige Ereignisse ärmer, wie dem Stelinga-Aufstand von 841-843.

Von der Weiterentwicklung der Landwirtschaft und der Ausprägung der Grundherschaft ganz zu schweigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja die schönste Stadt Deutschlands, Hildesheim fällt mit dem Gründungsjahr 815 n. Chr. auch in diese Zeit :cry:

So wie alle Karolingischen Gründungen.
Aber zum Glück, halten unsere Grabungsbefunde dagegen :yes:


Also ich hätte die Sachsenaufstände, unter Widukind, immer noch gerne in meiner Zeitleiste. :fechtduell:
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben