Gab es ein NS-Wirtschaftswunder oder nicht ?

M

Mr.Tasty

Gast
Hallo.
Wir sollen uns auf eine bevorstehende Arbeit vorbereiten mit der Frage gab es ein NS-Wirtschaftswunder.
Ich habe folgende Informationen :

Angaben in Mio. Arbeitslose : 1932 waren 5,575 , 1939 nur noch 0,119 Mio.
Jedoch auch die Ausgaben stiegen in den Jahren :
1933 waren es Reichausgaben Ingesamt 8.1 Mrd. €
und 1939/1940 waren es 52,1 Mrd. €
Auch die Schuldenentwickllung stieg von 1932 von 11,4 Mrd. Reichsmark
auf 1939 30,7 Mrd. Reichsmark.

Wie kann das sein soo viele Arbeiter also fast eine Vollbeschäftigung aber trotzdem eine solch hohe Verschuldung ?
Ja, denn allein 1939-1940 gingen 32,3% der kompletten Reichsausgaben an die Wehrmachts-und Rüstung.
Da die Waffen nicht Exportiert wurden, kosteten sie nur viel Geld.
Im großen und ganzen haben zwar einige Millionen Menschen Arbeit gefunden, doch die Staatsverschuldung hat sich kanpp verdreifacht.

Kann man soetwas als Wirschaftswunder ansehen ?

Gruß Lars.
 
Meiner Meinung nach kann man schon von einem Wirtschaftswunder sprechen. Der Staat muss doch immer investieren, um Gewinne zu erzielen. Ein wichtiger Faktor für das Witschaftswunder der BRD in den 50ern war der Marshall-plan, der Investitionen in Westeuropa ermöglichte, die zum Wiederaufbau der Wirtschaft führten.
Ein Staat muss sich meist verschulden um seine Wirtschaft voranzutreiben, ansonsten wäre das Niveau immer gleich hoch oder es würde sinken. Anderes Beispiel, die amerikanischen Waffenlieferungen an England während des 1.Weltkrieges. Da haben die USA in die Rüstung investiert und haben erst durch den Verkauf einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, der dann jedoch in der Wirtschaftskries endete.
 
Ja, kann man, insbesondere dann wenn sich die erhöhten Investionen in Rüstung und Militär durch einen Sieg auch rentieren und nicht verschwendet sind, was den VSA und auch für eine zeitlang auch dem nationalsozialistischen Deutschem Reich gelang.

Ein wichtiger Faktor für das Witschaftswunder der BRD in den 50ern war der Marshall-plan, der Investitionen in Westeuropa ermöglichte, die zum Wiederaufbau der Wirtschaft führten.

Der Marshall-Plan war für das sogenannte Wirtschaftswunder der BRD von vergleichsweise geringer Bedeutung.

Ein Staat muss sich meist verschulden um seine Wirtschaft voranzutreiben, ansonsten wäre das Niveau immer gleich hoch oder es würde sinken.

Nein, muss er nicht, da dieser nicht der einzige Subjekt der Wirtschaft ist.
 
Hallo.
Wir sollen uns auf eine bevorstehende Arbeit vorbereiten mit der Frage gab es ein NS-Wirtschaftswunder... Kann man soetwas als Wirschaftswunder ansehen ?

Du hast die Frage selbst beantwortet: Das so genannte "Wirtschaftswunder" nach 1933 war lediglich eine Scheinblüte, denn der Staat verschuldete sich drastisch. Die staatlichen Investitionen brachten zwar viele Leute in Lohn und Brot, doch hätte Nazi-Deutschland bei fortschreitender Staatsquote und Verschuldung vermutlich bald nach 1939 den Staatsbankrott vermelden müssen - was der Kriegsausbruch verhinderte.

Eine mir vorliegende Statistik zu den "Öffentlichen Investitionen in Deutschland 1928-1938" zeigt deutlich den rasanten Anstieg der Rüstungsausgaben und einen - wenn auch viel geringeren - Anstieg der Ausgaben für Verkehr und Infrastruktur - auch diese Ausgaben dienten sekundär einem geplanten Krieg.

Die Ausgaben für den Wohnungsbau entwickelten sich hingegen nur bescheiden, auch wenn einige Vorzeigeprojekte einen anderen Eindruck vermittelten. Auf diesem Sektor war die von den Nazis geschmähte Weimarer Republik erheblich aktiver und erfolgreicher.
 
Du hast die Frage selbst beantwortet: Das so genannte "Wirtschaftswunder" nach 1933 war lediglich eine Scheinblüte, denn der Staat verschuldete sich drastisch. Die staatlichen Investitionen brachten zwar viele Leute in Lohn und Brot, doch hätte Nazi-Deutschland bei fortschreitender Staatsquote und Verschuldung vermutlich bald nach 1939 den Staatsbankrott vermelden müssen - was der Kriegsausbruch verhinderte.

Eine mir vorliegende Statistik zu den "Öffentlichen Investitionen in Deutschland 1928-1938" zeigt deutlich den rasanten Anstieg der Rüstungsausgaben und einen - wenn auch viel geringeren - Anstieg der Ausgaben für Verkehr und Infrastruktur - auch diese Ausgaben dienten sekundär einem geplanten Krieg.

Die Ausgaben für den Wohnungsbau entwickelten sich hingegen nur bescheiden, auch wenn einige Vorzeigeprojekte einen anderen Eindruck vermittelten. Auf diesem Sektor war die von den Nazis geschmähte Weimarer Republik erheblich aktiver und erfolgreicher.

D´accord! Viele der geschaffenen Arbeitsplätze boten auch nicht wirklich eine Vollbeschäftigung mit Perspektive, sondern es fielen einfach viele Leute durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und den Reichsarbeitsdienst aus der Arbeitslosenstatistik heraus, ähnlich wie das heute bei 1 Euro Jobbern der Fall ist.
 
Nach der Machtübernahme der Nazis erlebte das Deutsche Reich tatsächlich eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Es kann in dieser Zeit auch eine erheblicher Abbau der Arbeitslosigkeit realisiert werden, zum Ende der Friedensphase wurden dann sogar Arbeitskräfte gesucht. Allerdings handelt es sich dabei um eine sogenannte Rüstungskonjunktur, wobei hauptsächlich der Staat und die Rüstungskonzerne als Gewinner hervorgingen. Die Reallöhne der Arbeiter zeigten nur ein bescheidenes Wachstum trotz der erheblichen Zunahme des Volkseinkommens. Das Preisniveau ließ sich ab 1936 nur noch durch rigorose Lohn- und Preiskontrollen stabil halten (dies erzeugte dann u.a. die zurückgestaute Inflation, die nach dem Kriegsende zu massiven Problemen führte).

Die Gründe für das schnelle Wirtschaftswachstum sind vielschichtig, ich möchte einige der wichtigsten aufzählen:

  • Seit 1932 zeigten sich bereits bescheidene Selbstheilungkräfte des Marktes
  • Es wurden breite Arbeitsbeschaffungsprogramme ins Leben gerufen oder fortgeführt z.B. die Landeskulturarbeiten oder der Bau der Autobahnen. Dabei kamen zum Teil schon skurrile Methoden, wie das Verbot des Einsatzes von Maschinenarbeit zum Tragen.
  • Außerdem wurde noch eine "indirekte" Arbeitsbeschaffung betrieben: Schaffung des Reichsarbeitsdienstes (RAD) und für arbeitslose Jugendliche obligatorisch, Ausweitung der Bürokratie, Einführung der allgemeinen Wehrpflicht bei gleichzeitigem Ausbau der Armee
  • Durchsetzung eines gewaltigen Aufrüstungsprogrammes, das 1938 bereits 21% des Volkseinkommens ausmachte. Dadurch sollte ein Rüstungsvorsprung realisiert werden.
  • Aufgrund des Autarkiestrebens der Nazis, als Konsequenz aus den traumatischen Erfahrungen des ersten Weltkrieges, wurden mehr Arbeitskräfte wieder in der Landwirtschaft gebunden unter anderem durch den Stop der Landflucht.
Die Ausgabenprogramme der Nazis waren defizitfinanziert, wobei hier der Mefo-Wechsel eine entscheidende Rolle spielte. Dabei handelt es sich schlicht um eine verschleierte Form der Geldmengenerhöhung, deren geistiger Vater Hjalmar Schacht war.

Ich stimme Dieter hier absolut zu, dass sich ein Staatsbankrott und/oder eine Hyperinflation, und damit automatisch das Ende des Aufschwungs, am Ende der Friedensphase bereits deutlich abzeichneten.
 
Ich wollte noch kurz eine Tabelle mit den Rüstungsausgaben (absolut und prozentual) und dem Volkseinkommen nachreichen.
 

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  • Rüstungsausgaben und Volkseinkommen im Dritten Reich.pdf
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Wie kann das sein soo viele Arbeiter also fast eine Vollbeschäftigung aber trotzdem eine solch hohe Verschuldung ?
Ja, denn allein 1939-1940 gingen 32,3% der kompletten Reichsausgaben an die Wehrmachts-und Rüstung.
Da die Waffen nicht Exportiert wurden, kosteten sie nur viel Geld.
Kann man soetwas als Wirschaftswunder ansehen ?
Gruß Lars.

Über die Relation Vollbeschäftigung/Verschuldung kann man nachdenken.

Die Entwicklung ist ja bereits dargestellt worden, deswegen einige ergänzende Überlegungen. Problematisch ist sicherlich zunächst der Begriff "Wunder", da würde ich den Beiträgen in #2 und #3 widersprechen wollen. Geht es hier nur um die Wahrnehmung, dann ist sicher das Propagandageräusch der Jahre 1933-1938 zu berücksichtigen, was die Hintergründe der Entwicklung überdeckte. Aber darum geht es vermutlich nicht, sondern um die nachträgliche Analyse.

Die Wirtschaftserholung - das hatte Gil-galad bereits angeführt - begann Ende 1932. Ebenso waren in 1932 bereits budgetseitig Maßnahmen zur Kräftigung des Arbeitsmarktes eingeleitet worden, an die sich das Kabinett Hitler (ganz speziell 1933 nur) anlehnte. Anfang 1933 zogen sowohl der Export als auch die inländische Investitionsgüternachfrage deutlich an. Hier werden nun die Gründe diffus: zum einen mag das an den besseren Aussichten gelegen haben, bessere Erwartungen. Dann mag es Unternehmen gegeben haben, die auf die das Kabinett Hitler setzten (etwa in Erwartung von Staatsaufträgen), andere wird die Machtübernahme auch abgeschreckt haben, so dass sie Investitionen eher zurückstellten. Jedenfalls änderte sich auch an der inländischen Kaufkraft 1933/34 erstmal relativ wenig. Dazu kamen große Staatsunternehmen, zB Reichsbahn, die nun zu Ausgaben angehalten wurden.

Große Wirkungen auf die Arbeitslosigkeit (nicht: Beschäftigung!) erzielten aber Maßnahmen, die 1933-Ende 1935 die Menschen vom Arbeitsmarkt nahmen: Familiendarlehen (um Frauen aus der Beschäftigung zu nehmen), Arbeitsdienste, dazu später Wehrmacht, usw. Die letzteren Mobilisierungen kann man sicher bis 1938 auf mehrere Millionen Menschen schätzen, die aus dem Arbeitsmarkt herausfielen (allein bei der Wehrmacht waren das schließlich jedes Jahr über eine Million). Die Feststellung der nominelle Arbeitslosigkeit ist somit ein Aspekt, die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse (und in welcher Form bzw. mit welchen Einkünften!) ein zweiter. Vollbeschäftigung ist schließlich ein Frage auch des Umfanges, in dem Menschen vom Arbeitsmarkt "genommen" worden sind.


Die Finanzierung dieser Staatsausgaben kann man ebenfalls sehr differenziert untersuchen. Die Staatsausgaben bis 1935 (nochmal Dank an Gil-galad wegen der Tabelle) entfielen mit rd. 10 Mrd. Reichsmark auf die Rüstung. Das sieht noch überschaubar aus. Dazu ist berücksichtigen, dass der Staat weitere gigantische Konsumbereiche aufwies: das pompöse des Drittes Reiches mußte finanziert werden, der Polizeiapparat, die schlagartige Aufblähung der Bediensteten in Partei und Staat, Funktionenwirrwarr, neue Ämter usw. Bis 1936 würde ich das mindestens ebenso hoch einschätzen wie den Kern der Rüstungsausgaben für Wehrmachts-Personal und Gerätebeschaffung, daneben - nicht zu unterschätzen - die riesigen Bauausgaben für den Aufbau der (schließlich zu kasernierenden) Wehrmacht. Nochmal zum Personal: die größten Steigerungen in den Einzelhaushalten wiesen der Reichskanzler und das Innenministerium auf. Nimmt man auch hier die Personalausgaben heraus, bleiben beachtliche Ausgaben für Bautätigkeiten etc., die sich also in Umsatz der Unternehmen nierderschlugen.

Alles zusammen: sowohl die Personalausgaben (=Löhne) als auch die Gewinne der Unternehmen explodierten geradezu 1933-Anfang 1936. Zu dem Zeitpunkt standen die größten Rüstungssteigerungen erst noch bevor. Beides - Löhne und Gewinne - brachten einen Anstieg der Steuerzahlungen ein. Diese Überlegungen sind bei Boelcke zu finden. Er bezeichnet die Steuerrückflüsse als einen großen Teil der Finanzierung dieser steigenden Staatsausgaben (und rechnet mE so einen Anteil von rd. zwei Drittel aus). Der Rest wurde dann durch Schulden finanziert.

Dieser Anschub reichte jedoch nicht, um einen selbständigen konjunkturellen Aufschwung zu generieren, der durch das Defizit 1933-1935 quasi hätte angeschoben werden können. Es wäre ja nicht unwahrscheinlich gewesen, dass sich aus dieser ersten Phase eine breit getragener Aufschwung, ein Export"wunder", etc. hätte entwickeln können. Der Grund liegt im System: der Anstoß war nun kein Selbstzweck, sondern am Ende dieses (gedacht bzw. willkürlich abgeschnittenen 3-Jahres-Zeitraumes) liegt eine die eigentliche schon lange beabsichtigte Explosion der Rüstungsausgaben, hinzu kam der Autarkiepolitik etc. Die weitere Entwicklung war vom System des Dritten Reiches vorgegeben: die Herstellung der Kriegsbereitschaft und die gewaltsame/militärische Revision der Grenzen, im Prinzip eine Mobilmachung des Staates (vordergründig die Wehrmacht, aber eben auch die Unternehmen, die Bevölkerung), wenn diese auch 1939 sicher noch nicht abgeschlossen war. Diese Art von Dirigismus war 1933 mit der Machtübernahme bereits angelegt, sie trat nur etwas später in den Vordergrund.

Insoweit könnte man in der Analyse die 2 beschriebenen Zeiträume unterscheiden - 1933/36 und 1936/39. Das alles müßte man natürlich mit Zahlen unterlegen, ich wollte diese Aspekte aber nur skizzieren.
 
Um den Abbau der Arbeitslosigkeit in dieser Zeit nochmal zu verdeutlichen, hänge ich eine Tabelle an, die die Anzahl der Arbeitslosen und die der abhängig beschäftigten ausweist. Allerdings werden hier bewußt die schweren Krisenjahren und die ersten Jahre nach der Machtübernahme ausgelassen. Zwei Dinge stechen einem dabei ins Auge und zwar die schnelle Abnahme der Arbeitslosenzahlen, die aber korrespondiert mit der Zunahme der abhängig Beschäftigten. Die Arbeitslosenzahlen der Jahre 1939 und 1940 lassen sich hauptsächlich durch saisonale Arbeitslosigkeit erklären.

Am 26. November 1937 trat Hjalmar Schacht aus Protest gegen das mit dem Vierjahresplan von 1936 beschlossene Aufrüstungsprogramm zurück, das zwangsweise eine Überschuldung nach sich ziehen musste. Diese würde die sowieso schon prekäre Finanzsituation noch weiter verschärfen. Es war dem Deutschen Reich nur mit größten Problemen möglich die Devisen für die Rüstungs- und Rohstoffimporte sowie die Nahrungsmittelversorgung aufzubringen. 1936 schließlich hatte die Reichbank nur noch Devisenreserven für zwei Wochen.

Weitere Auswirkungen des Rüstungsprogrammes zeigten sich in der Verdreifachung des Geldumlaufs bis 1937 und der bereits mehrfach angesprochenen Erhöhung der Staatsverschuldung. Letztgenannte erhöhte sich von 1933 bis 1937 von 11,7 auf 25,4 Mrd. RM auf mehr als das Doppelte. 1937 wurden bereits 10% der gesamten Steuereinnahmen für den Schuldendienst aufgewendet. Die hohe Zinslast und der Devisenbedarf zum Nahrungmittelimport machten nun sogar einen Verkauf von deutschem Auslandsbesitz notwendig.

Noch ein kurzer Nachtrag zum Mefo-Wechsel: Die Bezahlung der Wechsel war einzig und allein durch die Erwartung einer erheblichen Kriegsbeute in Form von Gütern und Geld gedeckt, also von vornherein nur durch den Gewinn eines Krieges zu finanzieren. Damit wurde dieser perfiden Logik zufolge ein Krieg zwingend notwendig, um dem Staat vor dem Bankrott zu bewahren.
 

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  • Arbeitslosigkeit und abhängige Beschäftigung.pdf
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@Gil-galad: vielen Dank für die Hinweise. Die Statistiken zur Beschäftigung 1933-1938 sind allerdings problematisch. Die Inkonsistenzen beziehen sich auf folgende Relationen/Daten:

- Entwicklung der Arbeitslosigkeit und Veränderungen der Beschäftigungszahlen klaffen auseinander (zB 31.3.1933: AL - 174T, BS + 612T gegenüber 31.12.1932; dagegen 31.12.1933: AL - 1539T, BS +1146T im Vergleich zum 31.3.1933)

- es gibt unterschiedliche Angaben zu den Beschäftigtenzahlen aufgrund unterschiedlicher Statistiken (Krankenkassenstatistik etc.)

- Im Frühjahr 1933 betrug der Auslastungsgrad der vorhandenen industriellen Kapazitäten rd. 54%. Dieses - ein katastrophal niedriger Stand - ist wegen der späteren Steigerungen ein Indiz dafür, dass Reaktivierungen aus einem nicht erfaßten Arbeitslosenbestand in die BS zu berücksichtigen sind.

- Die tatsächliche AL, quasi als "Entfernung vom Arbeitsmarkt", lag vermutlich höher. Ende 1933 wurden rd. 4 Mio. AL registriert, dagegen noch 12,7 Mio. (!) von den Bezirksfürsorgeverbänden durch Zuwendungen unterstützte Personen.

- die Lohnsummen-Steigerungen weisen zB für 1933 nur rd. 272 Mio. RM aus, dagegen rd. 1,3 Mio. Abnahme in der Arbeitslosigkeit bzw. sogar 1,75 Mio. Zunahme in der Beschäftigung. Hier sind die Durchschnittsbetrachtungen störend. Halbiert man wegen des Jahresverlaufs die Beschäftigungszunahme auf rd. 0,9 Mio., ergibt sich nur ein Durchschnittsverdienst von rd. 300 RM/Jahr.

(vgl. zB Boelcke: Die Kosten von Hitlers Krieg, Kriegsfinanzierung und finanzielles Kriegserbe in Deutschland 1933-1948)
 
Die Ausgangsfrage (Wirtschaftswunder) kann man übrigens auch unter einem weiteren Aspekt beleuchten: den internationalen Vergleich.

Die deutsche "Staatskonjunktur" weist nämlich in den Auswirkungen für die industrielle Beschäftigung (ohne Sektoren wie Landwirtschaft etc.) Besonderheit auf, die sich untersuchen lassen. Andere Länder, die ebenfalls vom niedrigen Niveau 1932 betroffen waren, haben ebenfalls beachtliche Steigerungen der industriellen Beschäftigung im Zeitraum 1933-1939 aufzuweisen - allerdings ohne Aufrüstung.

Industrielle Beschäftigung in Deutschland (Grenzen 1937) im Jahresdurchschnitt:

1929: 6,241 Mio.
1932: 3,711 Mio.
1933: 4,113 Mio.
1935: 5,737 Mio.
1937: 6,270 Mio.
1938: 6,914 Mio.
1939: 7,404 Mio. (also rd. Verdoppelung ggü. 1932)

Internationaler Vergleich (Index 1929 = 100), 1932 zu 1939:
Dänemark: 91,7 zu 151,1%
Japan: 82,5 zu 155,9 (ebenfalls Aufrüstung)
USA: 62,5 zu 97,0 (1937: 102,6)
Australien: 74,1 zu 125,5
 
Die Lohnsummen-Steigerungen weisen zB für 1933 nur rd. 272 Mio. RM aus, dagegen rd. 1,3 Mio. Abnahme in der Arbeitslosigkeit bzw. sogar 1,75 Mio. Zunahme in der Beschäftigung. Hier sind die Durchschnittsbetrachtungen störend. Halbiert man wegen des Jahresverlaufs die Beschäftigungszunahme auf rd. 0,9 Mio., ergibt sich nur ein Durchschnittsverdienst von rd. 300 RM/Jahr.

Zuallererst möchte ich dir danken für deine Anmerkungen und Ergänzungen. Zu den Lohnsummen habe ich noch einige Zahlen gefunden.

Der Anteil der Lohnsummen am Volkseinkommen ist von 60,3% 1932 auf 53,3% im Jahr 1939 gefallen, während die Unternehmer- und Vermögenseinkünfte im gleichen Zeitraum angestiegen sind. 1939 verfügte ein Prozent der Steuerzahler über ein Einkommen > 50.000 RM und damit über 21% des Gesamteinkommens.

1933 betrug das Volkseinkommen pro Kopf 676 RM.

Die Tariflöhne von Industriearbeitern lagen 1939 zum Teil noch unter dem Niveau von 1929. Ein Vergleich der durchschnittlichen Stundenlöhne der höchsten Tarifstufe in 17 Gewerben ergibt, dass sich der Facharbeiterlohn von 101,1 Pfennig (1929) auf 79,1 Pfennig (1939) reduziert hatte. Der Hilfsarbeiterlohn sank im gleichen Zeitraum von 79,4 auf 62,8 Pfennig. Damit reichten die Löhne kaum aus, um die täglichen Ausgaben zu bestreiten. Zusätzlich reduzieren sich die Löhne noch durch "freiwillige" Abgaben wie zum Beispiel für das Winterhilfswerk.

Gleichzeitig erhöhten sich die Arbeitszeiten, Überstunden gehörten zur Tagesordnung. 1938 betrug der Index der Bruttoarbeitszeit je Arbeiter nominal 108,5 und real 107,5 zum Basisjahr 1936. Das schlug sich im Ansteigen der Arbeitsunfälle nieder. 1933 waren noch 3,4% des Beschäftigten von Arbeitsunfällen betroffen, 1939 waren es schon 6,1%.

Die massive Aufrüstungspolitik der Nazis hatte also den Lebensstandard der Arbeiter gesenkt, statt ihn anzuheben.
 
Die massive Aufrüstungspolitik der Nazis hatte also den Lebensstandard der Arbeiter gesenkt, statt ihn anzuheben.

Das kann man so nicht unbedingt sagen.
Wie immer kommt es auf die Branche an.

Schau mal hier rein:
stammt von der KPD/ML;)

aus dem Link
Das Lohnniveau war in den einzelnen Industriezweigen sehr verschieden. Die Schere ging im Zuge der Aufrüstung noch weiter auseinander. Die Industrien, die vom Rüstungs- und Bauboom profitierten und so unter Facharbeitermangel litten, mußten die Löhne schnell erhöhen. Die Betriebe zahlten "Locklöhne", um die nötigen Arbeitskräfte anzuwerben. Außerdem entstand ein starkes Ost- Westgefälle. Ein Arbeiter verdiente in Hamburg doppelt so viel wie in Ostpreußen und an der Ruhr 20 % mehr als in Oberschlesien. [96] Zwischen Dezember 1935 und Juni 1939 stieg der Stundenlohn in der Industrie insgesamt um 10,9 %. Die Wochenlöhne fielen auf Grund der längeren Arbeitszeit 17,4 % höher aus. Durch den Lohnanstieg in der Industrie erhöhte sich die Konsumkraft der Arbeiter um 85 Millionen Reichsmark pro Woche. [97] Die stärkere Kaufkraft kam so auch der Konsumgüterindustrie zugute. Wegen der hohen Überstunden vor dem Krieg gab es in der Industrie die bis dahin höchsten Löhne. [98]
ich weiß, man klickt nicht so gerne auf Links:pfeif:
 
Interessanter Link, danke Repo. Du hast recht, es kommt mit Sicherheit auf die Branche an. Bei den von mir gelieferten Zahlen handelt es sich um Durchschnittswerte. Ich kann mir schon vorstellen, dass ein Facharbeiter in der Rüstungsindustrie, die ja durch die staatlichen Aufträge boomte, mehr verdient hat als vor der Machtübernahme. Dafür sprechen auch die Locklöhne in den Boombranchen, wie sie in dem Link beschrieben werden.
 
Da stellt sich dann die Frage, was man sich davon kaufen konnte.;)

Unterteilt man nämlich die Produktion nach Bereichen, und filtert die Konsumgüter, tat sich hier im Zeitraum 1933-1938 recht wenig. Hinzu kamen die bekannten Engpässe bei den Lebensmitteln, "Fettlücke" etc.

Über die ersten 2 Jahre sollte man sich nicht täuschen. Die Lager (Konsumgüter) waren aufgrund der Wirtschaftskrise und der Kaufzurückhaltung zunächst randvoll. Trotz regelrechter Hamsterkäufe und Nachholeffekte 1933/34 leerten sich diese erst langsam.

Das nahm dann Mitte/Ende der 30er Jahre zT katastrophale Zustände an, bei denen auch Rationierungen, spontane Demonstrationen wegen des Mangels etc. auftraten. Dazu eine erstklassige Dissertation: Torunsky, Vera: Ernährungswirtschaft und Verbrauchslenkung im Dritten Reich 1936-1939, 631 Seiten.
 
Da stellt sich dann die Frage, was man sich davon kaufen konnte.;)

Unterteilt man nämlich die Produktion nach Bereichen, und filtert die Konsumgüter, tat sich hier im Zeitraum 1933-1938 recht wenig. Hinzu kamen die bekannten Engpässe bei den Lebensmitteln, "Fettlücke" etc.

Über die ersten 2 Jahre sollte man sich nicht täuschen. Die Lager (Konsumgüter) waren aufgrund der Wirtschaftskrise und der Kaufzurückhaltung zunächst randvoll. Trotz regelrechter Hamsterkäufe und Nachholeffekte 1933/34 leerten sich diese erst langsam.

Das nahm dann Mitte/Ende der 30er Jahre zT katastrophale Zustände an, bei denen auch Rationierungen, spontane Demonstrationen wegen des Mangels etc. auftraten. Dazu eine erstklassige Dissertation: Torunsky, Vera: Ernährungswirtschaft und Verbrauchslenkung im Dritten Reich 1936-1939, 631 Seiten.


Volksempfänger kaufen und auf den KdF-Wagen sparen:rofl:

Die Arbeitskameraden und -Kameradinnen sind mit dem KdF-Dampfer nach Madeira gefahren, dort durften sie eine (1) Stunde an Land, hätten ja sonst Devisen gebraucht...

Meine Eltern haben 1938 begonnen ein "Eigenheim" zu bauen. Aber eigentlich blieb es beim Versuch.
Lediglich die Garage konnte fertiggestellt werden. Das ist kein Witz.
Denn der Führer hatte beschlossen ein "gewaltiges Festungswerk an der Westgrenze des Reiches zu errichten".
Soweit die Propaganda.
Für den "Volksgenossen" hieß das, keine Bauarbeiter, kein Zement, kein Bauholz, von Baustahl ganz zu schweigen. Verschoben auf die Zeit nach dem Endsieg

In der Garage hat mein Großvater ab 1943 Hühner gehalten. Das Garagentor trägt heute noch die Spuren der Hühnerleiter und des Türchens.
2 meiner Geschwister wohnen heute in einem Haus, Baustil klar 30er, aber fertiggestellt 1956.

Und die KdF-Wagen-Sparkarte ist auch so ein Thema, sowas ist nach meiner festen Überzeugung nach nur in Deutschland möglich.
 
Das kann man so nicht unbedingt sagen.
Wie immer kommt es auf die Branche an.

Die Statistischen Jahrbücher bereiten das ganz ordentlich auf. Nur ein paar Beispiele zur Skizzierung des Lohnniveaus im NS-Staat:

Gesamtüberblick
Tarifliche Stundensätze bzw. Akkordrichtsätze der höchsten Altersstufe im Durchschnitt für 17 Gewerbe 1929-1932-1933-1938
1,011 - 0,792 - 0,783 - 0,788 RM, folglich keine Steigerungen im Durchschnitt über viele Branchen.

Vergütung inkl. aller Zuschläge etc. 1933 - 1939
Steinkohle, je gefahrene Schicht: 6,94 im Durchschnitt 1933 zu 5,84 (Niederschlesien) bis 7,75 (Saar) RM in 1939
1933 - 1939 tarifliche Stundenlöhne im Reichsdurchschnitt
Chemische Industrie 0,871 - 0,871 RM für Handwerker, 0,701 - 0,701 für Betriebsarbeiter
Metallverarbeitung 0,779 - 0,790 RM für Facharbeiter (für 1939 von 0,675 für Ostpreußen bis 0,902 für Berlin)
Baugewerbe 0,823 - 0,827 RM für Maurer, 0,660 - 0,668 RM für Bauhilfs- und Tiefbauarbeiter

Beim Lohnniveau hat sich so gut wie nichts getan; die 1938/39 auftretenden Lohngefälle nach Regionen und Branchen bestanden bereits 1928/1932 in ähnlicher Weise und sind damit mE nicht auf NS-Wirtschaftspolitik in Schwerpunkt-Sektoren zurückzuführen.
 
Die Statistischen Jahrbücher bereiten das ganz ordentlich auf. Nur ein paar Beispiele zur Skizzierung des Lohnniveaus im NS-Staat:

Gesamtüberblick
Tarifliche Stundensätze bzw. Akkordrichtsätze der höchsten Altersstufe im Durchschnitt für 17 Gewerbe 1929-1932-1933-1938
1,011 - 0,792 - 0,783 - 0,788 RM, folglich keine Steigerungen im Durchschnitt über viele Branchen.

Vergütung inkl. aller Zuschläge etc. 1933 - 1939
Steinkohle, je gefahrene Schicht: 6,94 im Durchschnitt 1933 zu 5,84 (Niederschlesien) bis 7,75 (Saar) RM in 1939
1933 - 1939 tarifliche Stundenlöhne im Reichsdurchschnitt
Chemische Industrie 0,871 - 0,871 RM für Handwerker, 0,701 - 0,701 für Betriebsarbeiter
Metallverarbeitung 0,779 - 0,790 RM für Facharbeiter (für 1939 von 0,675 für Ostpreußen bis 0,902 für Berlin)
Baugewerbe 0,823 - 0,827 RM für Maurer, 0,660 - 0,668 RM für Bauhilfs- und Tiefbauarbeiter

Beim Lohnniveau hat sich so gut wie nichts getan; die 1938/39 auftretenden Lohngefälle nach Regionen und Branchen bestanden bereits 1928/1932 in ähnlicher Weise und sind damit mE nicht auf NS-Wirtschaftspolitik in Schwerpunkt-Sektoren zurückzuführen.


Das wird allgemein immer so dargestellt.
Andererseits schreibt die KPD/ML Seite von "Locklöhnen"
Die Betriebe zahlten "Locklöhne", um die nötigen Arbeitskräfte anzuwerben.
auch bei Aly glaube ich mich erinnern zu können, dies gelesen zu haben.

Warum soll es keine Übertariflichen Löhne gegeben haben?
Und dann natürlich die Verlängerung der Arbeitszeiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Andererseits schreibt die KPD/ML Seite von "Locklöhnen" auch bei Aly glaube ich mich erinnern zu können, dies gelesen zu haben.
Warum soll es keine Übertariflichen Löhne gegeben haben?
Und dann natürlich die Verlängerung der Arbeitszeiten.

Betriebswirtschaftlich mag das vorkommen und ist nicht auszuschließen.

Volkswirtschaftlich ist das unbedeutend gewesen. Die volkswirtschaftlichen Statistiken sehen eben anders aus und ergeben hier keine Veränderung. Übertarifliche Löhne gab es, auch die Zahlen für das Gesamteinkommen inkl. aller zuschläge, Beihilfen etc. gibt das gleiche Bild der regionalen und branchenbezogenen Verteilungen. Die Wirtschaft im Dritten Reich weist hier mE keine Veränderungen bspw. zu 1925/1929 auf.

Noch ein Nachtrag zum Volkseinkommen: Nominalwerte
Private Haushalte insgesamt 1928 - 1929 - 1933 -1938, altes Reichsgebiet:
72,68 - 73,62 - 47,97 - 75,01 Mrd. Reichsmark
davon Lohn und Gehalt: 42,62 - 43,04 - 25,98 - 42,72 Mrd. Reichsmark
davon Selbständige+Freie Berufe, Handel + Gewerbe: 12,19 - 11,77 - 6,50 - 14,80 Mrd. RM(überproportionale Steigerung im Vergleich zu der Lohnentwicklung)
davon Kapitalvermögen: 2,78 - 3,26 - 2,29 - 2,95 Mrd. RM
davon Renten und Unterstützungen: 8,43 - 9,12 - 8,40 - 7,61 Mrd. RM

Man sieht, dass die Unternehmergewinne 1938 (auch Freiberufler, Selbständige etc.) rd. 15% über Niveau 1928 lagen, während die Lohneinkommen 1938 wieder das Niveau 1928 erreichten. Die Pensionen erreichten nicht das alte Niveau, bei gestiegenen Zahlen älterer Menschen (1925 über 60 Jahre rd. 5,6 Mio., 1939 über 60 Jahre ca. 8,5 Mio., Stand altes Reichsgebiet Grenzen 1937)


1939 verfügte ein Prozent der Steuerzahler über ein Einkommen > 50.000 RM und damit über 21% des Gesamteinkommens.
Das erscheint mir zu hoch.
Die letzte Statistik, die mir vorliegt, ist aus 1940 für die Steuerverteilung 1936: es handelt sich um 18.000 Einkommensbezieher mit Einkommen größer 50 T-RM, zusammen mit 2,318 Mrd. RM Einkommen (= 4,3% der gesamten Einkommen, dagegen 1928: 17.000 Personen mit 1,96 Mrd. RM Einkommen = 3,53% des gesamten Einkommen).

16,7 Millionen Personen hatten Einkommen bis 1200 RM (1928: 15,8 Mio.), 10,9 Millionen hatten Einkommen zwischen 1200 und 3000 RM (1928: 10,0 Mio.). Weitere 2,3 Mio. Personen hatten Einkommen zwischen 3000 und 5000 RM (in 1928: 2,0 Mio.). Die Gesamtzahl der erfaßten Einkommensbezieher ist von 1928 = 29,0 Mio. auf 1936 = 31,0 Mio. gestiegen.



Eine kleine "Sonderkonjunktur": die errichteten Gebäude, unterteilt nach Wohnbauten und Nichtwohnbauten (=öffentliche und gewerbliche). Schaut man sich die Nichtwohnbauten an, ergeben sich 55.610 Neubauten in 1939 gegenüber 51.721 in 1933. Auf den ersten Blick keine aufregende Veränderung, aber das Bild stellt sich auf den Kopf, wenn man nicht die Gebäudezahl, sondern die "cbm umbauten Raumes" heranzieht: 58,733 Mio. in 1939 gegenüber 34,4 Mio. in 1933. Im übrigen erhöhte sich der Wohnungsbestand 1933-1939 um rd. 1,6 Mio.
 
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