Gab es in Germanien nur Dörfer oder auch Städte?

Ich vermute, es handelt sich dabei um Metze (Niedenstein) – Wikipedia

Der Erstbeleg ist laut Wiki von etwa 800 (aber fraglich), dann erst wieder ab dem späten 11. Jhdt. Das hilft bei der Frage, ob der Ort oder meinetwegen auch nur der Ortsname auf das antike Mattium zurückgeht, natürlich nicht weiter.

In diesem Fall haben wir allerdings noch einen Gewässernamen, der wahrscheinlich mit dem Ortsnamen im Zusammenhang steht. Dann könnte der Name auch ohne direkte Siedlungskontinuität die Zeiten überdauert haben.
W. Guth betrachtet dieses Szenario von Orts- und Gewässername (Metze u. Die Matzoff) für eine Lokalisierung Mattiums unter onomastischen Gesichtspunkten, und erörtert, wenn ich es richtig verstanden habe, verschiedene Optionen der Namensherkünfte/-entwicklungen (S. 11ff).
"Zwar gehen alte Ortsnamen häufig auf Gewässernamen zurück, doch gibt es auch den umgekehrten Fall, wenngleich erheblich seltener. Denkbar wäre durchaus, daß Mezzahe, der anzunehmende Zweitname der Matzoff, auf den Ortsnamen *Mattija (Mattium) zurückgeht." (S. 15)

Guth nimmt auch eine Einordnung der Bezeichnung Metue als möglicherweise frühesten Nennung (8. Jh.) von/für Metze vor. Unter onomastischen Gesichtspunkten sei diese zu verwerfen, es könnte allerdings auch ein Kopistenfehler vorliegen (S. 15f).

Mangels nötigem Fachwissen vermag ich Guths Überlegungen/Begründungen lediglich zu lesen.

Guth, W. (2008): Mattium. Onomastische Überlegungen zu einem historischen Problem. In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 113.
 
Ich vermute, es handelt sich dabei um Metze (Niedenstein) – Wikipedia

Der Erstbeleg ist laut Wiki von etwa 800 (aber fraglich), dann erst wieder ab dem späten 11. Jhdt. […] Möglicherweise ist die Siedlung unter Weiterverwendung des alten Ortsnamens auch im Laufe der Zeit ein oder mehre Male verlegt worden. Dann müßte man in der Nähe sich einander chronologisch anschließende Siedlungsfunde haben.
Zumindest liegt der Ort in dem Raum jenseits der Eder, wie Mattium. Aber ich habe das ja nicht umsonst in einen Bedingungssatz gekleidet. Wenn die Bedingung (Ortsnamenkontinuität) nicht gegeben ist, sind alle weiteren Überlegungen substanzlos.
Ich halte es allerdings für keinen Zufall (den ich aber natürlich nicht schlussendlich ausschließen kann), dass Metze in der Region liegt, wo Mattium lag und sich sauber und ohne Verrenkungen daraus herleiten lässt.
 
@Ralf.M Seit 1890 hat sich freilich verflixt viel getan in der Forschung. Die ältere Forschung in Deutschland hat noch mit großem Elan das Bild des "edlen Wilden" kultiviert, des Germanen als waldverbundenem kernigen Naturburschen. Man glaubte, keine Beweise für eine germanische Hochkultur zu haben, und erhob – wohl aus einem Gefühl der Unterlegenheit im Vergleich mit den Römern – diesen Mangel zur Tugend. Interessanterweise fand zur gleichen Zeit in Frankreich eine ähnliche Aufbereitung des keltischen Erbes statt. Dass die Gallier nur Wildschwein aßen und Asterix-mäßig in winzigen Dörfern organisiert waren, konnte man noch in den 1950ern in französischen Schulbüchern lesen.
 
W. Guth betrachtet dieses Szenario von Orts- und Gewässername (Metze u. Die Matzoff) für eine Lokalisierung Mattiums unter onomastischen Gesichtspunkten, und erörtert, wenn ich es richtig verstanden habe, verschiedene Optionen der Namensherkünfte/-entwicklungen (S. 11ff).

Hm... diese Passage verstehe ich nicht, oder anders gesagt, ich verstehe sie zwar, aber verstehe das Problem nicht:

Nach [der] Ansicht [von Hans Kuhn] läßt sich der Name Mattium wegen der Geminate -tt- nicht aus dem Germanischen ableiten, aber auch aus dem Keltischen nicht. […] KUHN sieht in der Geminate -tt- zu Recht ein ernsthaftes lautliches Problem.​

Warum lässt sich die Geminate -tt- nicht aus dem Germanischen ableiten? Nicht missverstehen, ich bestehe gar nichts darauf, ich habe ja die Vermutung geäußert, dass der Name aus dem Keltischen käme, was mir gerade, wo ich schreibe, als Denkfehler auffällt, da ich die latinisierende Endung -ium mit der latinisierenden Endung -iacum (Juliacum, Turiacum, Tolbiacum) keltischer Ortsnamen gleichgesetzt habe. Was ich nicht verstehe ist, warum die Geminate da ein Problem darstellen soll.

Nun weist Guth aber auf ein anderes Problem hin, nämlich auf die belegten Namensformen von Metze:

Frühe Namenformen: 1074/81 Metzihe (Fälschung um 1100), 1081 Mezehe (Fälschung), wohl frühes 12. Jh. de, apud Mezzahe, 1151 de Mezzehe, 1193 de Mezce, 1196 de Mezze, um 1219 Mezhee, 1286 in Metthe, 1290 Metze.​
Die Belege zeigen, daß der Name ein Kompositum ist. Im Hinterglied, unterschiedlich geschwächt, liegt and./ahd. aha (< germ. *ahwo) ‚Wasser, Fluß, Bach‘ vor. Der Name Metze kann demnach keine Kontinuante von *Mattija (Mattium) sein.​

Hier habe ich durchaus ein Einsehen, allerdings nur bedingt. Aber lassen wir Guth weiter ausführen:

Er ist offenkundig ein Gewässername, der auf die Siedlung Metze – vermutlich in der Zeit ihrer Gründung – übertragen worden ist. Da Metze an der Matzoff liegt, ist anzunehmen, daß Mezzahe ein weiterer Name dieses Baches war (allerdings wohl nur gültig für den Ober- oder Mittellauf). Eine Erklärungsmöglichkeit für den Namen wäre die Annahme, daß *-apa, das Zweitglied des Bachnamens *Matt-apa, nachdem es seine Verständlichkeit eingebüßt hatte, im frühen Mittelalter durch -aha ersetzt worden wäre, sozusagen als bloße Variation des bestehenden Namens. *Matt-aha hätte jedoch lautgesetzlich zu späterem *Matze führen müssen. Das heißt, dieser Ansatz, so naheliegend er ist, bietet keine Erklärung für den Umlaut -a- > -e-, scheint also doch recht zweifelhaft zu sein.​

Genau! Das -i- für die regressive i-Umlautung a > e fehlt! Und daher ist trotz der methodisch richtigen Beobachtung, dass in den dokumentarischen Formen das Gewässerwort aha anhängt m.E. die Herleitung von Mattium nicht aus der Welt. Wie oben beschrieben wäre aus Mattium Metze entwickelt worden. Hinge man an dieses Metze ein aha an, erhielte man Metze-aha, das Schwa und das a würden Wohl zu a zusammenfallen, womit wir nah an der belegten Form Mezzahe wären. Damit ist sowohl die i-Umlautung von a > e kein Problem mehr und für den aha-Zusatz der mittelalterlichen Dokumente bleibt auch Platz. (Ach, das schreibt Guth anderthalb Absätze später dann auch...)
 
Mangels nötigem Fachwissen vermag ich Guths Überlegungen/Begründungen lediglich zu lesen.

http://www.vhghessen.de/inhalt/zhg/ZHG_113/01_Guth_Mattium.pdf Guth, W. (2008): Mattium. Onomastische Überlegungen zu einem historischen Problem. In: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 113.

Ich habe den Artikel in seinen ersten Seiten angelesen.

Unabhängig von den Lokalisierungfragen von Mattium finde ich es besonders interessant, dass über die sprachliche Entwicklung von Flußnamen auch Annahmen über die Sprachen (germanisch bzw. keltisch) getroffen werden können. Das wäre jetzt für Gebiete interessant, die nachweislich noch in den ersten Jahrhunderten vor der Zeitenwende keltisch waren und dann erst germanisiert worden sind. Dann müßten dortige Gewässernamen germanisierte, keltische Namen sein. (Das sollte man dann in dem anderen Thread über die Grenze zwischen Kelten und Germanen diskutieren.)
 
Unabhängig von den Lokalisierungfragen von Mattium finde ich es besonders interessant, dass über die sprachliche Entwicklung von Flußnamen auch Annahmen über die Sprachen (germanisch bzw. keltisch) getroffen werden können. Das wäre jetzt für Gebiete interessant, die nachweislich noch in den ersten Jahrhunderten vor der Zeitenwende keltisch waren und dann erst germanisiert worden sind. Dann müßten dortige Gewässernamen germanisierte, keltische Namen sein.

Dazu hatte ich schon mal einen Thread aufgemacht und ober- und niederbayerische Flussnamen als Beispiele aufgelistet: Flussnamen

Inzwischen gibt es zu diesem Thema auch ein Buch, das hatte ich allerdings noch nicht in den Händen:

Harald Bichlmeier und Stefan Zimmer, Die keltischen Flussnamen im deutschsprachigen Raum - ein keltologisch-indogermanistischer Kommentar zum Deutschen Gewässernamenbuch, Dettelbach 2022
 
Das Oppidum auf dem Dünsberg und andere Oppida lagen nicht gerade an einer Wasserstraße, und offensichtlich hat die Versorgung doch funktioniert.
Naja, das Oppidum am Dünsberg lag an der Lahn.
Der Dünsberg ist nicht allein, es bestand ein Oppidum auf der Amöneburg, das Edergebiet und Mattium (damals schon germanisch?) sind nahe.
Zugleich war der Dünsberg Zentrum keltischen Bergbaus, und Herrschafts- oder Wirtschaftszentrum einer ausgedehnten und prosperierenden Region, deren Anschluss an die keltischen Absatzmärkte über Lahn, Rhein und Mosel bestand.
Wetterau und das extrem fruchtbare Amöneburger Becken hätten für die Versorgung mit Landwirtschaftsprodukten ausgereicht.
Wie Du gesagt hast: Es hat funktioniert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dünsberg ist nicht nur das Oppidum auf dem Hügel, sondern eine latènezeitliche Wirtschaftsregion. In Waldgirmes wurde Erzbergbau im Tagebau betrieben, von dort bis zur Lahn sind es fußläufig 1,5 km. Dorlar ist noch näher an der Lahn.

Was die Römer lahnaufwärts anschleppten (Sockelsteine aus Metz, 1.000-Liter-Weinfass, vergoldetes Reiterstandbild) mussten die Bewohner des Dünsbergs an Handelsware (Spitzbarren) nur flussabwärts verschicken.
Von den Hängen des Dünsbergs kommst Du auch mit gerissener Fahrradkette zu Lahn.
 
Es ging bei der Diskussion um die Lage stadtähnlicher Siedlungen, und ich schrieb in diesem Zusammenhang vom Oppidum auf den Dünsberg. Und diese Siedlung liegt halt nicht an der Lahn.
 
Dünsberg ist nicht nur das Oppidum auf dem Hügel, sondern eine latènezeitliche Wirtschaftsregion. In Waldgirmes wurde Erzbergbau im Tagebau betrieben, von dort bis zur Lahn sind es fußläufig 1,5 km. Dorlar ist noch näher an der Lahn.
Nicht zu vergessen Dahlheim, im Dreieck zwischen Dill und Lahn.
Wetzlar selbst könnte auch schon eine bedeutende Siedlung gewesen sein.
 
Es ging bei der Diskussion um die Lage stadtähnlicher Siedlungen, und ich schrieb in diesem Zusammenhang vom Oppidum auf den Dünsberg. Und diese Siedlung liegt halt nicht an der Lahn.

Über die verkehrsungünstige Lage, auch für die Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten, sehr vieler Oppida (der Berg-Oppida) wird im Prinzip seit ihrer archäologischen Entdeckung diskutiert. Eine aktuelle These ist, dass die Oppida-Gründungen einen politisch-kulturellen Zweck erfüllten. In "Die Rolle der Heiligtümer bei der Konstruktion kollektiver Identiäten: das Beispiel der treverischen Oppida" von Manuel Fernández-Goetz (2012) betrachtet der Autor die Bedeutung von Heligtümern für die kollektive Erinnerung, das kulturelle Gedächtnis von Gemeinschaften, und stellt die These auf, dass Oppidagründungen im Spätlaténe den Zweck der Identätsbildung auf soziopolitischer Ebene, zur Herstellung kollektiver Bindungen und des sozialen Zusammenhalts, möglicherweise von neu sich konstituierenden Gemeinschaften verfolgten, die mit den Oppida einen repräsentativen, angemessenen, symbolischen Mittelpunkt bekamen.

Erstaunlich ist jedenfalls die Anzahl der bekannten rituellen Versammlungsplätze und Heilgitümer in Oppida - und deren unterschiedliche Rollen, religiös, politisch, in der Rechtsprechung und ökonomisch. Die gemeinschaftlichen Handlungen in den Oppida angefangen mit der politischen Versammlung, der Corios, der "Versammlung von Kriegern" bis zu Opferhandlungen, Münzprägung, Potlachveranstaltungen, Märkten und Dankesfeiern für militärische Siege: "Die großen gallischen Heiligtümer der Mittel- und Spätlatènezeit stellten u. a. Kristallisationspunkte für kollektive Bündnisse und Stammesbildung dar. Ihre öffentlichen Plätze bzw. Heiligtümer dürften als regelrechte lieux de mémoire die wichtigsten Schauplätze für die Inszenierung der Ursprungsmythen gewesen sein, die durch ihren performativen Charakter und ihre Emotionalität von immenser Bedeutung für den Zusammenhalt und das Selbstverständnis von Ethnien und Subethnien waren (Beck/ Wiemer 2009; Derks /Roymans 2009)" (Zitat Fernández- Goetz).

Zum Dünsberg ist mir jedoch keine Verortung eines zentralen Heiligtums bekannt. Die möglicherweise rituell zerstörten Waffenfunde in einem Hügel an Tor vier, die gleichfalls dort an einem mächtigen Pfosten liegenden Pferdezähne und zahlreichen Geschirrteile dort, können ein Hinweis auf einen Kultplatz sein, an dem möglichweise erbeutete Waffen und Pferde geopfert wurden. Dieser liegt jedoch außerhalb des Oppidas am äußersten Ringwall. Für Versammlungen wäre die Bergkuppe, die Fläche im Inneren der inneren (ersten) Befestigung prädestiniert.

Fernández-Goetz beginnt seinen Text mit einem treffenden Zitat von Strabon über das Selbstverständnis eisenzeitlicher Gesellschaften :
»Der Gedanke nun, welcher sowohl die Erbauung von Städten als die Verehrung gemeinschaftlicher Heiligtümer veranlasste, ist einer und derselbe. Denn die Menschen traten in Städte und Völkerschaften zusammen, weil sie von Natur gesellig sind, zugleich aber auch des gegenseitigen Nutzens wegen; und aus denselben Ursachen besuchten sie auch gemeinschaftliche Heiligtümer, wenn sie Opfer- und Volksfeste feierten. Denn jede solche freundschaftliche Verbindung geht von Tisch-, Opfer- und Hausgenossen aus.«Strab. IX, 3, 5
 
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