Gefecht vor dem Rio de la Plata

silesia

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Da zum Untergang des Panzerschiffes Graf Spee bzw. zum vorlaufenden Gefecht vor dem Rio de la Plata
Admiral Graf Spee – Wikipedia (englisch: Battle of the River Plate - Wikipedia )
noch kein Thema besteht, bei dem man die neueren Literaturhinweise unterbringen kann, hier der Start:

Die neue Ausgabe der Warship 2018 bringt gleich zwei Aufsätze, die das Gefecht im Detail nachzeichnen:

Zimm (von dem auch die sehr gute und neuste Pearl-Harbor-Publikation stammt):
The Battle of the River Plate: A Tactical Analysis

und

Jurens: Under the Guns: Battle Damage to Graf Spee, 13 December 1939
Warship 2018

Dazu die umfangreiche Publikation aus 2013, mit der Perspektive Langsdorff:
Miller, Command Decisions: Langsdorff and the Battle of the River Plate
Command Decisions: Langsdorff and the Battle of the River Plate
 
Zur Info stelle ich den bei Kaack erwähnten Bericht der Skl ein:
 

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2. Teil
 

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3. Teil, für alle Quelle NARA T1022 Roll 2998, Frame wie angezeigt.
 

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Danke für den Hinweis auf den Artikel von Kaack und das Einstellen des Berichts der SKL. Dann erfährt selbst ein alter Marineverächter noch Neuigkeiten.
 
Das ist ja kraß:
Im Wesentlichen verstehe ich die Auswertung durch v. Fischel als vernichtende Kritik an der Gefechtsführung Langsdorffs. (Ich hatte zuvor nur einmal gelesen, dass der A. O. des "Graf Spee" sich nach dem Gefecht beklagt hat, dass er ja auch nichts treffen könne, wenn ihm jedesmal, kaum dass er sich eingeschossen habe, schon wieder der nächste Zielwechsel befohlen würde.)

Vorwürfe hier:
1. Die stark angeschlagene "Exeter" nicht entschlossen versenkt zu haben.
2. Völlig überzogene Furcht vor den Torpedos der Leichten Kreuzer am äußersten Rande von deren Waffenreichweite.
3. Inkaufnahme - durch völlig passives Verhalten - dass die Leichten Kreuzer auf effektive Reichweite ihrer 6" - Geschütze kamen.
4. Zusammenfassung: Völlige Fehlbeurteilung der kompletten Lage, hierdurch:
a) Nichtausnutzung der massiven Fehler in der britischen Taktik [Holla! - selbst Kaack schreibt wie alle anderen, dass Harwood seinen Verband exzellent geführt habe],
b) Nichtvernichtung der "Exeter" und mindestens eines der Leichten Kreuzer; und
c) Aufgabe eines eigentlich bereits haushoch gewonnenen Gefechts.

Wenn nun die Zusammenfassung dieses Berichtes aus 1940 schon folgert, dass das Gefecht gezeigt habe, dass DAS SCHIFF dem Gegner haushoch überlegen sei, muss im Umkehrschluss gefolgt werden, dass gem. Meinung v. Fischels (der gesamten SKL?) Langsdorff (ein Schlachtschiffmann, dann Minsöker, dann Torpedobootsfahrer), das Gefecht völlig verk.ckt hat, vor allem durch seine durchgehende Fehlbeurteilung der Lage und das Versäumnis, seine weit überlegene 28-cm Artillerie erst entschlossen gegen "Exeter" und erst dann ("Damn the torpedoes!") gegen die Leichten Kreuzer einzusetzen.

Harter Tobak!

Wurde diese Be- bzw. vielmehr VERurteilung von Langsdorffs Gefechtsführung allgemein geteilt?

Hämisch: Zumindest "Bis zur letzten Granate - es lebe der Führer" - Lütjens scheint diese Beurteilung nicht gelesen, nicht verstanden oder nicht geteilt zu haben, sonst hätte er doch ein Jahr später der ähnlich schwer angeschlagenen PoW noch mal eben den Garaus machen zu müssen, als diese sich aus dem Gefecht in der Dänemarkstraße abzusetzen versuchte. Spannend.
 
Fehler passieren in jedem Gefecht, auf beiden Seiten.

Zimm bringt aber die Auswertung hübsch auf den Punkt: It was a gunnery battle commanded by two torpedo specialists.*
Zu Langsdorff ist noch einiges zu sagen. Vorab aber zu Harwood:

Er risikierte die Exeter unter vollem Einsatz, dieser Kreuzer überlebte nur durch die "Unterlassung" auf deutscher Seite, den Teilerfolg zu finalisieren. Gleichzeitig mit diesem Risiko behielten Ajax/Achilles einen zu großen Anfangsabstand, ohne gefährdet zu sein, als das ihre 6in durchschlagen konnten. Die Kreuzer hatten einen unglaublichen Munitionsverbrauch, ehe sie aufschlossen. Er verschoss sinnlos auf ineffektive Entfernung sämtliche Torpedos, und hielt nichts für ein etwaiges Nachtgefecht zurück.
Die taktischen Fehler hätten fürs Kriegsgericht gereicht, wenn ihn nicht die Fehler der Gegenseite gerettet hätten. Die Wendung bedeutet dann Ehrung statt Verdammung?


* betr. nicht nur die Torpedophobie in der Führung der GS, und der Torpedoverschwendung der britischen Kreuzer, sondern die Hektik in der Artillerieführung. Die deutsche MA war daneben aus mehreren Gründen völlig wirkungslos.
 
Ohne ein Taktikexperte zu sein:
Langsdorf scheint die "Spee" wirklich eher suboptimal geführt zu haben. Taktisch ist die "Nichtversenkung" der Exeter ein fataler Fehler. Auch dass er die beiden leichten Kreuzer Ajax und Achilles hat aufschließen lassen war - vorsichtig ausgedrückt - bedingt clever.

Die 28 cm-Geschütze der Spee waren für jeden der drei Kreuzer in jeder Distanz gefährlich und hätten die Panzerung sowohl der Exeter als auch der beiden Leander-Kreuzer durchschlagen können. Der Reichweitenvorteil lag hier ebenfalls bei der Spee.
Aus nachträglichem Wissen ist es immer leicht, klug zu erscheinen. Daher "meine" Vorgehensweise:
1. Nach Gefechtsannahme den gefährlichsten Einzelgegner ermitteln (hat er getan: Exeter)
2. Distanzhaltung so lange wie möglich zu allen drei Gegnern - Ausspielen der größeren Reichweite der schweren Artillerie. Trotz Geschwindigkeitsüberschuss der britischen Kreuzer von bis zu 4 Knoten hätte die Spee bei rechtzeitigem Abdrehen ausreichend Zeit, die Exeter in Ruhe auseinanderzunehmen ohne selbst gefährdet zu werden.
3. Niederkämpfung/Versenkung der Exeter (hat Langsdorf wahrscheinlich auf Grund seiner humanitären Einstellung nicht getan?)
4a Fortführung des Gefechts durch die Briten
- Niederkämfpfung des nächsten Ziels durch Spee ("einer nach dem Anderen")
4b Rückzug der Briten
- Gefechtsende auf Grund Geschwindigkeitsüberschuss (mit ständigem Blick auf das Seetakt-Gerät um eventuelle Fühlungshalter zu erkennen)

Mein Gefühl sagt mir, dass Hans Langsdorf noch immer wie ein Zerstörerkapitän gedacht hat. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er die Spee - nach meinem Eindruck - so hektisch geführt hat und vor allem den Reichweitenvorteil aus der hand gab.

My 2 Cent...
 
Die Kritik hier greift die Gefechtsführung auf dem Mar del Plata an. Viel gravierender sehe ich, dass die "Graf Spee" überhaupt an diesem Ort war. Raeder war ein Autor des Admiralstabswerkes "Der Krieg zur See 1914 - 1918". Er verfasste das Buch über die Auslandskreuzer. Ein aufmerksamer Leser hätte da entnehmen können, dass die größten Erfolge zu erzielen waren, wenn ein Handelsstörer von den Hot Spots der Handelsschiffsfahrt Abstand hielt. Denn der Erfolg im Handelskrieg war nicht unbedingt die versenkte Tonnage, sondern das Verlängern der Fahrtdauer eines Handelsschiffes. Fährt ein Handelschiff nicht auf dem kürzesten Weg und zu den möglichen Terminen, dann reduziert sich das Frachtvolumen des Gegners ohne einen einzigen Schuss. Beispiel für ein erfolgreiches Verhalten - zumindest weitgehend - war die SMS "Karlsruhe". Die Vorgehensweise der "Karlsruhe" wird von Raeder besonders positiv herausgestellt. Deren Erfolge im Handelskrieg heben sich deutlich von den anderer Auslandskreuzer ab. Genau die zum Beispiel von der SMS "Emden" eingegangenen Risiken mussten über kurz oder lang zu deren Ende führen. "Graf Spee" ging jedoch unnötige Risiken ein. Was das Schiff in der Straße von Mosambik zu suchen hatte, bleibt mir ein Rätsel. Für eine Versenkung der "Africa Shell" riskierte man hier Kopf und Kragen. Noch riskanter war dann die Fahrt zum Mar del Plata. Irgendwie hat Langsdorff wohl von dem Namensgeber seines Schiffes noch nie etwas gehört oder er war ein Hasardeur. War ihm der 08.12.1914 und der hochriskante Angriff auf die Falkland Inseln nicht bekannt? Langsdorff Aufgabe war es nicht, sich mit britischen Kreuzern zu duellieren. Die Deutschen hatten eine Handvoll Kriegsschiffe, die Briten hatten eine Armada von Kreuzern. Das Risiko, sich eine gravierende Beschädigung einzufangen, konnte niemals durch das Versenken eines der achtzehn Schweren Kreuzern der Briten/Australier aufgewogen werden. Die Entscheidung nach der Schlacht lässt einen dann nur noch ratlos zurück. Wieso man Montevideo angelaufen hat, wird für immer das Geheimnis von Langsdorff bleiben. Besser wäre ein argentinischer Hafen gewesen.

Viel sinnvoller wäre jedoch ein Abdrehen nach Osten gewesen. Vielleicht hätte man dann in der Dunkelheit auf der Flucht die gegnerischen Kreuzer abschütteln können. Der Munitionsverbrauch musste aus dem Troßschiff "Altmark" ausgeglichen werden. In Montevideo ließ sich dieser nicht auffüllen. Dagegen konnte ein Leander Kreuzer sich leerschießen. Mit ihren überlegenen Geschwindigkeit konnten sie sich dann absetzen und in einem britischen Stützpunkt wieder aufmunitionieren.
 
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Das ist ja kraß:
Harter Tobak!

Wurde diese Be- bzw. vielmehr VERurteilung von Langsdorffs Gefechtsführung allgemein geteilt?

Hämisch: Zumindest "Bis zur letzten Granate - es lebe der Führer" - Lütjens scheint diese Beurteilung nicht gelesen, nicht verstanden oder nicht geteilt zu haben, sonst hätte er doch ein Jahr später der ähnlich schwer angeschlagenen PoW noch mal eben den Garaus machen zu müssen, als diese sich aus dem Gefecht in der Dänemarkstraße abzusetzen versuchte. Spannend.


Ja, das ist schon recht befremdlich. Lütjens hätte sich in jedem Fall nach Norwegen zurückziehen müssen - zumal das Gefecht in der Dänemarkstraße bereits der "Missionkill" für Bismarck und Prinz Eugen war. Mit dem Rückzug und einer möglichen Versenkung der Prince of Wales als "Bonus" hätte aus dieser strategischen Niederlage zumindest ein "vollwertiger" taktischer Erfolg werden können.
Dennoch hätte dieser Sieg in der Dänemarkstraße am Ergebnis des Seekriegs nichts geändert und am Schicksal der Tirpitz lässt sich sehr gut erkennen, wie die Briten mit einer Bismarck im Hafen umgesprungen wären. Ein oder zwei "Tallboy"s und das wär's gewesen.

Sorry for Off-Topic
 
Noch riskanter war dann die Fahrt zum Mar del Plata. [...] Langsdorff Aufgabe war es nicht, sich mit britischen Kreuzern zu duellieren.

Bei mir ist im Laufe der Jahre hängen geblieben, dass Langsdorff mit seiner Fahrt zum Rio de la Plata dieses Risiko, auf reguläre Streitkräfte zu treffen, tatsächlich mindestens billigend in Kauf nahm, wenn nicht sogar bewusst herbeiführen wollte. Sozusagen als heroischer Abschluss seiner eher unheroischen Handelskriegsreise.

Damit hat er tatsächlich, ritterlich undiszipliniert, nicht nur die vernünftigere Strategie zu Gunsten eines höheren unmittelbaren Risikos - verlorenes Seegefecht gegen überlegene Kräfte - aufgegeben.

Vielmehr - und hier wollen seine professionellen Beweggründe mir nicht einleuchten - ging er mit jedwedem regulären Seegefecht ein enormes mittelbares Risiko ein: Sein Schiff war schon völlig ausgeleiert und werftreif. Er hatte noch 7000 sm zurückzulegen - im Winter durch den Atlantik und entweder durch den Kanal oder nördlich um die britischen Inseln rum und durch die Nordsee. Ein Spießrutenlaufen, das ihm mit hoher Sicherheit ordentlich Schietwetter und möglicherweise das eine oder andere Gefecht eingebracht hätte. Und vor einem solch riskanten Heimmarsch riskiert er ohne Not einen enormen Verbrauch von Munition, den er nicht ersetzen konnte und - viel schlimmer noch - strukturelle Schäden an Rumpf, Aufbauten und Systemen, die er mit Bordmitteln nicht reparieren konnte. Beides konnte ihm im Januar im Nordatlantik zum Verhängnis werden.

Hybris? Oder Todessehnsucht?
 
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