Geheimdienste vor dem 1. Weltkrieg

A

a1021

Gast
Hallo,
ich beschäftige mich privat gerade ein klein bischen mit der europäischen Geschichte während der Industrialisierung. Und gerade kam bei mir die Frage auf, ob es denn schon vor dem 1. Weltkrieg bedeutende Geheimdienste im Dienst der Großmächte gab, wie die gearbeitet haben, ob im Inneren oder Äusseren und wann die ersten staatlichen Geheimdienste überhaupt entstanden. (Gabs die vielleicht sogar noch viel früher?) Ich habe irgendwo vor ein paar Jahren mal eine kurze Erwähnung gelesen, dass der Kaiser "Spitzel" in der Arbeiterschaft hatte, im Deutschen Reich kurz nach 1871. Leider weiß ich nicht mehr wo. Und ein paar Informationen über einen Geheimdienst des Zaren von den 1880ern bis 1917 habe ich im Internet gefunden. Aber ansonsten geben die üblichen Methoden im Internet (Google und Wikipedia) da nicht viel her. (Oder ich such einfach falsch *g*) Und auch die paar Geschichtsbücher, die ich habe sagen darüber nichts aus.
Ich fänds sehr nett, wenn mir jemand hier, der sich ein bischen damit auskennt vielleicht ein bischen was erzählen oder mich auf entsprechende Seiten verweisen könnte.
 
Zu einem ganz ähnlichen Thema ergab sich aus einer Anfrage Mariat Sans eine gute Diskussion. Im Unterforum Mittelalter unter dem Stichwort "Seit wann gibt es Detektive". Sicher ist da der ein oder andere Hinweis dabei.
 
Wolfgang Krieger (Hg.): Geheimdienste in der Weltgeschichte.
Spionage und verdeckte Aktionen von der Antike bis zur
Gegenwart, München: C.H.Beck 2003, 379 S., ISBN 3-406-50248-
2, EUR 24,90

Piekalkiewicz,Janusz
Weltgeschichte der Spionage
Komet Verlag, Köln 2002

Singh,Simon
Geheime Botschaften:
die Kunst der Verschlüsselung von der Antike bis in die Zeiten des Internet
Carl Hanser Verlag, München 2000

Versuchs mal damit.
Inhaltlich kann ich Dir leider zu keinem der Bücher etwas sagen.

Gruß

Cisco
 
Ein äußerst interessantes Thema, offensichtlich unerforscht.
Als Primärliteratur kann man Walter Nicolais - http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Nicolai - "Geheime Mächte" studieren. Daraus ergibt sich, dass dier Nachrichtendienst des Heeres - http://de.wikipedia.org/wiki/Abteilung_III_b - vor dem Krieg finanziell geradezu lächerlich ausgestattet war.

Fast gar nichts konnte ich über den Marinenachrichtendienst -
http://de.wikipedia.org/wiki/Marinenachrichtendienst - in Erfahrung bringen. Dieser scheint aber besonders interessant gewesen zu sein. So steht in den "Erinnerungen" von Tirpitz zu lesen, dass die Marine im Pazifik (wohl insbesondere in Südamerika) eine hervorragende Organisation zur Versorgng des Ostasiengeschwaders aufgebaut hat. Diese kam nicht zum Tragen, da die Politik versäumt hat ein Abkommen mit Japan zu schliessen. Weiß jemand hierüber mehr?

Ich habe auch irgendwo gelesen, dass kurz vor Kriesaisbruch England einen deutschen Agentenring im Königreich zerschlug. Deshalb musste man "auf die Schnelle" Carl Hans Lody als Agenten ausbilden - http://de.wikipedia.org/wiki/Lody -
 
.

Fast gar nichts konnte ich über den Marinenachrichtendienst -
http://de.wikipedia.org/wiki/Marinenachrichtendienst - in Erfahrung bringen. Dieser scheint aber besonders interessant gewesen zu sein. So steht in den "Erinnerungen" von Tirpitz zu lesen, dass die Marine im Pazifik (wohl insbesondere in Südamerika) eine hervorragende Organisation zur Versorgng des Ostasiengeschwaders aufgebaut hat. Diese kam nicht zum Tragen, da die Politik versäumt hat ein Abkommen mit Japan zu schliessen. Weiß jemand hierüber mehr?

OT:
Die Politik hat versäumt ein Abkommen mit Japan zu schließen?
Fakt ist, dass Japan ultimativ die Übergabe von Tsingtau und aller deutschen Rechte in Shantung an Japan verlangte. Als dieses Ultimatum nicht beantwortet wurde, hat Japan unter Bruch der Chinesischen Neutralität Tsingtau erobert. Ein reiner Eroberungskrieg. Nach dem Krieg durften sie dann nur kleine Teile ihrer Eroberungen behalten, wohl wesentlich weniger wie zuvor versprochen, was dazu führte, dass sich Japan analog Italien beschissen und betrogen fühlte.

TT: Das monatelange Versteckspiel der Dresden in Südamerika wird wohl in diese Kategorie gehören.

Ein äußerst interessantes Thema, offensichtlich unerforscht.
Als Primärliteratur kann man Walter Nicolais - http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Nicolai - "Geheime Mächte" studieren. Daraus ergibt sich, dass dier Nachrichtendienst des Heeres - http://de.wikipedia.org/wiki/Abteilung_III_b - vor dem Krieg finanziell geradezu lächerlich ausgestattet war

Hier würde ich mal, just for fun, nach "Mata Hari" googeln.
 
Ein äußerst interessantes Thema, offensichtlich unerforscht.
"Unerforscht" ist vielleicht übertrieben, wenn ich meinen Augen trauen darf:
Die Weltkriegsspionage (Original-Spionage-Werk) - Authentische Enthüllungen über Entstehung, Art, Arbeit, Technik, Schliche, Wandlungen, Wirkungen und Geheimnisse der Spionage vor, während und nach dem Kriege auf Grund amtlichen Materials aus Kriegs-, Militär-, Gerichts- und Reichsarchiven
München: Verlag Justin Moser, 1931 [Folioformat, 688 Seiten, ca. 3 kg schwer],
unter anderem mit dem erschütternden 42. Kapitel "Frauen und Krankheiten als Kampfmittel", aus dem zu zitieren ich mir sittlicher Bedenken wegen versagen muss...:) Ist von 20 Euro aufwärts noch antiquarisch erhältlich.
 
Nach dem Krieg durften sie dann nur kleine Teile ihrer Eroberungen behalten,

Keineswegs. Japan behielt die übernommene Stellung auf der Shandong-Halbinsel, konnte seinen Einfluss in China weiter ausweiten (21-Punkte) und wurde in der Kontrolle der reichsdeutschen Kolonien im Stillen Ozean nördlich des Äquators bestätigt.

wohl wesentlich weniger wie zuvor versprochen, was dazu führte, dass sich Japan analog Italien beschissen und betrogen fühlte.

Was hat man Japan den versprochen?
Meines Wissens waren das Japanische Reich mit seinen Kriegsgewinnen zufrieden.
 
Da das Thema "Geheimdienste" ist, nur einige Anmerkungen zu Japan. Das gute Verhältnis zu Japan - Deutschland wurde von Japan geradezu bewundert - wurde durch das offensichtlich extrem ungeschickte Auftreten Deutscher bei den Friedensverhandlungen 1895 - Intervention von Shimonoseki ? Wikipedia - gestört. Tirpitz drängte auf eine Veränderung, eingeleitet durch die Begebung einer Anleihe für das finanzschwache Japan. Ziel war zumindest ein Neutralitätsabkommen, da Tsingtau gegen einen japanischen Angriff nicht zu verteidigen war (andererseits von den Alliierten kaum genommen werden konnte). Ein solches Abkommen hätte Tsingtau geschützt und dem Ostasiengeschwader beachtliche Wirkungsmöglichkeiten gegeben. Ein weitergehendes Abkommen - angestrebt z.B. 1917 im Zusammenhang mit der Zimmermann-Depesche - hätte möglicherweise den 1. Weltkrieg verhindert, da Japan auf die ungeschützten Besitzungen des Empires zugreifen konnte (die britische Flotte war abgezogen und stand als homefleet in Großbritannien). Die deutsche Diplomatie war (wieder) überrascht, denn richtig Sinn machte die japanische Politik nicht. Japans Gegner waren England, USA und Rußland (wie der nächste Krieg zeigte). Durch die Tsingtau-Operation verlor Japan nur einen potentiellen Verbündeten.
 

Doch. Die erste Gruppe der 21-Forderungen, welche praktisch eine Übernahme der Stellung des Deutschen Reiches auf der Shandong-Halbinsel forderten, wurde wie auch die zweite, dritte und vierte durch den chinesische Regierung akzeptiert.

Twenty-One Demands - Wikisource

Hatten die USA was dagegen.

On the other hand, the United States expressed strongly negative reactions to Japan's rejection of the Open Door Policy. In the Bryan Note issued by United States Secretary of State William Jennings Bryan on March 13, 1915, the United States, while affirming Japan's "special interests" in Manchuria, Mongolia and Shandong, expressed concern over further encroachments to Chinese sovereignity.

Twenty-One Demands - Wikipedia, the free encyclopedia


Tirpitz drängte auf eine Veränderung, eingeleitet durch die Begebung einer Anleihe für das finanzschwache Japan. Ziel war zumindest ein Neutralitätsabkommen, da Tsingtau gegen einen japanischen Angriff nicht zu verteidigen war (andererseits von den Alliierten kaum genommen werden konnte). Ein solches Abkommen hätte Tsingtau geschützt und dem Ostasiengeschwader beachtliche Wirkungsmöglichkeiten gegeben.

Tsingtau und das reichsdeutsche Ostasiengeschwander wären auch ohne japanische Unterstützung für die "Allierten" aufgrund ihrer Überlegenheit bei Flotte, und noch mehr bei den Landstreitkräften auf die Dauer keine Bedrohung sein.

Die deutsche Diplomatie war (wieder) überrascht, denn richtig Sinn machte die japanische Politik nicht.

Man muss es umgekehrt sehen. Die japanische Politik machte mehr Sinn als die reichsdeutsche.

Japans Gegner waren England, USA und Rußland (wie der nächste Krieg zeigte). Durch die Tsingtau-Operation verlor Japan nur einen potentiellen Verbündeten.

Die Gegner Japans waren jene, denen sich Japan glaubte gewachsen zu oder überlegen zu sein.
Das war damals nunmal das Deutsche Reich.
 
Falls Qingdao (Tsingtau) gemeint ist, habt Ihr ja beide Recht:
1919 durften das die Japaner behalten, mussten es aber 1922 zurückgeben. (Und waren in den 30er Jahren schon wieder da - bis 1945.)

4. Mai Bewegung. Gehört mit zum Mythos der KP Chinas.
Bei den Versailler Friedensverhandlungen zeichnete sich ab, daß die Stadt in der Hand der Japaner bleiben würde, und so kam es am 4. Mai 1919 in Peking zu einer Machtdemonstration von Studenten. Diese hat der neuen Welle nationaler Empörung und Sammlung den Namen gegeben: Die 4. Mai-Bewegung Die Republik China unterzeichnete daraufhin nicht den Versailler Vertrag, und Tsingtau blieb unter der Bezeichnung Die Shandong-Frage ein Zankapfel der internationalen Politik. Auf Drängen der Vereinigten Staaten setzten sich schließlich die Japaner und Chinesen in der Washingtoner Konferenz (12.11.1921 bis 6.2.1922) an den Verhandlungstisch, und Japan erklärte sich bereit, Tsingtau und die Shandong-Eisenbahn an China zurückzugeben. Diese Übertragung erfolgte am 10. Dezember 1922. Mehrere tausend Japaner verließen daraufhin die Stadt. Doch wohnten 1926 immer noch 13.344 von ihnen hier.
aus:
 
Tsingtau und das reichsdeutsche Ostasiengeschwander wären auch ohne japanische Unterstützung für die "Allierten" aufgrund ihrer Überlegenheit bei Flotte, und noch mehr bei den Landstreitkräften auf die Dauer keine Bedrohung sein.


Die Kiautschao-Bucht war wohl als Flottenstützpunkt ungeeignet, zumindest glaube ich gelesen zu haben, dass "jede 3. klassige Seemacht es ohne Probleme blockieren könne", wurde deshalb von dem Ostasiengeschwader auch beizeiten verlassen.

Hat man wohl mehr aus politischen und wirtschaftlichen Gründen genommen, weniger aus Seestrategischen.
 
Die Kiautschao-Bucht war wohl als Flottenstützpunkt ungeeignet, zumindest glaube ich gelesen zu haben, dass "jede 3. klassige Seemacht es ohne Probleme blockieren könne", wurde deshalb von dem Ostasiengeschwader auch beizeiten verlassen. Hat man wohl mehr aus politischen und wirtschaftlichen Gründen genommen, weniger aus Seestrategischen.

Das würde ich so nicht sagen bzw. das hängt davon ab, auf welche "Seestrategie" man abstellt. Den offiziellen Zweck, die deutschen Investitionen in China und in der Südsee zu schützen bzw. am Pazifiksaum Flagge zu zeigen, hat das Kreuzergeschwader ja erfüllen können. - Dass sich das Geschwader bei Entstehung der Krise im Juli 1914 auf Reisen befand, war reiner Zufall.
 
und Japan erklärte sich bereit, Tsingtau und die Shandong-Eisenbahn an China zurückzugeben.
Japan liess seinen Rückzug teilweise bezahlen und behielt eine beträchtliche wirtschaftliche Präsenz dort.

In einem Vertrag vom 4. Februar 1922 musste Tokyo zustimmen, seine Truppen von der Halbinsel abzuziehen und die Eisenbahnlinie Qingdao - Jinan an China unter der Bedingung zurückzugeben, dass China den Gegenwert an Japan zurückerstattet. Die in diesem Gebiet befindlichen Kohlen- und Erzgruben gingen in die Verwaltung einer gemischten japanisch-chinesischen Gesellschaft über.
Aus Geschichte des modernen Japan von Rudolf Hartmann, Seite 141

Die Kiautschao-Bucht war wohl als Flottenstützpunkt ungeeignet, zumindest glaube ich gelesen zu haben, dass "jede 3. klassige Seemacht es ohne Probleme blockieren könne", wurde deshalb von dem Ostasiengeschwader auch beizeiten verlassen.

Hat man wohl mehr aus politischen und wirtschaftlichen Gründen genommen, weniger aus Seestrategischen.

Die Einschätzung halte ich für übertrieben. Als Flottenstützpunkt hatte es durchaus seine Vorzüge:

Die Bucht von Kiautschou wurde von Betrachtern mit dem Jadebusen verglichen. Sie schützte als natürlicher Hafen die Schiffe vor Sturm und Wellengang. Die Zufahrt war eng und gut zu verteidigen. Bei entsprechenden Baggerarbeiten ließe sich eine Hafengröße erreichen, die mit den Häfen von Honkong oder Schanghai vergleichbar sei.
Ein großes Problem war hingegen die vergleichsweise schwache Befestigungen zum Umland hin:

Der Erste Offizier des kleinen Kreuzers “Emden” beschreibt den Zustand 1914 folgendermaßen:

“Jedenfalls brauchte man um das Schicksal der Festung (Tsingtau) nicht besorgt zu sein. Nach See zu waren gute und ausreichende Anlagen vorhanden, die ein Bezwingen durch Schiffe unmöglich machten. Die Landbefestigungen, soweit überhaupt welche vorhanden waren, waren zwar nur kleine und bescheidene Erdwerke, eigentlich nur Infanteriefeldbefestigungen. Doch war ein Angriff von der Landseite nicht zu befürchten, weil Tsingtau ringsum von neutralem, chinesischen Gebiet umgeben war.”
Chronik
 
Japan liess seinen Rückzug teilweise bezahlen und behielt eine beträchtliche wirtschaftliche Präsenz dort.


Weiß ich doch, als 68er:cool: hat man doch seinen Mao gelesen, und der Tsingtaoer Textilarbeiterstreik gehört da unverzichtbar dazu.


Ein großes Problem war hingegen die vergleichsweise schwache Befestigungen zum Umland hin:

War in Singapur 1941 genauso, da haben die Engländer an den Dschungel geglaubt, und die Deutschen 1914 an die Neutralität.
OT: Wer hätte für diesen Neutralitätsbruch eigentlich alles Krieg mit Japan anfangen müssen?

jschmidtZitat:
Repo
Die Kiautschao-Bucht war wohl als Flottenstützpunkt ungeeignet, zumindest glaube ich gelesen zu haben, dass "jede 3. klassige Seemacht es ohne Probleme blockieren könne", wurde deshalb von dem Ostasiengeschwader auch beizeiten verlassen. Hat man wohl mehr aus politischen und wirtschaftlichen Gründen genommen, weniger aus Seestrategischen.

Das würde ich so nicht sagen bzw. das hängt davon ab, auf welche "Seestrategie" man abstellt. Den offiziellen Zweck, die deutschen Investitionen in China und in der Südsee zu schützen bzw. am Pazifiksaum Flagge zu zeigen, hat das Kreuzergeschwader ja erfüllen können. - Dass sich das Geschwader bei Entstehung der Krise im Juli 1914 auf Reisen befand, war reiner Zufall.

Die Einschätzung der Qualitäten als Flottenstützpunkt habe ich aus der 6-bändigen MGFA-Militärgeschichte, beim Blick auf die Karte verwundert mich das auch, aber die Profis anno 1897 werden das besser gewußt haben als ich.
Die Reise war jährliche Routine, hast Du glaube ich recht. Aber das nicht zurückdampfen hat schon mit der "Blockierfähigkeit" zu tun.
 
Die Einschätzung der Qualitäten als Flottenstützpunkt habe ich aus der 6-bändigen MGFA-Militärgeschichte, beim Blick auf die Karte verwundert mich das auch, aber die Profis anno 1897 werden das besser gewußt haben als ich.
Die Reise war jährliche Routine, hast Du glaube ich recht. Aber das nicht zurückdampfen hat schon mit der "Blockierfähigkeit" zu tun.


Ich habe es nochmals nachgelesen, "bottled" nannte Tirpiz das Gelbe Meer.
Und das Kzreuzergeschwader "hätte früh das Weite gesucht."

Aus MGFA Dt. Militrägeschichte 1648-1939 Band 5
 
Anmerkungen zu den Kommentaren des Großfürsten Pavel:

Mich interessieren verfassungsrechtliche Aspekte , die Willensbildung im Kaiserreich. Da die Kaiserliche Marine die erste (bedeutende) Reichsorganisation war und deren Schöpfer Tirpitz m.E. hohen politischen Sachverstand hatte, interessiert mich die Auffassung von Tirpitz, der aufgrund der Organisationsstruktur von 1889 (Aufspaltung der Reichsbehörde Kaiserliche Marine) nicht die von ihm erwünschte Macht erhalten konnte.

Tsingtau war für Tirpitz nicht lediglich ein Platz um in Ostasien deutsche Schiffe zu präsentieren. Gerade nachdem sich Spannungen mit England verschärften, sollte ihnen ein weitergehender militärischer Zweck gegeben werden. Dazu mussten sie gegen einen japanischen Angriff geschützt werden, das war eine - absolut machbare - Aufgabe für die deutsche Diplomatie, die diese einfach nicht in Angriff genommen hat. Erzwingen konnte Tirpitz dies nicht.

Hätten die Aliierten (ohne Japan) Tsingtau angreifen wollen, so hätte Menschen und Material über große Strecken (vermutlich von Singapur, etwa 5.000 km entfernt) herantransportiert werden müssen (ich glaube am Ende waren 60.000 Aliierte vor Ort, hauptsächlich Japaner, also kaum Truppendes Empire). Sicherlich hätten die Aliierten (ohne Japan) dies organisieren können, nur Soldaten vor Tsingtau - das ist das Entscheidende - hätten nicht anderswo sein können. Und die Briten hatten andere Probleme. Kriegsentscheidend für sie war, dass Frankreich standhielt (daher gingen Kolonialtruppen nach Flandern) und das Rußland nicht umfiel. Letzteres war ein großes Risiko (vgl. Max Hoffman, Krieg der versäumten Gelegenheiten). England musste für die Russen Flagge zeigen, entweder durch ein Landungsunternehmen in der Ostsee (Lord Fishers Plan) oder, da hierfür zu schwach, durch die periphere Strategie (Norwegen im 1. Weltkrieg keine Option; ausgeführt wurde der Churchill-Plan, der Durchbruch durch die Dardanellen, zu dem man letztlich auch zu schwach war, da die Flotte in der Nordsee stand).

Sieht man Operationen also nicht isoliert, sondern in größerem Zusammenhang, ergibt sich ein anderes Bild. Es war unwahrscheinlich, dass Tsingtau angegriffen wird, da die Operation zu umfangreich und Rußland schlicht wichtiger war. Durch diese Konstellation hätten sechs Kreuzer für das Reich beachtliche Bedeutung erlangen können. Und wenn doch ein Angriff erfolgt wäre, wär dies durch die Bindung alliierter Kräfe eine gute Nachricht für das Reich gewesen.

Vermutlich war für das Auswärtige Amt Japan weit weg, man sah die Zusammenhänge nicht (das weltpolitisch erfahrenere England sah seine Interessen sehr deutlich und schloß 1902 Verträge mit Japan). Vielleicht hatte Japan das selbe Problem wie Deutschland, ihr Ziel war eine bedeutende Machstellung in Ostasien, natürliche Gegner England und die USA. Und natürliche Verbündede wiederum deren Gegner.
 
Weiß ich doch, als 68er:cool: hat man doch seinen Mao gelesen, und der Tsingtaoer Textilarbeiterstreik gehört da unverzichtbar dazu.

Was genau sagte es den über die Präsenz der Japaner in Tsingtau nach 1922 aus?

OT: Wer hätte für diesen Neutralitätsbruch eigentlich alles Krieg mit Japan anfangen müssen?

Warum den?

Tsingtau war für Tirpitz nicht lediglich ein Platz um in Ostasien deutsche Schiffe zu präsentieren. Gerade nachdem sich Spannungen mit England verschärften, sollte ihnen ein weitergehender militärischer Zweck gegeben werden. Dazu mussten sie gegen einen japanischen Angriff geschützt werden, das war eine - absolut machbare - Aufgabe für die deutsche Diplomatie, die diese einfach nicht in Angriff genommen hat. Erzwingen konnte Tirpitz dies nicht.

Warum war das eine "absolut machbare Aufgabe für die deutsche Diplomatie" und welche Interessen hätte Japan daran haben sollen ein Neutralitätabkommen mit dem Deutschen Reich abzuschließen und es auch einzuhalten?

Hätten die Aliierten (ohne Japan) Tsingtau angreifen wollen, so hätte Menschen und Material über große Strecken (vermutlich von Singapur, etwa 5.000 km entfernt) herantransportiert werden müssen (ich glaube am Ende waren 60.000 Aliierte vor Ort, hauptsächlich Japaner, also kaum Truppendes Empire). Sicherlich hätten die Aliierten (ohne Japan) dies organisieren können, nur Soldaten vor Tsingtau - das ist das Entscheidende - hätten nicht anderswo sein können. Und die Briten hatten andere Probleme. Kriegsentscheidend für sie war, dass Frankreich standhielt (daher gingen Kolonialtruppen nach Flandern)

Die Briten wie auch die anderen Gegner des Deutschen Reiches haben nie einen derartig großen Truppenmangel, wie sie ihn hier darstellen, das sie nicht diese reichsdeutsche Marinebasis unter Kontrolle gebracht hätten.
Das zeigt der massive Truppeneinsatz in Mesopotamien, Saloniki, Afrika und anderswo.

und das Rußland nicht umfiel. Letzteres war ein großes Risiko (vgl. Max Hoffman, Krieg der versäumten Gelegenheiten). England musste für die Russen Flagge zeigen, entweder durch ein Landungsunternehmen in der Ostsee (Lord Fishers Plan) oder, da hierfür zu schwach, durch die periphere Strategie (Norwegen im 1. Weltkrieg keine Option;

Warum provozierten die Briten dann ihrer Meinung nach die Türken unnötig, wenn ihnen Russland so wichtig war, dem die Neutralität der Osmanen mehr mehr wert war als deren Kriegseintritt?

ausgeführt wurde der Churchill-Plan, der Durchbruch durch die Dardanellen, zu dem man letztlich auch zu schwach war, da die Flotte in der Nordsee stand).

Weniger die Schwäche der Angriffsflotte als die Stärke der Verteidiger war hierbei entscheidend.

Sieht man Operationen also nicht isoliert, sondern in größerem Zusammenhang, ergibt sich ein anderes Bild. Es war unwahrscheinlich, dass Tsingtau angegriffen wird, da die Operation zu umfangreich und Rußland schlicht wichtiger war. Durch diese Konstellation hätten sechs Kreuzer für das Reich beachtliche Bedeutung erlangen können. Und wenn doch ein Angriff erfolgt wäre, wär dies durch die Bindung alliierter Kräfe eine gute Nachricht für das Reich gewesen.

Das ist Wunschdenken.
Wenn allein schon daran das hunderttausende von Truppen jahrelang in Afrika eingesetzt wurden, zeigt das es keinen Grund gibt warum für einige wenige Monate eine einige zehntausend Mann starke Streitmacht nicht entsandt worden wären, um den reichsdeutschen Stützpunkt am Stillen Ozean zu neutralisieren.

Vermutlich war für das Auswärtige Amt Japan weit weg, man sah die Zusammenhänge nicht (das weltpolitisch erfahrenere England sah seine Interessen sehr deutlich und schloß 1902 Verträge mit Japan).

Japan schloss laut meines Wissens nach damals auch mit Russland, Frakreich und den VSA, also allen Großmächten in China außer dem Detschen Reich, Verträge ab.

Vielleicht hatte Japan das selbe Problem wie Deutschland, ihr Ziel war eine bedeutende Machstellung in Ostasien, natürliche Gegner England und die USA. Und natürliche Verbündede wiederum deren Gegner.

Verwechseln sie nicht die 1900/10er Jahre mit den 1930er ab.
Von der Möglichkeit einer unbestrittenen Vormachtstellung in Ostasien war Japan noch weit entfernt und weder Großbritannien noch der VSA gewachsen.
Wohl aber den Reichsdeutschen, die anderswo schon zu gebunden waren und deren chinesisches Einflussgebiet genau südlich der seit kurzem japanischen Liaodong-Halbinsel lag.
 
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