Geheimdienste vor dem 1. Weltkrieg

Einige Anmerkungen zu Großfürst Pavel:

Wirtschaftliche wie politische Aspekte zeigten die Möglichkeiten der deutschen Diplomatie auf.

Die Deutsch-Asiatische Bank (auf Veranlassung des Auswärtigem Amtes von deutschen Großbanken, u.a. der Deutschen Bank 1890 gegründet) hatte 1905 und 1906 Filialen in Yokohama und Kobe errichtet. Siemens & Halske hatte bereits 1896 eine Niederlassung in Tokio gegründet. Das Reich hatte großes Interesse seine Direktinvestitionen im Ausland zu vergrößern (hing diesbezüglich weit hinter England und Frankreich zurück, was sich auch ungünstig auf das Bankenwesen in Deutschland auswirkte, da es zu wenig Auslandsfinanzierungen gab, mit der Folge, dass dieses - auch für die Reichsmark als Währung – wichtige Geschäftsfeld in London abgewickelt wurde). Japan war sowohl auf wirtschaftliche Hilfe (Technologietransfer) wie auf Kapital angewiesen. Daher schloß Japan die englisch-japanische Allianz von 1902, die allerdings nicht unproblematisch war. Englands Rußlandpolitik, 1902 Basis für die Allianz aus Sicht von England, hat sich durch die Annäherung an Rußland (Vertrag von St. Petersburg von 1907) gewandelt. Durch T. Roosevelt ergab sich das enge Verhältnis zu den USA, das letztlich wichtigste Bündnis für England. Das Verhältnis der USA zu Japan war und blieb problematisch und die Engländer war das Verhältnis zu den USA wichtiger wie zu Japan. Verpflichten drohten zu kollidieren. Japanische Interessen in Südostasien führten zu Verbindungen nach Indien, und zwar auch zu indischen Revolutionären (Rash Behari Boses Besuch in Japan). Aus britischer Sicht war das untragbar (der Begriff „gelbe Gefahr“ wird mit Kaiser Wilhelm II. assoziiert; etwa zur gleichen Zeit erschien in England Shiels Novelle Die gelbe Gefahr“ mit einem asiatischen Bösewicht, der das Vorbild für Dr. Fu Manchu wurde; die Novelle war deswegen ein so großer Erfolg, weil sie das Zeitgefühl – Misstrauen und Angst vor Asiaten - traf). Japan hatte sich von England so etwas wie Entwicklungshilfe erhofft, was es auch zu einem gewissen Grad bekam. Aber als die Projekte größer und wichtiger wurden, schreckten die Engländer vor der Finanzierung zurück mit dem Argument Investment in Japan seien zu riskant. Dieser wirtschaftliche Aspekt war der erste Ansatzpunkt für Deutschland – sowie von Interesse für Japan - und angeblich hat Tirpitz auf entsprechende Verhandlungen gedrängt. (Bemerkenswerterweise war die Kapitalhilfe bei den Gesprächen von 1915 für den Verhandlungsführer von Hintze ein wesentliches Argument dafür Japan zum Wechsel zu den Mittelmächten zu bewegen. Trotz der für Deutschland ungünstigen Verhandlungsposition 1915 waren die Japaner interessiert, für ein Abkommen sahen die Deutschen Chancen und die Alliierten das Risiko eines Umschwenkens von Japan). Die Versorgung mit Hochtechnologie war durch Deutschland eher gewährleistet durch die enormen Fortschritte in der Chemie, Elektrotechnik, Optik, etc.

Der zweite Ansatzpunkt war die geographische Lage Japans und der japanische Wille zu expandieren. Südostasien und der Pazifik, aber auch Sibirien waren Interessensgebiete, womit der Konflikt mit England und den USA sowie auch Russland vorgeprägt war. Japanische expansionistische Politiker haben den zukünftigen Gegner sehr wohl in England und den USA gesehen. Diese Gegner oder auch nur einer von ihnen mögen für Japan in der Tat damals nicht überwindbar gewesen sein, aber solche Ziele müssen langfristig angegangen werden. Das Deutsch-Britische Wettrüsten zeigte Japan den potentiellen Partner.

Völkerrechtliche Verträge werden eingehalten, wenn die zugrunde liegenden Interessen weiterbestehen. Finanzierungshilfen führen zur Intensivierung wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Deutschland war (und ist) fraglos eine Weltwirtschaftsmacht, Japan ein aufstrebender Stern, der heute die zweitgrößte Industriemacht darstellt. Das ist der wirtschaftliche Aspekt. Der politische Aspekt hätte so lange Gültigkeit, wie Japan und Deutschland zu den gleichen Staaten in Gegnerschaft zu anderen Staaten stehen.


Es wurde weiterhin die These aufgestellt, dass das Empire immer ausreichend Truppen zur Verfügung hatte. Ein Blick auf die Dardanellen-Operation – die bis 1914 zurückreicht - belegt gerade für den hier interessierenden Zeitraum das Gegenteil. Ende November 1914 befasste sich der War Council zum ersten Mal mit einer Militäroperation an den Dardanellen. Das Ergebnis war, dass Landungen nicht durchgeführt werden können, weil keine Truppen zur Verfügung standen. Lord Fisher schlug vor griechische! Soldaten einzusetzen (Istanbul als Köder), ein Vorschlag, der als unrealistisch abgelehnt wurde. So hat man (gegen Lord Fisher) die Seeangriffe im Februar 1915 gestartet. Ende April 1915 hat man dann mit Truppen die Landung versucht, diese waren aber zu schwach.
Eine Unternehmung gegen Tsingtau wäre also in Konkurrenz gestanden zu den Ostseeideen Fishers und Churchills Dardanellenpläne. Aber selbst wenn Truppen verfügbar gewesen wären (tatsächlich waren mehr als 60.000 Mann eingesetzt), gab es mehrere Probleme. Entfernungen, Schutz (sie fuhren dem Ostasiengeschwader entgegen, sie brauchten also Dreadnoughts, die anderswo fehlten) das Risiko des Imageverlustes bei einem Erfolg des Ostasiengeschwaders, bei Landungen eine feindselige Haltung von China.
 
Das von jschmidt genannte (#6) Werk "Weltkriegsspionage" war für die vom mir aufgeworfene Frage der geheimdienstlichen Organisation des Kreuzerkrieges nicht wirklich aufschlußreich. Der Militärschriftsteller Kapitän zur See a.D. Hugo Waldeyer-Hartz schreibt darin (S. 267) die Seestreitkräfte haben "an verlassenen Küsten und auf unbewohnten Inseln Ankerplätze festgestellt...,die eine getarnte Ausrüstung ermöglichten. Das mit sehr viel Fleiß,Geschick und Überlegung ausgebaute System hat sich nach Lage der Verhältnisse trefflich bewährt." Bestätigt wird damit die Anmerkung von Tirpitz, dass der Geheimdienst diebezüglich gute Arbeit geleistet hat, aber was genau getan wurde, bleibt im Dunkeln.

Nur wenige Seiten (S. 264) vorher beschreibt ein anderer Militärschriftsteller, nämlich Generalmajor d.R. Hugo Kerchnawe, Sabotageoperationen der Marine und wertet allgemein als Unglücksfälle eingestufte Zerstörungen von Schiffen (Schlachtschiff Bulwark am 26.11.1914 in Sheerness, Hilfskreuzer Prinzeß Irene am 27.05.1915 in Scheerness, Panzerschiff Natal am 3.12.1915 in Cromerthy, Vanguad am08/09.07.1917 in Scapa Flow) als Aktivitäten von Sprengkommandos. Er meint sagar, dass den verdeckten Operationen der Mittelmächte im Gesamten etwa ein Geschwader zum Opfer fielen (er nennt 153.400 Tonnen Verlust der Aliierten und nennt als Vergleichszahl die Verluste der Engländer vor dem Skagerrak, 115.000 Tonnen).
 
Weis jemand mehr über diesen Vorgang?

Es fällt etwas schwer, über einen schweren Spionagefall (siehe link Deutsche Schutzgbiete) nachzudenken, wenn man nicht die schwerwiegenden/weitreichenden technolgischen Entwicklungen der Gegenseite vor Augen hat. Diesbezüglich daher die Empfehlung, sich mit dem Standardwerk von Roberts (Battlecruisers) und den "Raubkatzen" TIGER & Co. auseinander zu setzen.

Der Technologie-Sprung auf 13,5-inch war britischerseits schon Geschichte, insofern dürften die 11-inch der Seydlitz eher beruhigend gewirkt haben. Das Over-Compartment der deutschen Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer war auch ohne Detailplanung bekannt, hier fielen eben die Philosophien auseinander und so blieb es bis 1916. Danach kamen auf britischer Seite die Nachbesserungen bei Panzerung etc. aus den Kampferfahrungen (siehe konstruktive Änderungen bei HOOD).

Die wesentliche Folge war auch nicht die Reaktion im Schlachtkreuzer-Bau, auch da waren die Briten schon weiter. Der planerische Schritt war 1913 bereits vielmehr zu den, in der erzielbaren Geschwindigkeit doch überschätzten, QE-Klasse als "fast battleships" mit Ölfeuerung erfolgt. Die Planungsunterlagen der Seydlitz dürften daher sicher Interesse gefunden haben - auf den Bau der britischen Schlachtkreuzer 1913 hatten aber nur die zeitgenössischen japanischen Neubauten Einfluss.


Zu solchen (Geheimdienst-)Informationen noch ein interessanter Aspekt bzw. die viel interessanter Fehlinformation: zum Zeitpunkt der Skagarrakschlacht ging Beatty bis zum Erstkontakt davon aus, dass er mit Lützow und Hindenburg zwei Schlachtkreuzer antreffen würde, die über 38cm (15inch!) Kaliber verfügen, Stand 30.5.1916 und eine glatte Geheimdienst-Fehlinformation der britischen Seite. Das war ein Aspekt, die V. Battle-Squadron mit den QEs Beattys BCF zuzuordnen. Dieser Umstand entwertet übrigens die verbreitet anzutreffende Legende, Beatty habe die V. BS vor dem Treffen mit Hipper vorsätzlich ausmanöveriert (bei vermuteten 6:6 bei den Schlachtkreuzern mit überlegender deutscher Artillerie 15-inch wäre das nur als schwachsinnig zu bezeichnen).


Kerchnawe (wer ist das in der Marinehistorie?) - und sollte er das von den Sprengkommandos geschrieben haben - ist ein Fall für die Tonne. Die VANGUARD explodierte zB nach Breyer ungeachtet der Legendenbildung durch Brand nach Zündung der Munitionskammern:
http://de.wikipedia.org/wiki/HMS_Vanguard_(1909)
 
#24 verstehe ich so, dass die englischen Schiffe überlegen waren (und sich Spionage nicht lohnte). Eine solche Auffassung wäre in mehrfacher Hinsicht falsch. Es war wohl der Politiker Churchill, der mit der Queen Elizabeth Klasse die schnellen, feuerstarken Schiffe herausbrachte, die zum Rückgrat der Navy wurden (Massie, Schalen des Zorns, S. 656 ff.). Die Militärs blieben skeptisch. Sir John Jellicoe schrieb vor dem Krieg mehrere Memos über die Überlegenheit der deutschen Schiffe. Am 14.07.1914 (als Zweiter Seelord) verglich er sämtliche deutschen und englischen Schiffe, die zwischen 1906 und 1913 auf Kiel gelegt wurden. Dabei kam er zu dem Ergebnis, „dass die englischen Schiffe in Bezug auf die Wasserverdrängung keineswegs überlegen sind, sondern dass gewöhnlich das genaue Gegenteil zutrifft, und nimmt man hinsichtlich der Konstruktion eine Gleichwertigkeit an, so ist es überaus gefährlich zu glauben, dass unsere Schiffe als Ganzes überlegene oder auch nur gleichwertige Kampfmittel darstellen“ Weiterhin schreibt Jellicoe „Meine Kenntnisse über die deutsche Kriegsmarine, die beträchtlich waren, schlossen jede Selbsttäuschung aus.. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, mich über die deutschen Fortschritte sehr eingehend zu unterrichten. Häufige Kontakte mit der deutschen Flotte hatten mich überzeugt, dass uns die deutschen in Bezug auf ihre technischen Qualitäten vor aus waren.“

Diese Auffassung des hohen englischen Offiziers vor dem Krieg wird von Fachleuten nach dem Krieg geteilt. Nimitz bestätigt die Überlegenheit der Hochseeflotte in seinem Werk Seekrieg. Aber auch der Tirpitz kritische Historiker Berghahn in Tirpitz-Plan, S. 195 Fn 112 mit Hinweis auf Sutton. Zuletzt Martin van Creveld, in Gesichter des Krieges. Vor dem Skagerrak flogen reihenweise englische Schiffe (Indefatigable, Queen Mary, Defence, Invincible), nicht aber deutsche in die Luft. Die hohe Feuerkraft und Geschwindigkeit der Engländer verpuffte in ihrer Wirkung durch Gefechtskehrtwendungen und Angst vor Minen.
 
Vor dem Skagerrak flogen reihenweise englische Schiffe (Indefatigable, Queen Mary, Defence, Invincible), nicht aber deutsche in die Luft. Die hohe Feuerkraft und Geschwindigkeit der Engländer verpuffte in ihrer Wirkung durch Gefechtskehrtwendungen und Angst vor Minen.

OT:Also das ein Fahrmanöver solche eine Wirkung auf den Feind haben könnte, will mir absolut nicht deutlich werden.

Sicherlich gibt es eine gewisse Info über die taktische Stärke einer Flotte, wenn Sie Top ausgebildet ist, aber an einer Wende 2x Links um kann ich das nicht festmachen...:rofl:

PS:Zumal dieses Manöver ein einziges mal verwendet wurde und das auch noch, um sich vom Feind zu lösen und dann nochmal, um direkt in das britische Groß zu rennen, und um nochmal zu fliehen.. Glanzleistung
 
Das mit der Gefechtskehrtwendung war nur eine Randbemerkung und hat mit Geheimdiensttätigkeit nicht zu tun. An anderer Stelle gibt es genügend Diskussionen darüber. Daher nur in Kürze. Wenn England Deutschland besiegen wollte (und zwar nicht durch Frankreich oder Russland, das nach der Doktrin englischer Politik dadurch nur zum nächsten Gegner werden würde), ging das nur durch Beherrschung der Ostsee (so Lord Fisher). Das war nur möglich, wenn die Hochseeflotte (in der Nordsee, in der Ostsee galt als nicht möglich) geschlagen wurde. Die Hochseeflotte konnte geschlagen werden durch die zahlenmäßige Überlegenheit, die sich besonders durch Überlegenheit an Feuerkraft ausdrückt. Diese hatten die Engländer, sie musste nur zur Anwendung gebracht werden. Ab 8:14 Uhr konnten die Engländer in der Skagerrakschlacht ihr gesamtes Feuer auf die Deutschen vereinen. Das war das Lebenswerk von Lord Fisher, vollendet durch den von ihm geförderten Jellicoe. Die Hochseeflotte wäre vernichtet worden, der Krieg wäre entschieden gewesen – wenn die Hochseeflotte nicht einfach weggedreht wäre. Damit bestand für England keine Möglichkeit mehr, den Krieg aus eigener Kraft zu gewinnen.
 
Ist zwar alles hier OT, aber sollte so undiffenziert nicht stehenbleiben:


#24 verstehe ich so, dass die englischen Schiffe überlegen waren (und sich Spionage nicht lohnte).
Dann hast Du das falsch verstanden.
Die Bemerkung bezog sich auf den flockigen Terminus "schwerwiegend".
Im übrigen halte ich den Klammerausdruck für unlogisch.


Eine solche Auffassung wäre in mehrfacher Hinsicht falsch. Es war wohl der Politiker Churchill, der mit der Queen Elizabeth Klasse die schnellen, feuerstarken Schiffe herausbrachte, die zum Rückgrat der Navy wurden (Massie, Schalen des Zorns, S. 656 ff.).
Da würden sich dann wieder die Grenzen der Veröffentlichung von Massie zeigen. Die Äußerung ist zu kontextualisieren, vor dem Hintergrund der Konzeption-Streits beim Bau der QEs und des Einsatzes vor dem Skagerrak (der hochumstritten war).

Die Äußerung vom "Rückgrat" ist sachlich falsch und kann nur zuspitzend gemeint sein. Richtig ist zunächst, dass es sich um die kampfstärksten Schiffe der beiden beteiligten Flotten vor dem Skagerrak handelte. Richtig ist, dass sie als Rückgrat von Beatty angesehen wurden, und das wurde vorher und nachher heftig kritisiert. Nicht einmal zu diesem begrenzten "Rückgrat" (nämlich nur dasjenige der BCF) konnten sie vor dem Hintergrund der geringen Stückzahl taugen, denn es waren keine Wunderschiffe (daher race-to-the-north). Die heutige Literatur problematisiert insbesondere die Geschwindigkeiten, denn sie erreichten nicht die konstruktiven Vorgaben, die bei Beattys Einsatz der V. BS zwischen 23 und 23,5 Knoten lagen, und nur mit einer Teilbetankung zur Gewichtsreduzierung erreicht wurden. Die 25 Knoten konstruktiv sind ein Mythos.

Rückgrat waren der Royal Navy am Skagerrak waren die 2 Dutzend Dreadnoughts der Battle Squadrons von Jellicoe mit 250+ Geschützen von jeweils 12-inch aufwärts, gegen die die Hochseeflotte im Gefecht nicht bestehen konnte.


Die Militärs blieben skeptisch. Sir John Jellicoe schrieb vor dem Krieg mehrere Memos über die Überlegenheit der deutschen Schiffe. Am 14.07.1914 (als Zweiter Seelord) verglich er sämtliche deutschen und englischen Schiffe, die zwischen 1906 und 1913 auf Kiel gelegt wurden. Dabei kam er zu dem Ergebnis, „dass die englischen Schiffe in Bezug auf die Wasserverdrängung keineswegs überlegen sind, sondern dass gewöhnlich das genaue Gegenteil zutrifft, und nimmt man hinsichtlich der Konstruktion eine Gleichwertigkeit an, so ist es überaus gefährlich zu glauben, dass unsere Schiffe als Ganzes überlegene oder auch nur gleichwertige Kampfmittel darstellen“ Weiterhin schreibt Jellicoe „Meine Kenntnisse über die deutsche Kriegsmarine, die beträchtlich waren, schlossen jede Selbsttäuschung aus.. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, mich über die deutschen Fortschritte sehr eingehend zu unterrichten. Häufige Kontakte mit der deutschen Flotte hatten mich überzeugt, dass uns die deutschen in Bezug auf ihre technischen Qualitäten vor aus waren.“
Die Position ist doch in ihrer mahnenden Wirkung gegen Leichtsinn nachvollziehbar, hinsichtlich der Rüstungsforderungen und Anstrengungen plausibel. Ex post ist es nützlich, um den Fehlschlag der angestrebten Vernichtung der deutschen Flotte zu erklären.

Inhaltlich ist das statement völlig nebelig und undifferenziert.

Diese Auffassung des hohen englischen Offiziers vor dem Krieg wird von Fachleuten nach dem Krieg geteilt. Nimitz bestätigt die Überlegenheit der Hochseeflotte in seinem Werk Seekrieg. Aber auch der Tirpitz kritische Historiker Berghahn in Tirpitz-Plan, S. 195 Fn 112 mit Hinweis auf Sutton. Zuletzt Martin van Creveld, in Gesichter des Krieges.

Zu Creveld hatte ich mich schon geäußert, zu diesem Thema unqualifiziert und unbasiert.

Berghahn ist wieder ein glattes Falschzitat. Die Fußnote auf S. 195 betr. die unveröffentlichte Sutton-Dissertation bezieht sich auf die "Ausbildung" und die Torpedowaffe (wo ebenfalls jüngst die Wertungen erheblich gekippt sind - siehe Nachtschlacht). Der Kontext ist im Übrigen visionär auf 1899 und die Begründung bezogen, wie eine zahlenmäßig immer schwächere deutsche Flotte eine Chance gegen die britische haben könne. Ich vermute mal, das Zitat ist von irgendwem abgeschrieben?

Nimitz kann keine "Überlegenheit der Hochseeflotte" bestätigen, weil er dann erklären müßte, wieso die Hochseeflotte vom Schlachtfeld fliehen mußte.


Vor dem Skagerrak flogen reihenweise englische Schiffe (Indefatigable, Queen Mary, Defence, Invincible), nicht aber deutsche in die Luft.
Abgesehen davon, die unzureichende Panzerung der Defence gegen schwerste Kaliber in diese Reihe zu stellen:
Solche Darstellungen ("reihenweise", "englische Schiffe", ... aber nicht) findet man in den Veröffentlichungen der 20er und 30er Jahre, in den SOS-Heftchen der 50er und in den Skagerrak-Gedächtnisreden dazwischen.

Für die Verluste der drei Schlachtkreuzer griffen bestimmte Kausalketten, die hier im Forum auch schon differenziert dargestellt worden sind. Für Verallgemeinerungen technischer Art taugen die wenig, was auch in der neueren Literatur genau vermieden wird. Aber das kann man an jedem einzelnen Fall darstellen.

Die Verallgemeinerung wird lächerlich, wenn die Trefferwirkungen bei den Schlachtschiffen und Schlachtkreuzer der RN im Einzelnen betrachtet werden (siehe zB Warspite und Tiger).

Die hohe Feuerkraft und Geschwindigkeit der Engländer verpuffte in ihrer Wirkung durch Gefechtskehrtwendungen und Angst vor Minen.
Die erste Aussage steht nebenbei gesagt im Gegensatz zu der zuvor behaupteten Unterlegenheit.
Die zweite Aussage teile ich bzgl. der Minen. Der Einfluss auf die Entscheidungen war beachtlich.


Zur Gefechtswende als dreimaliges (nämlich inkl. der 2.) Fluchtmanöver hat @walter schon die richtigen Hinweise gegeben.
 
Da die Bemerkungen in # 28 nicht zum Thema Geheimdienste gehört, in aller Kürze:

Jellicoe hat die Überlegenheit der Hochseeflotte mehrmals angesprochen, hat seine Strategie (und taktischen Anweisungen) darauf aufgebaut, die ist von der Admiralität genehmigt worden, er hat sie tatsächlich durchgeführt. Nicht einmal die Skagerrakschlacht wollte er nach Lambert führen, da er den direkten Zusammenstoß mit der Hochseeflotte ohne weitere Hilfe (den Deutschen unbekannte Minenfelder und U-Boot-Fallen, vgl. # 48 im thread Gefechtskehrtwende) für zu riskant hielt. Als Beatty die Navy übernahm, hat er Jellicoes Strategie nicht geändert.

Martin van Creveld hat die deutschen Wehrmachten beider Weltkriege studiert (Schwerpunkt war sicherlich Hitlers Armeen) und hat im Auftrag sowohl des Pentagon (zB eine techniche Fachstudie, die unter dem Titel „Kampfkraft“ in den Buchhandel kam) als auch der israelischen Armee, aber auch anderer Verteidigungsministerien andere Länder, zahlreiche Gutachten zur Verbesserung derer Streitkräfte erstellt. Er ist also sowohl Theoretiker als auch Praktiker. Sein Buch „Transformation of War“ war auf der „list of required reading“ für US-Offiziere, heute ist sein Buch „Supplying War“ auf dieser Liste. Er hat an jedem bedeutenden strategischen Institut des Westens zumindest Vorträge gehalten (so der englische wikipedia Eintrag), u.a. hatte er auch einen Lehrstuhl am US Naval War College inne.

Volker Berghahn, Tirpitz-Plan, Düsseldorf 1971, schreibt auf Seite 195 in Fn. 112, die mit einem Tirpitz-Zitat beginnt "....Bedingung dazu bleibt eine sehr gute Ausbildung u, vorzüglich konserviertes Material [Ende Zitat aus Tirpitz, Erinnerungen]. Über die Erfolge der systematischen deutschen Ausbildung siehe die unveröffentlichte Dissertation von Sutton, die die technische Qualitäten der deutschen Flotte ausführlich untersucht hat. Sein Ergebnis (S. 587): 'Purely on the technical side, Tirpitz and his enthusiastic colleagues built a Navy which was probably peer and in many respects superior to any other'. Das hat auch Tirpitz in seinen Veröffentlichungen nach 1918 immer wieder behauptet. Betrachtet an seine ursprünglichen Pläne, so liegt es nahe zu vermuten, dass die späteren Rechtfertigungen auf diesem Gebiet nicht nur einen Zweckoptimismus und den psychologischen Umständen des Weltkriegs entsprungen sind."

Nimitz, der ja selbst einen Krieg führen musste, bezeichnete die Hochseeflotte als „die besten Überwasserstreitkräfte der Welt“. Da ist wenig Raum für Interpretationen.

Taktisches Verhalten sollte nicht mit Begriffen aus Abenteuerromanen verglichen werden. Die materielle Überlegenheit musste bei der Taktik berücksichtigt werden. Jellicoe machte das nicht anders, wie die Nacht zeigte. Wie auch der nächste Morgen, an dem Jellicoe auch nicht an dem Ort erschien, an dem er die Hochseeflotte antreffen musste. Und die Hochseeflotte war erfolgreich, die Ostsee blieb versperrt, England konnte nicht mehr aus eigener Kraft siegen.

Die englischen Schiffe flogen nun mal reihenweise in die Luft, die deutschen nicht. Hier wird doch nur ein Faktum wiedergegeben. Unglückliche Kausalketten wird es bei den meisten Schlachten geben (zB Marneschlacht).

Damit möchte ich die Zwischenbemerkung abschließen und nochmals auf meine eigentliche Frage in # 23 verweisen.
 
Nimitz, der ja selbst einen Krieg führen musste, bezeichnete die Hochseeflotte als „die besten Überwasserstreitkräfte der Welt“. Da ist wenig Raum für Interpretationen.


Nimitz meint hier doch nicht die gleiche Hochseeflotte, wie sie bestand, als der 1.WK begann?

Also zum Thema, daß britische Schiffe Reihenweise in die Luft flogen und Deutsche nicht, muß ich sagen, daß hier die Gesamte Situation zu einseitig betrachtet wird.

Seid dem ersten Seegefecht vor Helgoland Aug 1914 bis zum letzten großen Akt Nov 1917, ebenfalls vor Helgoland, konnte die Hochseeflotte nicht ihren Erwartungen in einem Seekrieg gerecht werden.

Entweder wurde die Hochseeflotte nicht eingesetzt oder falsch benutzt, wie eine ängstliche Maus, saß die Hochseeflotte in ihrem Mauseloch, der deutsche Bucht. Einzig für das technische und gesellschaftliche Voranschreiten des Deutschen Reiches, war die Hochseeflotte gut.

Somit haben die Verluste bei der britischen Navy nichts an der besch.....en Lage der Hochseeflotte geändert. Ob es nun Führungsfehler waren oder die Taktik oder die Technik versagten, spielt dabei keinerlei Rolle.
Denn sicherlich war eine Gefechtskehrtwende ein schön anzuschauendes Manöver und die Qualität wie auch die Ästhetik der Schiffe vorzüglich waren, es nützte alles nichts.

Aber auch die Deutsche Flotte hatte Verluste, nicht nur die Royal Navy, dass sollte man nicht vergessen.

Und die Ironie an der Geschichte ist, daß die Hochseeflotte durch ihr Nichtstun, den Weg der Briten in die Ostsee versperrte, was dazu führte, daß keine zweite Front zum eröffnet werden konnte, die zum schnelleren Zusammenbruch des deutschen Heeres verholfen hätte und somit weiter Soldaten an den Fronten sterben mussten.

Das sollten die besten Überwasserstreitkräfte sein? Da lachen ja die Hühner…
 
Walter,
das Vorhandensein der Hochsee-Flotte alleine zwang die Engländer dem Grossteil ihrer Flotte in der Nordsee zu halten , die dazu gehörigen Kreuzer und Zerstörer fehlten dann zur Konvoisicherung auf den Ozeanen und machten es damit den U-Booten und Hilfskreuzern leichter .
Ohne die Bedrohung durch die Deutschen Grosskampfschiffe häten die Engländer auch ihre modernen Einehiten an anderen Kriegsschauplätzen und viel rücksichtloser einsetzten können .
Was wäre an den Dardanellen passiert wenn hier die Grandfleet aufgetaucht wäre und ohne Rücksicht auf Verluste die Durchfahrt erzwungen hätte ?
 
Sag ich doch Fleet in Being.

Das zeugt nicht von der "großen" Überwasserstreitkraft. Das ist die defensivste Einsatzweise einer Waffe. Die deutsche Hochseeflotte beweißt damit um so mehr, daß es sich nur um ihr Vorhanden sein handelte, sie war nur ein politisches Instrument, keine richtige Waffe im direkten Schlagaustausch, was wiederum auf eine falsche strategische und taktische Ausrichtung zurückzuführen war.
 
Der Aufbau der Flotte erfolgte als Konkurenz zu den Briten und richtete sich zuwenig an nach den Gegebenheiten .
Die Deutschen hätten wissen müssen das die Engländer sie blockieren würden , in den Napolionischen Kriegen haben sie das ja auch schon mit der französichen und spanischen Flotte gemacht .
Ohne das Wettrüsten bei den Grosskampfschiffen hätte es vielleicht auch eine Einigung mit den Engländern gegeben und somit keinen Weltkrieg .
Die Schiffe der Auslandsgeschwader waren zudem zu wenige , zu alt und nicht ausreichend ausgerüstet .
Es fehlten grosse Nachsschubschiffe (Flottenversorger ) die sie mit Kohlen und Munition hätten versorgen können und man unterliess es auch Nachschubdepots anzulegen , gerade die Südsee mit ihren unzähligen Eilanden die teilweise unbewohnt waren hätten genügend Möglichkeiten für Kohlen- und Munitionsdepots geboten .
 
Jellicoe hat die Überlegenheit der Hochseeflotte mehrmals angesprochen, hat seine Strategie (und taktischen Anweisungen) darauf aufgebaut, die ist von der Admiralität genehmigt worden, er hat sie tatsächlich durchgeführt. Nicht einmal die Skagerrakschlacht wollte er nach Lambert führen, da er den direkten Zusammenstoß mit der Hochseeflotte ohne weitere Hilfe (den Deutschen unbekannte Minenfelder und U-Boot-Fallen, vgl. # 48 im thread Gefechtskehrtwende) für zu riskant hielt. ...
Zum Verweis auf Jellicoe ist bzgl. der Memoiren der Kontext der Äußerungen zu beachten. Hier spielt die britische Nachkriegs-Auseinandersetzung der Beatty- und Jellicoe-Fraktionen eine große Rolle. Bzgl. Beatty ging es um die Vertuschung der operativen Fehlleistungen am Skagerrak, wobei der taktische (nicht strategische) Mißerfolg Jellicoe zugeschoben werden sollte.

Lambert liegt falsch.
Jellicoe lief einige Stunden vor der Hochseeflotte zum Skagerrak aus, um die Schlacht zu suchen. Dazu mußte er von der Admitalität keineswegs "gezwungen" werden, wie die Briefwechsel und der Meinungsaustausch zuvor belegen. Gleiches passierte im August 1916, das zweite Zusammentreffen mit der nun noch relativ schwächeren Hochseeflotte (als am Skagerrak) unterblieb, da Scheer rechtzeitig abdrehte, als er die Anwesenheit der Grand Fleet befürchtete. Auch bei diesem Beinahe-Zusammenstoß war Jellicoe aufgrund der nachrichtendienstlichen Aktivitäten Stunden vor der Hochseeflotte ausgelaufen.


Das Jellicoe in Äußerungen vor dem 31. Mai 1916 die Stärken der Hochseeflotte betont, ist einerseits britischer Respekt vor dem erwarteten Gegner, angesicht der Unwägbarkeiten eines Gefechts - bei dem zB nur Teile der GF eingreifen können, siehe das BCF mit der V. Battle Squadron - nur allzu verständlich. Die Äußerungen nach dem Krieg sind exkulpierend zu verstehen, und vor dem Hintergrund der Aktivitäten der Beatty-Fraktion. Weiter war die Richtungsentscheidung 31.Mai nachts ausschließlich von dem Gedanken beeinflußt, die Hochseeflotte morgens zu stellen.


Martin van Creveld...
Nimitz, ...
Crevelds Meriten sind zwar ansehnlich, liegen aber nicht auf maritimen Gebiet, und schon garnicht in Detailanalysen. Insofern ist seine Stellungnahme mangels Analyse belanglos.

Für Nimitz gilt das Gleiche, man sollte grundsätzlich solche Überblickswerke mit Vorsicht lesen. Für Kreuzworträtsel reichen sie allerdings aus. Übrigens wirken Verweise auf die Reputation von Autoren sehr unterhaltsam, wenn sie reziprok bzw. in Gegensatz zur studienhaften Beschäftigung des Autors mit der Thematik stehen. Es ist ein beliebtes Spielchen, schwachbrüstige Allgemeinplätze mit dem Hinweis auf Reputationen zu unterfüttern.

Dazu folgender Hinweis: Soweit Fachliteratur zum WK I bzw. Skagerrak/Jutland und danach vorliegt, ist unbestritten, dass die kampfstärksten Einheiten beider Flotten die 10 Schiffe der Queen-Elizabeth und der Revenge-Klasse auf britischer Seite, die 2 Bayern-Klasse auf deutscher Seite gewesen sind Alle drei Typen sind in Kampfkraft ungefähr vergleichbar, zT unscharf als Super-Dreadnoughts bezeichnet, um den Sprung zu den vorheringen Klassen zu beschreiben. Auch KÖNIG-, KAISER-, KGV- oder IRON-DUKE-Klasse fallen dagegen deutlich ab (wie sich bei den britischen Schiffen zuletzt in den Nachkriegs-Verschrottungen zeigte). Allerdings ist die britische Differenz geringer als die deutsche.

Wie auch der nächste Morgen, an dem Jellicoe auch nicht an dem Ort erschien, an dem er die Hochseeflotte antreffen musste. Und die Hochseeflotte war erfolgreich, die Ostsee blieb versperrt, England konnte nicht mehr aus eigener Kraft siegen.
Richtig, die Flucht der Hochseeflotte vom Schlachtfeld war erfolgreich.
Eine der letzten grundlegenden Forschungen zu Jellicoes Informationen und zum "Entscheidungsbaum" bzw. Roulette am 31. Mai nachts:
Gordon, Andrew: The Rules of the Game Jutland and British Naval Command



Die englischen Schiffe flogen nun mal reihenweise in die Luft, die deutschen nicht. Hier wird doch nur ein Faktum wiedergegeben. (zB Marneschlacht).
Als Faktum: die bekannte, ermüdende Halbwahrheit der Admiralität :D.
Explodiert sind 3 Schlachtkreuzer, davon - Stand der Literatur - 2 nach kausalen taktischen Fehlern Beattys bzgl. der Gefechtsentfernungen. Bzgl. des "reihenweise" - und das bezieht sich ebenfalls auf diese Art selektiver Wahrnehmung der deutschen Heroenliteratur - ist auf die Trefferanalysen bei der V. Battle Squadron hinzuweisen. Dort wirst Du fündig, eine differenzierte Betrachtung vornehmen zu können.
 
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