Gelochtes Lugudunum-As (Landesmuseum f. Vorgeschichte Halle)

Opteryx

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In YT stellt Herr Meller eine Münze vor: ein As mit Var-Gegenstempel am Rand. Die Münze ist mittig urchlocht, und zwar von hinten. Drei Versionen bietet er an:
-eine Zerstörung des verhassten Kaiserbildes (aber weshalb dann nicht von vorn?)
-zum Annageln an einem (heiligen ) Baum
-zum Auffädeln auf einer Schnur o.ä.
Das Zerstören von Kaiserbildern wird an einer anderen Münze gezeigt

Ein stummer Zeuge der Varusschlacht | Museum exklusiv​

Die erste Version hatte ich ja schon mal bei Gegenstempeln im Kaisergesicht diskutiert. Hier liegt der Stempel ordentlich am Rand.
Welche Version ist am wahrscheinlichsten?
 
In YT stellt Herr Meller eine Münze vor: ein As mit Var-Gegenstempel am Rand. Die Münze ist mittig urchlocht, und zwar von hinten. Drei Versionen bietet er an:
-eine Zerstörung des verhassten Kaiserbildes (aber weshalb dann nicht von vorn?)
-zum Annageln an einem (heiligen ) Baum
-zum Auffädeln auf einer Schnur o.ä.
Das Zerstören von Kaiserbildern wird an einer anderen Münze gezeigt

Ein stummer Zeuge der Varusschlacht | Museum exklusiv​

Die erste Version hatte ich ja schon mal bei Gegenstempeln im Kaisergesicht diskutiert. Hier liegt der Stempel ordentlich am Rand.
Welche Version ist am wahrscheinlichsten?
An dem Beitrag von Meller finde ich einige Dinge problematisch:
  • er sagt, Varus habe irgendwo im Lager, etwa in Heddernheim (die Datierung von Nida ist doch später?), gesessen und dort "Germania capta" geschrieben (wortwörtlich: "und schreibt schon Germania capta, also Germanien ist gefangen"). Dies ist wieder so etwas, was möglichweise demnächst als Faktoid durch die Gegend geistert. Wir wissen nicht, ob Varus irgendetwas geschrieben hat. (Also klar wird er mit Augustus korrspondiert haben und auch sicherlich Verwaltungskram geschrieben haben). Aber wir haben eben nichts von ihm überliefert und somit ist auch die Mutmaßung, dass Varus ein Germania capta nach Rom sandte überflüssig. Es gibt von Kaiser Domitian, 80 Jahre später, eine Germania capta-Münze.
  • Meller zieht eine direkte Linie von der Varusschlacht zum Untergang Roms in den "Germanenstürmen". Finde ich ebenfalls ziemlich problematisch
  • die Münze hat zwar den VARus-Gegenstempel, aber er tut so, als hänge die Überlieferung des Objekts, wie es auf uns gekommen ist, mit der Varusschlacht zusammen. Dafür gibt es keinen Beleg.
  • die unpassenden Dramatisierungen: ein taktisch brillianter Arminius lauert den Römern "im kalten und regnerischen Germanien" auf. Da haben wir sie wieder, die von Kälte und Wasser besiegten Römer....
  • Meller stellt aber klar, dass es sich um erprobte Berufssoldaten handelte (gut) macht das dann aber am Alpenfeldzug fest, an dem die 19. Legion nachgewiesenerweise teilnahm. Er verschweigt allerdings dabei, dass der Alpenfeldzug 18 Jahre vor ihrem Untergang stattfand und das somit längst ein Austausch bei einer ganzen Menge der Legionäre stattgefunden haben dürfte. 25 Jahre dienten die Legionäre (insofern sie nicht versehrt wurden oder starben), da können also schon noch erhebliche Anteile der Legion, die 9 n. Chr. untergegangen ist, bereits am Alpenfeldzug 9 v. Chr. teilgenommen haben, aber das auf die ganze Legion zu übertragen.... nuja.
  • Meller rechnet mit 25.000 Mann, welche Varus' Armee umfasst habe. D.h. er rechnet mit Vollstärken der bei Tacitus aufgeführten Truppen (3 Legionen = 18.000 VS + 3 Alen = 3x1000 = 21.000 + 6 Kohorten = 6*500 = 3000 = 24.000
 
Diese exakte Angabe (also der beteiligten Verbände, nicht der Mannschaftsstärken) findet sich bei Velleius Paterculus II 117.
 
Die Zuspitzung Mellers, auch für ein Laienpublikum, ist legitim. Er hat ja nicht behauptet, dass Varus den Spruch "Germania capta" auf Münzen schlagen ließ, sondern genüßlich gemäß dieser Devise vom gemütlichen Heddernheim (= Nida) aus regierte (was er natürlich nicht tat). Ein spaßiger Bämbel.

Interessant ist doch, dass die Münze perfekt gelocht ist, vermutlich mit Nagel oder Ahle. Verwendeten und besaßen die Germanen überhaupt Nägel aus Eisen? Ich weiß zwar dass sie aus Rasenerz geschmiedet haben, auch Pflüge, aber es gibt eigentlich wenig gesicherte germanische Artefakte aus Eisen.
Marbod hatte allerdings ein technisch gut ausgerüstetes Heer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant ist doch, dass die Münze perfekt gelocht ist, vermutlich mit Nagel oder Ahle. Verwendeten und besaßen die Germanen überhaupt Nägel aus Eisen? Ich weiß zwar dass sie aus Rasenerz geschmiedet haben, auch Pflüge, aber es gibt eigentlich wenig gesicherte germanische Artefakte aus Eisen.
Marbod hatte allerdings ein technisch gut ausgerüstetes Heer.
Das Loch ist rund, während alte Nägel i.A, vierkantig sind. Es ist auch nicht gebohrt, sondern dellt die Münze ein. Vielleicht gab es verlorene römische Sandalennägel mit rundem stiel, oder diese wurden im Loch gedreht.
 
Die Himmelsscheibe ist am Rand ganz ähnlich gelocht. Sie besteht ebenfalls aus einer vermutlich relativ weichen Kupferlegierung. Als Lochwerkzeug war damals nur härtere Bronze verfügbar.
 
Mir fällt dafür aber kein passendes damaliges Objekt ein. Man könnte sie natürlich auf ein Lederstück aufnieten oder als Knopf verwenden.
 
  • Meller stellt aber klar, dass es sich um erprobte Berufssoldaten handelte (gut) macht das dann aber am Alpenfeldzug fest, an dem die 19. Legion nachgewiesenerweise teilnahm. Er verschweigt allerdings dabei, dass der Alpenfeldzug 18 Jahre vor ihrem Untergang stattfand und das somit längst ein Austausch bei einer ganzen Menge der Legionäre stattgefunden haben dürfte. 25 Jahre dienten die Legionäre (insofern sie nicht versehrt wurden oder starben), da können also schon noch erhebliche Anteile der Legion, die 9 n. Chr. untergegangen ist, bereits am Alpenfeldzug 9 v. Chr. teilgenommen haben, aber das auf die ganze Legion zu übertragen.... nuja.
Nicht eher 15 v. Chr.?
 
Nicht eher 15 v. Chr.?
Oh ja, ich hatte irgendwie gedanklich das Römerlager Dangstetten im Kopf, das 9 v. Chr. aufgegeben wurde. Umso mehr haut dann Mellers Behauptung nicht hin, dass alte Alpenfeldzugsveteranen in der Varusschlacht draufgegangen wären, denn die dürften wirklich zum allergrößten Teil ihre Dienstzeit zum Zeitpunkt der Varusschlacht bereits absolviert haben. Wer beim Alpenfeldzg dabei war und in der Varusschlacht, der muss beim Alpenfeldzug ein junger, frisch ausgehobener Rekrut gewesen sein.m
 
Die Münze an sich lässt sich ja prima datieren, aber wie datiert man das Loch? ;)

Version 5: Spinnwirtel
Für einen Spinnwirtel müsste man mehrere gelochte Stücke übereinander auf den Stab stecken, um die nötige Schwungmasse zu erreichen. An der Münze ist maximal abzulesen:
-der Gegenstempler hat nicht das Konterfei verunstaltet, sondern den Rand gewählt.
-der Nachnutzer benötigte das wertlose Metallstück. Er lochte von hinten. Das konterfei interessierte ihn längst nicht mehr. Deshalb scheidet wohl auch das Annageln an einen (heiligen) Baum aus.
 
-der Gegenstempler hat nicht das Konterfei verunstaltet, sondern den Rand gewählt.
Das haben wir doch schon ad mauseam diskutiert, Punxsutawney Phil, dass irgendwelche Legionäre, die damit beauftragt waren, Münzen für den Feldherren gegenzustempeln schon aus Arbeitseffektivität kaum einen Gedanken daran verschwendeten, ob sie die Kontermarke ins Gesicht des Kaisers schlugen oder daneben. Das war Akkordarbeit und kein Designkontest.
 
Das haben wir doch schon ad mauseam diskutiert, Punxsutawney Phil, dass irgendwelche Legionäre, die damit beauftragt waren, Münzen für den Feldherren gegenzustempeln schon aus Arbeitseffektivität kaum einen Gedanken daran verschwendeten, ob sie die Kontermarke ins Gesicht des Kaisers schlugen oder daneben. Das war Akkordarbeit und kein Designkontest.
Nimm es mir nicht übel, wenn ich deine Meinung nicht teile. Den Stempel gezielt auf eine freie Stelle zu setzen, nimmt ein k lein wenig mehr Zeit in Anspruch, als ihn ungesehen in die Mitte zu schlagen. Und eine bewusste Entehrung des gottgleichen Herrschers wird auch von Herrn Meller zumindest prinzipiell für möglich angesehen.
 
Hier mal aus einem Diskussionsbeitrag zu o.g. Video, übersetzt:
",,,eine ähnliche augusteische Kupfermünze mit dem VAR(us)-Zeichen. Auch er wurde durchbohrt und getragen, wahrscheinlich als Anhänger. Das Loch wurde mit einer Messerspitze gemacht und über dem Porträt des Kaisers gebohrt. Ein Verwandter von mir fand auf demselben Feld eine zweite Münze dieser Art, im selben Jahrzehnt, die jedoch viel stärker abgenutzt war. Die Rückseite war durch das Tragen völlig glatt, das Porträt und das VAR(us)-Zeichen kaum sichtbar, aber immer noch vorhanden. Auch hier wurde mit einer Messerspitze ein Loch gebohrt. Nun der interessante Teil: Das Porträt des Kaisers Augustus wurde verunstaltet, bevor die Münze im Boden landete. Ein fester, einzelner Messerschnitt wurde durch das Gesicht, genauer gesagt, das Auge des Kaisers gemacht. Teil eines Fluches?,,,"
Es darf weiter geraten werden,
 
Und eine bewusste Entehrung des gottgleichen Herrschers wird auch von Herrn Meller zumindest prinzipiell für möglich angesehen.
Da vermischt du jetzt aber die Lochung der Münze oder das interentionelle Zerkratzen des Kaisergesichtes und die Aufbringung des Gegenstempels.
Das sind aber drei verschiedene Vorgänge.
Bei dem intentionellen Zerkratzen des Kaisergesichtes ist, wenn man pure Langeweile ausschließt, damnatio memoriae und/oder Schmähung wahrscheinlich.
Bei dem Aufbringen eines Gegenstempel - und wir haben die Gegenstempel der VAR-Gegenstempelserien oft genug auf dem Gesicht des Kaisers, dass das bei dieser Münze nicht so ist, kann man nicht als Regel ableiten - geht es um Geschwindigkeit, tausende Münzen werden gegengestempelt, nicht zwei oder drei.

Gegenstempel_Varus.jpg


Die Lochung der Münze ist am interpretationsoffensten, zumal hier eine Kombination mehrerer Motive kummulieren kann - aber eben auch nicht muss.
 
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