Geographisch bevorzugt

B

bender

Gast
Vielleicht hat ja heute auch jemand diese Sendung auf ARTE (19:00) gesehen.

Darin wurde die Theorie eines Physiologen von der UCLA names Jared Diamond vorgestellt, warum die Europäer und Asiaten in der Weltgeschichte so dominant, die Ureinwohner Amerikas, Schwarzafrikas und Australiens/Ozeaniens dagegen so unterlegen waren.
Diamond erklärt dies mit dem unterschiedlichen geographischen und (dementsprechend) biologischen Gegebenheiten der jeweiligen Heimat. Die Möglichkeit, eine Zivilisation zu schaffen, ergab sich nämlich erst, als das tägliche Problem der Nahrungsbeschaffung gelöst worden war. Die Menschen im "Fruchtbaren Halbmond" wurden sesshaft, domestizierten diverse Tiere und Planzen, und hatten dadurch die Zeit, sich anderen Dingen zu widmen. Mehr noch, ein Bauer konnte nun mehr als nur sich selbst versorgen, womit auch Personen überlebten, die nicht täglich auf Nahrungssuche waren (Priester, Handwerker, Militärs und nicht zuletzt Könige).
In Mesopotamien waren Tiere wie Schweine, Rinder, Pferde etc. vorhanden und konnten somit domestiziert werden. Auch Getreide gab es. In Neuguinea (dem Gegenbeispiel in der Sendung) dagegen nicht. Dort gibt es (außer den später aus China importierten) Schweinen keine Nutztiere. Die Menschen müssen dort ihren Acker per Hand umgraben, da ihnen der Ochse fehlt, den man vor den Pflug spannen könnte. Nutztiere, die Milch geben, haben sie keine, und die tägliche Proteinversorgung kann nur durch Jagd sicher gestellt werden. Es bleibt somit keine Zeit für sonstige Dinge, etc. siehe oben.

Diskussion: Was haltet ihr von dieser These?

Ich finde die Theorie an sich sehr plausibel, nur ergaben sich mir schon beim schauen der Sendung mehrere Fragen.

1. Wenn die rückständigen Völker nur deshalb rückständig blieben, weil sie bspw. keine Tiere vor Ort hatten, die sie domestizieren konnten, dann frage ich mich, wie das auch die Ureinwohner Nordamerikas zu trifft? Dort gibt es ja bspw. Hirsche und Bisons, die auch domestiziert hätten werden können :)S), es aber offensichtlich nicht wurden. Warum?

2. Wenn in Amerika die geographischen Gegebenheiten schlechter waren als in Europa und Asien, die Entwicklung von Hochkultur also behindert wurde, warum gab es dann die zahlreichen Kulturen Mittel- und Südamerikas?

PS: Das Buch dazu ist: Jared Diamond, Arm und Reich, Fischer, Frankfurt 2000.

PPS: Morgen kommt übrigens Teil 2 der Reihe.
 
bender schrieb:
1. Wenn die rückständigen Völker nur deshalb rückständig blieben, weil sie bspw. keine Tiere vor Ort hatten, die sie domestizieren konnten, dann frage ich mich, wie das auch die Ureinwohner Nordamerikas zu trifft? Dort gibt es ja bspw. Hirsche und Bisons, die auch domestiziert hätten werden können :)S), es aber offensichtlich nicht wurden. Warum?

Hirsche bzw. überhaupt Rotwild wurde ja nirgendwo zum Haustier. Möglicherweise ist diese Tiergattung gar nicht zu domestizieren.
 
Festus621 schrieb:
Hirsche bzw. überhaupt Rotwild wurde ja nirgendwo zum Haustier. Möglicherweise ist diese Tiergattung gar nicht zu domestizieren.
Rentiere lassen sich domestizieren. Von dieser Art der Tierhaltung leben etliche Völker Skandinaviens und Sibiriens. Deshalb glaube ich nicht, dass es bei Hirschen unmöglich ist.
 
bender schrieb:
Rentiere lassen sich domestizieren. Von dieser Art der Tierhaltung leben etliche Völker Skandinaviens und Sibiriens. Deshalb glaube ich nicht, dass es bei Hirschen unmöglich ist.
zumal sie wie elch und reh auch zu den hirschen gehören. allerdings ist, soweit ich weiß, die stallhaltung problematisch. hirsche haben wohl noch einen ausgeprägten freiheits- und wanderungsdrang. das problem stellt sich bei einer herde rentiere, von wanderhirten betreut, wohl nicht so.
 
bender schrieb:
Rentiere lassen sich domestizieren. Von dieser Art der Tierhaltung leben etliche Völker Skandinaviens und Sibiriens. Deshalb glaube ich nicht, dass es bei Hirschen unmöglich ist.

clemens schrieb:
zumal sie wie elch und reh auch zu den hirschen gehören. allerdings ist, soweit ich weiß, die stallhaltung problematisch. hirsche haben wohl noch einen ausgeprägten freiheits- und wanderungsdrang. das problem stellt sich bei einer herde rentiere, von wanderhirten betreut, wohl nicht so.

Stimmt. Wikipedia bezeichnet so ziemlich alles als Haustier, außer Fische, aber sogar Ameisen und Bienen.

Aber, das bringt uns bezüglich Benders Fragen nicht wirklich weiter.:confused:
 
Allgemein wird gesagt, daß die Landwirtschaft sich zunächst in den Regionen entwickeln konnte, wo die klimatischen und geographischen Bedingungen optimal waren. Also im Zweistromland, am Indus, in Ägypten und in China. Ausgehend von diesen Kulturzentren verbreitete sich die Landwirtschaft in die umliegenden Gebiete. Es fand also ein Informationstransfer statt der viele Generationen dauerte bis schließlich auch Mitteleuropa landwirtschaftlich erschlossen war. Für mich stellt sich an dieser Stelle die Frage; was wäre gewesen wenn Europa eine Insel wäre ? Wäre die Einführung der Landwirtschaft verzögert worden ? Mit großer Wahrscheinlichkeit ja. Aus meiner Sicht ist der Informationstransfer der wesentlichst Faktor für den kulturellen und technischen Fortschritt. Der "Fruchtbare Halbmond" lag im Kreuzungspunkt zwischen dem afrikanischen, asiatischen und europäischen Kulturraum. Also optimale Bedingungen um die ersten Hochkulturen zu entwickeln.
 
Hochkultur

Ich meine: Hochkulturen können nur da entstehen, wo das Leben kompliziert ist. Denn nur dort besteht eine Notwendigkeit, dass Menschen zusammenarbeiten. Und nur aus der Zusammenarbeit von Menschen kann etwas entstehen, was über die Frage nach der täglichen Nahrungsbeschaffung hinausgeht.

Außerdem wird ein gewisser Druck benötigt. Die Kausalkette sehe ich dabei so:
Das Land ist fruchtbar -> die Leute vermehren sich kräftig -> bei der nächsten Dürre stellt sich heraus, dass das Land überbevölkert ist -> kooperiere oder stirb -> es entsteht eine effektivere Form der Zusammenarbeit (oder aber nicht, aber dann erfahren wir nichts davon), mit der die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert werden können -> in der nächsten günstigen Klimaphase steigt die Bevölkerungsdichte weiter als vorher -> bei der nächsten Dürre....
 
Ich denke, deine "Kausalkette" hat einen Haken, Klaus:

Wenn's nix zu futtern gibt (Dürre), stirbt Mensch, "Kooperation" hin oder her...
 
Der Mensch ist ein Allesfresser, wenn nix zu füttern gibt dann bewegt man sich halt in Gegenden wo es etwas gibt oder man sorgt selbst für eine andere Art von Nahrung.
 
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