Germanische Häuser

C

Curiosus

Gast
Hallo zusammen,
Ich hoffe, dass meine Registrierung bald durch ist, damit ich hier auch richtig mitmischen kann. Aber jetzt erst mal eine ziemlich spezielle Frage. Bin gespannt, ob sie jemand beantworten kann. Los gehts: Hatten die germanischen Häuser, im speziellen die des mittelrheinischen Raums, getrennte Kammern für die Bewohner. Wenn ja, wurden diese durch Türen oder Vorhänge abgetrennt?
 
"Germanische" Häuser in der Region findest du wohl am ehesten in der poströmischen Zeit. Über solche Häuser wissen wir nur, was die Archäologie uns mitteilt. Was kann die Archäologie über diese Häuser herausfinden? Zum einen kann ein Laufhorizont ermittelt werden, also die Lauffläche, die verdichtet ist und aufgrund organischer Einschlüsse sich gerne dunkel abhebt. Zum anderen können Pfostensetzungen und Flechtwerklehm festgestellt werden, bei dem man idealerweise noch den Abdruck des natürlich längst vergangen Flechtwerks erkennen kann.

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Anhand dieser Pfostenlöcher kann man Häuser rekonstruieren. Problem: Manchmal überlagern sich Gebäude derselben Zeitstellung. Also z.B. mein Opa baut ein Haus, ich baue mein Haus, weil durch Opas Haus der Wind pfeift, 20 Meter weiter, aber meine Enkel bauen wiederum an der Stelle, wo mal Opas Haus stand, sind zwar fünf verschiedene Generationen (also gut 100 Jahre) aber solche Durcheinander haben wir häufig im archäologischen Befund, da muss man dann sehr genau schauen, welcher Pfosten zu welchem Gebäude gehört und welcher dem früheren Gebäude angehört (das ist mit den Mitteln der Archäologie z.B. dann feststellbar wenn ein jüngeres Pfostenloch ein älteres Pfostenloch schneidet, wobei, wenn sich zwei Pfostengruben schneiden, dann dürften die i.d.R. zu zwei so unterschiedlichen Zeitstellungen entstanden sein, dass auch Buchen- oder Eichenholz, das noch im Boden steckte, vergangen war. Ahand von Phosphorkonzentrationen (aber auch archäologisch nachweisbaren Verfärbungen, die Boxen andeuten) kann man Ställe unterscheiden.
Wohnstallhäuser sind in unserer Region vom Neolithikum, also der Jungsteinzeit, bis ins Frühmittelalter die vorherrschende Bauform, dazu als Wirtschaftsgebäude Grubenhäuser (siehe die großen dunklen Flächen im rechten Bild). Sie unterscheiden sich voneinander nur unwesentlich. Dennoch können erfahrene Ur- und Frühgeschichtler an der Hausform eine Grobdatierung vornehmen. Im Neolithikum wird mit stärkeren Bäumen gearbeitet und weil man noch nicht so komplizierte Dachkonstruktionen kannte, mit dichter gesetzten Pfosten. Das ist im archäologischen Befund sehr deutlich. Aber mit der Zeit hatte man diese kräftigen Bäume nicht mehr zur Verfügung, die für den Bau benutzten Bäume werden jünger und somit schmaler, verbesserte Techniken erlauben es den Menschen, weniger Pfosten für die Häuser zu gebrauchen. Ohne Flechtwerklehm oder erkennbare Pfostensetzungen (bei römischen Fachwerkbauten auch Spuren von Schwellhölzern) -

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Römerlager Anreppen, Speicherbauten

- ist eigentlich kaum eine Raumeinteilung zu erkennen. Rekonstruktionen von germanischen oder frühmittelalterlichen Bauten sind eben nur dies: Rekonstruktionen aufgrund dessen, was man im archäologischen Befund findet und vielleicht aus literarischen Quellen noch erfährt.
 
Wow, ich bin echt geplättet über deinen kenntnisreichen Exkurs zur Architektur antiker Häuser. Aber es ist wohl so wie ich gedacht habe, man kann nur Vermutungen anstellen.
In der Serie Vikings, die auf mich als Laie so wirkt, als ob sie sich bemüht das Leben in Skandinavien im 8/9 Jahrhundert weitgehend realistisch darzustellen, hat man sich für durch Vorhänge getrennte Räume entschieden. Da die Lebensweise der Germanen in Norddeutschland ähnlich war, kann man daraus schließen, dass dies auch bei den Germanen so war? Ich hoffe, auf eine weitere kenntnisreiche Antwort.
 
Es wurden mitunter geflochtene Trennwände zwischen Wohn- und Stallteil rekonstruiert. (Feddersen Wierde) Allerdings war der Dachstuhl über das ganze Haus hinweg offen.

Allerdings ist die Frage, ob es diesen Haustyp am Mittelrhein gab. Wohnstallhäuser waren im südlichen Nordseeraum und später in der ganzen Norddeutschen Tiefebene verbreitet. Südlich davon gab es kleinere Häuser mit nur einem Raum, die wohl nur dem Wohnen dienten. Hier z.B. eine Rekonstruktion in Geismar. (Das hintere Haus ist gemeint, während im Vordergrund ein Grubenhaus zu sehen ist.) Diese Häuser sollen nur einen Raum gehabt haben. (Siehe z.B. Bruno Krüger (Hrsg.): Die Germanen – Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Mitteleuropa. (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Band 4). 2 Bände. 4. Auflage. Akademie-Verlag, Berlin 1983, die Abschnitte zum Hausbau. Bei 'den germanischen Stämmen' waren danach 3 Haustypen in jeweils unterschiedlichen Regionen verbreitet. Mir sind aber auch Hausgrundrisse bekannt, die dieses Verteilungsschema verletzen, insbesondere aus Westfalen.)
 
Hallo Curiosus, für welchen Zeitraum stellst du deine Frage? Vorrömische Eisenzeit oder römische Kaiserzeit?
In der vorrömischen Eisenzeit verlief die Grenze zwischen Wohnstallhäusern und einfachen kleinen Rechteckgebäuden durch die Westfälische Bucht. Zur kulturellen Gliederung Westfalens in der späten Eisenzeit. In: J. Gaffrey/E. Cichy/M. Zeiler (Red.), Westfalen in der Eisenzeit (Münster 2015) 33–37
Der Typus des Wohnstallhauses breitete sich erst in der Umbruchsphase zur Kaiserzeit weiter südlich aus. Es gibt einzelne frühere Funde, von möglicherweise "nördlichen" Zuwanderern: im Lahntal bei Niederweimar wurden drei Grundrisse (Pfostenlöcher) von Wonstallhäusern norddeutschen Typs gefunden, dies auf Geländerücken ud Flussniederterrassen, die seit dem Neolithikum besiedelt wurden - und die benachbart zu einer eisenzeitlichen Siedlung mit kleinformatigen Vier-Pfosten und Zwölf-Pfostenbauten gestanden haben. Die Fundinventare reichen von den einheimischen, spätlatenezeitlichen Formen, frühgermanischen Keramiktypen bis zu römischer Importkeramik.
Ein weiteres Beispiel sind die Funde Przeworsk-Kultur von östlichen Einwanderern z.B. in Hanau-Mittelbuchen (2.Viertel 1.Jhdt. BC); dort fand ich jedoch keine Darstellung der Hausform (wahrscheinlich jedoch Langhäuser).https://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00197345/AT33_Seidel.pdf
Hier ein Überblick über die Germania magna und ihre Hauslandschaften: Haus, Gehöft und Siedlung im Norden und Westen der Germania magna.
 
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