Geschichte der Ukraine

Aus aktuellem Anlass (Gasprom).....

Was leitet eigentlich die Entwicklung einer ukrainischen Identität ein? Hängt es mit dem polnisch-litauischen Großreich zusammen dessen Bestandteil große Teile der Ukraine waren? Die Westukraine, das ehemalige Galizien, ist ja bis heute mitteleuropäisch geprägt.
Oder gründet das Selbstverständnis der Ukrainer in den Kosakenstaaten? Oder in den Hungersnöten des Stalinismus?
Dieses große Land ist - für mich - einfach faszinierend. Obwohl der historische Kern Russlands in Kiew war, blickt die Ukraine nach Westen und steht an der Tür zu EU und Nato. Leider weiss ich viel zu wenig über Geschichte und Kultur der Ukrainer, am meisten noch über den ehemals polnisch-litauisch-habsburgischen Westen - Galizien, Bukowina, Wolhynien.

Lasst uns doch die Loslösung der Ukranie von Russland diskutieren (denn googeln kann ich selber). Ich würde sagen die Ukranie wurde zur Ukranie weil die Jagellonen das Land auf Westkurs brachten.
Gegenmeinungen erwünscht!
 
Rovere schrieb:
Was leitet eigentlich die Entwicklung einer ukrainischen Identität ein? Hängt es mit dem polnisch-litauischen Großreich zusammen dessen Bestandteil große Teile der Ukraine waren? Die Westukraine, das ehemalige Galizien, ist ja bis heute mitteleuropäisch geprägt.
Oder gründet das Selbstverständnis der Ukrainer in den Kosakenstaaten? Oder in den Hungersnöten des Stalinismus?
[...]
Ich würde sagen die Ukranie wurde zur Ukranie weil die Jagiellonen das Land auf Westkurs brachten.
Gegenmeinungen erwünscht!

Ich bin eher der Meinung, dass die Gründe für die Westorientierung der Ukraine (was ja für den ukrainischen Osten wohl so nicht gilt) jüngere Gründe hat, nämlich die ständige Bevormundung und Gängelung durch Zar/Sowjetunion/Russland, die sich bis zum aktuellen Gazprom-Streit bemerkbar macht. Die Herrschaft der Jagiellonen ist ja schon ein paar Tage her und seitdem sind die verschiedensten Völkerschaften in die Ukraine eingefallen, ich glaube, das hebt die jagiellonische Prägung des SpätMA und der Frühen Neuzeit auf...
 
Eigentlich komisch, Weißrußland, die Slowakei, die Ukraine, die Slowenen sind doch alle erst die letzten 15 Jahre erstmals in ihrer Geschichte zu einem eigenen Staat gekommen.
Die Gründe werden unterschiedlich sein, kann man aber unterstellen, dass "Das Selbstbestimmungsrecht der Völker" vor meintwegen 1850 nicht die Rolle spielte?

Frage sich Repo
 
Rovere schrieb:
... Was leitet eigentlich die Entwicklung einer ukrainischen Identität ein? Hängt es mit dem polnisch-litauischen Großreich zusammen dessen Bestandteil große Teile der Ukraine waren? Die Westukraine, das ehemalige Galizien, ist ja bis heute mitteleuropäisch geprägt.
Oder gründet das Selbstverständnis der Ukrainer in den Kosakenstaaten? Oder in den Hungersnöten des Stalinismus?
Dieses große Land ist - für mich - einfach faszinierend. Obwohl der historische Kern Russlands in Kiew war, blickt die Ukraine nach Westen und steht an der Tür zu EU und Nato. Leider weiss ich viel zu wenig über Geschichte und Kultur der Ukrainer, am meisten noch über den ehemals polnisch-litauisch-habsburgischen Westen - Galizien, Bukowina, Wolhynien.

Lasst uns doch die Loslösung der Ukranie von Russland diskutieren (denn googeln kann ich selber). Ich würde sagen die Ukranie wurde zur Ukranie weil die Jagellonen das Land auf Westkurs brachten.
Gegenmeinungen erwünscht!

Sehr interessantes Thema, die ukrainische Ethnogenese ist ziemlich komplex und außerdem umstritten. (Es gibt sogar die Behauptung, die Kiewer Rus sei im Grunde ein "ukrainischer Staat" gewesen).

Im Grunde gibt es eine Kombination verschiedener Elemente:

1) Auseinanderentwicklung zwischen den westlichen Ausläufern der Rus´und den Zentralfürstentümern zeigt sich erstmals, als die Mongolen einen Teil der Rus´ unterwerfen, aber die Fürstentümer im Westen nicht.
Das hat mehrere Folgen: die nordwestlichen Fürstentümer werden allmählich von den Litauern unterworfen- das Fürstentum Galytsch (etwa die heutige Westukraine um Lviv) macht sich selbständig, der Fürst erhält vom Papst eine Krone (Mitte 13. Jh). Ca. ein Jahrhundert später wird das Gebiet dann von Polen unterworfen, mit der Personalunion von 1386 kommen dann die litauischen und polnischen Eroberungen unter eine Hand. (Ein Effekt ist die Einsetzung eines eigenen orthodoxen Patriarchen, später dessen Unterwerfung unter den Papst- Entstehung der Griechisch-Katholischen Kirche)

2) Der Begriff "ukraina" heißt ursprünglich nicht mehr als "Grenzland" (ähnlich der "krajina" in Kroatien)- Grenze zwischen dem Großfürstentum Moskau ("Rußland"), dem Kgr. Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich. Hier kommen Tataren und flüchtige russische Bauern zusammen (die Leibeigenschaft setzt sich zu dieser Zeit in Moskau durch); die Kosaken entstehen (ab Ende 16. Jh.). Deren Hetmanat wird zunächst aufgeteilt zwischen Polen-Litauen und Moskau, letztlich von von Rußland ("rossija" erstmals unter Peter d. Gr.) annektiert- allerdings vollständig erst mit den polnischen Teilungen.

3.) Die Entsehung des Nationalismus im 19. Jh. Intellektuelle sammeln Geschichten, Lieder usw. in der von ihnen so definierten Volkssprache. Die Geschichte der Fürstentümer und Kosaken wird re-konstruiert als ukrainische Geschichte (ähnliches passiert etwa zur gleichen Zeit bei den Balten, Finnen, Turkvölkern usw.). Inwieweit diese so konstruierte Nationalität real populär ist, ist umstritten (man bedenke, dass der Großteil der Bevölkerung aus Bauern besteht, die kaum je ein Buch gesehen geschweige denn gelesen haben). In den Jahren 1918-20 gibt es mehrere egierungen, die beanspruchen die Ukraine zu vertreten, die aber tatsächlich nur kleine Teile des Landes kontrollieren, wenn überhaupt (die Fronten des Bürgerkriegs verschieben sich ständig).

4.) Mit Schaffung der "Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik" wird die ukrainische Nationalität erstmals institutionell anerkannt. In den 1920ern Politik der "korenizacija", einheimische Eliten werden in Führungspositionen berufen, Ukrainisch wird erstmals offiziell in Schulen gelehrt. (Mitte der 30er Jahre werden allerdings viele eliminiert, die 60er und 700er Jahre erleben erneut eine "Ukrainisierung". Pauschal zu sagen, die Sowjetmacht habe die ukrainische Nation unterdrückt, ist also falsch- tatsächlich hat sie zu ihrer Konstruktion wesentlich beigetragen.

5.) Auf Grundlage der so konstruierten Nationalität werden spezifisch ukrainische Geschichtsmythen entwickelt- an erster Stelle die These, Stalo habe die Ukrainer "ausrotten" wollen (de facto betraf die Hungersnot Anfang der 1930er alle Getreideanbauregionen der Sowjetunion aufgrund der brutalen und überhasteten Kollektivierung)
Unangenehme Fakten der ukrainischen Geschichte werden dagegen verdrängt (anfängliche Zusammenarbeit ukrinischer Nationalisten mit den Deutschen 1941, Antisemitismus in der Ukraine mit Pogromen und Hiwis für deutsche Sondereinsatzgruppen)

et voila: 1991 erlebt die ukrainische Nation ihre "Wiedergeburt" -obwohl es faktisch die Verlängerung der Entwicklungen der Sowjetzeit ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Superbeitrag Saint-Just! Vor allem das Nichterobern durch die Mongolen find ich spannend. Das dadurch die Kiewer Rus getrennte Wege der Geschichte nahm.
Wie ist eigentlich das Volk der "Ruthenen" einzuordnen? Als Ruthenen wurden in der Monarchie die griechisch-katholischen, ukrainischen Bewohner Galiziens und Lodomeriens bezeichnet. Wenn ich mich nicht irre ist dieser Teil der Ukraine rund um Lemberg/Lwow ja erst nach 45 zur Ukraine gekommen. (Nach dem Zusammenbruch der Monarchie fiel Galizien ja an Polen und ein Zipfel sogar an die Tschechoslowakei).

Gab es Zusammenhänge mit dem "nationalen Erwachen" der Ruthenen in der Monarchie und der "Nationenwerdung" der Ukraine im 19. Jhdt.?

Und wie wurden die Grenzen der Sowjetrepublik Ukraine bzw. des heutigen Landes gebildet? Denn man kann ja schon sagen dass es Riesenunterschiede zwischen West- und Ostukraine gibt (in der Ostukraine lebt ja der Großteil der russischen Minderheit, nicht?)
 
Repo schrieb:
Eigentlich komisch, Weißrußland, die Slowakei, die Ukraine, die Slowenen sind doch alle erst die letzten 15 Jahre erstmals in ihrer Geschichte zu einem eigenen Staat gekommen.
Die Gründe werden unterschiedlich sein, kann man aber unterstellen, dass "Das Selbstbestimmungsrecht der Völker" vor meintwegen 1850 nicht die Rolle spielte?

Frage sich Repo
Die heutige Republik Slowenien umfasst mehr oder weniger das Herzogtum Krain, eines der Kronländer der Monarchie. Krain wurde im 11. Jhdt. als Markgrafschaft vom alten Herzogtum Karantanien (Vorläufer des heutigen Kärntens) abgetrennt. Ab dem 14. Jhdt. gehörte Krain den Habsburgern und bildete gemeinsam mit Kärnten und Steiermark "Innerösterreich" (ca. 200 Jahre von einer selbständigen Nebenlinie regiert die beide Male die Hauptlinie beerbte) mit der Hauptstadt Graz.
Nach 1918 wurden aus der slowenischen Untersteiermark rund um Marburg/Maribor, einigen Kärntner Gebieten und dem Herzogtum Krain der slowenische Teilstaat des SHS-Staates gebildet.
Im 19. Jhdt spielte sich daher die slowenische nationale "Wiedergeburt" hauptsächlich in Krain und in dessen Hauptstadt Laibach/Lubljana ab.

Wie auch der Rest der Monarchie war auch dieser Teil aber ein ethnischer Fleckerlteppich - dies machte ja eine nationale Aufteilung der Monarchie so gut wie unmöglich.

Aber eigentlich passt das ja alles nicht zum Thema Ukraine, schlage daher einen eigenen Thread vor!
 
Rovere schrieb:
Wie ist eigentlich das Volk der "Ruthenen" einzuordnen? Als Ruthenen wurden in der Monarchie die griechisch-katholischen, ukrainischen Bewohner Galiziens und Lodomeriens bezeichnet. Wenn ich mich nicht irre ist dieser Teil der Ukraine rund um Lemberg/Lwow ja erst nach 45 zur Ukraine gekommen. (Nach dem Zusammenbruch der Monarchie fiel Galizien ja an Polen und ein Zipfel sogar an die Tschechoslowakei).

Ruthenen=älterer Name für (West-)Ukrainer.
Lwow/Lviv/Lemberg (was immer man will) war im Mittelalter Teil des Fürstentums Galytsch-Wolhynien, kam dann unter polnische, mit der 2. polnischen Teilung unter österreichische Herrschaft). Im 1. WK ganz kurz (1915) von den Russen erobert und annektiert. Dann Teil Zwischenkriegspolens, und ab 1945 der Sowjetunion. Bis Anfang der 50er Jahre gab es in dem Gebiet antisowjetische Partisanen und Stepan Bandera (noch aus Weltkriegszeiten, dieselben die ursprünglich mit den Deutschen zusammenarbeiten wollten).

Rovere schrieb:
Gab es Zusammenhänge mit dem "nationalen Erwachen" der Ruthenen in der Monarchie und der "Nationenwerdung" der Ukraine im 19. Jhdt.?

Beides war Teil desselben Prozesses. Die Westukraine war dabei um einiges weiter als die russischen Gebiete. Grund war im wesentlichen, dass die Nationalitätenpolitik der Habsburger liberaler war als im Zarenreich (wo z.B. ukrainische literarische Gesellschaften aufgelöst wurden)

Rovere schrieb:
Und wie wurden die Grenzen der Sowjetrepublik Ukraine bzw. des heutigen Landes gebildet?

Bei der Grenzziehung Anfang der 20er Jahre wurden auch große eindeutig russische Gebiete der Ukraine zugeschlagen (auch die damalige Hauptstadt Charkow lag in dem Gebiet). Wahrscheinlich wollte man die ukrainische Intelligenz durch großzügige Grenzen gwinnen (These), außerdem hat man zu dieser Zeit ohnehin erwartet, dass im Laufe der Zeit noch weitere Staaten der Union beitreten werden (Polen, Deutschland, Ungarn ...), die Grenzen wurden also nicht allzu hoch bewertet
1945 kam noch die Westukraine hinzu, 1954 der russisch-ukrainische Zankapfel Krim.

Rovere schrieb:
Denn man kann ja schon sagen dass es Riesenunterschiede zwischen West- und Ostukraine gibt (in der Ostukraine lebt ja der Großteil der russischen Minderheit, nicht?)

Mir scheint, die postsowjetische Ukraine ist sehr zersplittert. Westukrainer mögen Ostukrainer nicht und umgekehrt, Ostukrainer wären lieber Russen, desgleichen die Einwohner der Krim .
Mir ist ohnehin völlig unklar, was die "ukrainische Nation" eigentlich definieren soll ... Sprache ist ein Dialekt des Russischen, Geschichte ist teilidentisch mit der russischen, polnischen, österreichischen ... und zeitweise wäre die Mehrheit der Ukrainer für die Wiederherstellung einer Art Union mit Rußland gewesen
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr, sehr interessant das alles!

Was ich noch gerne wissen würde ist die Sichtweise der Kiewer. Kiew ist ja die Wiege der russischen Kultur und Geschichte. Alexander Newski, der russische Nationalheld, war ja Großfürst von Kiew.

Wie sehen das die Kiewer? Und die Russen? Es ist ja auch kein Zufall dass Mussorgsky, Mitbegründer einer russischen Nationalmusik, in seinem großem Werk "Bilder einer Ausstellung" einen Satz dem "großen Tor von Kiew" gewidmet hat.

Die Kiewer sind ja nun wohl beides - einerseits Bewohner der historischen Haupt- und Ursprungsstadt Russlands, andererseits Hauptstädter der Ukraine.
 
Saint-Just schrieb:
Bei der Grenzziehung Anfang der 20er Jahre wurden auch große eindeutig russische Gebiete der Ukraine zugeschlagen (auch die damalige Hauptstadt Charkow lag in dem Gebiet). Wahrscheinlich wollte man die ukrainische Intelligenz durch großzügige Grenzen gwinnen (These), außerdem hat man zu dieser Zeit ohnehin erwartet, dass im Laufe der Zeit noch weitere Staaten der Union beitreten werden (Polen, Deutschland, Ungarn ...), die Grenzen wurden also nicht allzu hoch bewertet

Hätte man damals gewußt, daß diese - mehr oder weniger - reinen Verwaltungsgrenzen, mal Staatsgrenzen werden könnten, hätte man bestimmt weniger großzügig, bzw. gedankenlos gehandelt. ;)
 
Naja, die Abschaffung des sowjetischen Staates war zwar im Prinzip für die ferne Zukunft angedacht, aber so dann doch nicht :)

Wie die Kiewer das sehen, kann ich schwer beurteilen, da ich (leider) keine kenne. Zumindest kann ich mir gut vorstellen, dass die meisten andere, existenziellere Probleme haben, als die Definition ihres Nationalgefühls ..
Dass sich das Ukrainische etwa in der Literatur bislang kaum als anerkannte Sprache durchgesetzt hat, spricht jedenfalls nicht für begeisterten Patriotismus.

Für die Russen war das Referendum vom 1.12.1991 (das über die Unabhängigkeit der Ukraine entschied) ein echter Schock .. damit hatte bis zuletzt niemand gerechnet ... außerdem einer der letzten Sargnägel der Sowjetunion. Die Russen haben meines Wissens Kiew eigentlich immer als russische Stadt betrachtet und die Ukraine als eigene Nation nie so recht ernst genommen ...

(PS: Newski war wahrscheinlich nie in Kiew, das Zentrum des Großfürstentums hatte sich damals auch schon nach Wladimir verlagert)
 
Saint-Just schrieb:
Bei der Grenzziehung Anfang der 20er Jahre wurden auch große eindeutig russische Gebiete der Ukraine zugeschlagen (auch die damalige Hauptstadt Charkow lag in dem Gebiet). Wahrscheinlich wollte man die ukrainische Intelligenz durch großzügige Grenzen gwinnen (These),
...oder das russische Moment in den rein administrativen Grenzen stärken? (noch ne These ;) )

Was die Grenzziehung betrifft, gebe ich noch zu bedenken, daß auch ukrainischsprachige Gebiete im Nordkaukasus (z.B. das Kubangebiet) eben nicht einbezogen wurden.
 
Saint-Just schrieb:
Bei der Grenzziehung Anfang der 20er Jahre wurden auch große eindeutig russische Gebiete der Ukraine zugeschlagen (auch die damalige Hauptstadt Charkow lag in dem Gebiet). Wahrscheinlich wollte man die ukrainische Intelligenz durch großzügige Grenzen gwinnen (These), außerdem hat man zu dieser Zeit ohnehin erwartet, dass im Laufe der Zeit noch weitere Staaten der Union beitreten werden (Polen, Deutschland, Ungarn ...), die Grenzen wurden also nicht allzu hoch bewertet

Die Grenzziehung erfolgte meiner Kenntnis nach eigentlich schon 12.1917 (Friede von Brest-Litowsk) es war damit bloss eine Übernahme der bestenden Grenzen; bis 04.1919 war die Ukraine ja unabhängig.

Diese Grenzen entsprachen auch im Wesentlichen der damaligen Bevölkerungsverteilung; eigentlich waren auch weiter östlich/südlich gelegene Teile noch mehrheitlich ukrainischsprachig (Kuban/Voronez) der Donbas wurde ja erst anschließend von Stalin industrialisiert, was nach den Hungerjahren zu einer Immigration aus Russland führte.
Kurz gesagt haben sich eigentlich die Gebiete der Kosaken (Saporog) und der polnisch/litauische Teil auf der einen und das Chanat der Krim auf der andern Seite sprachlich anders entwickelt wie das russische Reich.
Lag vielleicht daran, dass Moskau sowohl mit den Polen/Litauern wie auch den Tataren (seit 1475 Osmanen) fast ständig im Clinch lag und sich somit kaum Beziehungen ergaben. Es gab also eine partielle Bevölkerungstrennung von 1223 bis 1773; ausreichender Zeitraum für eine sprachliche Differenzierung.

Saint-Just schrieb:
Mir scheint, die postsowjetische Ukraine ist sehr zersplittert. Westukrainer mögen Ostukrainer nicht und umgekehrt, Ostukrainer wären lieber Russen, desgleichen die Einwohner der Krim.

Nun wie gesagt: der eine Teil wurde von den Russen befreit, der andere 1667 bzw 1773 (Saporog), 1793 (1. polnische Teilung) erobert...
Die Krim ist mit ihrem früheren Bevölkerungsgemisch natürlich ein Sonderfall. Sie wurde erst nach dem 1. WK mehrheitlich von Russen besiedelt.

Saint-Just schrieb:
Mir ist ohnehin völlig unklar, was die "ukrainische Nation" eigentlich definieren soll ... Sprache ist ein Dialekt des Russischen, Geschichte ist teilidentisch mit der russischen, polnischen, österreichischen ... und zeitweise wäre die Mehrheit der Ukrainer für die Wiederherstellung einer Art Union mit Rußland gewesen


Frag' mal einen Flamen, ob er nicht eigentlich Niederländer ist!
Viel Spass :winke:
 
Enginger schrieb:
Frag' mal einen Flamen, ob er nicht eigentlich Niederländer ist!
Viel Spass :winke:
Dann frag auch gleich einen Niederländer, ob er vielleicht Deutscher sei... =)

Zur Grenzziehung von Brest-Litowsk. Diese weicht durchaus von der heutigen ab, z.B. im Norden. Auch gehörte die mehr russische als ukrainische Krim (jedenfalls in jenen Tagen) am Anfang der SU nicht zur Ukraine. Sie war eine Art "Geschenk" von Stalin so weit ich mich entsinne.
 
Saint-Just schrieb:
Wie die Kiewer das sehen, kann ich schwer beurteilen, da ich (leider) keine kenne. Zumindest kann ich mir gut vorstellen, dass die meisten andere, existenziellere Probleme haben, als die Definition ihres Nationalgefühls ..
Dass sich das Ukrainische etwa in der Literatur bislang kaum als anerkannte Sprache durchgesetzt hat, spricht jedenfalls nicht für begeisterten Patriotismus.

immerhin gibt es einen
panukrainischen Rat "für den Schutz und die Förderung der geistlichen und religiösen Werte" in Kiew .
Papst Johanes Paul II. hat bei seinem Kiewer Besuch 2001 auf Einladung des Rates gesprochen und einen großen religionsgeschichtl. Bogen gespannt.
 
Repo schrieb:
Eigentlich komisch, Weißrußland, die Slowakei, die Ukraine, die Slowenen sind doch alle erst die letzten 15 Jahre erstmals in ihrer Geschichte zu einem eigenen Staat gekommen.
Die Gründe werden unterschiedlich sein, kann man aber unterstellen, dass "Das Selbstbestimmungsrecht der Völker" vor meintwegen 1850 nicht die Rolle spielte?

Frage sich Repo

Für Weissrussland und Slowenien mag das zutreffen. Die Slowakei hatte m.W. eine oder zwei kurze Phasen der nationalen Eigenständigkeit (z.B. während des 2. WK).

Die Ukraine sieht dagegen das Reich der Jagellonen als nationalen Vorläufer an. Kurz nach dem 1. WK gab es auch eine kurzlebige Ukrainische Republik unter Petljura, die aber schnell zwischen den Bolschewicki und den Polen zerrieben wurde.

Erstaunlich ist übrigens, dass die Kosaken zwar als Teil der ukrainischen Geschichte und Identität gelten, jedoch nicht gleichbedeutend mit dieser. Die Kosaken bildeten immer ein eigenständiges Wesen innerhalb der Ukraine, stärker verbunden mit anderen Kosaken als mit den restlichen Ukrainern und niemanden etwas schuldig als der eigenen Hundertschaft und eventuell dem Zaren.
 
Tekker schrieb:
Dann frag auch gleich einen Niederländer, ob er vielleicht Deutscher sei... =)

Da bekommst Du jedenfalls eine eindeutige Antwort; im ersten Fall eben nicht.;)

Tekker schrieb:
Zur Grenzziehung von Brest-Litowsk. Diese weicht durchaus von der heutigen ab, z.B. im Norden.

:hoch:

Tekker schrieb:
Auch gehörte die mehr russische als ukrainische Krim (jedenfalls in jenen Tagen) am Anfang der SU nicht zur Ukraine. Sie war eine Art "Geschenk" von Stalin so weit ich mich entsinne.

Stalin hat für die Umsiedlung der Krimtataren gesorgt; sie war wahrscheinlich Teil der Ukraine in der kurzen Zeit der Republik, aber die Krim war nunmal ein buntes Völkergemisch damals. Das sie zu Zeiten der SU sofort wieder zu Russland kam hatte militärische Gründe.
Ähnlich gelagerter Fall: Kaliningrad :still:
 
arch-angelsk schrieb:
nein, von chrustchev, der ukrainer war.

Ups, sorry, dann hatte ich das falsch im Kopf. Danke für die Verbesserung. :p


Enginger schrieb:
...aber die Krim war nunmal ein buntes Völkergemisch damals.

Natürlich, da hast du Recht, Deutsche, Tartaren, Russen, Ukrainer, um nur diese zu nennen. Was ich sagte, war lediglich, daß es mehr Russen als Ukrainer waren. ;)

Enginger schrieb:
Ähnlich gelagerter Fall: Kaliningrad

Also ob man Ostpreußen so einfach mit der Krim vergleichen kann, ich weiß nicht recht... :grübel:
 
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