Geschichte der Ukraine

Die Krim war 1918-20 eigenständige Repubik der Krimtataren, wurde dann kurzfristig von den Weißgardisten besetzt (1920), und nach Eroberung durch die Rote Armee eine "Autonome sozialistische Sowjetrepublik der Krimtataren" gegründet- diese war Teil der RSFSR (also Rußlands). Die ASSR wurde dann 1944 gewaltsam aufgelöst und die Krim direkt Rußland unterstellt. Seitdem die die Bevölkerung der Halbinsel mehrheitlich russisch (die Tataren verteilen sich heute über sämtliche ehemaligen Sowjetrepubliken). 1954 übertrug Chruschtschow sie dann der Ukrainischen SSR (zur 300-Jahr-Feier des Vertrags von Perejaslawl: der der Hetman der Saporoger Kosaken hat 1654 einen Bündnisvertrag mit dem Zaren geschlossen, den Moskau als Anschluß an das Zarenreich interpretiert hat). Grundlage dürfte gewesen sein, dass man nach den Repressionen der Stalin-Ära die Ukrainer für das sowjetische Projekt zurückgewinnen wollte (immerhin zweitgrößte Ethnie der Union).

@Arcimbaldo: ist bekannt welche zusammensetzung der panukrainische rat hat? (an Großkirchen hat die Ukraine ja keinen Mangel)
 
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Passt grad gut dazu:
Mit dem Kunstprojekt "Die Czernowitzer Austria" soll ein altes Symbol der Habsburger-Monarchie in die Zeit der EU transferiert werden. Czernowitz war eins Hauptstadt des Kronlandes Bukowina und liegt heute in der Ukraine.
 
Über die Ukraine haben wir bereits im Jahr 2006 ausführlich diskutiert, sodass ich diesen Thread angesichts der aktuellen Ereignisse erneut ins Gedächtnis rufen möchte.

Problematisch ist die Tatsache, dass es eine ukrainische Identität erst sehr spät gibt und ein ukrainischer Staat eine ganz junge Erscheinung ist. In einem anderen Thread habe ich dazu gesagt:

"Der Begriff Ukraine taucht im 12. Jh. erstmals auf als Bezeichnung für die südlichen Teile der Kiewer Rus. Von einer ukrainischen Nation ist frühestens seit dem 19. Jh. die Rede und es gab auch bis zum 1. Weltkrieg keinen südrussischen Staat, der den Namen Ukraine trug.

Dazu passt, dass sich eine eigenständige ukrainische Sprache erst seit dem 18. Jh. entwickelte, die dann auch als Schriftsprache und in der Literatur Bedeutung gewann.

Demnach hat sich eine eigene ukrainische Identität, die auch im Volk verankert war, erst spät entwickelt und man kann dafür kein genaues Datum festlegen. Ich würde sagen, dass sich eine solche Identität im 19. Jh. herausbildete, was dann 1917/18 zur Unabhängigkeit der Ukraine führte, die freilich nicht lang währte.

Fazit: Eine eigenständige Identität der ukrainischen Bevölkerung gab es frühestens seit dem 17./18. Jh. und auch in dieser Epoche lediglich bei den oberen Gesellschaftsschichten wie dem Adel. Im breiten Volk kann man eine ukrainische Identität wohl erst seit dem 19. Jh. vermuten, möglicherweise sogar noch später, d.h. nach Ausrufung der Ukrainischen Volksrepublik 1917/18, die leider nur kurze Zeit souverän blieb.

Ausgangspunkt der ukrainischen bzw. ruthenischen Ethnie und Identität sind wohl das Kosakentum und die freien Wehrbauern an der südrussischen Grenze, eine Region, die folglich auch Ukraina hieß, d.h. Grenzland. Aufgrund der großen Zerrissenheit des Landes, das über Jahrhunderte zwischen Polen, Russland und dem Osmanischen Reich umkämpft und geteilt war, hat sich diese ukrainische Identität erst spät entwickelt."
 
Zur Geschichte gehören auch die zahlreichen Pogrome gegen Juden, die im zaristischen Russland größtenteils auf dem Gebiet der Ukraine stattfanden. 1881 Kirowohrad, Kiew; 1882 Balta; 1883 Jekaterinoslaw, Nowomoskowsk, Krywyj Rih …
 
Dazu passt, dass sich eine eigenständige ukrainische Sprache erst seit dem 18. Jh. entwickelte, die dann auch als Schriftsprache und in der Literatur Bedeutung gewann.
Zu Beachten ist hier, dass es nicht eine, sondern mindestens zwei Geschichten der Ukraine gibt.
Die Ostslawen in der Doppelmonarchie Polen-Litauen nannte man Ruthenen. Der Wortstamm ist der gleiche wie bei Rus bzw. Russen. Am Zarenreich, ausgehend von Moskau, hatten sie erstmal keinen Anteil.

Die Ruthenen innerhalb von Polen-Litauen bildeten (mindestens) zwei Identitäten heraus, die im Laufe der Jahrhunderte miteinander konkurrierten: Die Kleinrussische und die Ukrainische. Im Grunde sind das zwei Bezeichnung für das gleiche Volk. Es gibt aber einen großen semantischen Unterschied. Die kleinrussische Identität betont Brudervolk der Großrussen zu sein, während die ukrainsiche Identität die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit betont.

Eine entscheidende Wendung des Verhältnis zum Zarenreich war den Vertrag von Perejaslaw. Die Saparoger Kosaken schlossen sich nun dem russischen Zaren an, während die westlichen Teile der Ukraine weiterhin und polnisch-litauischer Herrschaft verblieben.
Die Ukraine war fortan geteilt in die linksufrige- und rechtsufrige Ukraine. Die Grenze bildete der Dnepr. Heute ist der Dnepr ungefähr die Sprachgrenze zwischen Russisch und Ukrainisch.

Andere ruthenische Gruppen, insbesondere die außerhalb des kurzlebigen Nationalstaates und der Sowjet-Union. haben weder die russische, noch ukrainische Identität angenommen.
 
Nach dem zerfall des reiches der Kiever Rus entwickelten sich die unterschiedlichen Regionen auch unterschiedlich. Die Nachfahren der Rus im Gebiet der heutigen Ukraine unterstanden dann später dem Fsm. Hatytsch, Kiev oder den nogaischen Tataren und dann im wesentlichen Litauen bzw. Polen-Litauen (erst dem litauischen, dann dem polnischen Teil). Im SE kam es dann noch zur herausbildung eines Kosackenstaates und ganz im Süden war auch das Osmanische Reich vertreten. Dies alles führte zu einer eigenen "Ethnogenese", ohne daß man sagen kann, daß sich auch wirklich ein eigenes ukrainisches Volk bildete. Bis ins 19. jahrhundert verstand man sich schlicht als Ruthenen, im offiziellen Sprachgebrauch des Zarenreiches sah man sie als Kleinrussen. Wie auch im Rest Europas, brachte auch hier das 19. Jahrhundert und sein romantisierender Nationalismus die Idee eines eigenen ukrainischen Volkes auf. Doch erst das 20. Jahrhundert führte schließlich zumindst bei Teilen, zu einem eigenen ukrainischen Nationalbewußtsein.
 
Dies alles führte zu einer eigenen "Ethnogenese", ohne daß man sagen kann, daß sich auch wirklich ein eigenes ukrainisches Volk bildete. .

Das ist der springende Punkt: Ein "ukrainisches Volk" mit eigener unverwechselbarer Identität hat sich frühestens im 19. und konkret erst im 20. Jh. herausgebildet. Die Basis der modernen ukrainischen Schriftsprache entstand erst im Verlauf des 19. Jh., und das auch nur im westlichen Teil der Ukraine - in Galizien -, das als Folge der polnischen Teilungen zu Österreich gehörte. Im Osten der Ukraine sprach nur etwa rin Drittel der ethnischen Ukrainer die ukrainische Muttersprache.

Somit ist die Ukraine ein sehr junger Staat und muss zusätzlich noch mit den Problemen ethnischer und sprachlicher Spaltung kämpfen.

Bei der Gelegenheit noch eine Frage: Wie nah stehen sich Ukrainisch und Russisch? Kann ein Russe einen Ukrainer relativ problemlos verstehen? Ist Ukrainisch nahezu ein Dialekt des Russischen? Vielleicht weiß jemand mehr darüber.
 
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Ich bin kein Sprachen Experte.
Soviel ich weis, nennt man diese Sprache auch „kleinrussische Sprache“.
Ukrainische Sprache ist eine ostslawische Sprache mit dem Zentrum Kiew.

Habe mal in meinen Büchern nachgeschaut.

„Die Grenze der ukrainischen Sprache zur polnischen Sprache ist unscharf, zur (groß) russischen Sprache ist sie trotzt verschiedener Übergangserscheinungen deutlicher.
Die neuere Entwicklung der ukrainischen Literatursprache ist vor allem von T. Schewtschenko und I. Franko, den bedeutendsten ukrainischen Dichtern, beeinflusst.“

Meyers Neues Lexikon, 1964.
 
Somit ist die Ukraine ein sehr junger Staat und muss zusätzlich noch mit den Problemen ethnischer und sprachlicher Spaltung kämpfen.
Dieser Satz spricht die ganze Gefährlichkeit aus.
Nur so: Katharina II. war es, welche die Krim für ewig zu Russland gehörig erklärte. Sie brachte aber auch eine während des Unabhängigkeitskrieges der USA gegen England gerichtete Koalition für bewaffnete Neutralität zum Schutz des neutralen Handels zustande.
Rhetorisch: Welches Problem haben die USA mit der Krim? Das ist nicht Kuba.
 
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Bei der Gelegenheit noch eine Frage: Wie nah stehen sich Ukrainisch und Russisch? Kann ein Russe einen Ukrainer relativ problemlos verstehen? Ist Ukrainisch nahezu ein Dialekt des Russischen? Vielleicht weiß jemand mehr darüber.

Ein Ukrainischer Freund der beides Spricht, erklärte mir einst, es wäre vergleichbar mit Hoch- und Niederdeutsch, bzw. Holländisch. Man kann sich mit Mühe verständigen, es sind jedoch deutlich unterschiedliche Sprachen. In seinem Heimatort gab es zu Sowjetzeiten eine einzige Schule die Ukrainisch unterrichtete währen die meisten es nur auf Russisch taten. Die Sprache verbreitete sich erst nach der Unabhängigkeit wieder in verstärkten Maße, wenn auch unterschiedlich stark je nach Gegend.

Übrigens lebt die größte ukrainische Auslandsgemeinde in Kanada seit dem späten 19. bzw. frühen 20 . Jahrhundert und die Sprache hat sich dort in größerer Reinheit erhalten als in der ehemaligen SU. Deshalb hat man nach der Unabhängigkeit sich nach der dort gesprochenen Variante gerichtet um das Ukrainische im eigenen Lande zu erneuern und den Wortschatz wiederherzustellen, da dieser sehr stark duch russische Begriffe durchsetzt war.
 
Vor Jahren sahen meine Lebensgefährtin und ich den Film Lichter, der an der deutsch-polnischen Grenze spielt und in dem mehrere Geschichten parallel nebeneinander laufen, u.a. kommen auch Ukrainer vor. Der Film ist dreisprachig, deutsch, polnisch und ukrainisch. Meine Lebensgefährtin verstand die Ukrainer mühelos. Russisch versteht sie dagegen nicht.

Mit den Erfahrungen von bdaians Freund kann man also erahnen, dass es sich um ein Dialektkontinuum handelt und wie ein solches funktioniert.
 
Das Verbreitungsgebiet der hoch- und niederdeutschen Dialekte war scharf abgrenzt durch die Bennrather Linie. Eine solche geografische Grenze zwischen ukrainischem und polnischem Grenzraum gab es in der Vergangenheit nicht. Vor der Westverschiebung Polens und den damit verbundenen Vertreibungen siedelten Ukrainer und Polen wild durcheinander. Vor dem 2. Weltkrieg war Lemberg eine Stadt mit mehrheitlich polnischer Bevölkerung. Die anderen Städte in der westlichen Ukraine hatten ebenfalls eine polnische oder jüdische Bevölkerungsmehrheit, während auf dem Lande die Ukrainerdie Mehrheit bildeten. Nach dem 2. Weltkrieg und der Vertreibung der dortigen Polen wurden in der Stadt wiederum Ukrainer angesiedelt, die aus Polen vertrieben wurden. So wurde die westliche Ukraine erstmals ein Gebiet mit ethnisch einheitlicher Bevölkerung.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass zwei derart ähnliche Sprache nebeneinander im gleichen Gebiet existieren können, ohne quasi identisch zu werden. Besonders verwirrt mich dann noch die Tatsache, dass der stark ukrainisch beeinflsste Lemberger Dialekt der polnischen Sprache auch noch besonders populär und einflussreich war.
Während die ukrainische Schriftsprache im 19. Jahrhundert im russischen Zarenreich verboten war, blühte die ukrainische Literatur in Lemberg.

Schon aufgrund der unterschiedlichen Alphabete sind polnische und ukrainische Schriftsprache leicht zu unterscheiden, in einer Gesellschaft, die bis ins 20. Jahrhundert mehrheitlich aus Analphabeten bestand, dürfte das aber kaum eine Rolle gespielt haben.
 
Hallo zusammen. :winke:

ich möchte an dieser Stelle hier auch noch mal eine Frage einwerfen, die sich mir nicht zuletzt vor dem Hintergund der aktuellen Krise um die Ukraine stellte.

Ich habe vor kurzem gelesen, dass Stalin ungefähr im Zeitraum um die Kollektivierung und der Hungersnot unter anderem im Osten der Ukraine Russen ansiedeln ließ, um einige Regionen zu kontrollieren.

Ich kenne zwar auch das Buch von Robert Conquest, der ja, so weit ich mich erinnere, die These vertrat, Stalin beabsichtigte die ukrainische Nationalbewegung zerschlagen wollte, aber von so einer Umsiedlungsmaßnahme habe ich bislang noch nie etwas gehört. :grübel:

Weiß hier zu diesem Punkt vielleicht jemand genaueres und kann mir dazu eventuell Quellen empfehlen?

Vielen Dank im voraus.
 
Heranziehen kann man die umfangreichen demographischen Analysen in France Meslé/Jacques Vallin: Mortality and Causes of Death in 20th-Century Ukraine.

Demnach sind 1933/39 etwa 400.000 Deportationen in andere Landesteile und 530.000 Deportationen in Gulags außerhalb der Ukraine erfolgt. Einen wesentlichen Zuzug aus Teilen der SU außerhalb der Ukraine hat es nach deren Analysen nicht gegeben.
 
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