Geschichte der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik

BerndHH

Aktives Mitglied
Guten Morgen zusammen,

kennt sich jemand näher mit der Geschichte der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (Беларуская Савецкая Сацыялістычная Рэспубліка) in der Zeit 1970 bis Ende der 1980er Jahre aus?

Abgesehen vom Reaktorunglück von Tschernobyl April 1986 und die nachfolgende radioaktive Belastung. Wie sah die Lebensmittelversorgung davor aus, wie stark war die Landwirtschaft, wie lange dauerten die Aufbaumaßnahmen nach dem Dt.-Sowj. Krieg? Kann man sagen, dass es ab den 1970er Jahren vorbei war und sich die Situation der Kriegsschäden normalisiert hatte.

Wie waren die Lebensumstände der Menschen auf dem Lande? Wie standen die Weißrussen zu Moskau, zu der Politik eines Leonid Breschnjew, Juri Andropow, Konstantin Tschernenko? Gab es Autonomiebewegungen, vielleicht i.d. größeren Städten wie Minsk, etc.

Man findet zu dieser Epoche leider überhaupt keine Literatur/Quellen. Vielleicht könnt Ihr dazu mehr sagen. Vielen Dank!
 
Ich stelle mir Belarus i.d. genannten Epoche als eine Art schlafender Binnenstaat vor. Starke militärische Aufrüstung - Fliegerhorste für strategische Tu-95 Bomber - verlegte Panzerarmeen, um auf Spannungen adäquat reagieren zu können aber was war sonst noch prägend in dieser Zeit? Modernisierung der Kolchose-Landwirtschaft? War Belarus autark oder stark auf Rohstoffe anderer Gebiete der UdSSR angewiesen? Weißrussischer Roggen gegen Steinkohle? Wie sah das Leben in der damaligen Zeit aus? Z.B. in den Pripjetsümpfen? Infrastrukturell kaum erschlossen, viele Dörfer vielleicht nur auf dem Wasserweg erreichbar, noch sehr altertümliche Landwirschaft -fern der Fortschritte aus Moskau. All diese Dinge interessieren mich.
 
Da muss ich erstmal wieder meine Erinnerungen auffrischen.

Ende der 90iger war ich ein paarmal in Weißrussland (PKW durch Polen) und auch per Flug.
Meine Stationen:
· Vorrangig Minsk,
· Witebsk (Wizebsk),
· Ein Dorf bei Witebsk. Wie das hieß weiß ich allerdings nicht mehr. Ich erinnere mich nur an einige Häuser die deutsche Kriegsgefangene dort gebaut hatten
· Und dann war ich auch in der Makkaroni Fabrik in Borissow (Baryssau).

Mein Unternehmen wollte in den Dorf bei Witebsk eine Nudelfabrik bauen und ich sollte der Deutsche CEO werden.
Unser weißrussischer Partner, er war auch angehöriger einer Partei, welche es war weiß ich leider nicht, dachte er kann das an Lukaschenko vorbei machen. Ich hatte ihn gewarnt, aber er war klüger.
Jedenfalls, aus unseren Vorhaben wurde nichts.
 
Ja das Stimmt.
Wer weiß schon was über diese Republik...

Zu Sojuszeiten, ich kann mich nicht an Touristen aus der DDR erinnern.
Vielleicht Offizielle, aber Touris in Weißrussland, davon habe ich nie was gehört.
Einmal zur CSSR – Krise (1968 im Sommer).
Wer in Ungarn oder Rumänien bzw. Bulgarien war konnte nicht durch die CSSR zurück in die DDR.
Meinen Bekannten ging es so. Der Zug wurde in die Ukraine und von da nach Weißrussland und dann nach Polen umgeleitet. Bei der Flexiblität der Planwirtschaft kann man sich sicher gut vorstellen was da ablief.

Nach 90ig war ja dann Weißrussland etwas offener.
Ich versuchte einen Bekannten von mir zu begeistern für eine Messe Thüringer Unternehmen in Minsk. Er organisierte solche Messen in einigen Staaten Osteuropas. Aber er schüttelte mit den Kopf. Das Baltikum war für ihm schon ein Risiko. Weißrussland kam für ihn überhaupt nicht in Frage.

Bei mir im Haus zog Ende der 90iger – also nach meinen Aktivitäten – ein junges Ehepaar aus Weißrussland ein. Die waren aus Gomel. Gomel, da ist es nicht weit bis Tschernobyl/Ukraine.

Während meiner Aufenthalte in Weißrussland hatte ich auch immer einen Body bei mir. War ein Fallschirmjäger aus den Afghanistankrieg.
 
Hallo Ralf,

besten Dank für Deine Erinnerungen an diese Zeit und dass Du uns daran teilhaben lässt!
Wie waren Deine Eindrücke damals? Stark militarisierter Staat, hohe Polizeipräsenz oder verliert sich das alles in den Weiten des Landes.
Wie war die Beziehung der Weißrussen zu den Russen? Eher Besatzer, Befreier? Oder waren da von vorn herein autonome Bestrebungen.

Wozu brauchtest Du denn einen Leibwächter? Kriminalität oder Gefahr von Entführungen?

Sorry, viele Fragen von mir aber vielleicht magst Du ja noch etwas erzählen.

Grüße
 
Weißrussland...

War ja immer so eine Art Zankapfel zwischen den katholisch geprägten litauisch-polnischen Einflussbereich und orthodoxen russisch-ukrainischen Bereich.
Ende 18./Anfang 19. Jahrhundert kam dieses Land ja immer mehr zu Russland.
1920 dann die BSSR (Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik).

Bela = Weiß und Rus = Name des mittelalterlichen ostslawischen Herrschaftsgebiets.

Sowjetrepubliken…
Ursprünglich gabs 4, dann mal 16 und zuletzt zum Untergand 15 solche Republiken. Eine davon Belarus.

Was dort In BSSR im Moment abläuft weiß ich auch nur aus den hiesigen Medien. Würde aber nicht hierher ins Forum gehören.

Wir wollten uns Mitte der 90iger neuaufstellen.
Und da hatten wir 3 Maschinen aus der Schweiz mit Baujahr 1972/1973 mit einer Gesamtkapazität von rund 19.000 t/Jahr frei.

Wir kauften Neu in der Schweiz die neuste Generation von Nudelmaschinen (Turbothermatik) bei gleichzeitiger Steigerung der Kapazität. Die Steigerung der Kapazitä war dringend notwendig.

Es ergab sich das junge Unternehmer aus Weißrussland diese Maschinen kaufen wollten. Damit war die Idee eines Join Venture Gemeinschaftsunternehmen geboren.

Die Weißrussen kamen nach Erfurt, bauten die Maschinen ab. In Witebsk hatten wir ein Ing.-Büro beauftragt zur Erarbeitung der Dokumentationen.

Das Join Venture Verlief dann aber leider im Sand.

Man hätte Herrn Lukaschenko einbinden sollen.

Während den Gesprächen in Minsk im Büro des Partners hielt sich bei seiner Sekretärin immer ein Mann auf. Er kam aus dem Büro des Präsidenten. Er war aber nicht mit am Verhandlungstisch. War wohl so eine Art Beobachter.

Ansonsten...

Ich hatte nie den Eindruck in einen Land zu sein, was autoritär/diktatorisch regiert wird.

Wir unterhielten uns auch über Politik wenig, um nicht zu sagen überhaupt nicht.
War auch nicht unser Ding, wir wollten dort Nudeln produzieren.

Mein Eindruck...

Wir sind überall höflich und freundlich behandelt worden.
Nur einmal Blickte ich direkt in die Mündung einer Maschinenpistole.

Das war auf dem Weg von Minks nach Witebsk. Unser PKW wurde auf den Highway gestoppt. Wahrscheinlich war es der PKW typ, es war ein neuer 5er BMW. Nach kurzen Gespräch gab man aber den Weg frei.
 
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Ansonsten...
Ich hatte nie den Eindruck in einen Land zu sein, was autoritär/diktatorisch regiert wird.
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Wir sind überall höflich und freundlich behandelt worden.
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Das war auch mein Eindruck als ich dort unterwegs war.
Alle waren sehr nett und wir erlebten keinerlei Einschränkungen. Die Shoppingzenter sind voller (West-)Waren und für uns ist alles sehr preiswert zu haben.

Gruss Pelzer
 
Ich kenne mich mit der weißrussischen Geschichte nicht besonders gut aus. Besonders aufgefallen ist mir aber die hohe Bevölkerungskontinuität in Weißrussland im 20. Jahrhundert - verglichen mit Nachbarländern wie der Ukraine, Lettland, Litauen, Polen usw.
Jedenfalls gab es in Weißrussland keine groß angelegte Umsiedlungs- und Vertreibungspolitik in kommunistischer Zeit - abgesehen natürlich von Tschernobyl, aber da waren die Gründe ganz anders.

Als nach der "Westverschiebung" Polens ehemalige Teile Polens an die Weißrussische Sowjetrepublik fielen, hat man dort anders als z.B. in der Ukraine auf einen gewaltsamen Bevölkerungstausch (Vertreibung) verzichtet. So blieb die ethnische und religiöse Heterogenität der Bevölkerung in Weißrussland weitgehend erhalten.
 
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