Geschichte, Zeitgeist und Ethik

Terranigma

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Der ursprüngliche Grund warum ich mich im Forum angemeldet ist, weil mir eine Frage seit Monaten Kopfschmerzen bereitet. Aktuell besuche ich diverse Veranstaltungen zu dem Thema Kirchengeschichte im Mittelalter und lese u.a. - nebst diverser Sekundärliteratur - die angenehm umstrittene Kriminalgeschichte des Christentums von K.H. Deschner weil ich doch feststellte, dass in der Sekundärliteratur unter dem Schleier der wissenschaftlichen Terminologie diverse Sachverhalte sehr eigenartig dargestellt werden. Das Vorwort des 1. Bandes - davon mal ab - kann ich eigentlich jedem nur empfehlen, denn so einen wortgewaltigen Mann habe ich selten gelesen. Aber egal. Er wirft darin eine Frage auf, die mich seitdem ich sie las nicht mehr in Ruhe lässt, und zwar folgende:

"Ist es legitim historischen Ereignissen, Sachverhalten, Taten und Personen ein ethisches Werturteil zu unterziehen?"

K.H. Deschner geht natürlich davon aus, dass dem so ist wenn er sagt, dass er subjektiv schreibt und auch wertet, weil der Mensch eben ein Subjekt ist und Objektivität nicht mehr als ein hehres Ziel, aber gewiss nicht praktikabel, da schon die Themenwahl, Gewichtung der Argumente, Auswertung der Quellen, etc. alles subjektive Prozesse sind, sodass das Resultat am Ende - der wiss. Artikel - unmöglich objektiv sein kann. Gleichermaßen sagt er, dass Unrecht eben Unrecht ist; ob ein Mensch gestern ode vor 100 oder 1.000 Jahren getötet wurde ändert nichts an der Tat. Nun, ich weiß soviel: die meisten Historiker würdem dem widersprechen, allerdings weiß ich aber auch, dass viele Historiker sich derartige fragen wohl auch kaum stellen sondern direkt mit dem Selbstbewusstsein des objektiv-wertfreien Wissenschaftlers zu Werke gehen.


In der Schule lernen wir bereits den Begriff der Zeitgebundenheit kennen. Die Zeit, in der Menschen leben, prägt ihr Denken und Handeln und auch moralische Werte sind, offenkundig, keine statischen Größen sondern werden in einer konkreten Gesellschaft erst erfunden. Demzufolge sei es illegitim Personen aus früheren Epochen ethisch zu beurteilen, da dies anachronistisch wäre; wir würden heutige Wertmaßsstäbe an Personen ansetzen welche diese Wert nicht geteilt haben. Die historische Wissenschaft würde dem heute wohl in weiten Teilen - allerdings nicht einstimmig - zustimmen.

Das wirft allerdings Probleme und Fragen auf, denn: die Behauptung ist, dass man sich kein ethisches Urteil erlauben darf unsere heutigen Maßstäbe nicht deckungsgleich mit den damaligen sind. Kurz: man darf das Handeln einer Person nicht ethisch beurteilen wenn diese Person andere ethische Wertvorstellungen hat als ich. Aber ist das praktikabel? Das ist ja eine durchaus weitgreifende Behauptung, die in der historischen Forschung lapidar als wahr angemommen wird. Konsequen durchdacht, wäre es somit illegitim wenn ich mir Fragen über die Menschenrechtssituation in Tibet/China stelle, da beide Kulturkreise sich von meinem unterscheiden und auch die dort vorherschenden Wertvorstellungen abweichen. Prinzipiell - so scheint mir - dürfte ich mir gar kein Werturteil erlauben, etwa auch nicht gegenüber Rassisten oder Homophoben, da diese ja gleichermaßen einen anderen Wertemaßstab haben als ich. Konsequent durchdacht, wäre es somit auch wissenschaftlich illegitim den Holocaust als Massenmord oder Verbrechen zu titulieren, den SS-Anhängern dürfte man keinen Mord unterstellen - sie alle haben schließlich aus ihrer Zeitgebundenheit heraus agiert und besaßen einen anderen Wertemaßstab als wir heute. Nun, das lässt sich doch aber über praktisch jeden Menschen sagen! Davon ab; bestimmt der Zeitgeist den Menschen oder bestimmt der Mensch den Zeitgeist? Waren Bürger in den Jahre 1933-45 antisemitisch geprägt weil der Zeitgeist so war, oder war der Zeitgeist vom Antisemitismus geprägt weil Antisemiten das Sagen hatten? Manchmal habe ich den Eindruck, wird vom Zeitgeist und der Zeitgebundenheit gesprochen als wenn das irgendein metaphysisches Konstrukt wäre.


Meine Frage ist, wie man damit umgehen soll: dass historische Wissenschaft nicht objektiv ist, halte ich für gegeben. Ich finde Nietzsche hat es ganz schön gesagt - wie der Mann sowieso recht viel Kluges zu sagen wusste:

"Und sollte nicht selbst bei der höchsten Ausdeutung des Wortes Objektivität eine Illusion mit unterlaufen? Man versteht dann mit diesem Worte einen Zustand im Historiker, in dem er ein Ereignis in allen seinen Motiven und Folgen so rein anschaut, daß es auf sein Subjekt gar keine Wirkung tut: man meint jenes ästhetische Phänomen, jenes Losgebundensein vom persönlichen Interesse, mit dem der Maler in einer stürmischen Landschaft, unter Blitz und Donner, oder auf bewegter See sein inneres Bild schaut, man meint das völlige Versunkensein in die Dinge: ein Aberglaube jedoch ist es, daß das Bild, welches die Dinge in einem solchermaßen gestimmten Men schen zeigen, das empirische Wesen der Dinge wiedergebe. Oder sollten sich in jenen Momenten die Dinge gleichsam durch ihre eigene Tätigkeit auf einem reinen Passivum abzeichnen, abkonterfeien, abphotographieren?"
Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben


Würdet ihr sagen, dass es also doch legitim ist ethische Werturteile auch über ältere Zeiten zu fällen oder überschattet die Objektivität und Zeitgebundenheit alles? Das klingt für mich allerdings, konsequent gedacht, - auch abseites der Geschichtsforschung - nach einem völligen Werterelativismus und quasi-Nihilismus. Meine Sorge dabei ist, dass Generationen nach uns in 100, 200 Jahren - wenn der 2. Weltkrieg und der Holocaust tatsächlich Geschichte ist - es als unwissenschaftlich abtun werden, wenn jemand den Holocaust als Verbrechen gegen die Menschheit tituliert weil dies ja ein Werturteil wäre, das einem Wissenschaftler nicht zusteht. Der Überfall auf Polen wird dann als Ausgreifen nach Osten bezeichnet, die Progrome gegen Juden, Marxisten, Homosexuelle und Co als Friedenssicherung im Inneren oder Machtkonsolidierung. Wenn man z.B. über das Mittelalter liest, liest man solche wohlfeinen Ausführen ja andauernd; das in den Angriffskriegen Karls d. Großen tatsächlich Menschen brutal ums Leben kamen und Blut floss, kann man leicht vergessen wenn man nur Sekundärliteratur liest und keine Quellen.

Mit der Überbetonung der Zeitgebundenheit in denen Handlungen zu sehen sind, scheint man mir arge Probleme aufzuwerfen; darf ich in 30 Jahren etwa keine ethische Beurteilung der Gesellschaft im heutigen Jahre 2012 machen weil das anachronistisch wäre? Mit welchem Recht verurteilen wir Verbrecher wenn diese aus ihrem Wertemaßstab der Überzeugung sind, dass eine Tat, die wir als Unrecht empfinden, für diese Verbrecher aber Recht ist?

Um zum Punkt zu kommen:
1) Wisst ihr gute Literatur (Aufsätze, Monographien, etc.) die sich mit dem Thema beschäftigen? Ich fand kaum etwas, dabei finde ich die Frage extrem wichtig - auch, da ich später Geschichte unterrichten werde, und ich Martin Luthers' Antisemitismus nicht mit der Zeitgebundenheit abspeisen möchte. Artikel fand ich kaum welche bislang; und selbst in denen wurde auf die margere Literatur hingewiesen.
2) Wie ist eure Meinung? Seht ihre eine Lösung aus dem Dilemma Radikaler Relativismus vs. Historiker Anachronismus? :)
 
Diese Fragestellung ist sicherlich legitim. Mich persönlich verwundert sie jedoch immer ein wenig, da wir gerade im Bereich der Historiographie eher ein zuviel an Wertungen und ideologisch motivierten Positionen haben, ist meine Meinung.

In vielen Bereich der Geschichtsschreibung legt deswegen bereits, apriori, die Beurteilung des Objekts, also das Vorverstädnis, die Art der Verwendung von Quellen nahe. Und je konträrer aus weltanschaulichen, seien es konfessionelle, ethnische oder politische Gründe, desto stärker ist diese apriori Bewertung ausgeprägt.

Eine aktuelle Diskussion der erkenntnistheoretischen Positionen findet sich bei Bhaskar.

The Possibility of Naturalism: A Philosophical Critique of the Contemporary ... - Roy Bhaskar - Google Books

Oder näher an der Geschichtswissenschaft bei Sewell.

Logics of History: Social Theory and Social Transformation - William H. Sewell Jr. - Google Books

Deutlich wird vor allem, dass irgendwelche Urteile, ohne eine verstehende Rekonstruktion des Gegenstands, eher einer Legitimation von Positionen dienen.

Martin Luthers' Antisemitismus nicht mit der Zeitgebundenheit abspeisen möchte.

Und das ist ein sehr gutes Beispiel. Da es primär um die Genese des damaligen Antisemitismus gehen sollte und die Frage aufwirft, wer waren die Träger, welche ideologische Bedeutung hatte etc. Und sicherlich auch die Frage, welche gegenläufigen Tendenzen vorhanden waren etc.

Bereits in dieser Rekonstruktion des Gegenstands sollte sich bereits die Ambivalenz des damaligen Antisemitismus ergeben und der Leser automatisch beginnt ein abwägendes Urteil zu fällen.

Und ob nun dieser Leser es wirklich für wichtig erachtet, welche persönlich Bewertung Du dem Ganzen zusätzlich gibst, ist aus meiner Sicht zumindest fraglich. Der Leser wird Dir aber mit Sicherheit dafür dankbar sein, wenn Du den Gegenstand "plastisch" in seinen Facetten rekonstruierst und er versteht, wie der damalige Antisemitismus in seiner Ausformund und seinen Widersprüchen zu bewerten ist.

Deswegen muss Du sie nicht mit der "zeitgebundenheit" abspeisen, sondern sie in die Lage versetzen, die Sicht von Luther zu verstehen.

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist beispielsweise die Analyse von M. Mann des Faschismus.

http://books.google.de/books?id=eTE...&sa=X&ei=yE6uUKgywojgBKLggZAG&ved=0CDsQ6AEwAA
 
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"Ist es legitim historischen Ereignissen, Sachverhalten, Taten und Personen ein ethisches Werturteil zu unterziehen?"

Selbstverständlich ist es legitim, historische Ereignisse und Entwicklungen zu bewerten und das geschieht ja auch ständig. Wer allerdings ethische Werturteile abgibt, muss sich darüber im klaren sein, dass er es aus seiner Zeit heraus tut. Ein gerechtes Urteil lässt sich aber nur fällen, wenn man Menschen aus ihrer Zeit heraus beurteilt und dabei das seinerzeit gültige Wertesystem berücksichtigt.

Man kann also Menschen vergangener Zeiten nur bedingt nach heutigen moralischen Maßstäben messen. Ein Beispiel: Alexander der Große hat in blutigen Feldzügen unzählige Menschen geopfert, Staaten erobert und unumschränkt geherrscht. Heute würden wir einen solchen Potentaten vermutlich als Kriegstreiber betrachten, der vor ein internationales Tribunal gehört. Aber nach damaligen Maßstäben war Alexander "groß", ein berühmter Feldherr, dessen Andenken noch in Sagen asiatischer Völker fortlebt. Und auch moderne Historiker sehen in Alexander keinen Tyrann, sondern einen mutigen Herrscher, der neue Horizonte öffnete.

Man sieht also: "Ethische" Urteile sind in der Geschichte relativ und man muss sich stets klarmachen, von welcher Warte aus man urteilen will. Zuweilen fallen auch antike und moderne Werturteile zusammen. So haben Nero und Caligula weder damals noch heute eine gute Presse, Augustus hingegen findet über die Jahrtausende hinweg eine positive Beurteilung. Um ein objektives Urteil kann man sich zwar bemühen, doch völlig gerecht wird man historischen Personen nie. Das liegt aber in der Natur der Sache, da Menschen bestimmte Charakterzüge oder politische Maßnahmen häufig kontrovers beurteilen, wobei die Sozialisation des Urteilenden eine große Rolle spielt.

Demzufolge sei es illegitim Personen aus früheren Epochen ethisch zu beurteilen, da dies anachronistisch wäre; wir würden heutige Wertmaßsstäbe an Personen ansetzen welche diese Wert nicht geteilt haben. Die historische Wissenschaft würde dem heute wohl in weiten Teilen - allerdings nicht einstimmig - zustimmen.

Wie ich oben schon sagte: Selbstverständlich kann man das Handeln von Menschen auch ethisch beurteilen. Man muss sich dabei aber über die Zeitgebundenheit des Urteils im klaren sein, das zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich ausfallen kann. Mit der heutigen moralischen Elle können wir Personen wie Dschingis Khan, Alexander den Großen oder Napoleon nur unzureichend erfassen. Noch bei Friedrich dem Großen wird bis heute kontrovers diskutiert, ob er wirklich "groß" war, wobei Gegner und Befürworter die Entschlüsse und Taten Friedrichs durchaus unterschiedlich bewerten.
 
In der Schule lernen wir bereits den Begriff der Zeitgebundenheit kennen. Die Zeit, in der Menschen leben, prägt ihr Denken und Handeln und auch moralische Werte sind, offenkundig, keine statischen Größen sondern werden in einer konkreten Gesellschaft erst erfunden. Demzufolge sei es illegitim Personen aus früheren Epochen ethisch zu beurteilen, da dies anachronistisch wäre; wir würden heutige Wertmaßsstäbe an Personen ansetzen welche diese Wert nicht geteilt haben. Die historische Wissenschaft würde dem heute wohl in weiten Teilen - allerdings nicht einstimmig - zustimmen.

Das wirft allerdings Probleme und Fragen auf, denn: die Behauptung ist, dass man sich kein ethisches Urteil erlauben darf unsere heutigen Maßstäbe nicht deckungsgleich mit den damaligen sind.

Was wohl richtig ist, ist, dass so etwas es eine Zeitgebundenheit gibt. Diese zu kennen und in die Überlegungen mit einzubeziehen heißt aber nicht, dass Werte relativiert werden. Gerade der Geschichtsunterricht in der Schule hat nicht zum Primärziel, Schülern per Nürnberger Trichter "Geschichtswissen" einzupropfen, sondern sie zu Aussagen über Geschichte zu bekommen. Dabei sollen die Schüler a) ein Sachurteil über einen Sachverhalt fällen und b) ein Werturteil. Gerade beim Werturteil geht es darum, dass die Schüler aus ihrer eigenen subjektiven Sichtweise einen historischen Sachverhalt - nachdem sie nach dem Warum gefragt haben - bewerten. Der Geschichtsunterricht nutzt Geschichte letztendlich als Brücke um es Schülern zu erlauben einen Standpunkt zu entwickeln, im Umgang mit den Quellen sollen sie dabei eine kritische Herangehensweise an Aussagen interessierter Personen lernen.

Und es gibt auch - auch wenn so etwas ständig relativiert wird - übergeordnete immer gültige Regeln. Das können z.B. die sieben der zehn Gebote sein, die auf den Menschen bezogen sind oder auch schlicht die goldene Regel oder der kategorische Imperativ: Handele immer so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne, oder, etwas kindlicher ausgedrückt: Was du nicht willst, was man dir tu.... Konkret kannst du es auch mit "du sollst nicht stehlen, nicht töten und auch sonst niemanden willentlich Schaden zufügen" zusammenfassen. Das sind sozusagen die überzeitlichen Regeln, die in der Steinzeit schon genauso galten, wie in der Gegenwart.
 
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Eine aktuelle Diskussion der erkenntnistheoretischen Positionen findet sich bei Bhaskar. [...]

Danke für die Literatur! :)

Dem letzten Abschnitt stimme ich ohne Vorbehalt zu; um eine Meinung äußern zu können, muss man erst einmal eine begründete Meinung haben und die hat auf einer nachvollziehbaren Argumentation zu Fußen und eben auf den Quellen.

[...]wie der damalige Antisemitismus in seiner Ausformund und seinen Widersprüchen zu bewerten ist.

Ganz anchronistisch - wie ich an dieser Stelle sein möchte - hätte ich wohl angeraten, Antisemitismus - im weitesten Sinne Anfeindung gegen Minderheiten/fremde Gruppe - stets gleich zu bewerten. Ansonsten würde die paradoxe Situation entstehen, dass Martin Luther auf Grund seiner Zeitgebundenheit von seiner polemischen Haltung freigesprochen wird während wir zeitgleich im heutigen Deutschland uns mit Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit rumschlagen müssen. Man würde einen Sacherhalt - den des Antisemitismus - auf einmal auf zwei völlige Arten bewerten. Mir mag das nicht recht schmecken.

Ein gerechtes Urteil lässt sich aber nur fällen, wenn man Menschen aus ihrer Zeit heraus beurteilt und dabei das seinerzeit gültige Wertesystem berücksichtigt.

Aber das gilt doch auch für die heutige Zeit. Die Wertesysteme innerhalb einer Gesellschaft - erst recht zwischen den heutigen Gesellschaften! - variieren stark. Der UN-Menschenrechtsrat würde sich selber ad absurdum führen, würde er es sich nicht erlauben auch über Gesellschaftsgrenzen hinweg, Stellung zu beziehen. Ich sehe die Gefahr, dass man damit einen radikalen Relativismus betreibt; ansonsten müsste man wohl konstantieren, dass der Holocaust kein Verbrechen war sondern müsste ihn aus seiner Zeit heraus verstehen. Damit mag man nicht beabsichtigen ihn zu rechtfertigen, aber dieses Verständnis mit dem Täter hat, finde ich, leider diesen Beiklang. Oder, um nicht ewig Nazi-Beispiele, zu bringen die Apartheitspolitik in Südafrika. Man kann kein Urteil fällen ohne den Sachverhalt verstanden zu haben - das gilt bereits im Gericht so - aber ich habe das Gefühl, dass je weiter ein Ereignis zurückreicht, desto leichter ist man geneigt all' jene Dinge - die wir heute als Verbrechen und Untat sehen würde - nur zu gut verstehen zu können.

Es gehört zur historischen Arbeit auf Grundlage der Quellen den Sachverhalt nachzuvollziehen, allerdings, empfand ich es bislang selten so, dass eine klare, deutliche Bewertung am Ende stand. Zumindest deutsche Historiker, so mein Eindruck, pflegen einen sehr sterilen Ton.

Man muss sich dabei aber über die Zeitgebundenheit des Urteils im klaren sein, das zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich ausfallen kann.

Spätere Zeiten mögen anders urteilen.
:D

Dass etwa die Angriffskriege Karls. d. Großen in einem derartig scharfen Ton angegriffen werden, habe ich in dieser Form ausschließlich bei K.H. Deschner gesehen. Die meisten anderen Darstellungen scheinen mir sehr verstehend dadurch allerdings auch, quasi entschuldigen denn die Floskeln der Notwendigkeit, Alternativlosigkeit, Zeitgebundenheit finde ich sind Leerformeln in der Geschichtsschreibung die etwas überstrapaziert werden.

Augustinus hat es finde ich ganz schön gesagt, auch wenn mir der Mann ansonsten suspekt ist:

"Es ist seltsam: Die Menschen klagen darüber, daß die Zeiten böse sind. Hört auf mit dem Klagen. Bessert euch selber. Denn nicht die Zeiten sind böse, sondern unser Tun. Und wir sind die Zeit."

Aber nach damaligen Maßstäben war Alexander "groß", ein berühmter Feldherr, dessen Andenken noch in Sagen asiatischer Völker fortlebt. Und auch moderne Historiker sehen in Alexander keinen Tyrann, sondern einen mutigen Herrscher, der neue Horizonte öffnete.

Diejenigen welche wegen ihm starben, hätten dies anders gesehen, wenn sie Zeit gehabt hätten einen Text zu verfassen. Leider ist Geschichte zumeist eine Siegergeschichte - zumindest, wenn wir von den Großen sprechen und das sagt mir nicht zu. Der Historiker hat mir da manchmal zu großen Respekt vor Ereignissen und Taten, alleine deswegen, weil sie eben passiert sind und sucht dann allerlei möglichen Erklärungen um diese plausibel zu machen. Dabei hätte es auch anders sein können.

Meine Befürchtung ist, dass bei dieser Relativierung von Tötungen und Angriffskriegen irgendwann auch Sachverhalte, die wir heute als Verbrechen betrachten, in einigen Generationen vor dem Hintergrund der Zeitgebundenheit relativiert werden. Ich betrachte dies vor allem auch vor einem pädagogischen Hintergrund - da ich später an Schulen unterrichten werde - und ich möchte Schülern ungern als Qunitessenz des Geschichtsunterricht mitgeben, dass alles das was sie heute begehen, in einigen Jahren relativ ist.

So mag man Martin Luther im Licht seiner Zeit sehen müssen, man wird auf die lange Tradition von Antisemitismus im Christentum hinweisen können, doch will ich damit tunlichst vermeiden, dass dies als eine Art Rechtfertigung oder gar Entschuldigung aufzufassen ist. Einzig für den Berufshistoriker mag die Beschäftigung mit der Geschichte ein Zweck in sich selbst sein, ich hoffe ja - entgegen der manchmal geäußerten Meinung - dass man tatsächlich etwas aus der Geschichte lernen kann, auch in Hinblick auf aktuelles und zukünftiges moralisches Handeln. An der Universität - aber vielleicht liegts auch an Köln - habe ich oftmals den Eindruck, dass es als unschicklich, stümperhaft gilt darauf hinzuweisen, dass Karl d. Große - eigentliche alle Großen - in erster Linie erfolgreiche Feldherren waren, heißt: erfolgreich darin waren andere Menschen zu töten, was heute kaum noch als bewunderswert gelten würde außer manchmal von Historikern. So klare persönliche Stellungnahmen scheinen mir auf wenig Gegenliebe zu stoßen, dabei ist das Besitzen und auch Äußern einer Meinung - man hat sie ja sowieso, ob sie nun im Text steht oder nicht - doch nur zu menschlich. Ob sie jemand teilt oder nicht soll jeder selbst entscheiden indem schaut ob er die Argumentation des Autors für nachvollziehbar hält.
 
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Aber das gilt doch auch für die heutige Zeit. Die Wertesysteme innerhalb einer Gesellschaft - erst recht zwischen den heutigen Gesellschaften! - variieren stark.

Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. In der Antike und im Mittelalter galt ein Herrscher als groß, wenn er gütig und gerecht war (entspricht unseren heutigen Vorstellungen), vor allem aber, wenn er seine Herrschaft ausweitete, andere Länder und Völker unterwarf und sich untertan machte. Das entspricht nun nicht mehr unseren heutigen Vorstellungen von einem guten Herrscher oder politischem Führer. Dennoch muss man die antike oder mittelalterliche Herrschaftsauffassung berücksichtigen, wenn man die Leistung eines damaligen Fürsten beurteilen will.

Unser heutiges Wertesystem unterscheidet sich demnach vom damaligen. Andererseits galt damals schon der rumänische Fürst Vlad III. Dracula als blutrünstiges Monster, da er reihenweise Feinde pfählte und bestialisch umbrachte. Es scheint also bestimmte Normen zu geben, die sich bis heute nicht verändert haben - selbst bei sich wandelnden ethischen Grundsätzen.

Der heutige Geschichtsunterricht muss problemorientiert und multiperspektivisch sein. Man wird also Schüler und Schülerinnen auf dieses moralisch-ethische Dilemma bei der Beurteilung historischer Personen und ihrer Leistungen hinweisen müssen. Manches davon entspricht unseren heutigen Moralvorstellungen, anderes hingegen nicht - damals aber schon.

Der UN-Menschenrechtsrat würde sich selber ad absurdum führen, würde er es sich nicht erlauben auch über Gesellschaftsgrenzen hinweg, Stellung zu beziehen. Ich sehe die Gefahr, dass man damit einen radikalen Relativismus betreibt; ansonsten müsste man wohl konstantieren, dass der Holocaust kein Verbrechen war sondern müsste ihn aus seiner Zeit heraus verstehen.

Das ist nun überaus spitzfindig. Gehen wir einmal davon aus, dass die Ermordung von 6 Millionen Menschen zu allen Zeiten die gleiche ethisch-moralische Messlatte findet. Mit solchen absurden Beispielen kommen wir nicht weiter.

Es gehört zur historischen Arbeit auf Grundlage der Quellen den Sachverhalt nachzuvollziehen, allerdings, empfand ich es bislang selten so, dass eine klare, deutliche Bewertung am Ende stand. Zumindest deutsche Historiker, so mein Eindruck, pflegen einen sehr sterilen Ton.

Spätere Zeiten mögen anders urteilen. Dass etwa die Angriffskriege Karls. d. Großen in einem derartig scharfen Ton angegriffen werden, habe ich in dieser Form ausschließlich bei K.H. Deschner gesehen. Die meisten anderen Darstellungen scheinen mir sehr verstehend dadurch allerdings auch, quasi entschuldigen denn die Floskeln der Notwendigkeit, Alternativlosigkeit, Zeitgebundenheit finde ich sind Leerformeln in der Geschichtsschreibung die etwas überstrapaziert werden.

Eine moralische Bewertung der Sachsenkriege habe ich in der seriösen wissenschaftlichen Literatur nicht gefunden. Man beschreibt den Verlauf der Auseinandersetzung und erläutert, welche Gründe Karl zum Krieg gegen die Sachsen bewogen. Lediglich das so genannte "Blutgericht von Verden" wird zuweilen etwas spitz beurteilt. Aber auch hier ist klar: Karl wollte die Bekehrung der Sachsen, da er ein frommer Mensch war, und zugleich wollte er Ruhe an seiner Ostgrenze. Das alles lässt sich nicht ethisch bewerten und schon gar nicht nach unseren Maßstäben.

Meine Befürchtung ist, dass bei dieser Relativierung von Tötungen und Angriffskriegen irgendwann auch Sachverhalte, die wir heute als Verbrechen betrachten, in einigen Generationen vor dem Hintergrund der Zeitgebundenheit relativiert werden. Ich betrachte dies vor allem auch vor einem pädagogischen Hintergrund - da ich später an Schulen unterrichten werde - und ich möchte Schülern ungern als Qunitessenz des Geschichtsunterricht mitgeben, dass alles das was sie heute begehen, in einigen Jahren relativ ist.

Das sehe ich nicht. Unser heutiges Wertesystem ist fundamental von dem der Antike oder dem des Mittelalters unterschieden. Zudem werden die Kriege Alexanders, Attilas, Karls des Großen oder Karls V: ja nicht relativiert. Die Ereignisse werden anhand von Quellen belegt, wobei auch kontroverse Quellen zu heben sind, und es werden - wie z.B. beim 30jährigen Krieg - die Kriegsfolgen anhand zahlreicher Text- und Bildquellen ausführlich geschildert und im Unterricht analysiert.
 
Ich find's schon ein wenig seltsam, Luthers religiös motivierten Antijudaismus mit dem Rassenantisemitismus in einen Topf zu werfen. Natürlich baut der Rassenantisemitismus auf dem Antijudaismus auf, aber er hat einen ganz wichtigen Unterschied: Die Zugehörigkeit zum Judentum als Religion konnte man mit der Taufe loswerden. Beim Rassenantisemitismus geht das - aus Sicht der Antisemiten - nicht.
Dass Luther Gründe für seinen Antijudaismus hatte, die aus einem Absolutheitsanspruch und einer Enttäuschung darüber, dass er die Juden in seinen früheren Schriften nicht erreichte und zur Taufe bewegen konnte, ändert sowohl bei der Feststellung, dass er Gründe hatte noch, dass es oben genannte Unterschiede zwischen Antijudaismus und Antisemitismus gibt, nichts daran, dass Luthers antijudaistische Äußerungen ein Zeichen seiner Intoleranz und seines Unverständnisses sind.

Ich denke mal, dass die mangelnde Differenzierung zwischen Antijudaismus und Antisemitismus auf Deschner zurück geht?
 
"Ist es legitim, historische Ereignisse, Sachverhalte, Taten und Personen einem ethischen Werturteil zu unterziehen?"

(1)
K.H. Deschner geht natürlich davon aus, dass dem so ist wenn er sagt, dass er subjektiv schreibt und auch wertet, weil der Mensch eben ein Subjekt ist und Objektivität nicht mehr als ein hehres Ziel, aber gewiss nicht praktikabel, da schon die Themenwahl, Gewichtung der Argumente, Auswertung der Quellen, etc. alles subjektive Prozesse sind, sodass das Resultat am Ende - der wiss. Artikel - unmöglich objektiv sein kann.

(2)
Konsequent durchdacht, wäre es somit auch wissenschaftlich illegitim den Holocaust als Massenmord oder Verbrechen zu titulieren, den SS-Anhängern dürfte man keinen Mord unterstellen - sie alle haben schließlich aus ihrer Zeitgebundenheit heraus agiert und besaßen einen anderen Wertemaßstab als wir heute
(1) und (2) sind bzgl. deiner Fragestellung extreme Positionen.
mit (1) gibt Deschner zu verstehen, dass er eher belletristisch denn wissenschaftlich schreibt - und (2) ist derart radikal übertrieben, dass es absurd ist (der 2. Weltkrieg ist zeitlich nicht so weit weg, als dass komplett andere ethische Regeln üblich gewesen wären)

man könnte sich solche Fragen z.B. sehr gut beim mit unerbittlicher Härte betriebenem italischen Gotenkrieg stellen - aber bevor man sich an ethische Bewertungen macht, sollte der Motivationshorizont der Agierenden in dieser uns fernen und in den Quellen nicht lückenlos dargestellten Zeit abgewogen werden. Dass man die damalige Zeit verstehen und ergründen will, bedeutet nicht, dass man wertfrei und gleichgültig alles billigt - aber a priori auf die damals Beteiligten eindreschen, weil sie nicht in jedem ihrer überlieferten Sätze die Menschrechte priesen (die sie ja nicht kannten), wäre schlicht übertrieben.
 
(1) und (2) sind bzgl. deiner Fragestellung extreme Positionen.
mit (1) gibt Deschner zu verstehen, dass er eher belletristisch denn wissenschaftlich schreibt - und (2) ist derart radikal übertrieben, dass es absurd ist (der 2. Weltkrieg ist zeitlich nicht so weit weg, als dass komplett andere ethische Regeln üblich gewesen wären)

Was heißt denn üblich? Dass diese Taten begangen wurden zeigt doch, dass das Wertesystem damals offenkundig ein anderes war als heute; Widerstand gab es, weshalb es nicht unangefochten war. Aber es war soweitgehend etabliert, dass es für eine lange Zeit eine stabile Herrschaft ermöglicht hat. Es war ja keine kleine, verschworene Gruppe die dort im Hintergrund agierte sondern es war die gesamte Gesellschaft involviert. Es ist extrem, aber es ist nicht übertrieben.

Man mag meinetwegen auch die Apartheitspolitik in Südafrika nehmen; dort gab es in der Regierung einen Konsens über den zu fahrenden Kurs - eine ernsthafte Opposition aus dieser Schicht heraus gab es nicht - und deren Motive und Hintergründe zu beleuchten ist notwendig um den Sachverhalt zu verstehen; aber der Ziel des Verstehens kann ja nicht darin liegen es dann wertneutral dabei zu belassen. Gerade der häufige Gebrauch von geschichtsdeterministischen Floskeln wie "Es war notwendig ...", "die Situation zwang ihn .." fungiert dort in einer entschuldigendenweise - denn der Zeitgeist hat es einem ja quasi vorgegeben, so und nicht anders zu handeln. Derartige deterministische Kausalbeziehungen werden nun nicht selten in Geschichtswerken angebracht um das Verhalten zu erklären; so las ich etwa in einer Biographie von Wernher v. Braun, dass seine Mutter ihn in eine naturwissenschaftliche Richtung förderte und er deshalb später auch in diesem Gebiet tätig wurde: aber das ist deterministisch gedacht. Ich mag behaupten: so funktioniert menschliches Leben nicht, denn die historischen Akteure werden als durch ihre Umwelt determiniert betrachtet, doch ignoriert wird, dass jeder Mensch davon ab auch ein autonomes Wesen mit Entscheidungs- und Handlungsfreiräumen hat. Werner v. Braun hätte genauso gut auch trotz seiner frühkindlichen Förderung in eine andere Richtung gehen können.

Der Übertonung der Zeitgebundenheit scheint mir aber so eine deterministische Sicht zugrunde zuliegen und die impliziete Annahme, dass die Dinge kamen weil die Verhältnisse so waren. Und dies könnte dann tatsächlich als Entschuldigung für vergangene Taten betrachtet werden. Mir scheint die Geschichtsschreibung im Mainstream - das ist nicht irgendwie wertend gemeint! - aber in diese Richtung zu tendieren.

Das ist nun überaus spitzfindig. Gehen wir einmal davon aus, dass die Ermordung von 6 Millionen Menschen zu allen Zeiten die gleiche ethisch-moralische Messlatte findet.

Ich wollte nicht spitzfindig rüberkommen!

Nun, muss man dies aber in seinem historischen Kontext sehen :)D)! Die Ermordung von 6 Millionen Menschen war zu früheren Zeiten denke ich schwerer möglich zu einem deshalb, weil die Bevölkerung geringer war und der technologische Fortschritt dies nicht ermöglicht hatte. Nun, denke ich aber, ist die Zahl aber nicht sonderlich relevant; es ist eine quantitative Aussage, keine qualitative. Wenn Menschen aus u.a. ideologischen Gründen getötet werden - wie etwa die Juden, die Tutsi in Ruanda und Co - und wir uns einig sind, dass dies moralisch Unrecht war, so sehe ich nicht weshalb man nicht etwa die Sachsenkriege, jetzt wo sie namentlich erwähnt wurden, nicht gleichermaßen als ideologisch (religiös) motiviertes Unrecht bezeichnen sollte? Meine Wertemaßstäbe sind denen der mittelalterlichen Welt mindestens genauso fremd wie denen der SS-Offiziere oder der Hutu, als sie in einen Genozid gegen die Tutsi verbrachen. Über Holocaust und Genozid in Ruanda darf man allerdings solch eine wertende Meinung offen äußern, ohne des Anachronismus beschuldigt zu werden, dem Sachsenkrieg gegenüber allerdings nicht. Mir scheint dies gänzlich widersprüchlich zu sein, da die Prämissen in allen Fällen identisch sind: die Wertemaßstäbe des Historikers unterscheiden sich von denen der historischen Akteure. Dennoch ist eine Wertung, sonfern es sich um vergleichsweise zeitnahe Ereignisse handelt, wohl durchaus legitim.

Ich verstehe die Argumentation über die Zeitbezogenheit so:

1) Werturteile hängen von den eigenen Wertmaßstäben ab.
2) Man soll Menschen mit anderen Wertmaßstäben nicht beurteilen, da diese andere Maßstäbe besitzen.
3) Die Wertmaßstäbe sind abhängig von der Gesellschaft in welcher der Mensch lebt.
4) Damalige Gesellschaften sind anders als heutige.
5) Demnach sind die Wertmaßstäbe andere, womit wir sie nicht beurteilen können.

Ich stimme dieser Argumentation, wenn ich sie so richtig verstanden habe, nicht zu. Der zeitliche Faktor ist lediglich ein Grund dafür, weshalb die Gesellschaft und damit die Werte verschieden sind - darüber hinaus ist die Zeitgebundenheit allerdings für die restliche Argumentation unerheblich. Der zentrale Punkt ist die Behauptung, dass man Menschen, die andere Werte besitzen, nicht abhängig der eigenen Werte beurteilen soll. Nun unterscheiden sich Werte aber nicht nur temporal - d.h. anhand der Zeitachse - sondern auch lokal. In unserer heutigen Zeit gibt es diverse co-existierende Wertesysteme, eine Vielzahl unterschiedlich verfasster Gesellschaften. Wäre die Behauptung, dass ein Werturteil über Menschen anderer Wertvorstellungen illegitim wäre richtig, so wäre der UN-Menschenrechtsrat illegetim da er genau das tut wenn er z.B. die Menschenrechtssituation in anderen Ländern anspricht in denen andere Wertvorstellungen gelten.

Sollte es illegitim sein die Praxis der Steinigung als Form der Hinrichtung in der Antike ethisch abfällig zu bewerten, da die Gesellschaft inkl. ihren Werten eine andere war als die heutige, so frage ich mich; daraus folgt doch konsequenterweise, das wir uns etwa über die Steinigungspraxis im heutigen Iran als Strafe für Ehebruch gleichermaßen eines Werturteils enthalten müssen und dies nicht anprangern dürfen, da das Wertesystem im Iran nicht dem unsrigen entspricht? Natürlich würde ich (!) mich da keines Urteils enthalten; weshalb aber dann umgekehrt, sollte man eine zeitlich zurückliegende Gesellschaft nicht gleichermaßen bewerten dürfen? Mir scheint dies in dem, von Nietzsche angeprangerten, radikalen Relativismus zu enden, folgt man dieser Argumentation konsequent.


Niemand erhabt den Anspruch damit mehr zu tun, als eine Bewertung aus heutiger Sicht vorzunehmen; andere Generationen mögen es anders sehen, aber auch die "objektive" Forschung die wir heute betreiben ist zeitgebunden und wird in kommenden Generationen überholt sein.
 
Meine Befürchtung ist, dass bei dieser Relativierung von Tötungen und Angriffskriegen irgendwann auch Sachverhalte, die wir heute als Verbrechen betrachten, in einigen Generationen vor dem Hintergrund der Zeitgebundenheit relativiert werden.

Es gehen ein paar Aspekte durcheinander. Unter "Verstehen" ist eine bestimmte Form der kontrollierten wissenschaftlichen Erkenntnis gefasst. Und etwas "verstehen" heist absolut nicht, etwas zu "akzeptieren" oder zu "relativieren".

Verstehende Soziologie ? Wikipedia

Diese Sichtweise läßt sich auf die Historiographie analog übertragen. Und Weber hat über weite Strecken im Rahmen einer "Historischen Soziologie" gearbeitet.

Und war sich auch immer der subjektiven Fundierung seiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher bewußt.

Wissenschaft als Beruf ? Wikipedia

In diesem Sinne sollte und muss jeder Wissenschaftlicher die Fundierung seines Urteils historischer Ereignisse kritisch beleuchten. Dieser Aspekt wird im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses bewertet, sowohl die wissenschaftliche Qualität wie auch die explizite und implizite moralische oder politische Bewertung von Vorgängen.

In diesem Sinne unterliegt Wissenschaft und auch deren Bewertung immer gesellschaftlichen Normen. Und deswegen ist eine offene Gesellschaft, im Sinne Poppers, und der freie Diskurs, im Sinne von Habermas, das ultimative Kriterium für die Beurteilung von Wissenschaft und der Fundierung eines konsensualen Normen- und Wertekanons.

Auch sehr gut via Link zu Bhaskar / Archer und dem "Critical Realism" dargestellt:

http://www.univie.ac.at/sowi-online/esowi/cp/denkenpowi/denkenpowi-37.html

http://en.wikipedia.org/wiki/Critical_realism
 
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In unserer heutigen Zeit gibt es diverse co-existierende Wertesysteme, eine Vielzahl unterschiedlich verfasster Gesellschaften.

Richtig. Man nehme z. B. das Wertesystem der Steuerhinterzieher und Verkehrssünder. Der radikal-relativistischen Position zufolge dürfte man diese Gruppen auch nicht sanktionieren, da ihre Werte eben andere sind.

Warum erscheint eine solche Sicht aber absurd, während beispielsweise die Sklaverei in der griechischen Antike aus dem damaligen Wertesystem heraus als verständlich beurteilt werden muss?

Ich denke, dass es auf den Bezugsrahmen ankommt, in dem sich das betr. Verhalten zeigt. Wenn es keinen in der damaligen Zeit verbreiteten Gegenentwurf zur Sklaverei gibt, existiert keine Grundlage, diese zu verurteilen.

Wenn aber ein Bezugsrahmen existiert, lässt sich auch ohne relativistisch zu werden, historisch urteilen (obwohl das Urteil gleichwohl standortgebunden bleiben wird).

So ein Bezugsrahmen könnte in Bezug auf den Holocaust wohl an den diversen Menschenrechtserklärungen seit spätestens der französischen Revolution festgemacht werden. Nachzuweisen wäre nun, dass sich die Täter auch bewusst waren, dass dieser Bezugrahmen in der Welt war und sie sich ihm gegenüber positionieren mussten.

Um etwas konkreter zu werden: Der griechische Sklavenhalter konnte sich nicht darüber bewusst sein, dass sein Handeln aus anderer Sicht als verabscheuungswürdig angesehen werden könnte, eben weil er keine andere Sicht kannte.

Jemand wie Himmler war sich aber sehr wohl darüber bewusst, dass es neben seinem noch andere Wertesysteme als Bezugsrahmen gab:

Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit, auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden. [...]

Es war eine, Gottseidank in uns wohnende Selbstverständlichkeit des Taktes, dass wir uns untereinander nie darüber unterhalten haben, nie darüber sprachen. Es hat jeden geschaudert und doch war sich jeder klar darüber, dass er es das nächste Mal wieder tun würde, wenn es befohlen wird und wenn es notwendig ist.

Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. [...]

Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte [...]

Heinrich Himmler: Posener Rede vom 04.10.1943 (Volltext)


Nachtrag: Im Diskussionszusammenhang mag ein Blick in diesen Thread interessant sein: http://www.geschichtsforum.de/f83/unterschied-zwischen-sachurteil-und-werturteil-41845/
 
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Um etwas konkreter zu werden: Der griechische Sklavenhalter konnte sich nicht darüber bewusst sein, dass sein Handeln aus anderer Sicht als verabscheuungswürdig angesehen werden könnte, eben weil er keine andere Sicht kannte.

Der Bezugsrahmen wird aber von den jeweils lebenden Menschen abgesteckt; ansonsten scheint mir - wobei ich ansonsten deiner Meinung bin - diese Darstellung sehr statisch. Der griechische Sklavenhalter hätte, als autonomer Mensch der ist, eine eigene Position vertreten können in welcher er die Sklaverei für falsch hält. Wären nur Gedanken denkbar die bereits gedacht werden oder schon einmal gedacht wurden - so verstehe ich deinen Einwand - so frage ich mich, wie die Vorstellung von der Unmoralischkeit der Sklaverei ihren Weg in die Welt fand? An irgendeiner Stelle wird ein Mensch diesen Gedanken das erste mal gedacht haben und gesagt haben, dass eine bestimmte Handlung gemäß seiner Vorstellung unmoralisch ist.

Ich verstehe was du meinst; mir fällt kein antiker Autor ein welcher die Sklaverei selber je kritisiert hat und ich weiß nicht ob es eine Rolle gespielt hätte; auch mit einer Opposition wäre die gemeinläufige Wertvorstellung wohl von der Idee geprägt gewesen, dass Sklaverei quasi ein Naturrecht sei. Es wäre interessant gewesen zu wissen wie Sklaven dies denn sehen, ob diese ihre Verhältnisse gleichermaßen als Naturrecht empfanden oder da nicht womöglich doch anderer Auffassung waren; die antiken Autoren lassen ja leider kaum Rückblicke auf die gesamte denkbare Geisteswelt der lebenden Bevölkerung zu.

Betrachtet meine eine Zeit lediglich aus ihrem Zeitgeist heraus, so wäre meine Befürchtung, dass man in einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung zu dem Schluss kommen muss, dass das was getan wurde nach Auffassung der Akteure rechtens war, da man die Akteure ja eben an ihren eigenen Wertvorstellungen misst! Mir scheint das ein argumentativer Zirkelschluss zu sein, sodass externe Bewertungskriterien zusätzlich sinnvoll seien können; ich mag überhaupt nicht der Betrachtung aus der Zeit heraus wiedersprechen. Ich führe mir derzeit ein wenig Ernst Troeltsch zu Werke der über dieses Problem der anachronistischen Bewertung schreibt und er sagt auch; im ersten Schritt sollte eine Handlung und ein Akteur möglichst akkurat aus seiner Zeit heraus verstanden werden um seine Motive und Beweggründe möglichst akkurat nachvollziehen zu können. Im zweiten Schritt, allerdings, folgt dann die persönliche Beurteilung des Betrachters.

Ich finde beide sind kompletiv. Eine ausschließliche Beurteilung aus dem Zeitgeist heraus halte ich für leer, da sie gemäß ihrer eigenen Logik immer der vorherrschenden Meinung nach in die Karten spielt vor deren Hintergrund sie ja das Handeln der Akteure beurteilt und darüber hinaus, keinerlei lebensrelevanten Informationen für die Gegenwart und Zukunft bietet. Ich erhoffe mir von Geschichte durchaus die Möglichkeit gewisse Dinge daraus lernen zu können, daher mein Anspruch sie auch moralisch zu betrachten. Eine ausschließlich aus der heutigen Zeit heraus wertende Betrachtung ist allerdings völlig blind, weil sie eben Urteile fällt ohne verstehen und nachvollziehen zu können; ich finde beide Schritt notwendig.
Der letzte, um die Diskussion nicht im Konsens abzuwürgen :)D), scheint mir aber in der Wissenschaft unerwünscht sobald er expliziet formuliert wird.

So mag ich mich über die Sachsenkriege Karl d. Großen informieren und seine Motive und Hintergründe erarbeiten und dennoch zu dem Schluss kommen, dass er aus meiner heutigen Sicht heraus nicht mehr den Titel "Der Große" verdient da seine Taten, gemessen an heutigen Maßstäben, einzig in der erfolgreichen Kriegsführung liegen - obwohl die karolingische Renaissance erwähnt werden soll! - und es mir missfällt wenn Kriegstreiber im Geschichtsunterricht der Schule mit solchen Ehrentiteln hofiert werden. Krieg ist nicht cool; das war er auch schon im Mittelalter nicht, aber Mittelalterliche Historiker scheinen da immer noch ein gewisses Faible z.T. zu haben.


Mir sind diese Unterscheidungen von Sach- und Werturteil nicht fremd, damit da kein Missverständnis aufkommt; ich bin kein Neuling - denke ich zumindest - im Bereich des Geschichtsstudiums und habe mit Kulturwissenschaften zu tun (Ostasien), weiß daher, dass eine fremde Gesellschaft und Kultur - vergangene Zeiten sind ja nichts anderes! - aus sich selbst heraus verstanden werden muss. Allerdings bedeutet das nachvollziehen und verstehen von kulturellen Eigenheiten nicht, dass ich diese im Einzelfall auch toleriere geschweige denn zwangsweise akzeptiere.

Diese Thread entstand bzw. entsteht noch während ich natürlich nebenher K.H. Deschner im Hinterkopf habe. Sollte das, was hier mehrheitlich gesagt wird, auf die historische Forschung zutreffen, dass Werturteile und subjektive Bewertungen nicht als illegitim empfunden werden - so fasse ich den Grundtenor bislang auf - dann verstehe ich noch weniger, weshalb K.H. Deschner auch außerhalb theologischer Kreise derartig heftige Kritik erhielt. An seinen historischen Darstellungen wurde in der Regel wenig ausgesetzt, denn dort - so waren sich wohl auch die Kritiker einig - schreibt er wissenschaftlich fundiert. Einzig sein Ton und die Unverblümtheit mit der er seine subjektive Wertung vornimmt erregte die Gemüter derartig. Die Vorstellung von der Geschichtsschreibung als Ankläger und Richter mag ja als antiquiert gelten, ich gebe aber zu, dass sie mir sympathisch erscheint und ich mir ehrlich gesagt mehr wertende Geschichtsschreibung wünschen würde, in anklagender Form; nehme ich mir nämlich z.B. Kirchengeschichtliche Abhandlungen von Theologen zur Hand so ist die Sprache, die sich dort findet, fernab von Gut und Böse. Dass diese Hochstilisierung und Schönmalerei, welche selbst in Einführungswerken z.T. massiv vorhanden ist, nicht gleichermaßen auf Kritik stößt, kann ich dann wiederum nicht nachvollziehen.


Danke für die Links, speziell den ersten. Max Weber steht bei mir auf der Agenda; ... wenn endlich Semesterferien sind werde ich ihn mir wohl endlich mal zu Gemüte führen. Habe den Mann - eher: seine Werke - wohl lang genug gemieden.
 
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Sollte das, was hier mehrheitlich gesagt wird, auf die historische Forschung zutreffen, dass Werturteile und subjektive Bewertungen nicht als illegitim empfunden werden - so fasse ich den Grundtenor bislang auf - dann verstehe ich noch weniger, weshalb K.H. Deschner auch außerhalb theologischer Kreise derartig heftige Kritik erhielt. An seinen historischen Darstellungen wurde in der Regel wenig ausgesetzt, denn dort - so waren sich wohl auch die Kritiker einig - schreibt er wissenschaftlich fundiert.

Es ist in vielen vorangegangenen Beiträgen mehr als deutlich geworden, dass eine Bewertung geschichtlicher Ereignisse aus rein heutiger Sicht nicht als wissenschaftlich gelten darf. Insofern halte ich Dein Urteil, subjektive Wertungen stießen hier grundsätzlich auf Akzeptanz, für grundsätzlich verfehlt. Dass es Objektivität in der Geschichtswissenschaft nicht geben kann, bedeutet im Umkehrschluss eben nicht, dass der Subjektivität Tür und Tor geöffnet sei.

Und das zeigt sich gerade an der Auseinandersetzung um Deschner. Anders als von Dir behauptet, wurde an seinen historischen Darstellung sehr wohl etwas ausgesetzt:

In einer Stellungnahme anlässlich von Deschners 80. Geburtstag benannte Denzler folgende Einwände seiner Wissenschaftlerkollegen: „Er (Deschner) kennt kein Quellenstudium, er trifft eine höchst einseitige Literaturauswahl, interpretiert gedruckte Quellen ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs, nimmt Einzelereignisse für das Ganze und täuscht einen gelehrten Anmerkungsapparat vor, bei dem oft nicht zu kontrollieren ist, was behauptet wird.“ An anderer Stelle urteilt er, Deschner sei „der kenntnisreichste unter den advocati diaboli“,[8] doch mangele es ihm an historischem Denken und historischem Urteilen:[9]
Karlheinz Deschner ? Wikipedia

Aber gut. Vielleicht hat Deschner ein anderes Wertesystem, was den Umgang mit Quellen und Literatur angeht. Einem solchen Argument kann allerdings dann auch kein Historiker mehr ernsthaft begegnen, da es nicht mehr die konkrete Person Deschners beträfe, sondern für ausnahmslos jede These gelten müsste, die in die Welt gesetzt wird. Und ein solches Argument würde im Übrigen auch nicht mehr überzeugen - denn wenn alles relativ ist, überzeugt auch nichts mehr.
 
Insofern halte ich Dein Urteil, subjektive Wertungen stießen hier grundsätzlich auf Akzeptanz, für grundsätzlich verfehlt. Dass es Objektivität in der Geschichtswissenschaft nicht geben kann, bedeutet im Umkehrschluss eben nicht, dass der Subjektivität Tür und Tor geöffnet sei.

Wenn es keine Objektivität geben kann, so ist Subjektivität die logische Konsequenz. Auch subjektive Meinungen gilt es zu begründen, nämlich durch Quellenbelege und eine nachvollziehbare Argumentation - was sie aber nichts an ihrer Subjektivität ändert. Wenn Objektivität keine Option ist - und das ist sie für den Historiker nicht! - dann scheint mir eine ehrliche Subjektivität die mit Quellen und Argumenten arbeitet, aber sich immer bewusst ist subjektiv zu sein, doch der vernünftigste Weg. Ob der Leser am Ende überzeugt ist oder nicht, muss er selber überlegen wenn er die Argumente abwägt und den Standpunkt des Autors nachvollzieht. So funktioniert, denke ich, Wissenschaft.

Weshalb also Subjektivität - welche das historische Arbeiten lenkt - eine derartig negative Konnotation hat inklusive darauf aufbauenden subjektiven Bewertungen verstehe ich nicht. Subjektivität bedeutet ja nicht unbegründeten Schwachfug in den Raum zu werfen; argumentieren muss man immer. In philosophischen Seminaren war stets klar, dass jeder Anwesende von seinem subjektive Standpunkt - s.g. Standort - aus argumentiert und das nichts davon objektiv ist; deswegen alleine driftet es ja aber nicht in Beliebigkeit ab. Gleichermaßen war es Bestandteil der philosophischen Praxis bei der Lektüre von Texten etwa die Frage der Geltung zu stellen, d.h. zu fragen ob eine Aussage wahr oder falsch ist und welche Argumente sich anbringen lassen. Dies ist eine Form von Wertung, die in der Philosophie völlig gäng ist, nämlich, sich selber in einen persönlichen Bezug zu einem Text zu setzen, sei er auch über 200 Jahre alt. Selbst Aristoteles wird gemäß seines Inhalt nach diskutiert und natürlich auch bewertet; Historiker würden das wiederum als unwissenschaftlich verstehen - mir scheint, man macht es sich selber unnötig schwer.

Ich finde es sehr schade, dass solche Wertungen und Abwägungen über den Inhalt einer Sache in der Geschichtswissenschaft derartig unpopulär sind. Möchte man etwas über Kant lernen muss man Geschichte studieren, möchte man etwas mit Kant lernen muss man Philosophie studieren - mir scheint, dass die wissenschaftlichen Disziplien sich da unnötigerweise gegenseitig ausschließen anstatt das man universell versucht beide Fragen aufzugreifen. Historische Ereignisse mit der historisch-kritischen Methode erarbeiten und verstehen lernen aber es nicht bei der Darstellung/Deskription zu belassen, sondern im Anschluss auch die Frage nach der Geltung (Wahr/Unwahr) zu stellen oder auch etwa die Frage nach der Ethik.

Das die Geschichtswissenschaft quasi auf halber Strecke stehenbleibt empfinde ich als recht unbefriedigend, weil auch in dem Studium dadurch eine künstlich wirkende Trennung entsteht; möchte ich über den Text etwas erfahren muss ich Geschichte studieren, möchte ich über den Inhalt in Hinblick auf seine Geltung sprechen muss ich Philosophie studieren. Diese Trennung mag, vor allem der Geschichtswissenschaft, wohl zugute kommen um ihr Selbstverständnis als eigenständige Wissenschaft nicht zu erschüttern, aber mir scheint, dass eine anschließende Diskussion der Inhalte in Hinblick u.a. auf die Frage der ethischen Bewertung - um daraus für die Gegenwart und Zukunft - gewisse Erkenntnisse ableiten zu können, mehr als fruchtbar und reizvoll wäre.

Was insofern als wissenschaftlich gilt finde ich insofern recht banal; dass Geschichtsforschung überhaupt eine Wissenschaft ist, ist ja nun kein alter Stellplatz - das wurde bis in die heutige Zeit kontrovers diskutiert, manche sehen darin mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Die Frage finde ich, wie eingangs erwähnt, völlig uninteressant; wie man es auch immer betiteln mag, betrieben wird sie so oder so. Insofern finde ich auch die bloße Aussage, dass subjektive Wertung unwissenschaftlich sei nicht sehr hilfreich, denn es gibt eben keine Antwort darauf warum das denn so sein sollte.
;)

Dass eine subjektive Bewertung nicht Bestandteil einer wissenschaftlichen Darstellung sein kann ist ja erst einmal nur eine Behauptung; eine sehr prominente, aber ich glaube die Begründung dafür ist nicht so eindeutig. Die interessiert mich!

Aber gut. Vielleicht hat Deschner ein anderes Wertesystem, was den Umgang mit Quellen und Literatur angeht. Einem solchen Argument kann allerdings dann auch kein Historiker mehr ernsthaft begegnen, da es nicht mehr die konkrete Person Deschners beträfe, sondern für ausnahmslos jede These gelten müsste, die in die Welt gesetzt wird.

Dass er Quellen aus dem Zusammenhang reißt ist selbstverständlich, denn das tut jeder Historiker der sich entscheidet bestimmte Quellen als relevant für sein Thema zu erachten und andere nicht; gleichermaßen arbeitet jeder Historiker in der Interpretation der Quellen subjektiv, denn Interpretation ist kein objektivierbares Vorhaben. Ich mag das Thema nicht auf seine Person ummünzen, aber ich denke, es ist - wie immer - am klügsten sich selber ein Bild zu machen, denn lediglich weil K.H. Deschner Befürwortet und Kritiker hat ist ja nicht klar, welcher Seite man persönlich eher zugeneigt sei.

Gerade der unterstellte Mangel an historischen Denken ist es der mich umtreibt; denn leider verrät der Wiki-Artikel nicht, was genau denn 'richtiges' historisches Denken gemäß Auffassung des Kritikers ist. Es klingt schon irgendwie anmaßend, wenn man jemanden historisches Denken abspricht und sich impliziet damit zuspricht, zu wissen wie es richtig geht.

Das Hauptproblem war seine Wortwahl; dass er von Angriffskriegen anstatt von Ausweitung der Landesgrenzen sprach und derlei. Dabei beschreiben beide Aussagen ja denselben Sachverhalt, den ersten finde ich persönlich, trifft den Kern der Sache - allerdings natürlich mit einer bewusst negativen Konnotation - besser. Wie gesagt, vor allem in Hinblick auf die teilweisen Lobhudeleien oder quasi-Hagiographischen Geschichtsschreibungen von theologischen Autoren, verstehe ich die Problematik nicht; diese benutze sehr bewusst ein positiv konnotiertes Vokabular aber die Menge an historisch-theologischen Schriften die so einen Stil pflegen lassen in mir Zweifel aufkommen, als wenn damit jemand ein Problem hätte, obwohl es ganz klar subjektiv gefärbt ist. Wüsste auch nicht wieso; die Sprache alleine macht eine Arbeit nicht mehr oder weniger objektiv/subjektiv - einzig und allein hilft es dem Leser sich beim Lesen einer Lektüre klar zu machen, dass er da bloß eine Meinung in den Händen hält die er teilen oder auch ablehnen kann. Der z.T. schwurbelige, wissenschaftliche Jargon verschleiert das manches mal sehr gut und gaukelt Objektivität vor wo keine vorhanden ist.
 
Terranigma, Objektivität zu erreichen ist zwar wissenschaftstheoretisch gesprochen unmöglich - im Übrigen nicht nur in den Geisteswissenschaften! - sie ist aber der Wert an dem man sich orientiert. Die größtmögliche Nähe zur Objektivität - wissenschaftstheoretisch - ist die Intersubjektivität. Jeder Wissenschaftler - und erst recht jeder Geisteswissenschaftler - muss sich einer Ideologiekritik stellen, d.h. er muss sich seines eigenen Standpunktes bewusst werden und schauen, ob er einen Sachverhalt wirklich ehrlich betrachtet oder durch seine ideologische Brille. Ein Christ wird die Wissenschaftscommunity nicht davon überzeugen können, dass die Auferstehung Jesu ein Fakt ist, ein Muslim nicht, dass der Qur'an das authentische Wort Gottes (außer vielleicht die jeweilige Peer im eigenen Fachbereich). Wenn sie über diese Sachverhalte in ihrer Religion auf einer wissenschaftlichen Basis sprechen, müssen sie dabei berücksichtigen, dass sie ihren Glauben bei anderen nicht voraussetzen und nicht erzwingen können. Das gilt genauso auch für diesseitige Ideologien. Z.B. wäre es für die Historiker der DDR manchmal wünschenswert gewesen, wenn sie nicht jeden Aufstand durch die Brille des historischen Materialismus gesehen hätten. Sie hätten dann vielleicht an der einen oder anderen Stelle die Geschichte weniger verbiegen müssen. Ich halte den historischen Materialismus dabei durchaus für ein vernünftiges Modell zur Erklärung von Geschichte nur leider eines, was unter den politischen Bedingungen des Ostblocks den Status eines religiösen Dogmas angenommen hatte.

Intersubjektivität, das ist wie dieser Graph, der sich zwar immer weiter der x-Achse annähert, aber sie mathematisch nie erreicht, so nah er ihr auch kommt. Die x-Achse ist in diesem Fall die Objektivität. Wie oben gesagt: Sie ist der Wert an sich. Die Abkehr von ihr bedeutet Beliebigkeit und die Konsequenz wäre, dass es keinen Dialog mehr gäbe, weil eine gemeinsame Basis fehlen würde.
 
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Was heißt denn üblich? Dass diese Taten begangen wurden zeigt doch, dass das Wertesystem damals offenkundig ein anderes war als heute;
nein.
in der Zeit von 1933-45 waren die gesellschaftlichen und moralischen Wertmaßstäbe nicht bei der gesamten Bevölkerung ganz plötzlich andere als zuvor: wie sollte das auch gehen, wenn man doch anders sozialisiert war? und dass den verbrecherisch Herrschenden nur zu klar war, dass sie ethische Regeln verletzten, zeigen die sonderbaren Versuche der sprachlichen Ent-Wertung durch Pseudosachlichkeit sowie die Versuche, die Verbrechen dem Ausland gegenüber zu vertuschen. Die Veränderung bestand allgemein gesagt darin, einen Teil der Bevölkerung (vornehmlich jüdische sowie oppositionelle) gleichsam als vogelfrei zu definieren und zu eliminieren, während für alle anderen die gewohnten ethischen Maßstäbe nach wie vor galten (verkürzt gesagt: zerstörte einer das Schaufenster seines deutschen Nachbarn, bekam er gerichtlichen Ärger - machte er dasselbe bei seinem jüdischen Nachbarn, blieb der Ärger aus)

so einfach war oder ist es nicht, die Zeit von 1933-45 in eine Schublade "völlig anderes Wertesystem" hineinzustecken!


Sollte es illegitim sein die Praxis der Steinigung als Form der Hinrichtung in der Antike ethisch abfällig zu bewerten, da die Gesellschaft inkl. ihren Werten eine andere war als die heutige, so frage ich mich; daraus folgt doch konsequenterweise, das wir uns etwa über die Steinigungspraxis im heutigen Iran als Strafe für Ehebruch gleichermaßen eines Werturteils enthalten müssen und dies nicht anprangern dürfen, da das Wertesystem im Iran nicht dem unsrigen entspricht?
0h? Weht der Wind in eine tagespolitische Richtung?...

die zeitlich und kulturell recht umfangreiche Antike wirft weitaus mehr Fragen auf, als die willkürlich herausgegriffene Steinigung, anhand derer du offenbar einen Bogen zum heutigen Iran machen willst :winke:

es mag dich erstaunen: die heidnische Antike in- wie außerhalb des römischen Imperiums wie auch die christliche Spätantike und das christliche Frühmittelalter praktizierten Sklavenhaltung, und das obwohl sie doch recht unterschiedliche ethische Vorstellungen hatten - kurzum, ganz so einfach und verkürzt solltest du deine anfängliche Frage nicht stellen.

aber selbst wenn: was wäre gewonnen, wenn man feststellt, dass es moralisch nicht einwandfrei von den Vandalen war, die eroberte katholische Bevölkerung um Karthago zu schikanieren und zu enteignen? ...man wird die Vandalen weder umstimmen noch belehren können.
 
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Terranigma, Objektivität zu erreichen ist zwar wissenschaftstheoretisch gesprochen unmöglich - im Übrigen nicht nur in den Geisteswissenschaften! - sie ist aber der Wert an den sich hält. Die größtmögliche Nähe zur Objektivität - wissenschaftstheoretisch - ist die Intersubjektivität. (...)
völlige Zustimmung!!

und bezogen auf Terranigmas Fragestellung: bevor ich eine vergange Zeit, eine verschwundene Kultur, vergangene Ereignisse moralisch bewerte, muss ich sie möglichst gründlich kennen (erforschen) und damit als Ausgangsbasis einen intersubjektien Konsens herstellen.
 
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Ich fasse das Thema etwas weiter auf, und beziehe mich auf Rechtsethik bzw- Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte, um den zeitübergreifenden, subjektiv-logisch geprägten Hypothesen ein Normengerüst zur Verfügung zu stellen und es aus der Beliebigkeit von Zeitgeist(er)definitionen herauszuholen.

Angriffskriege des 20. Jahrhunderts

...sind aufgrund der eingetretenen, greifbaren völkerrechtlichen Entwicklung nicht mit den ethischen oder rechtlichen Maßstäben etwa zur Zeit der Kabinettskriege zu werten. Mit dem Versailler Vertrag wurde ein Entwicklung eingeleitet, die in der Ächtung von Angriffskriegen mündete:
http://www.geschichtsforum.de/f67/der-kriegs-chtungspakt-briand-kellogg-pakt-1928-a-8084/

Humanitätsschranken (zu den Kriegsverbrechen 1939/45, die schon angesprochen wurden), Kriegsverbrechen und Bemerkungen zur Waffen-SS:

Dazu Zitate:

„Diese damalige Beurteilung [Erschießung von Geiseln als Repressalie] mit der Bedeutung des Menschenrechts auf Leben schlechthin unvereinbar. Das Tatgeschehen umfasste die Erschießung einer Vielzahl wehrloser, an dem mit der „Vergeltungsaktion“ zu ahndenden Geschehen individuell nicht unmittelbar beteiligter Personen. Es wurde dabei auch nicht näher darauf Bedacht genommen, ob und inwiefern die Opfer etwa sonst in Schuld verstrickt waren; jedenfalls gab es hierfür keine wie auch immer geartete Aburteilung. Die Tat ist daher nach geläuterter Auffassung als derart menschenverachtend einzustufen, dass sie nur als rechtswidrig zu werten ist."

"Angesichts der … erörterten „Humanitätsschranke … hätte auch unter Berücksichtigung der Sittenverrohung während des Krieges auf eine derart qualvolle Vergeltungsaktion gegen für den Sprengstoffanschlag nicht unmittelbar verantwortliche Opfer gänzlich verzichtet werden müssen.
Erforderlich ist allerdings, dass der Angeklagte den offensichtlich verbrecherischen Charakter des ihm erteilten Befehls auch positiv erkannte. … Hieran kann indes – zumal angesichts der Herkunft des Angeklagten und seines Bildungsgrades – kein Zweifel bestehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang ist kein Raum, systemimmanent indoktrinierten Tätern eine Exkulpation aus subjektiven Gründen zu gewähren."


Damit wird ein rein subjektives Empfinden, dass eine „freie Regelsetzung“ ermöglichen würde, ausgeschlossen. Rechtspositivistisch, ohne die metaphysische, naturrechtliche Unterordnung von Rechtsregeln gibt das folgendes Bewertungsgerüst ab:

"… Das Gesetz findet dort seine Grenze, wo es in Widerspruch zu den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes oder zu dem Naturrecht tritt … oder der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als »unrichtiges Recht« der Gerechtigkeit zu weichen hat. Wird der Grundsatz der Gleichheit bei der Setzung des positiven Rechts überhaupt verleugnet, dann entbehrt das Gesetz der Rechtsnatur und ist überhaupt kein Recht ... Zu den unveräußerlichen Rechten eines Menschen gehört, dass er nicht ohne Gerichtsverfahren seines Lebens beraubt werden darf."


nein. in der Zeit von 1933-45 waren die gesellschaftlichen und moralischen Wertmaßstäbe nicht bei der gesamten Bevölkerung ganz plötzlich andere als zuvor: wie sollte das auch gehen, wenn man doch anders sozialisiert war? und dass den verbrecherisch Herrschenden nur zu klar war, dass sie ethische Regeln verletzten, zeigen die sonderbaren Versuche der sprachlichen Ent-Wertung durch Pseudosachlichkeit sowie die Versuche, die Verbrechen dem Ausland gegenüber zu vertuschen. Die Veränderung bestand allgemein gesagt darin, einen Teil der Bevölkerung (vornehmlich jüdische sowie oppositionelle) gleichsam als vogelfrei zu definieren und zu eliminieren, während für alle anderen die gewohnten ethischen Maßstäbe nach wie vor galten (verkürzt gesagt: zerstörte einer das Schaufenster seines deutschen Nachbarn, bekam er gerichtlichen Ärger - machte er dasselbe bei seinem jüdischen Nachbarn, blieb der Ärger aus) So einfach war oder ist es nicht, die Zeit von 1933-45 in eine Schublade "völlig anderes Wertesystem" hineinzustecken!

Ganz richtig. Dieses Wertegerüst, das für 1933/45 hinreichend durch gültige Normen und Rechtssysteme verifizierbar ist und greifbar war, kann nicht einfach durch Hinweis auf subjektive Anschauungen einer Gruppe beseitigt werden. Interessanterweise hat sich der NS selbst um Scheinlegalität im Rechtsbruch zum gültigen Normengerüst bemüht.

http://www.geschichtsforum.de/f66/machtantritt-hitlers-legal-3688/?highlight=legalit%E4t
Das Beispiel kann man beliebig über Strafrechtsänderungen, Kriegsrecht etc. erweitern.

Terranigma schrieb:
Konsequent durchdacht, wäre es somit auch wissenschaftlich illegitim den Holocaust als Massenmord oder Verbrechen zu titulieren, den SS-Anhängern dürfte man keinen Mord unterstellen - sie alle haben schließlich aus ihrer Zeitgebundenheit heraus agiert und besaßen einen anderen Wertemaßstab als wir heute. Nun, das lässt sich doch aber über praktisch jeden Menschen sagen!
Nach dem geltenden Normengerüst ist das unhaltbar, siehe oben. Im Übrigen wäre es eine merkwürdige Feststellung, den Wertmaßstab der Gruppe "SS" als Korrektiv oder "Ergänzung" zum allgemein gültigen Normengerüst zuzulassen, siehe oben zur Subjektivität. Das wäre auch gegensätzlich zu der oben dargestellten Konstruktion eines Zeitgeistes, bzw. würde diese Darstellung in der Beliebigkeit quasi zu einer Phalanx von Zeitgeistern ausweiten. Was dazu spätere Generationen sagen werden, ist rein spekulativ. Halten Sie sich in der Beurteilung an das damals gültige, sozusagen real existierende, anti-metaphysische Normengerüst, ist das Urteil jedenfalls identisch.

Mir ist bekannt, dass die Philosophie solche Hinweise auf Normengerüste teilweise mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert. Für den Historiker ist aber belanglos, da solche Normengerüste dazu dienen, ein "kontrolliert wissenschaftliches Werturteil" (siehe oben thanepower, ElQ) zu generieren und damit die subjektive Beliebigkeit ausschließen.
 
Ich erlaube mir zu ergänzen. Ich möchte nicht zu sehr in die Erkenntnistheorie abschweifen, da ich hier einfach keine Ahnung habe.

Bleiben wir bei den Historikern und Rechtsphilosophen.

"Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott..." (L. von Ranke). Soll also ein Historiker ein Werturteil über historische Prozesse, Erscheinungen, Phänomene etc. abgeben, so bleibt als Wertmaßstab ersteinmal das überpositive Recht, an diesem überpositivem Recht hat er sich m.E., zumindest als Metaebene, zu orientieren. Das wäre die 1. Ebene.

Die 2. Ebene ist die schwierigste Ebene. Das positive Recht nähert sich historisch immer mehr dem überpositiven Recht an. Das wäre die im Eingangsbeitrag benannte "Zeitgebundenheit". Fällt das positive Recht bzw. der historisch zu wertende Tatbestand hinter den bereits erreichten allgemeinen Annäherungsstand, zwischen überpositiven Recht und positiven Recht, zurück, muß eine Rechtsregression konstatiert werden (z.B. die NS-Herrschaft). Entsprechend sollte die ethische Wertung erfolgen.

Wäre so mein Ansatz.

M.
 
Ist ja hochphilosophisch heute. ;)

Besonderes achten würde ich auf die Intention, die der Beschäftigung mit "der Geschichte" zu Grunde liegt. Dies gilt sowohl für diejenigen, die dies tun, als auch für die Medien, Schriften etc., die sie dafür nutzen und die selber von Menschen mit Intentionen geschaffen wurden, vielleicht sogar mit der Intention, Geschichte zu vermitteln.

Versteht man "die Geschichte" als Summe aller menschlichen Aktivitäten, Handlungen und Interaktionen der Vergangenheit, gibt es ein eindeutiges Objekt. Ein bestimmtes Ereignis hat sich auf eine bestimmte Art und Weise zugetragen, oder auch nicht. Eine bestimme Person hat gelebt und gewisse Dinge getan, oder auch nicht. Würden wir ein vollständiges Wissen um die oben definierte "Geschichte" haben wüssten wir's... haben wir aber nicht; die verdammte Zeitmaschine harrt weiterhin ihrer Erfindung...

Geschichte (er-) leben und dann übermitteln, tradieren, aufschreiben können nur Menschen (und neuderings von Menschen bediente oder programmierte Kameras). Diese sind qua definitionem Subjekte mit einer subjektiven Weltsicht, die ihr Erleben und ihr Berichte beeinflussen. Insofern ist die Übermittlung von Geschichte, so objektiv die theoretisch auch sein mag, immer subjektiv (beeifnlusst). Selbst wenn ich selber derjenige bin, der Geschichte erlebt oder gestaltet, ist meine Wahrnehmung nicht objektiv, sondern von meiner eigenen Subjektivität beeinflusst.

Nun zurück zur Frage, warum sich überhaupt mit Geschichte beschäftigen, bzw diese vermitteln. ME steht hier neben reiner menschlicher Neugier und wissenschaftlichem Vorschungsdrang die Frage, was für Lehren aus "der Geschichte" bzw dem eigenen Verständnis davon zu ziehen sind. Auch in jedem Lehr- oder Schulbuch zu Themen der jüngeren deutschen Vergangenheit wird diese Frage implizit oder explizit enthalten sein. Spätestens bei der Beantwortung dieser Frage sind wir wieder bei reiner Subjektiviät, denn eine konkrete Lehre kann nur eine subjektive Person treffen.

Die von ElQ oben dargestellte Intersubjektivität (Danke dafür) ist für Erkenntnis und Präsentation ein wichtiges Ideal. Aneignen und evtl was daraus lernen (und damit meine eigenen subjektive Weltsicht verändern/erweitern) kann ich nur alleine.
 
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