Geschichtliches rund um Feuerwaffen

M

Maksim

Gast
Um Urvo's Thread über die Windbüchse nicht zu stören, hier ein Thread über Feuerwaffen bzw. geschichtliches rund um sie herum.

Wie in Urvo's Thread bereits geschrieben, auch klassische Vorderlader konnte erstaunliche Ergebnisse liefern.

Hier sei nun die Baker Rifle genannt, ein Vorderlader mit gezogenen Lauf, benannt nach dem englischen Büchsenmacher Ezekiel Baker, in die Britische Armee um 1802 eingeführt.

Die Baker Rifle wurde von den Rifle Regiments, kurz Rifles genannt, geführt und äußerst erfolgreich eingesetzt.

Wie im Wiki-Artikel genannt, von mir hier nur um eine Kleinigkeit ergänzt, z.B. in Spanischen Unabhängigkeitskrieg.

Der Schütze Thomas Plunkett vom 1. Bataillon der 95th Rifles traf den französischen General Colbert, aus der für die damalige Zeit unglaublichen Entfernung von über 250 Meter, unter einem Auge. Der Treffer war tödlich.

Plunkett hatte im Verlauf des Gefechtes, aus Gründen der Feuergeschwindigkeit, überwiegend mit unterkalibrigen Rundgeschossen gefeuert - damit auf die Vorteile des gezogenen Laufes verzichtet, da sich die unterkalibrigen Geschosse nicht in die Züge des Laufes einpassten und keinen Drall bekamen.

Für den Schuss auf Colbert lud Plunkett jedoch ein passgenaues Geschoss (.625 Zoll / 15,9 mm) mit Schusspflaster und soll sitzend geschossen haben. Für die Aussage im Wiki-Artikel, er habe - als man ihm einen "Glückstreffer" unterstellte - auf einen weiteren Soldaten einen gleich tödlichen Schuss auf gleiche Entfernung abgegeben, konnte ich keine Bestätigung finden.

(Siehe hierzu: "Die Geschichte der Gewehre" von Roger Ford)
 
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Dazu muss ich mal was fragen.

Wenn mann mit Kugeln schiesst, braucht man doch gar keinen Drall, bilde ich mir ein.
Der gezogene Lauf wird doch erst bei zylindrischen Geschossen wichtig.
Warum wird da immer darauf hingewiesen, das der Lauf gezogen war?
 
Hallo Florian, damit hast du prinzipiell recht. Es wurde bereits im 15. Jahrhundert erkannt, dass gerade Rillen in der Laufinnenseite das Geschoss stabiler fliegen lassen und es wurden Züge und Felder entwickelt, die spiralförmig verliefen und so dem Geschoss eine Rotation um seine Längsachse mitgaben, die das Geschoss stabilisierte und die Genauigkeit bedeutend verbesserte, nicht aber die Reichweite, da Gewehre mit gezogenem Lauf kürzer sein mussten. Das Laden eines Vorderladers mit gezogenem Lauf ist schwieriger, da das hierfür benötigte passgenaue Geschoss von der Mündung her den ganzen Lauf hinuntergestoßen werden muss. Zunächst wurden daher Rundkugeln mit gefetteten Schusspflastern verwendet. Die Pflaster fungieren als Dichtung und pressen sich beim Schuss in die Züge des Laufes, wodurch der Drall auf das Geschoss übertragen wird.
Um 1840 wurde mit dem Minie-Geschoss das Problem elegant gelöst. Das Geschoss ist dabei leicht unterkalibrig, d. h. minimal kleiner als der Laufdurchmesser, so dass es sich leicht laden lässt. Der Boden des Geschosses weist eine kleine Mulde auf; diese sorgt dafür, dass das Geschoss sich beim Schuss etwas verbreitert und in die Züge greift. Diese kleine Änderung vervielfachte die mögliche Kampfentfernung und hatte einen großen Einfluss auf die Kriegsführung (z. B. im Krimkrieg 1854 und im amerikanischer Bürgerkrieg).
 
Für Ehrenmänner und undisziplinierte Verschwender

Wie anderswo ebenfalls schon angedeutet, bestimmte Waffen galten als wenig ehrenhaft oder gar hinterhältig. Man sehe hierzu auch Friesengeist's Thread über Scharfschützen, aber auch den bereits genannten Thread über die Windbüchse.

Der Windbüchse z.B. wurde unterstellt sie sei "hinterhältig" weil sie beim Abschuss leiser war als herkömmliche Musketen. Hier ist natürlich auch der Hinweis berechtigt, dass der "Pulverdampf" des Schwarzpulvers fehlte - der die Position des Schützen verriet / verraten konnte.

Als Ende des 19 Jahrhunderts auch die russische Armeeführung einsah, dass es einer neuen Infantriebewaffnung bedurfte, und europaweit eine Ausschreibung zu einem neuen Infantriegewehr (kleinkalibrig, rauchlose Nitromunition, Mehrlader ...) veröffentlichte, kam es ab dem Jahre 1891 zur Einführung des "Винтовка Мосина" , des Mosin-Gewehres (auch als Gewehr Mosin-Nagant bezeichnet).

Eingeführt wurde es unter der offiziellen Bezeichnung:

3-хь Линнейною Винтовкою 1891 Года
Drei-Linien-Gewehr Modell des Jahres 1891

Anmerkung: Die Bezeichnung "Drei Linien" fußt auf dem (alten) russischen Längenmaß, der "Linie" (линя), welches 1/10 Zoll (2,54 mm) betrug. "Drei Linien" entsprechen daher einem Kaliber von 7,62 mm.

Das Gewehr wurde beim Truppenversuch in diversen Einheiten der russischen Armee als "wenig ehrenhaft" bezeichnet, da es über ein internes 5-Schuss Magazin verfügt(e), man dem Gewehr unterstellte es solle den Gegner mit einem "Bleihagel" überziehen. Ein solches "Verhalten" hielt man für "wenig ehrenhaft".

Als man Jahre später auch den Bestand an Faustfeuerwaffen (der russische Armee) erneuerte, z.B. den alten Schwarzpulverrevolver Smith & Wessen "New Model Russian" (Kaliber .44 Russian) durch den Nagant Revolver Mod 1895 (Kaliber 7,62 mm) ersetzte, kam es erneut zu Beschwerden aus der Truppe.

Der Nagant-Revolver verfügte über einen Spannabzug (Double Action) und konnte somit auch ohne vorgespannten Hahn abgefeuert werden. Dies hielt man für die Aufforderung zur "Munitionsverschwendung" in der Truppe.

Resultat: Für Offiziere wurde das "Offiziermodell" mit Spannabzug eingeführt, für andere Nutzer das Modell ohne Spannabzug - welches eben nur mit vorgespanntem Hahn abgefeuert werden konnte. Offizieren unterstellte man, sie könnten sich besser beherrschen und gingen verantwortungsvoller mit der Munition um.

Siehe hierzu:

Gewehr : Drei-Linien - Die Gewehre Mosin-Nagant von Karl-Heinz Wrobel.
Revolver: Maksims Gedächtnis - Irgendwo gelesen, Quelle vergessen.
 
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man braucht den Drall nicht unbedingt aber die lugbahn wird auch bei Kugeln durch den Drall stabiler
Grüezi

Mit der Rotation des Geschosses wird die Zielgenauigkeit wesentlich besser. Allerdings taucht ein neuer Effekt auf, die Derivation. Das Geschoss weicht wegen seiner Rotation seitlich ab.

Das Mass dieser seitlichen Abweichung ist abhängig von der Fluggeschwindigkeit und der Rotationsgeschwindigkeit des Geschosses. Wobei während des Fluges die Fluggeschwindigkeit stetig abnimmt, die Rotation aber beinahe konstant bleibt. Bei Handfeuerwaffen ist das alles nicht so dramatisch, aber bei der Artillerie spielt die Derivation eine grosse Rolle. Wechselnde Ladungen und eine Flugzeit von über einer Minute können da schon einige Hundert Meter Abweichung ergeben...

Gruss Pelzer

.
 
Das Mass dieser seitlichen Abweichung ist abhängig von der Fluggeschwindigkeit und der Rotationsgeschwindigkeit des Geschosses. Wobei während des Fluges die Fluggeschwindigkeit stetig abnimmt, die Rotation aber beinahe konstant bleibt. Bei Handfeuerwaffen ist das alles nicht so dramatisch, aber bei der Artillerie spielt die Derivation eine grosse Rolle. Wechselnde Ladungen und eine Flugzeit von über einer Minute können da schon einige Hundert Meter Abweichung ergeben....

die Abweichung beruht auf dem Magnuseffekt,auf der Seite der Kugel die sich in Flugrichtung dreht entsteht ein Auftrieb,der die Kugel in die entsprechende Richtung ablenkt
 
Offizieren unterstellte man, sie könnten sich besser beherrschen und gingen verantwortungsvoller mit der Munition um.

Dazu fällt mir eine Anekdote aus meiner NVA Zeit ein.
Immer wenn es hiess, morgen geht es auf den Schiessplatz mit scharfer Munition, waren die Offiziere am Abend vorher besonders freundlich zu uns. Auch als ich Wache stand mit 30 Schuss im Gewehr und 30 im Ersatzmagazin, hat man uns beim essen Platz gemacht.
Als ob ich jemandem was getan hätte. Aber man hatte Macht in den Händen.
 
Bevor das Minié-Geschoß eingeführt werden konnte, war die Erfindung der Perkussionszündung vonnöten ( durch Alexander Forsyth 1807 ). Der Druck durch das Pulvergas reichte in einem Steinschloßgewehr nicht aus, um ein Expansionsgeschoß durch den Lauf zu treiben. Schon durch Einführung der Perkussionszündung erhöhte sich die Geschoßgeschwindigkeit erheblich, sodaß weitere Schußentfernungen auch mit gepflasterten Rundkugeln ermöglicht wurden.
Da durch den einfachen Tausch des Schlosses und der sogenannten Schwanzschraube Steinschlosswaffen auf die Perkussionszündung adaptiert werden konnten, gibt es heute verhältnismäßig wenig gut erhaltene Steinschlosswaffen. Viele Steinschlosswaffen wurden auf Perkussionszündung umgebaut und weiter benutzt, bis sie nicht mehr zu gebrauchen waren.
 
Bevor das Minié-Geschoß eingeführt werden konnte, war die Erfindung der Perkussionszündung vonnöten ( durch Alexander Forsyth 1807 ). Der Druck durch das Pulvergas reichte in einem Steinschloßgewehr nicht aus, um ein Expansionsgeschoß durch den Lauf zu treiben. Schon durch Einführung der Perkussionszündung erhöhte sich die Geschoßgeschwindigkeit erheblich, sodaß weitere Schußentfernungen auch mit gepflasterten Rundkugeln ermöglicht wurden.
Da durch den einfachen Tausch des Schlosses und der sogenannten Schwanzschraube Steinschlosswaffen auf die Perkussionszündung adaptiert werden konnten, gibt es heute verhältnismäßig wenig gut erhaltene Steinschlosswaffen. Viele Steinschlosswaffen wurden auf Perkussionszündung umgebaut und weiter benutzt, bis sie nicht mehr zu gebrauchen waren.
Ich möchte da mal widersprechen. Der Unterschied des Gasverlustes durch das Zündloch ist zwischen Steinschloss und Perkussionsschloß nicht gravierend. Beide Waffensysteme haben bei Gewehren ungefähr eine Mündungsgeschwindigkeit von 250 m/s. Das kann schwanken und ist bei dem damals bis in das 19. Jahrhundert verwendete Schwarzpulver stark vom Feuchtigkeitsgrad abhängig. Der Vorteil der Perkussionszündung liegt daran, das zwischen Zündung und Schuß kaum Zeit vergeht. Bei einer Steinschlosswaffe muss sich erst das Zündkraut durch das Zündloch brennen, so das zwischen Abdrücken und Schuß eine Sekunde vergehen kann. Da ist dann schon der Hase weggehoppelt
 
Der Gasdruckverlust beim Steinschloss ist sehr wohl sehr erheblich. Ein entscheidender Teil entwich durch das Zündloch. Entscheidend dabei ist die Form und Größe des Zündloches. Im übrigen war bei den besseren Steinschlosssystemen das Zündloch nicht einfach in Höhe des Pulversackes seitlich durch den Lauf gebohrt, sondern in Form einer Zündlochschraube in den Lauf eingelassen. Die Innenbearbeitung der Zündlochschraube war entscheidend für Zündungsdauer und Abbrandverhalten des Schwarzpulvers. Oftmals waren die Zündlochschrauben von innen in Halbkugelform ausgebohrt.
Beim Perkussionssystem wirkte der Zündstrahl indirekt. Er wurde vom Zündhütchen über das Piston und die Pistonschraube im Zündkanal in den Pulversack gelenkt. Weiterhin wirkte das Zündhütchen im Augenblick der Zündung abdichtend, sodaß durch den Zündkanal kein Gas entweichen konnte.

Jeder der mit Vorderladerwaffen, nicht nur salutmäßig, sondern richtig geschossen hat, kann dies bestätigen. Im übrigen lernt man dies auch in den Lehrgängen, die für den Erwerb des Schwarzpulverscheines Voraussetzung sind.

Auf jeden Fall konnten die Expansionsgeschosse vom Typ Minié erst nach der Erfindung der Perkussionszündung verwirklicht werden.
 
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