Gibt es eine direkte Entwicklungslinie des "Langhauses"?

Griffel

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Mal wieder eine historische Nebenfrage. Die Germanen oder besser gesagt, die Stämme, welche unter dem Begriff Germanen zusammengefasst wurden, lebten ja in sogenannten Langhäusern.

Nun kommen kulturelle Veränderungen nicht über Nacht! Daher meine Überschrift. Gibt es eine direkte Entwicklung oder besser Weiterentwicklung dieser Langhäuser? So gesehen, dürften die Langhäuser, eines der langlebigsten Modelle gewesen sein.:cool: Bei unseren "nordischen Vettern", den Skandinaviern oder besser Wikingern, dürften die Häuser gleich oder ähnlich gewesen sein.

Immerhin, hielt sich die germanische Kultur relativ lange und unverändert im nordischen Raum. Es handelt sich dabei ja um eine Art von Fachwerkhaus. Allerdings haben die Wikinger später auch andere Häuser gebaut. Unter anderem aus Vulkangestein oder Grasteilen.
 
Wenn wir unter Langhaus alle Gebäude verstehen, die Ställe und Wohnbereiche unter einem Dach haben, sind sogar viele Schwarzwaldhöfe Langhäuser :)
 
Es gab auch andere Hausformen bei den Germanen. Langhaus ist zudem nur ein Oberbegriff für verschiedene Hausformen weltweit, Und germanisches Langhaus für verschiedene Hausformen im germanischen Barbaricum. Es gibt dabei regional und zeitlich verschiedene Typen und es ist bisher nicht möglich klare Linien zu ziehen.

Auch grob betrachtet gibt es ein Problem: Die Häuser waren von der Antike bis ins Mittelalter Pfostenhäuser: Pfostenhaus – Wikipedia

Im 13. Jahrhundert entwickelte sich dann mit der Ständerbauweise das Fachwerkhaus, dass die Pfostenhäuser ablöste: Ständerbauweise – Wikipedia

Und im 15. Jahrhundert entwickelte sich dann die Rähmbauweise: Rähmbauweise – Wikipedia

Allerdings wurde die Ständerbauweise parallel weiter benutzt.

Es gab aber Hausformen, die ältere Raumaufteilungen fortführten. Das sog. Niederdeutsche Hallenhaus setzte z.B. lange die Aufteilung von älteren Langhäusern fort: Hallenhaus – Wikipedia
 
Langhäuser gibt es seit dem Neolithikum - also lange, bevor wir von Germanen sprechen können, ja lange bevor Sprechergruppen indoeuropäischen Dialekts nach Europa vordrangen. Neolithische Langhäuser waren noch nicht so feingestaltig, wie spätere, sie waren im Prinzip Säulenhallen aus dicken Eichenstämmen. Mit der Zeit lernte man - auch da es immer weniger dicke Eichen gab - filigraner zu bauen (Ständerbauten). Ein Langhaus, also ein Wohnstallhaus, war keine „germanische“ Spezialität. Diese Bauten waren das Ergebnis der Bedürfnisse bäuerlicher Gesellschaften und bestanden aus den vor Ort zur Verfügung stehenden Baumaterialien.
 
Über die Konstruktion der Langhäuser ist reichlich wenig bekannt. Über die Anordnung der Pfosten wissen Archäolgen zwar sehr gut bescheid, aber danach hört er auch schon auf. Wie die Wände oder Dächer im Detail konstruiert waren, kann oft nur spekuliert werden - ebenso offen bleibt die Frage, ob es einen Dachboden oder gar ein Obergeschoss gab.
Besonders gut erforscht ist die germanische Siedlung Feddersen Wierde. Aufgrund der besonderen Bodenbeschaffenheit sind hier auch Teile der Bausubstanz erhalten geblieben.

Gut nachgewiesen ist die Funktion als Wohnstahlhaus. Klar erkennbar im Grundriss der Pfostenlöcher sind die Boxen für das Rindvieh - die Anwesenheit des Rindviehs kann sogar durch Spuren seiner Fäkalien nachgewiesen werden. Das Zusammenleben mit den Rindern unter einem Dach muss jedenfalls der Hauptzweck des Langhauses gewesen sein. Maßgeblich für die Maße des Hauses sind Rinder. Die Nutzung von Rindern als Wärmequelle ergibt vor allem in kälteren Regionen Europas Sinn, was das Verbreitungsgebiet der Häuser gut erklärt. Daneben existierten jedoch vereinzelt auch Langhäuser ohne Viehboxen, die wahrscheinlich als repräsentative Versammlungsräume dienten.
 
Ganz ohne Stahl kommt die Heorot tatsächlich nicht aus.;)
Im Heldengedicht Beowulf wird Hrothgars Halle Heorot ausgiebig beschrieben. Neben Goldschmuck ist dort auch von Eisenklammern die Rede. Entgegen den Worten des angelsächsischen Dichters stellen sich die modernen Romantiker diese Halle des Dänenkönigs allerdings als dunkle Höhle aus morschem Holz vor, in der wilde Männer auf Bärenfellen sitzen.
 
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Mal wieder eine historische Nebenfrage. Die Germanen oder besser gesagt, die Stämme, welche unter dem Begriff Germanen zusammengefasst wurden, lebten ja in sogenannten Langhäusern.

Nun kommen kulturelle Veränderungen nicht über Nacht! Daher meine Überschrift. Gibt es eine direkte Entwicklung oder besser Weiterentwicklung dieser Langhäuser? So gesehen, dürften die Langhäuser, eines der langlebigsten Modelle gewesen sein.:cool: Bei unseren "nordischen Vettern", den Skandinaviern oder besser Wikingern, dürften die Häuser gleich oder ähnlich gewesen sein.

Immerhin, hielt sich die germanische Kultur relativ lange und unverändert im nordischen Raum. Es handelt sich dabei ja um eine Art von Fachwerkhaus. Allerdings haben die Wikinger später auch andere Häuser gebaut. Unter anderem aus Vulkangestein oder Grasteilen.

Langhäuser gab/ gibt es auf vielen Kontinenten. Auf Borneo bauten unter anderem die Dayak Langhäuser.

Ich musste aber beim Begriff Langhaus spontan gar nicht als Erste an die Wikinger denken, sondern an die Irokesen.
Diese nannten sich selbst die Haudenosaunee-was soviel bedeutet wie die "Bewohner des Langhauses."

Die für die Irokesen typischen Langhäuser waren etwa 25 Meter lang und 6 m breit und hoch. Es lebten mehrere Familien in einem Langhaus. Der Hausbau galt als Männersache, Eigentümerin war aber eine Frau.

Die Irokesen (Iroquios) waren eine Föderation mehrerer Stämme. Generationenlang hatten sich die Mohawk, Oneida, Onondaga, Cayuga und Seneca bekämpft, bis es im 15. Jahrhundert Deganawidah, the Great Peacemaker, einem halb legendären Sachem gelang, die Stämme zu einen und die Föderation der Five Indian Nations zu begründen.

Die Irokesen betrachteten ihre Siedlungsgebiete im Bundesstaat New York und Ontario als großes Langhaus: Die Mohawk galten als Hüter des östlichen Tores, die Seneca als Hüter des westlichen Tors. Den 5 Nationen schlossen sich im 18. Jahrhundert noch die Tuscarora als 6. Nation an, die allerdings im Great Council kein eigenes Ratsfeuer besaßen.
 

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Über die Konstruktion der Langhäuser ist reichlich wenig bekannt. Über die Anordnung der Pfosten wissen Archäolgen zwar sehr gut bescheid, aber danach hört er auch schon auf.
Aus der Anordnung und Menge der Pfosten kann man schon das eine oder andere über die Architektur der meist dreischiffigen Häuser herleiten.

die Anwesenheit des Rindviehs kann sogar durch Spuren seiner Fäkalien nachgewiesen werden.
Das ist korrekt, evoziert aber in dieser Darstellung bei dem einen oder anderen Leser sicher falsche Vorstellungen. Man darf sich nicht vorstellen, dass da noch der Dung im Erdreich verblieben sei. Der Nachweis der Fäkalien erfolgt über den chemischen Nachweis von erhöhten Phosphatkonzentrationen.
 
Als Axiom ausgedrückt, könnte man @Griffels Eingangsfrage dahingehend beantworten, dass es lokal natürlich schon so etwas wie lineare Entwicklung und Weiterentwicklung von Langhaus-Modellen gibt, nicht aber die eine direkte Entwicklungslinie gibt, auf der alle anderen basieren.

Statt dessen sind völlig unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten, auf verschiedenen Kontinenten verschiedene Kulturen und Ethnien auf sehr ähnliche Ideen gekommen, und sie alle haben aus den verschiedensten Materialien Langhäuser gebaut.
 
Bei "Langhäusern" denke ich zuerst an die Bauernhäuser bei uns in der Gegend, die nennen sich "Trønderlån".

Trønderlån – Wikipedia

Das sind oft Mehr-Generationen-Häuser (gewesen), d.h. die nachkommende Generation hat einfach links oder rechts angebaut. Dadurch haben die manchmal erstaunliche Längen erreicht.
Diese Häuser sind aber reine Wohnhäuser, Stallungen und "Speisekammer" (stabbur) waren/sind separat.

Solche Häuser findet man hier in allen Zuständen, von zerfallen bis hübsch restauriert oder modernisiert.

Gruss, muheijo
 
"Langhaus" ist ein zusammengesetzes Wort, dessen Bedeutung sich scheinbar selbst erklärt. Ob der Sammelbegriff besonders viel Sinn ergibt, ist die andere Frage. Wir könnten auch von Baracken sprechen, aber das hat nicht den romantischen Klang. Eigentlich sind Baracken auch nur lange Häuser. Einen praktischen Unterschied gibt es nicht.

Es gibt keine kontinuierliche Entwicklung - schon gar nicht weltweit.
Viele Konvergenzen ergeben sich schon durch den Werkstoff Holz.
Es macht aber sicherlich einen großen Unterschied, ob Holz mit Steinwerkzeugen oder mit Metallwerkzeugen verarbeitet wird.
Spätestens wenn man Backsteine im Gefache erkennt, weiß man, dass das kein besonders urtümliches Gebäude ist.

Für die Langhäuser der Irokesen und die europäischen Langhäuser der Vor- Frühgeschichte wird zwar die gleiche Bezeichnung verwendet, dabei sind die Ideen dahinter sehr verschieden. Die Irokesen hatten kein Vieh, sondern lebten mit mehreren Familien zusammen in den riesigen Langhäusern, d.h. bis zu 100 Menschen unter einem Dach.
 
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