Goebbels und "Vom Winde verweht"

Jacobum

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Immer wieder liest man, dass Goebbels' Lieblingsfilm "Vom Winde verweht" gewesen sein soll. Auch Hitler soll diesen Film sehr geschätzt haben.

Hier ein paar Zitate dazu:

Die ersten deutschen Fans des US-Klassikers "Vom Winde verweht" waren Adolf Hitler und Joseph Goebbels. Die Leiterin des Filmmuseums Frankfurt, Claudia Dillmann, sagte im Deutschlandradio Kultur, die beiden Nazi-Führer hätten den Hollywood-Film vorab angeschaut und seien begeistert gewesen. Dies habe allerdings dazu geführt, dass "Vom Winde verweht" dem deutschen Publikum zunächst vorenthalten worden sei, so die Filmexpertin. Hitler habe befürchtet, dass darin die Überlegenheit Hollywoods gegenüber der deutschen Filmindustrie zu offensichtlich werde.

(Deutschlandradio Online)



Goebbels Vorbilder waren im Deutschland jener Zeit verbotene Hollywood-Filme wie "Vom Winde verweht", der das im Bürgerkrieg verbrennende Atlanta zeigte und dennoch Mut machte - weit subtiler als die bis dahin üblichen Propaganda-Filme. So etwas wollte er auch für das brennende Deutschland.

(Heise Online)



Der teuerste und letzte fertig gestellte Propagandafilm der NS-Zeit war Veit Harlans Agfacolor-Geschichtsklitterung »Kolberg« - Goebbels’ Antwort auf seinen (amerikanischen) Lieblingsfilm »Vom Winde verweht«.

(Rolf Giesen / Manfred Hobsch: Hitlerjunge Quex, Jud Süß und Kolberg
Die Propagandafilme des Dritten Reiches)


Dazu mal einige Fragen:

Wann und wo hat Goebbels den Film gesehen?
Wie ist er überhaupt an den Film rangekommen? Die Welturaufführung fand am 15.12.1939 statt, also bereits zu Kriegszeiten.
"Vom Winde verweht" wurde erst 1953 ins Deutsche synchronisiert, hat Goebbels so viel American-English verstanden? (Und Hitler?)

Weiß jemand näheres dazu?
 
Wenn man die Goebbels-Tagebücher online lesen möchte, muss man zuvor eine teure Lizenz bezahlen. Oder aber man benutzt die Suchfunktion und besorgt sich den entsprechenden Band in einer Bibliothek.
Da D mit den USA erst ab Dezember 1941 im Krieg war, würde ich, was das Herankommen an den Film angeht, kein großes Problem sehen.
 
Nun ja,es war eine Selznick-Produktion und dass Selznick als Jude den Nazis die Filmkopien vor der offiziellen Premiere überlies halte ich doch eher für unwahrscheinlich. Also kann es sich nur um illegal beschaffte amerikanischsprachige Kopien handeln und die durfte der böhmische Gefreite wohl nicht verstanden haben.
 
Aus dem Tagebucheintrag vom 30. Juli 1940:

"[...]
Abends nach Lanke. Wochenschau fertig. Ganz gut geworden, aber der Krieg fehlt. Der amerikanische Großfilm 'Vom Winde verweht'. Leider nur in englisch. Ist 5000 m lang und dauert 3 Stunden. Großartig in der Farbe und ergreifend in der Wirkung. Man wird ganz sentimental dabei. Die Leigh und Clark Gable spielen wunderbar. Die Massenszenen sind hinreißend gekonnt.
Eine große Leistung der Amerikaner. Das muß man öfter sehen.
Wir wollen uns daran ein Beispiel nehmen.
Und arbeiten."

25. August:

"[...]
Magda fühlt sich nicht ganz auf der Höhe und bleibt mit den Kindern in Schwanenwerder. Wir palavern etwas. Filmprobleme. Proben aus 'vom* Winde verweht', die sehr gefallen. [...]"

3. November:

"[...]
Filmleute zu Gast, denen ich den amerikanischen Großfilm 'vom Winde verweht' zeige, der allgemeine Bewunderung erregt. Mit Recht, denn er verdient das. Aber auch Stimmen des Zweifels melden sich. [...]"

Ob die Treffer mit dem Lemma verweht für die Jahre 1941 - 1944 (21.1.1941, 22.6.1941, 30.12.1941, 20.2.1942, 4.10.1942 und 11.2.1944) auch ergiebig sind, kann ich nicht sagen, habe nur den Band 8, April bis November 1940 besorgt.




*In der Ausgabe der Tagebücher vom IFZ ist "vom Winde verweht" hier wirklich kleingeschrieben, ich gebe das so wieder, weil ich nicht weiß, ob es sich um einen Druckfehler handelt, oder nicht doch schon um die goebbelsche Fassung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank, El, das sind schon ein paar aussagekräftige Fundstellen.

Jetzt würde mich nur noch interessieren, wie Goebbels an die Filmrolle gekommen ist. Evtl. über ein neutrales Land (Schweden, Spanien, Schweiz...)?
 
Wie gesagt, da sehe ich keinen Grund für. Dtld. und Amerika waren noch nicht im Krieg miteinander. Die Verhältnisse waren zwar gespannt, da eine klare Parteinahme der Amerikaner für England mehr oder minder offensichtlich war, dennoch dauerte es noch anderthalb Jahre bis Dtld. Amerika den Krieg erklärte. Der Produzent verband mit dem Film nun mal ein klares Interesse, nämlich die Kinokassen klingeln zu lassen. Und damit musste der Film quasi Goebbels bzw. seinem Ministerium vorgelegt werden, da hier die Entscheidung getroffen wurde, was in den deutschen Kinos gespielt werden durfte.
 
Auf "Spiegel Online" steht heute ein Artikel über Verbindungen zwischen Hollywood und Hitlerdeutschland.

Dort wird auch etwas dazu gesagt, wie die Filme zu Hitler, Goebbels & Co. kamen:

... hatten sich die drei Filmkonzerne Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), Paramount und Fox gar schon im Frühjahr 1933 zur Kooperation mit dem Nazi-Regime entschlossen; Adolf Hitler ließ sich neue Hollywood-Produktionen pünktlich vor der Premiere direkt aus den Kopierwerkstätten der drei Filmkonzerne in die Reichskanzlei schicken.

"Vom Winde verweht" stammt übrigens von MGM.

Der ganze Artikel ist hier zu finden:

US-Historikerstreit: Hollywood soll mit Hitler kooperiert haben - SPIEGEL ONLINE
 
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