Gosuintha

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Moin,

ich verstehe die Rolle von Gosuintha/Goswintha nicht.
Also, wir haben den König Leovigild (R. 569 - 586)
Leovigild hatte zwei Söhne:
  1. Hermenegild (Mutter unbekannt)
  2. Rekkared (nach manchen Darstellungen dieselbe Mutter, wie Hermenegild, nach anderen Gosuintha)
Gosuintha war die Witwe des Königs Aþanagild(s), nach dessen Tod wurde Liuva zum König erhoben, der seinen Bruder Leovigild zum Mitkönig erhob. Leovigild heiratete also die Witwe des Vorgängers seines Bruders.

Juan de Bíclaro (Iohannes Biclarensis) schreibt in seiner Chronik zum Jahr 569:

Huius imperii anno III Liuuigildus germanus Liuuani regis superstite fratre, in regnum citerioris Hispaniae constituitur, Gosuintham relictam Athanagildi in coniugium accipit et provinciam Gothorum, quae iam pro rebellione diversorum fuerat diminuta, mirabiliter ad pristinos revocat terminos.​

Also in etwa:

Im dritten Jahr der Herrschaft seines noch lebenden (wörtlich überlebenden) Bruders Liuva wurde Leovigild im Königtum des diesseitigen Spanien kosntituiert, er nahm Gosuintha, die Witwe von Athanagil in der Provinz der Goten zur Frau, die durch mehrere Rebellionen schon verkleinert war und rief wundersam die alten Grenzen zurück.​

573 stirbt Liuvu und Leovigild erhebt seine Söhne Hermenegild und Rekkared in den Königsstand.
579 verheiratet Leovigild seinen Sohn Hermenegild mit der katholischen Tochter des fränkischen Königs Sisbert.
Liuuigildus rex Hermenegildo filio suo filiam Sisberti Regis Francorum in matrimonium tradit et Provinciae partem ad regnandum tribuit.​
Kurz darauf rebelliert Hermenegild gegen seinen Vater und besetzt Sevilla:

Liuuigildo ergo quieta pace regnante adversariorum securitatem domestica rixa conturbat. Nam eodem anno filius eius Hermenegildus factione Gosuinthae reginae tyrannidem assumens in Hispali civitate rebellione facta recluditur, et alias civitates atque castella secum contra patrem rebellare facit. quae causa provincia Hispaniae tam Gothis quam Romanis maioris exitii quam adversariorum infestatio fuit.​
Der Katholik Juan von Bíclaro schimpft hier über die Rebellion des Hermenegild gegen seinen Vater, die Goten und Römern mehr Schaden zugefügt habe, als eine feindliche Invasion. Die Schuld an dem Aufstand und der Tyrannei Hermenefrieds gibt Juan der Königin Gosuintha (factione Gosuinthae reginae).
Im darauffolgenden Jahr - 580 - beruft Leovigild eine Synode in Toledo ein zu Gunsten des arrianischen Glaubens und dass es keiner Taufe bedürfe, wenn ein Katholik zum Arrianismus sich bekehre. Dadurch ließen sich viele Katholiken zum Übertritt zum Arrianismus bewegen. Diese Synode wird im Zusammenhang mit der Rebellion des Hermenegild gesehen. Hermenegild, mit einer Katholikin verheiratet sei zum Katholizismus übergetreten und dies der Grund für seine Rebellion.
583, also vier Jahre nach Beginn der Rebellion seines Sohnes beginnt Hermenegild Sevilla zu belagern, dabei stirbt sein Klient der subeische König Miro. 584 Gelingt es Leovigild, die Hermenegild und Sevilla in die Knie zu zwingen. Hermenegild wird in Gefangenschaft nach Valencia geschickt.
585 wird Hermenegild von einem gewissen Sisebut in Tarragona ermordet.
586 stirbt Leovigild und Rekkared wird König. Sisebut wird brutal zu Tode gebracht. (Sisbertus interfector Hermenegildi morte turpissima perimitur.)
587 im ersten Jahr seiner Herrschaft, in deren 10. Monat konvertiert Rekkared zum Katholizimus und mit ihm das westgotische (und mittlerweile angeschlossene suebische Königreich [nach Miros Tod war dessen Sohn König geworden, wurde aber von einem Usurpator ins Kloster geschickt und Leovigild hatte daraufhin den Usurpatator militärisch besiegt und und Kloster gesteckt, und sich das suebische Königreich einverleibt]).

Reccaredus primo Regni sui anno mense X catholicus deo iuvante efficitur et sacerdotes sectae Arrianae sapienti colloquio aggressus ratione potius quam imperio converti ad catholicam fidem facit gentemque omnium Gothorum et Suevorum ad unitatem et pacem revocat Christianae ecclesiae. sectae Arrianae gratia divina in dogmate veniunt Christiano.​
Mehr durch Überzeugung und Vernunft als durch Befehl seien die arrianischen Sektierer zum christlichen Dogma gekommen, schreibt Ihoannes.
589 konspirieren dann der (arrianische) Bischof Uldida und die Königin Gosuintha gegen Rekkared.
Uldida episcopus cum Gosuintha regina insidiantes Reccaredo manifestantur et fidei catholicae communionem, quam sub specie Christiana quasi sumentes proiiciunt, publicantur. quod malum in cognitionem hominum deductum Uldida exilio condemnatur, Gosuintha vero catholicis semper infesta vitae tunc​
terminum dedit.​
Ich verstehe nicht ganz, welche Schlechtigkeit die beiden genau begangen haben, jedenfalls reicht es aus, dass Uldida ins Exil gejagt wird, Gosuintha setzt ihrem Leben ein Ende.

Was ich nun nicht verstehe: 579 ist Gosuintha die Anstifterin Hermenegilds zu seiner prokatholischen Rebellion gegen seinen Vater und 589 geht sie - die schon immer eine Feindin der Katholiken war (vero catholicis semper infesta) - gegen ihren zweiten Stiefsohn bzw. vielleicht sogar leiblichen Sohn vor, der das Westgotenreich zum Katholizismus geführt hat?
 
Verworrene Sache bei den Westgoten...
Merkwürdig ist: der Wikipedia Artikel über den später heilig gesprochenen, prokatholisch rebellischen Hermenegild weiß nichts von einer Anstiftung durch Königin Gosuintha (es sei denn, ich hab da was überlesen)
 
Verworrene Sache bei den Westgoten...
Merkwürdig ist: der Wikipedia Artikel über den später heilig gesprochenen, prokatholisch rebellischen Hermenegild weiß nichts von einer Anstiftung durch Königin Gosuintha (es sei denn, ich hab da was überlesen)
So verstehe ich zumindestens Iohannes von Bíclaro:

Nam eodem anno filius eius Hermenegildus factione Gosuinthae reginae tyrannidem assumens in Hispali civitate rebellione facta recluditur,​
Alternativ könnte man natürlich auch denken, dass der arrianische Fanatismus der Gosuintha das katholische Paar Hermenegild+Ingund gewissermaßen ins sevillanische Exil und zur Rebellion gegen den Vater und seine Ehefrau (Leovigild+Gosuintha) getrieben habe. Dann gäbe es auch keinen logischen Bruch im Verhalten von Gosuintha.
Interessant ist aber, dass der Katholik Iohannes, der die Arrianer als Sekte bezeichnet und sie nicht als Teil der christlichen Gemeinschaft wahrnehmen nehmen möchte, Hermenegilds prokatholische Rebellion verurteilt. Ingund erwähnt er nur einmal als Tochter Sigiberts, die Leovigild seinem Sohn zur Frau gibt, ohne ihren Namen zu nennen, sie spielt für Iohannes keine Rolle.
Laut Iohannes ist Rekkared auch nicht Gosuinthas Sohn:

duosque filios suos ex amissa coniuge Hermenegildum et Reccaredum consortes Regni facit.​
und seine zwei Söhne von seiner verstorbenen (< verlorenen) Ehefrau, Hemenegild und Rekkared, machte er zu Konsorten des Königreichs.​
 
Ich verstehe nicht ganz, welche Schlechtigkeit die beiden genau begangen haben
Sie haben bloß vorgetäuscht sich zum Katholischen Glauben zu bekennen. Goswinda war vehemmente Arianerin und lebtags erbitterte Feindin des Katholizismus. Zu ihrem Selbstmord wird vielleicht auch beigetragen haben, dass sich der Katholizismus nun dennoch durchsetzte.
 
586 stirbt Leovigild und Rekkared wird König.
589 konspirieren dann der (arrianische) Bischof Uldida und die Königin Gosuintha gegen Rekkared.
Mit dem Beginn der Herrschaft von Rekkared 586 konnte Leovigilds Witwe noch jahrelang den Titel Königin Gosuintha beanspruchen/führen? Was hatte sie denn am westgotischen Königshof noch an Befugnissen und an Einfluß? Als Regentin (mangels König) wie Amalaswintha, Brunichildis, Balthild war sie doch nie an der Macht gewesen.
 
Sie haben bloß vorgetäuscht sich zum Katholischen Glauben zu bekennen. Goswinda war vehemmente Arianerin und lebtags erbitterte Feindin des Katholizismus. Zu ihrem Selbstmord wird vielleicht auch beigetragen haben, dass sich der Katholizismus nun dennoch durchsetzte.
Ich meinte in erster Linie den Text von Iohannes von Bíclaro, ich verstehe die Stelle nicht.

Mit dem Beginn der Herrschaft von Rekkared 586 konnte Leovigilds Witwe noch jahrelang den Titel Königin Gosuintha beanspruchen/führen? Was hatte sie denn am westgotischen Königshof noch an Befugnissen und an Einfluß? Als Regentin (mangels König) wie Amalaswintha, Brunichildis, Balthild war sie doch nie an der Macht gewesen.
Zumindest gesteht ihr Iohannes von Bíclaro diesen Titel zu. Sie war ja auch die Witwe zweier Könige.
 
Zumindest gesteht ihr Iohannes von Bíclaro diesen Titel zu.
Dass der katholische Bischof Iohannes von Biclaro nicht gut auf den arianischen König Leovigild und dessen Gattin Königin Goswintha zu sprechen war, weil Leovigild ihn (laut Wikipedia kurzzeitig) nach Barcelona verbannt hatte, könnte man für wahrscheinlich halten.
Nur nebenbei, nicht gar als Quelle aufzufassen, was Felix Dahn dazu schrieb:
Kein Wunder, daß G. nach Hermenigild's Untergang (13. April a. 585) und Leovigild's Tod (a. 587) den Uebertritt ihres zweiten Stiefsohnes, Leovigild's Nachfolgers, Rekared I. (a. 586—601, s. den Artikel) zu dem verhaßten Glauben (a. 589, III. Concil von Toledo) mit bitterstem Haß aufnahm, den sie anfangs zwar klüglich verbarg — sie trat sogar scheinbar selbst über, soll jedoch die von katholischen Priestern geweihte Hostie nie verschluckt haben —, aber später in einer gefährlichen Verschwörung mit Bischof Uldila, dem Haupt der (nun verfolgten) Arianer, und mit dem merowingischen König Guntchramn (s. den Artikel) entlud. Allein der Anschlag ward entdeckt, Uldila verbannt, das Heer Guntchramn's bei Carcassonne aufs Haupt geschlagen (a. 589). Da|überlebte die leidenschaftliche Greisin das Scheitern ihrer Pläne nicht: nach dem dunklen Ausdruck der Quelle (vitae tunc terminum dedit) ist Hinrichtung ausgeschlossen, Selbstmord nicht unmöglich, aber auch natürlicher Tod sehr wohl anzunehmen, von welchem z. B. bei Kaiser Tiberius II. derselbe Johannes von Biclaro den gleichen Ausdruck braucht.
Trotzdem stellt sich mir die Frage, was die Königswitwe Gosuintha nach dem Tod von König Leovigild noch für eine politische Rolle im Westgotenreich spielen konnte und was für Befugnisse so eine Königswitwe hatte, d.h. was machte sie zum Ansprechpartner, zur Komplizin der Verschwörung mit dem arkadischen Bischof Uldila, von welcher Dahn erzählt?
 
Danke, jetzt verstehe ich dir mir dunkel gebliebene Stelle. Sie hat die Kommunion empfangen, aber nicht geschluckt. Okay.

Dass im westgotischen und suebischen Hispanien, bis über dessen Ende hinaus, Königswitwen von den neuen Machthabern geheiratet wurden, scheint nicht ungewöhnlich gewesen zu sein und könnte vielleicht ein Schlaglicht auf die Rolle/Macht der Frau in den hispanischen Königreichen geben.

Wir haben da
Aþanagild(s) + Godsuintha > Leovigild + Godsuintha
Miro + Sisegu[n]tia > Audeca und Siseguntia, Audeca , der Usurpator, steckt Eborich/Eurich, den Sohn von Miro (und Siseguntia?) ins Kloster
Roderich + Egilona > 'Abd al-'Azîz b. Mûsà b. Nusayr + Egilona

Zumindest scheinen die Königswitwen eine Art Hausmacht gehabt zu haben, die es attraktiv machte, sie zu ehelichen.
 
Die Quellen frühstücken ja ganze Jahre mit zwei, drei Sätzen ab. Alles andere setzen sie stillschweigend als Alltagswissen/normal voraus.
 
...ja, leider - ich wüsste gern mehr über die Machtgeflechte des frühmittelalterlichen "Hoch"Adels und der got., vandal., fränk., burgund. Militäraristokratie. Ansippung, Einheirat waren probate Mittel der barbar. Warlords seit dem 4. Jh. und später Imitation der röm./byz. Kaiserfamilien (gelegentlich auch Einheirat in diese, Athaulf & Galla Placidia) und dann (später) eben auch allerlei dynastische Verflechtungen & politische Heiraten des barbarischen Hochadels untereinander (so auch Leovigild-Gosuintha)
 
Zurück
Oben